Pester Lloyd, August 1914 (Jahrgang 61, nr. 181-195)

1914-08-01 / nr. 181

7. PESTER LLOYD ús; 1 \ f feri ' «,k»:. O. Samstag, 1. August 1914 ; 3 zeugen des" Mordes und im Taumel des vergossenen Blutes einander zerfleishen und mit unabsehbaren Hela­­tombenreihen den Boden, auf dem gestern no Zivilisä­­ten wartete, über und über bededen werden. Fragt niemand in Europa sich, warum und wofür die Schwerter aus der Scheide fliegen, die Flinten Tod und Verderben speien, die Geschüge mit jedem einzelnen, ihrer Geschäffe blühende Menschengarben hinmähen sollen? Würfen sie diese Frage auf, sie würden erheben, die tragische Toll­­heit, die sie mit sich­­ fortreißt, erkennen und noch, im fetten Augenleid sich zur Umkehr entschließen müssen. Unsere Monarchie allein weiß, weshalb sie zum Schwert gegriffen hat. Sie hat es getan, weil sie dazu von der Mahnheit des serbischen Verbrechertums herausgefordert war. Bon Rußland it es eine unerhörte Anmaßung, uns darin behindern zu wollen. Und von den übrigen Völkern Europas, die sich durch diesen vuffiichen Schritt Sorgen hinein­­zerren lassen,­ ist­­ es unbegreifliche Verblendung, Daß sie, statt übereinander­­ herzufallen, nicht mit vereinter Kraft gegen den xuffilchen­­ in einen Krieg von­ unberechenbaren Dünfel auftreten. Wir haben Rußland nichts getan, haben von ihm nichts verlangt, haben es nicht beleidigt. Wir haben, was unser unbestreitbares Recht ist, bloß von Serbien Rechenschaft gefordert, und wenn das Bärenreich uns in der beh­affneten Auseinanderlegung mit Serbien Bindern till, so muß es aller Welt flat sein, daß Ruß­­land der Angreifer ist und wir die Angegriffenen sind. Die allgemeine Mobilisierung Rußlands hat unsere Monarchie mit der­ allgemeinen Mobilisierung auch ihrer ganzen Wehrmacht beant­worten müssen. Allein in diesem Falle ‚gilt es wirklich, daß wenn zwei dasselbe tun, es nicht dasselbe ist. "Rußland mobilisiert, um uns anzugreifen. Wir mobilisieren, Auftreten ist unzweideutig aggressiv; das unsere it offen­­sigt sich eine Versichtsmaßregel, die wir nicht verabsäumen durften. Das ist der Lajfische Bündnisfall,­ der den Dreibund auf die Beine­ stellen muß. ° Freilich, die Mobilisierung it ja­no mit der Krieg. Aber Dünn wie ein Haar eines neingeborenen Kindes ist die Linie, die sie vom Kriege noch­ trennt. Ein Wunder müßte geschehen, um das Neuferste und Schred­­lite, das schon an der Türschwelle steht, noch im’ Iekten Aber das Europa, das sich durch den russischen Dünkel in einen völkermordenden Krieg hineinschleppen läßt und den Saiser von Ruß­­land als den Gebieter der ganzen Kulturwelt anerkennt, i­ Schon unsäglich genug, um als Wunder zu gelten, Den Frieden zu retten, müßte also ein zweites Wunder no) kommen. Wo ist ein Wunderglaube einer solchen Illusion Hinzugeben? fühn genug, um Den Völkern Europas steigt das Blut zu Kopfe, trübt die Erregung der Nähe des Strieges das Urteil und blendet die aus dem Unterbewußtsein aufsteigende, heute vorerst noch glimmende, morgen vielleicht schon in hellen Flammen­ auflodernde Leidenschaft den Blick. Im diesem Zustande nicht an zu sehen, wer heute den Frieden vermögen sie und erst die Weltgeschichte wird es dem­ Formmenden Geschlecht­ sagen müssen. Wir wir willen und rufen es aber, die Wölker dieser Monarchie, in die Welt hinaus, daß Rußland ist, an diesem Kriege, dem schredlichsten, den die Welt jemals gesehen, der das Erd­­­reich Europas jemals mit einem Ozean Menschenblutes getränzt­ hat. Klar sehen wir es und laut in die Welt und sind mit ruhigem, Gemwiffen rufen wir es des Urteils der Zukunft gewärtig. Pochend auf unser Recht, bauend auf unsere Sraft an­vertrauend in Die Treue­­ unserer Verbündeten, sind wir des Sieges unserer Sache ebenso ewig wie der Nemesis, die den Mutvillen, der diesen Altfrieg entfesselt, ereilen