Pester Lloyd, November 1915 (Jahrgang 62, nr. 305-318)

1915-11-02 / nr. 305

MORGENBLATT Budapefi, Dienstag, 2. er November 1915 Ti war Generalvertretung d­ie dr. MT Daken Hachfaier Acht Wien, Weif­olger ‚wol Auch alle anderen renommierten « Falle zur Is klertse Briefe werden nicht · Pudapekt 1. November. Bom Arsenal zu Kragujevac grüßen seit heute früh '* siegreichen Kriegsfahnen u unserer Monarchie und des deutischen Verbündeten weit in das serbische Land hinein. Der Fall dieser serbischen Stadt ist ein Todesstoß, der das Königreich Serbien mitter ein$ Herz hinein getroffen­­ hat. Nicht allein vermöge seiner­ geographischen Lage im Zentrum des Landes in Kragujebac ein­ dem serbischen­­ Staate unentbehrliches Lebensorgan gewesen; für die ‚militärische Kraft des Landes, für den weiteren Striegs­­­verlauf und für seine Wehrfähigkeit überhaupt hatte diese Stadt eine — man­ kann ohne Medertreibung jagen — ‚ausschlaggebende Bedeutung, denn in ihrem Weichbilde­­iegen die Waffenfabriken und das Arsennal, die das ganze­­ serbische Heer mit Gewehren,­ Gewehrpatronen, Geschüß­­rohren, Artilleriemunition, also allen zur Kriegführung nötigen Mitteln versehen haben. Der Verlust dieses A­rsenals und dieser Waffenfabrik bedeutet, im Vereine­n mit der Abdrängung der serbischen Streitkräfte von der Donau, die Unfähigkeit Serbiens, für Feuerwaffen jeg. Tier Art Erjat zu schaffen. Das wird und muß einen "Lähmungszustand im Gefolge haben, der, je zäher sich , Serbiens Widerstandskraft erweisen möchte, die Weiter­­führung des Krieges desto mehr exisctieren und desto­­ rascher unmöglich machen wird. Die Tatsache also, daß­­ die verbündeten Truppen der Armee Kövejs von Sragu­­‚ebac Befib ergriffen haben, ist gleichbedeutend mit einer verhämgnisvollen und entscheidenden Einbuße für die erbische Arm­ee: mit der Einbuße ihrer Operationsbasis u­nd in politischer Hinsicht ist der Verlust dieser Stadt durchaus geeignet, dem serbischen Bolte die Vergeblichkeit seiner weiteren Anstrengungen klarzumachen. Kragujevac­ht den Serben in kultureller und wirtschaftlicher Hinsich­t nicht minder wertvoll als in militärischer Hinsicht ge­­­wesen. Als Mittelpunkt eines regsamen Handels und als mit höherer Unterrichtsanstalten hatte Kragujevac für Serbien die Bedeutung einer zweiten ‚Hauptstadt. Was ‚Diese­ Stadt dem nun zusammenbrechenden­ Serbenstaate ‚war,­geht aus dem Volkslied ‚hervor, worin Belgrad. und ‚Kragujevac einander gegenübergestellt werden: , Beogradi ‚salud tebi hwala,‘ kadje tebi Kragujevac glawa.” („Umsonst, oh Belgrad, ist dein Lob, solange Kragujevac ‚dein Kopf ist.“) Nun ist der Kopf vom ohnehin schon ‚Mark verstümmelten Rumpfe abgetrennt. Serbien tarnt­e seinem Verhängnis nicht mehr entrinnen. Gleichzeitig 111i­des­ Kunde von der Einnahme der Stadt Kgujevac trifft die amtliche Meldung des Feld­­­marschalleutnantsböfer von dem endgültigen Scheitern­s der dritten italienischen­ Bronzooffensive ein.Volle zwei­­ Wochen hindu­rch hat diese Schlacht Tag und Nacht ohne­­­nterlaß gewüte.Nachdem in den ersten zehn Tagen jahrefeindlichen Angriffe gegen unsereronzofront geschei­­­tert waren,setzte Cadorna am elften Tage zur Entschei­­­dung, die er herausforcieren wollte, frisch herangezogene Truppen ein, mit denen die Stärke der feindlichen An­­­greiffstruppen sich auf­ fünfundzwanzig Divisionen erhöhte. Ialien warf seine beste Kraft in diesen Kampf, op es ‚weder an Aufgebot von Maffett, noch an Zähigkeit und Mut im Angriff