Pester Lloyd - esti kiadás, 1929. június (76. évfolyam, 121-144. szám)

1929-06-01 / 121. szám

PESTER LLOYD o^o Samstag, 1. Juni 1929 Arbeiterpartei für die Konzipierung der Thronrede sorgen müsse. Ramsay Macdonald warnte seine Wähler nach seiner erfolgten Wahl vor einem übertriebenen Optimismus. Niemand möge glauben, daß man nun in Milch und Honig schwimmen werde. Der wirk­liche Kampf werde erst jetzt anheben, und er könne die Verantwortung nur dann übernehmen, wenn die Partei in geschlossenen Reihen hinter ihm steht. Snowden führte in einer Londoner Rede aus, das bedeutendste Ereignis der Wahlen sei die voll­ständige Vereitlung aller liberalen Hoffnungen. Die Liberalen können selbst in den Landbezirken keine Resultate aufweisen. Sir Austen Chamberlain erklärte in seiner Rede, es seien kaum 7 Prozent der liberalen Kandidaten gewählt worden, immerhin aber gelang cs den Libe­ralen, die bürgerliche Einheitsfront zu spalten. Chamberlain hofft, der Ministerpräsident werde im Parlament den Kampf aufnehmen und die Verant­wortung für die geschaffene Lage auf Lloyd George überwälzen. Lloyd George behauptet in einer seiner Reden, keine einzige Partei sehe ihre Hoffnungen bestätigt. Der Kampf nach drei Seiten habe allerdings auch den Liberalen stark zugesetzt, doch scheint aus der Lage hervorzugehen, als ob die Liberalen die Be­rufung hätten, das politische Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Partei werde sich dieser Aufgabe nicht in feilschender Art, sondern den Interessen des Landes entsprechend unterziehen. Das Land brauche gegenwärtig eine stabile Regierung, und die Liberale Partei werde hierauf unter allen Um­ständen Rücksicht nehmen. Laut des Genfer Korrespondenten des Daily Telegraph werde Sir Austen Chamberlain kaum auf der Madrider Völkerbundsession erscheinen, und England werde dort möglicherweise durch Sir Cecil Hurst vertreten sein. Chamberlain ist zwar Vorsitzender der Studienkommission für Minoritä­tenfragen, doch könne ein Beschluß auf -September verschoben werden, und gegenwärtig sei seine An­wesenheit nicht vonnöten. Englische Blütterstimmen. London, 1. Juni. (Ung. Tel.-Korr.-Bur.) Das bisherige vorsichtige Ver­halten der Presse und der politischen Führer spiegeln den Eindruck wider, daß die auf einen toten Punkt gelangte Situation vom Standpunkte der Landesinteressen auf jeden Fall als schädlich erachtet wird. Die Aussicht einer Regierung von Gnaden der Liberalen scheint weder auf die Konservativen noch auf die Sozialisten irgend­welche Anziehungskraft auszuüben. Daily Herald, das amtliche Blatt der Arbeiterpartei, hebt in seinem Leitartikel auch schon hervor, daß man es in der Partei gar nicht übel nehmen würde, wenn die beiden bürgerlichen Parteien versuchen würden, dem So­zialismus seinen Sieg strittig zu machen, und nimmt es für sicher an, daß die Logik der Ereignisse die Konser­vativen md die Liberalen in das gleiche Lager konzen­trieren wird. Times und Morning Post verurteilen aufs schärfste die Liberale Partei, der sie die Hauptschuld für die gegen­wärtige Lage zuschreiben. Times meinen, daß von 135 konservativen Verlusten zumindest 80 auf das Schuld- Uonto der Liberalen zu schreiben seien, deren Kandida­turen zum Teile von allem Anfang hoffnungslos waren, woran auch die verblüffenden Versprechungen Lloyd Georges nicht zu ändern vermochten. Daily Telegraph ist das einzige konservative Blatt, das Baldwin zwischen den Zeilen empfiehlt, sein Kabinett zu rekonstruieren. Dasselbe Blatt verweist auch darauf, daß Ramsay Macdonald und Lloyd George gegenseitig er­klärt haben, von einer Kollaboration nichts wissen zu uollen. Daily Mail vertritt als einziges Organ die Ansicht, daß eine neue allgemeine Wahl nicht vergeblich sein würde, wogegen sämtliche anderen Blätter betonen, daß hieran nicht einmal gedacht werden könne. Die beiden liberalen Organe Daily Chronicle und Daily News freuen sich insofern über die neue Konstel­lation, als diese vielleicht den Liberalen die Entscheidung zwischen den beiden Hauptparteien in die Hände geben wird, müssen jedoch bekennen, daß das Resultat die Libe­rale Partei schwer enttäuscht habe. Französische Blätterstimmen. Paris, 1. Juni. (U. T.