wird. Die rufhidje Mobilisierung nd wohne und daß. Wir wollen sie lediglich xuffischen die heute über versichert, seinerlei daß ag Rußland inne als Borsichts­­maßregeln aufzufaffen seien. Die Unbeeinflußten in Europa werden wien, daß diese Worte der amtlichen Mitteilung feine Heuchelei und feine Phrasen sind, daß sie die pure Wahrheit bedeuten, den Krieg mit Rußland nicht. Unsere mili­­tärischen Vorkehrungen sind Vorsichtsmaßregeln,­­ aber allerdings unerläßliche. Die Situation it ja ganz Har. Rußland erklärt zwar ebenfalls, daß er seine aggressiven Absichten mit seiner­­ Mobilmachung verfolge; wenn aber ein Staat, fest bei der Monarchie der Fall it, mit einem Gegner Krieg führt und ein Dritter in seinem Naden folge Verfehrungen trifft, so muß der krieg führende Staat sich doch Vorschtsmaf­­regeln gegen die Möglichkeit­­ hüten Daß er überrascht und­­ überrumpelt werde, es ist noch heute die Möglichkeit nicht auszufglichen, daß u der zufrü­hen Mobilmachung der *Friede er­­halten bleibt. Wenn Diese Erwartung Erfüllung fanden wird, so werden wir nur jagen können, umso hesser. Rußland hat, mobilisiert, einen logischen und not­wendigen Grund dafür kann man kaum finden. Wenn wir Serbien angegriffen haben, so weiß jeder, warum wir das getan haben und warum wir ,das haben tun müssen Wir dürfen auch jet, wo unsere Kanonen bereits­ sprechen, uns noch immer als die fried­­lichste Macht in Europa bezeichnen. Denn auch den Krieg mit Serbien führen wir nicht aus Kriegsluft oder um Eroberungen willen, sondern wir haben ihr begonnen für unseren und für den europäischen Friedet Wir wollen nichts von Rußland, haben niemals von ihm oder einem anderen Nachbar etwas Unrechtes ge­wollt. Aber das, was wir haben und was unser eigen it. Das­ wollen und das werden wir schüchten Wir werden dabei natürlich nicht allein stehen; die Meldungen aus Berlin vom heutigen Tage beweisen dies. Wir stehen heute noch­ auf dem Standpunkt, daß der europäische Friede erhalten w­erden könnte. Wenn Kurland ihn erhalten will, so wird er erhalten bleiben. Der­ Schlüssel der Situation is aus­­schließlich in Petersburg Am Deutschland ist­­noch Feine, Mobilisierungsorder im technischen Sinne des Wortes erlassen worden; es ist allerdings möglich, daß jeden Augenblick eine derartige Nachricht eintrifft. Ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen z­wischen der österreichisch-ungarischen und der russischen Regierung it noch nicht erfolgt: „Es ist möglich,­­ daß, Rußland durch seine Mobilisierung nur markieren will, es sei auch noch da, daß es bloß wegen seiner Nationalisten und Pan­­flabisten, solche wegen iir Prestiges im Innern und nach außen vermeiden will. “Daß, die Sache so’ aussehe, als ob Rußland nicht in den Lage wäre, Serbien seinen Schuß angedeihen zu lassen. Rußland meint mit seiner heutigen Mobilisierung ungefähr folgendes:: „Ich­ werde mich ruhig verhalten. Aber wenn­­ zwischen Defterrei)­­Ungarn und Serbien der Friede gemacht wird, werde ich eingreifen.“ Slam ist schon heute, daß, wenn es ihm­ er­ laubt würde, exit banik einzugreifen, dies von Rußland bewaht "würde, um vielleicht eine Geste zu machen, mit­ der irgendeine kleine Konzession für das besiegte Serbien herausgeschlagen werden soll, um das Zarenreich in der Rolle des großen Slawenprotestors’und Balkanjhugheren fortbestehen zu laffett. In wem­ man aber diese Motive Rußlands­­ annimmt und erträgt, so muß man sich folgendes sagen: Abge­­sehen davon, daß eine solche Handlungsmweise Rußlands nichts anderes wäre, als die Betätigung eines russr­chen Protestorats und unsere Duldung einer solchen Handlungsweise eine Anerkennung Die­ses V­rotestorats von unserer Seite, also abge­sehen an davon, können wir und Deutsch­­land, unmöglich Rußland so lange Zeit lassen,­ seine militärischen Verfehlun­gen