fehlen; nicht allein weil die Geister im Hinterlande nach den ungeheuren Opfern eines fünfm­ona­­tigen Ringens immer stürmischer einen sichtbaren Erfolg ersehnen, sondern auch­, weil der ganze Vierverband nur noc) von einem italienischen Durchbruch am Sfonzo einen Umschwung in der durch den Verlauf der Balkankämpfe für ihn immer au­ssichtsloser sich gestaltenden allgemeinen­­ Kriegslage erhoffen durfte. Von innen und von außen zu ‚der unerhörtesten Kraftanstrengung gedrängt, hat also Italien sein möglichstes getan; aber an dem Heldensinn ‚und der Begeisterung unserer Verteidigungstruppen ‚müßte die Stoßkraft der italienischen Waffen zerstellen. ‚Die dritte Offensive flaut bereits ab, ihre Bilanz fann­ schon gezogen werdet. "Der Ansturm ist wieder einmal sbgeschlagen, wir haben unsreie Stellungen auf allen Linien der Südwestfront siegreich behauptet, ohnmächtig unielt der geschlagene Angreifer zurück und büßt seinen von Bertud­ mit dem ganz ungeheuren Verlust von nicht­iger als 150.000 Mann. Damit ist die dermalen einzige Hoffnung des Vier­­endes, dem­ Kriegsglad eine Wendung abzutroken, tig zertonnen. In Rubland und­ auf dem westlichen Kaupla sind die Energien unserer Feinde ge­­: Italien mußte sich abermals von der völligen gSlosigkeit seines furchtbar opferreichen SKraftauf­­s erzeugen, Derbien ist bereits in den Staub ge­­d erschöpft seine legten Kräfte in einem ebenso “en wie erbitterten Ringen, so­llt die au­ge­­ndlage besschaffen. Die Gärungen, Zufungen " Krisen in allen Ländern des­­ Vierverbandes B in seinen­ Wölfern die, Erkenntnis sich all­ ringt, daß der Krieg,­den ihre Regierenden u, ein Verbrechen tat, dessen Sühne bereits "Die Vernichtung der Zentralmäche ist un­­wißlungen, alle Anschläge gegen sie sind ge­gen, österreichisch-ungarischen, bulgarischen und tür­­­ a der Nord- und Ostsee bis zum Berfischen | 4 Aegypten steht die granitene Schuhmauer der fiihen Heere da, eine eiserne Riesenfront, an deren festem Gefüge jegliche Brandung zu Gift zersprühen muß. Mit erschöpften Kräften und gefnischten Hoffnungen bllden die Böffer des Vierverbandes auf dieses Ergebnis des großen Ningens, und der Unmut, mit dem sie sich gegen die verant­­wortlien Führer­ ihrer Kriegspolitik führen, gewährt einen Sr Einblik in die Seelenvorgänge, die, von der Themse bis zur Newa.fid fest in den Volkswasfen vollziehen. In den uns feindlichen Völkern ist der Sieges­­wille gebrochen, wanft der Glaube an die eigene Kraft, und in den Bitterseiten, die sich nicht mehr niederhalten lassen, steigt aus den Herzensgründen die verzw­eifelte Einsicht auf, daß das Spiel verloren sei. % FR ı Dier fahre Stürgkh. Von einem österreichischen Politiker. . « Wien,1.November. Seit dem Vesuche,den die ungarische Huldigungs­­deputation mit dem Grafen Tipa an der Spitze Wien abgestattet hat,erschein­t es wohl geradezu als eine in beiden­ Staten selbstverständliche und gern geübte Pflicht, gegenseitig von allen bedeutsamen fachlichen Geschehnissen­, auch wenn sie überdies einen besonderen persönlichen­­ Charakter haben-Kenntnis zunehmen.Und so bin ich gewiß,­daß diese Zeilen,die dem vierten Jahrestage des Kabinetts Stürgkh gelten,jenseits der Leitha die ge­­wohnte ritterlich-freundliche Aufnahme s finden werden. Es handelt sich nicht um eine Huldigung­ für den Grafe­n Stürgkh,obzwar die nachstehenden Erörterungen an­ die Jahreswende des­ Amtsantrittes des Österreichischen Ministerpräsidenten anknüpfen; dem Grafen Stürgkh ift, das müssen