-K.-B.) In der französischen Presse wird das Ergebnis der englischen Wahlen überaus lebhaft kom­mentiert. Excelsior stellt fest,, daß das englische Volk der halben Maßnahmen müde sei und mehr entschlossener und offener Methoden bedürfe, damit die produktiven Kräfte Englands aus ihrer gegenwärtigen Stagnation her­ausgerissen werden können. Ere Nouvelle begrüßt im Namen der französischen Demokraten freudig den Erfolg der englischen Arbeiter­partei und erinnert daran, daß Herriot im Jahre 1924 bei seinen Bemühungen zur Befestigung des europäischen Friedens durch Macdonald aufs entschiedenste gefördert wurde. Oeuvre freut sich gleichfalls über den Sieg der eng­lischen Demokratie, ohne sich übertriebenen Erwartungen hinzugeben. Volonte sieht das hervorragendste Merkmal der neuen Lage in einer Neigung zur Unbeständigkeit. Petit Journal stellt die Behauptung auf, es sei nun nach dem Vollzug der englischen Wahlen jedermanns erste Frage, wann es Neuwahlen geben werde? Selbst die Unverzagten glauben nicht, daß sich die derzeitige par­lamentarische Lage über ein Jahr halten könnte. Journal und Populaire betonen, daß eine neue, durch Macdonald gebildete Regierung keine geschlossene Mehr­heit hinter sich haben und wahrscheinlich bald durch die beiden Bourgeoise-Parteien zum Sturz gebracht würde. Auch Echo de Paris hebt die Hemmungen hervor, denen eine Regierung Macdonald ausgesetzt sein müßte. Avenir bedauert den Sturz des Kabinetts Baldwin, das sich Frankreich gegenüber stets aufs loyalste benom­men habe. Matin erhofft auch für die Zukunft ein friedliches Zusammenwirken der beiden Länder, obschon in der Diplomatie sich die bisherige Atmosphäre einer Entente cordiale wohl schwerlich wird aufrechterhalten lassen. Ataslasuclseliau. -- 1. Juni. — Eine Einigung über die deutschen Vorbehalte. In unserem Morgenblatte veröffentlichten wir eine kurze Meldung darüber, daß nach der Einigung in der Ziffernfrage nunmehr auch die Verständigung über die deutschen Vorbehalte erfolgt ist. Die Promptheit, mit der die Arbeit der Sachverständigen zu Ende geführt wurde, zeugt von dem Willen, auch um den Preis gegenseitiger Opfer zu einem Ende zu kommen, und unter solchen Umständen ist auch an­zunehmen, daß die direkten Verhandlungen zwischen Deutschland und Belgien über die belgische Mark­schuld bald erfolgreich durchgeführt sein werden. Es liegen nunmehr von offizieller deutscher Seite die Einzelheiten über das Abkommen hinsichtlich der deutschen Vorbehalte vor. Gleichzeitig mit den deutschen Vorbehalten wurde aber auch eine Reibe außerordentlich wuchtiger Fragen — wie die das Kapitals und der Gewinne der Reparationsbank — geregelt. Die einzelnen Punkte des Abkommens, die unsere bisherigen Meldungen ergänzen, sind die folgenden: 1. Was die Höhe der ungeschützten Annuität betrifft, ist grundsätzlich eine Einigung dahin zu­stande gekommen, daß sie einschließlich des Zia­­sendienstes für die Dawes-Anleihe konstant 600 Mil­lionen Mark betragen soll. (571 Millionen ohne den Zinsendienst für die Dawes-Anleihe,) 2. Zur Tilgung der 21 letzten Annuitäten für die Schuld bei Amerika soll die Bank für internationale Zahlungen in der Weise herangczpgen werden, daß SO Prozent ihres Gewinnes bereits vom ersten Tage des Funktionierens ab in einem für diesen Zweck bestimmten Fonds angesammelt werden. Die Ab­tragung der 21 Jahreszahlungen soll also durch An­wendung der Methode der Akkumulierung vor sich gehen. Ein weiterer Betrag zur Deckung dieser letzten 21 Annuitäten wird sich aus einer eventuellen Herabsetzung der amerikanischen Schuldenforderun­­gen ergeben können. Für diesen Fall ist unabhängig von dem Reparationsbericht, also ohne Mitarbeit der amerikanischen Delegation, ein Verteilungs­­abkommen in Aussicht genommen, das Deutschland 662/3 Prozent dieser eventuellen amerikanischen Nachlässe verspricht, den anderen Ländern ßß'/g Prozent mit der Maßgabe, daß solange nicht voll­ständige Deckung für die letzten 21 Annuitäten vor­handen ist, diese Länder von ihrem 331/3prozentigen Anteil 81/,, Prozent von dem gesamten Nachlaß an die diesbezüglichen Fonds der Bank für inter­nationale Zahlungen abführen. 