eventuell fortzuseßen, bis es dann zu spät wäre und wir zu der Gr­enntnis fümen, Daß wir eine Vorsichtsmaßpregel verabsäumt haben Frankreich hat bishe­ g­ewisse verbreitende Maßnahmen getroffen,aber noch keineeferk vsiften einb­erufe1­.Es ist auch­ g­ ar1fic­ k,taus­­eichsoffen, Daß­ wir von einer Stunde, zur anderen bergen anderer Natur aus­ Baris bekommen. Aller­dings ist bisher nichts bekann : «’i’. England bemüht sich fort und ssort,’eine Ver­­mittlung iherbeizuführtem es wirdi«bestimmt,n­ ich«t,Eng­­­lands S­chuldsseitr,weil 11 es i mit·seinen Bem­ühng«en Scheitern follte — seine Elhuld ebenso wenig, wie Die unstige. Es sind Meldungen da, daß die Shweiz,­Hol­­land und Belgien sofort nach dem­ Eintreffen der Nachricht von waffischen Rüstungen militärische Bot­fehrungen getroffen haben. Dies ist deshalb bemerkens­­wert, weil, wenn selbst diese von Rußland der wet meit entfernten Staaten sich doch die rufsischen Rüstungen gleich derart bedroht fühlen. Da sie mili­­terte Verfügungen treffen, die Folgerung, wie wir > « lient. Fällen zu handeln haben, doc Die Bedeutung der Mobilisierung. nach englischer Ans­ fasfung. ; 7­7 ‚London, 31, Juli. Das „Reuterische Bureau“ erfährt, daß am 28.d. abends eine partielle russische Mobilisierung im Süden und Südwejiten angenrötet worden it. Dies beinhalte seineswegs einen Ab­­bruch der Beziehungen zwischen Oester­reich-Ungarn und Rußland, und man hofft mit Zuversicht, daß es den europäischen Mä­ch­ten gelinge, ein Einvernehmen herbei­zuführ­en (Ung. Tel-Sorr.-Bur.“) . England an den kontinentalen Fragen uninteressiert, London, 31, Juki.: ‚Beltminster Gazette“ schreibt: : Wir­­ ver­trauen darauf, daßs Grey jedes denkbare Mittel erschöpfen wird, um den Frieden­ zu erhalten. Inzwischen sind wir entschieden gegen einen­ Versuch,­­seine Hände zu binden und ihn schon im voraus auf einen­ bestimmten Kurs des­­ Handelns festzulegen. Er hat einzig nur dann Aussicht, Europa in dieser Lage zu helfen, wenn er unpartei­­isch als Vermittler zwischen den Lagern geht. Der Gedanke, daß er, während er seine Uninteres­­siertheit betont, tatsächlich ein Parteigänger is, würde für jeden Einflus, den er auf die Magie des Dreibundes ausüben würde verh­ängnisvoll sein. Niemand kann sagen, wie sie Die Dinge ent­wickeln werden und was unsere Pflicht in dieser Woche erhei­cht. € 3­ sind zweifellos Umstände denkbar, unter welchen England kein uninteressierter Ausdauer des europäischen Konflik­s bleiben könnte Alle Mächte sind in der Lage, die Umstände zu beurteilen und sie zur vermeiden, aber wir haben Interessen und Verpflichtungen zu berücksich­­tigen, die jede Entscheidung ernstlich berühren, die Wir hinsichtlich des europäischen Konflikts treffen mögen, nämlich die Sicherheit Indiens und das Interesse der überseeischen Dominiong und Bejigungen Es ist müßig in einem folgen Mugenblich so zu spremen als Ein Vorschlag Hanotang’.. Haris, 31. Jul. Ueber die europäische Krise schreibt der ehe­­malige Minister des Reuketn Hanotaur im „Sigaro“ Wenn es sich nur darum Handelt, Serbien eine etwas derbe Lesition zu erteilen und­ Vorschtsmaßr­egeln für die Zukunft zu treffen, können wohlgesinnte Unterhändler selbst in der gegenwärtigen Stimmung einen Boden für die Verständigung finden. Könnte man nicht ein System diplomatischer Bürgfrxkarten schaffen, das erforderlichenfalls später­ auch, die Mächte genehmigt würde? Wenn man iwirtlich den Krieg bet.­­ meiden will, so­lt dies ein Ausweg. Er kann mit rede­licher Unterstüßung der französischen Diplomatie gefunden werden. Wir sind gewiß bündnistreu, aber gerade das gibt uns das Regi mit zu« sprechen. . .­­ ; Die militärischen Vorbereitungen Deutschlands. Berlin. 