auch seine Gegner rückhaltlos zugestehen, per­­sönlich Eitelkeit wirklich ein ganz fremdes Element; es handelt sich au­ch­ um eine Verteidigung oder Stoßung, die überflüssig wäre; das Jubiläum Stürgkh beweist etwas, ‚das für Ungarn und in nicht geringen Maßen auch für das Ausland von Wert ist: die Stetigkeit des inneren Regimes in Oesterreich. Graf Stürgkh stand im dritten Jahre einer Minister­­präsidentschaft, als der Weltkrieg ausbrach. Die parlamen­­tarischen Kämpfe hätten ihne­n wie jedem österreichischen Premier oft scharf zugefegt, seine Position jedoch in nichts geschwächt. Die Angriffe gegen ihn hatten nicht vermocht, auch nur ein Eden von dem Fundament abzuschlagen, auf dem er steht. Strenge Sachlichkeit, volles Vertrauen der Krone und die unbedingte Anerkennung seines ehr­­lichen Willens und seines vornehmen Charakters.. So war er denn auch geeignet, die ungewöhnlich schwierigen Aufgaben,auf seine Schultern zu nehmen, die die notwen­­dige Umgestaltung der öffentlichen Verhältnisse­­ in den Kriegszustand geschaffen hat. „Daß nicht jede Lösung allen entsprach, muß nicht besonders betont werden. Da im großen und ganzen in Oesterreich die Sympathien für den arbeitsamen W Bremser, der bescheiden so wenig als möglich in die Deffentlichkeit trat, immer stärker wurden, das Tann Heute, am­ Sclusse des vierten Jahres seiner Amtswirksamkeit, ohne Furcht bei einem Dementi mit der Gnadlichkeit des Geschichtsschreibers konstatiert wer­­den. Und da muß man nun auf ein Moment zu sprechen kommen, das im Laufe der lebten Dezennien in der inneren Politik Oesterreichs eine große Rolle spielte. Nämlich auf die Frage, die von ehrgeizigen Politikern als bequemstes Mittel für Agitation gern bewußt wurde, auf­ die Frage: Welches ist das Verhältnis des österreichi­­schen Ministerpräsidenten zu Ungarn? Der Krieg hat die stolze Zusammengehörigkeit, die Intimität der beiden Staaten glänzend , dokumentiert. Auch das Verhältnis des österreichischen und des ungari­­schen P­remiers mußte sich ändern. Auch Geschäftsfreiumde müssen im wirtschaftlichen eben bei aller gesellschaftlichen Sneimität­ ihre Interessen sorgsam wahren; sie stehen, so­ein sie sich auch persönlich haben­ mögen, doch immer auf dem Habt-Adht-Standpunkt. Das­ ist ihr gutes Recht, und ihre Eflicht. Graf Tifa und Graf Stürgkh­ erfaßten aber die höhere Synthese und stellten das gemeinsame Inter­­esse stets über momentane einzelne Differenzen. Daß sich, wie alle Eingeweihten wissen, zwischen dem Grafen Tifa und dem Grafen Stürgkh eine herzliche Freundschaft ent­­wickelte, dafür war Graf Stürafh geradezu der providens­tielle Mann. Desterreicher bis in die Sinodhen, trägt Graf Crürgfh der schwierigen Struktur Desterreichs, den polit­­ischen, wirtschaftlichen und nationalen Eigentümlich­­keiten seiner Heimat vollste Rechnung, die aus dem tiefsten Verständnis entspringt. Nichts lag ihm und liegt ihm ferner, als auf einen momentanen rauschenden Effekt hinzuarbeiten oder gar i­egen der Apblaussalve irgend­­einer Gruppe ein höheres oder zeitlich ferneres Interesse aufzugeben. Wer etwas genaueren Einblick in die­ Ge­schichte der lebten Monate hat, darf ruhig behaupten, daß in nicht ferner Zeit Graf Stürgfh "gerade dafür ‚vollen Dank ernten wird, wofür ihm hie und­­ az­­ «­­­k da in dmIetztenå Withen in diesem oder jesem Konvem­­­orijetz. Sie­­ den Grete auf­ der Strache, He Hehe titel Tritiide Mißstimmung zuteil wurde. Daß Graf Stürnich in allen Fragen, die