3. Das Kapital der Bank für internationale Zah­lungen soll 400 Millionen Mark betragen. Es sollen Í I einzahlen die alliierten Länder: 1. zinsenlos einen j ßeti-ag von 200 Millionen Mark, stammend aus den in der Kasse des Generalagenten für die Repara- I tionszahlungen liegenden Summen; 2. einmalig den ! j Betrag des ungeschützten Teiles einer Jahreszahlung, | also etwa 660 Millionen Mark, und zwar diese zins- . tragend und ohne daß eine Eigentumsänderung vor sich gebt. Deutschland soll entsprechende Einzah­lungen leisten, und zwar: 1. zinsenlos 100 Millionen Mark, stammend aus den beim Kommissär für Re­parationszahlungen durchgehenden Summen; 2. die­ser Plan hat noch keine bestimmte Gestalt angenom­men — etwa 300—4Ó0 Millionen Mark als zins­tragende Anlage, ohne Eigentumsänderung, viel­leicht in Form von Raten ä 50 Millionen Mark. Die Notenbanken sollen gegen einen geringen Zinssatz bei der Bank für internationale Zahlungen einen Devisenbetrag hinterlegen, dessen Höhe noch nicht bestimmt ist. 4. Die geplante Regelung sieht die Abschaffung aller Kontrollen vor. Die Eisenbahn- und Industrie­obligationen werden verschwinden. Die Reichs­­eisenbahngesellschaft zahlt auf Grund besonderer Abmachungen mit dem Reiche 645 Millionen Reichs­mark im Jahre in Form einer Steuer. Dieser Betrag wird von der Reichsbahngesellschaft unmittelbar auf das Konto der Bank für internationale Zahlun­gen bei der Reichsbank eingezahlt. Der Betrag, der nahezu den ungeschützten Teil der Annuität deckt, läuft also nur durch den Etat durch. 5. Berücksichtigt wird ferner das Recht Deutsch­lands, sich je nach der Lage der Umstände den ' Rückkauf von ausgegebenen Anleihen oder konver­tierten Anleihen vorzubehalten. 6. Was die Heranziehung der Nachfolgestaaten zur Aufbringung der Leistungen angeht, so wird das Gutachten der Sachverständigen dahingehen, die Gläubigermächte aufzufordern, innerhalb der Frist eines Jahres zu bestimmen, was damit geschehen 'soll. 7. Die Liquidationsmaßnahmen hören innerhalb eines Jahres auf. (Ebenso die Schiedsgerichts- und Ausgleichsverfahren.) 8. Das Aufbringungsmoratoriuni wird — wie bereits berichtet — mit dem Transfermoratorium, das ihm in der Anwendung vorausgehen muß, ver­bunden werden. Das Transfermoratorium soll nach dem Plane von seiten der deutschen Regierung auf zwei Jahre erklärt werden können. Nach einem Jahr soll die deutsche Regierung die Möglichkeit haben, für die Hälfte der Summe, für die der Trans­ferschutz in Anspruch genommen wurde, das Auf­bringungsmoratorium zu verlangen. Die Entschei­dung hat im Einvernehmen mit dem zuständigen Prüfungsorganismus der Bank für internationale Zahlungen zu erfolgen. 9. Die in. Deutschland angcsammelten Beträge bedürfen nicht, wie von den Gläubigern anfänglich gefordert worden war, einer besonderen Sicherstel­lung, sondern die Reichsbank soll hinsichtlich ihrer Anlegung freie Hand behalten. Der Bereich der Ver­wendung dieser Summen soll sich nicht nur auf die Gewährung von zinsenbringenden Anleihen be­schränken, sondern auch zur Finanzierung von Spezialsachiieferungen dienen, das heißt, Sach­lieferungen solcher Art, bei denen feststeht, daß sie nicht zu Lasten des kommerziellen Exportes gehen, sondern als zusätzlicher Export anzusehen sind. Der Recovery-Akt, der 20 Prozent für Sachlieferungen ausmacht, wird sich der fallenden Kurve der Sach­­lieferung (von 750 Millionen durch jährliche Ver­minderung um 50 Milionen auf 300 Millionen) an­passen und infolgedessen von 150 auf 60 Millionen sinken und alsdann mit den Sachlieferungen er­löschen. Alle noch bestehenden Diskriminierungen wer-, den abgeschafft. Dem Bericht werden mehrere Anhänge bei­gegeben, so ein Sachtieferungsanhang, ein Anhang, der das Statut der Bank für internationale Zahlun­gen enthält, und ein Anhang, der dem Verteilungs­schlüssel der Zahlungen unter die Gläubiger festlegt. Die Reparationsschuld der Nach­folgestaaten. In dem obigen Abkommen der Sachverständi­genkonferenz figuriert ein Punkt über die Regelung der Reparationsschuld der Nachfolgestaaten, die diese Frage einstweilen offenläßt, aber für deren Lösung durch die Gläubigerstaaten eine einjährige Frist festsetzt. Diese Bestimmung dürfte in der näch­sten Zukunft eine allgemeine Diskussion auslösen, da die Reparationsfrage bisher stets in ihren Be­ziehungen zu Deutschland erörtert wurde und über die WiedergutmachungsVerpflichtungen der Nach­folgestaaten ziemliche Unklarheit herrschte. Auch weil die Tatsache, daß eben Dr. Schacht dieses Problem in die Verhandlungen geworfen hatte, zu Mißverständnissen in Ungarn Anlaß geben könnte, dürfte es von Interesse sein, den sachlichen Hintergrund dieses Teils der Reparationsfrage zu beleuchten. Nach den Friedens ver trägen von St. Ger­main und Trianon haben nämlich die Nachfolge­staaten die von ihnen in Besitz genommenen öffent­lichen Vermögensstücke, wie Eisenbahnen, Straßen, Gebäude, Heeresgut, Krongüter usw., zum Schät­zungswert abzulösen, und der entfallende Betrag soll nach Abzug der diese Vermögensstücke belasten­den Schulden von der Reparationsschuld Ungarns | und Österreichs in Abschlag gebracht werden, j Nun wurden die Reparationsverpflichtungen Öster­reichs im Sanierungsabkommen und in dem Abkom­­; men über die Reliefschulden praktisch bis zum i Jahre 1968 gestundet, Ungarn aber eine jährliche j Reparationslast von 10 Millionen Goldkronen auf- I erlegt, die Ungarn auch pünktlich erfüllt. Die für die Gläubigermächte heikle politische Seite des Problems beginnt bei der Frage der Beteiligung der Nachfolgestaaten an den von ihnen übernommenen öffentlichen Gütern der Monarchie, den sogenannten „biens cédés“, die durch eine internationale Schät- Zungskommission hätten abgeschätzt werden sollen. Diese Schätzungskommission bestand aus Englän­dern, Italienern, Franzosen und Mitgliedern der Kleinen Ententestaaten, und konnte zu keiner Eini­gung gelangen, da drei verschiedene Gutachten über den Wert der abzuschätzenden Güter abgegeben worden sind, von denen die italienische Schätzung die höchste, die der Kleinen Entente die niedrigste gewesen ist. Auch diese Differenzen hatten ihren guten Grund. Italiens Anteil an der deutschen Rc­­parationsschuld wurde nämlich im Spaaer Abkom­men stark herabgesetzt, und als Rekompensation wurde der italienische Anteil an der Reparations­schuld der Nachfolgestaaten mit 25 Prozent, also mit dem höchsten Prozentsatz nach Frankreich, festgesetzt. Die höchsten Werte der „biens cédés“ aber lagen zweifelsohne in der Tschecho-Slowakei, weshalb denn auch die Tschecho-Slowakei am schärfsten gegen die Aufrollung dieser Frage pro­testierte. Die Tschecho-Slowakei hat auch deshalb Grund zum Protest, weil auch die Hälfte der so­genannten Befreiuungsschuld der Nachfolgestaaten (750 Millionen Goldfrancs) sie belastet. Die taktische Spitze des Schachtschen Vorschlages richtete sich also in erster Linie gegen die Tschecho-Slowakei, und hätte eigentlich von Italien am lebhaftesten be­grüßt werden müssen, das auch ein politisches In­teresse daran besitzt, daß die Tschecho-Slowakei von dieser Verpflichtung nicht offen befreit wird. Ob die französischen Einflüsse, derentwegen diese Frage bisher in Schwebe gelassen wurde und offen-

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