31. uk Der Bundesrat stimmte heute der Erlassung von drei kaiserlichen Verordnungen zu, betreffend das, Mmerbot der Ausfuhr von Verpflegung, Getrru und Luttermittel, von Tieren ,und tierischen Erzeugnissen, von Kraftfahr­­t­­en. D 5. Motorwagen, Motorfahrrädern und Teilen davon, sowie Mineral- und Rohölen, Steinsohlen, Teer und daraus Hergestellten Delen. Die Verordnungen treten sofort in Kraft. "Die Fahrt des Neu­ekanzlers nach dem Silo. Berlin, 31. Zug. Das Bekanntwerden der Erklärung des Zu­standes, der drohenden Kriegsgefahr in Deutschland, vier an der Börse begeisterte patriotische, Kundgebungen hervor, so unummunden erkennen. n­ur Heute, ja nicht zum ersten Male an, saß Wilhelm der Zweite ich doch seine Haltung namentlich in den letten Jahren als aufrichtiger Freund des Völkerfriedens bewährte. Die Preise für das Vorgehen der Negierung. Berlin, 31. Zug. Die Preise fährt fort, die Situation als un vermindert ernst anzusehen und betont die Selbstverständlichkeit, daß Deutschland augenblicklich Gegenmaßregeln trifft. Der „Lokalanzeiger“ schreibt, man m­üsse in Petersburg zu verstehen geben, daß man hier nicht g­ez­weigt sei,­das fortgefegte NRaffeln mit dem Gräbel gleigültig Hinzunehmen. ‚Die Wirkung an der Berliner Börse, Berlin, 31. Zul. Um 3 Uhr nachmittags. fuhr von der Bevölkerung lebhaft begrüßt Neipskanzler von Bethman-Hollmey nach dem Schloß. Eine Anerkennung des „Vorwärts“ für Kaiser Wilhelm I. Der heutige „Vorwärts“ betreibe “im Leitartikel unter anderem: So unverschleiert prinzipielle Gegner der sein werden, einen so erbitterten Kampf wir Häufigmiegen monarchischen Staatsform wir allezeit gew­esen sind und den temperamentvollen­ Träger der Krone führen mußten, — Yugendlich: abzuwenden. sich allein schuld (0. i Unsere Mobilisierung ist Htersive um uns zu ‚verteidigen. Nußlands, dem grausamsten, ihre Tolgen, (Zelegtramm des Pejter Lloyd“) Wien, 31. Juli. die Folge Mobilisierung. Die amtliche Mitteilung, unsere Mobilisierung ‚ausgegeben wurde, unseren militärischen ER Tendenz gegen bedroht, der wie : dies in ähnligen » ganz nahe­­­erer TEN, 81. Int­er, ob wir unbegrenzte Streitkräfte Hätten, die wir vollständig für militärische Unternehmungen in Europa bestimmen könnten, abe an die gewaltigen In­teressen anderwärts zu Denken die un­­serer Obhut anvertraut sind Englische Blätterstimmen. ... a London, 30. Juli. „Daily Chronicle“ begrüßt das völlige Richtvorhandensein einer antideut­­schen Stimmung in England. — Die ‚Morningpost“ glaubt, daß der nationale Instinkt verlange, Da England auf Geste Stanfreidhs stehe. „Daily Telegraph" treibt: Lebten Endes­­ dulden wir der Tripelentente Loya­­lität und Treue. Wir beabsichtigen, unsere Dgul digkeit zu erfüllen. Bis aber die legte Krise eintritt, ist weiter Raum für Die britische Vermittlung, vorhanden. Mi ." a Die „Times“ sagen: Falls Deutschland und Frankreich mobilisieren, sei es Pflicht Englands, sofort Vorbereitungen zu treffen, um Die Freunde zu unterlüßen, wenn sie zum Gegenstande eines uns gerechten Angriffes gemacht, würden. „Daily New 3“ betonen dagegen: Die Grundsäbe und Interessen diktieren gleichmäßig einen einzigen Kurs, nämlich die Wahrung der absoluten Neu­­tralität, wenn der befragenswerte Streit, woran England keinerlei Ars­teil habe, den großen­­ kontinentalen Mächten dem Strieg bringen sollte. Pichon für die Fortdauer der Unterredungen. ·­·’ Paxig,31.Juli. Der ehemalige Minister des Reußers Pichon schreibt dem»På­ titJournal«:·Man­ müsse den Wunsch aussprechen daß die Unterredungen fortdauen.« Wenn eine Verständigung nicht sofort erzielt wird, möge die Kühlung zwischen den Nähten fortdauern und­ nicht Irreparables sie trennen .Alle Mächte müssen » Vorsichtsmaßregeln treffen und dies is­t eine der geringsten Gefahren der gegenwärtigen Lage. Um­­ diese Gefahr zu überwinden, müssen die Unterredungen von London den Boden zur Vermittlung abgeben. — 8 Ur, y

Next