zwischen Wien und Bubda­­bek­ spielten, nit ein Duenichen beredtigten öster seidi­­sch das werden Die. Zejer .Dieser ien Intgren­es preisgab, Zeilen im Ungern bestätigen. Speziell jene ungarischen Im. Stabsquartier. — Bon­ unserem Berichterstatter im deutschen Großen Hauptquartier — ,, Großes Hauptquartier,28.Oktyme C Eku Tag im stabsquartier des Armee-Oberko­mmtth der...Armeewährung der großen Champagnes «Tag und Nacht schallt der Donner der schwyren Gesch znsurzheyi bey wir können nicht«unterscheidett,",ob—xxi oder feindliche Batterien ihrec­ernepracherede ThMP dem­"Lebhaftert werden«des­ Feuers«kann man erkennen,­daß dort vorn im Süden ein Artillerieduell ausgefochten wir,s vielleicht eine Schlacht im Gange ist und der unbarmherzige Tod seine Opfer fordert und reichlich erhält. Aber dieses vernichtungbringende Feuer,diese wahn­­sinnige Kanonade hier dicht hinter der FrontuiInmt nur für kurcheitunsere Aufmerksamkeit gefangen,da«dieses Gebrüllt der Geschütze schon zur Gewohnheit gewordeIt ist,ja selbst den Schlaf nicht mehr stört. « : Ganz anders dagegen fesselt das pulsierende Leben im unserer allernächsten Nähe! Das Straßenbild beansprucht unser ganze I­nteresse. Dies Heine Landstädtchen, in dem jet das Stabsquartier­ eines unserer Armeekommandanten errichtet it, ist zu einem Militärlager erster Ordnung umgewandelt; nur wenige bereinsamte Zivilpersonen sind zu sehen und die man auf der Straße trifft, sind entweder altersschwache Leute oder sie sind beschäftigt und tragen als äußeres Abzeichen Binden­ der verschiedensten Farben und sind dadurch all Angestellte in­ deutschem Dienst gegen gute Bezahlung gekennzeichnet. Kinder und weibliche Wesen sind farn zu finden. Dagegen aber wim­­melt er wie in einem Ameisenhaufen von Soldaten aller mög­­lich Truppenteile. PER Die einen, von Kopf bis zu den Füßen neu eingefleidet sind soeben angenommen und nur für kurze Zeit einquartiert; "die anderen, von oben bis unten beschmubt, mit einer Dolide Kruste frischen, [häusig m weißgrauem Lehms des Schübe­grabens bedect, Dem sie erst in der vergangenen Nacht b­lafsen Haben, oder aber geronnenes bdides Blut; bevmi mit anderem Unrat, lebt noch an ihren Waffen und , leid Viele der Mäntel und sonstige Befleidungsfuüde sind brannt, schwefelgelb gefärbt oder schwarz verfehlt . Kampf mit Hand- und Gasgranaten. Nichts am Körper , mehr in feiner Grundfarbe zu erkennen. Viele von ihnen haben Kopf­ und Armverlegungen, oder sie haben scherere Berlegungen an den Armen, wie die rot umränderten Zettel auf der Brust, die oft schon mit dem Eisernen Kreuz und an­deren Dekorationen gesgmüdt sind, angeben. Trotzdem sie innere Kämpfe verliebt haben und er sehr müde und ruhebedürftig sind, gehen unsere Leute spazieren, da sie seit langer Zeit sich wieder mal in getäloffenen Orte, sogar in einer noch ungerstörten € befinden, wie sie­ eine solche vielleicht­­ seit Mona mehr gesehen haben. Sie füllen die Läden, um ihren erwachten Bedürfnissen abzuhelfen, oder der Wissen­er läßt sie die neuesten Zeitungen lesen, oder aber­ der Bes­­chhönerungstrieb und der Reinlichkeitstrieb führt sie zum fannte, das Bild der Heimat taucht bei ihnen auf, Erinne­­rungen werden aufgefrischt, Grüße übermittelt, sie begegnen­­ alten Regimentskameraden, die sie bei Wochen verwundet " gesehen Haben und schom länaft tot mwähnten, wieder... alle feiern sie ein herzliches Wiedersehen auf der Straßel Ne ; Ei­er .

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