Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1929. október (76. évfolyam, 222-248. szám)

1929-10-01 / 222. szám

PESTER LLOYD • & • ________ Dienstag, l. v_/iiiooer am» -______________________ • • - ■ - ■ ---- - - - - ■ ■ - -■ II - 1 - -1II-- ■ -I. i -- — 1 !■ II I .1 ll> .............. ■“ - schieht es, daß sie auf geringschätzige Art sich über das Land äußern in einer Form, die vielleicht in kul­turell rückständigen, einer selbständigen politischen Richtung entratenden Ländern annehmbar sein mag, die aber in einem Lande von einer tausendjährigen histori­schen Vergangenheit und von politischen und parlamen­tarischen Überlieferungen, wie Ungarn, nicht bloß als unannehmbar gelten muß, sondern geradezu auch als beschämend, wofern ihnen ein Gewicht, ein Einfluß und ein Wert tugeschrieben wird. — Wir selber sind berufen, unsere öffentlichen Zu­stände zu beurteilen, und nicht durch die Brille des Auslandes hindurch dürfen wir uns ein Urteil darüber bilden. Ich halte es für einen unzulässigen Kniff in der Politik, wenn man mit Berufung auf Äußerungen un­richtig informierter Ausländer und nicht im Wege realer Argumente in der ungarischen Politik zu Erfolgen ge­langen will. Wir wollen für unsere Ziele untereinander kämpfen, nicht aber ausländische Faktoren in unsere innerpolitischen Fehden verstricken. Das verlangt in erster Reihe die ungarische Souveränität, dann aber auch das Selbstgefühl, das jeder Politiker vom nationalen Standpunkte empfinden muß, wenn er über öffent­liche Angelegenheiten das Wort ergreift. — Mit derartigen Kundgebungen möchte ich mich in keine Polemik einlassen, wofern sie von Ausländern stammen, denn den Umstand, daß solche Kundgebungen erfolgen, halte ich für eine unzuständige Einmischung in die ungarische innere Politik, und demgemäß muß ich auch die Polemik gegen solche Kundgebungen meiden. Gern nehme ich aber den Kampf auf mit allen Argu­menten, die von inneren Faktoren zur Unterstützung ihrer Ziele herangezogen werden. — Was nun das Wesen der demokratischen Ent­wicklung betrifft, so habe auch ich mehr als einmal ver­kündet, daß wir im Bereiche der öffentlichen Freiheiten und sogar auch des Wahlrechts stufenweise und der Reihe nach uns in dieser Richtung entwickeln müßten. Zwischen mir und denen, die mich zum beschleunigten Handeln veranlassen möchten, gibt es also keinen Unter­schied im Wesenskern der Frage, sondern bloß einen in der Frage des Tempos. Oft und oft habe ich betont, daß in der heutigen schwierigen Lage, da die Wiederher­stellung unseres nationalen Daseins das Hauptproblem bildet und wir noch gegen schwere wirtschaftliche und soziale Übelstände anzukämpfen haben, der Zeitpunkt am schlechtesten gewählt wäre, um auch sonst immer mit Erschütterungen einhergehende Reformen sozusagen über Nacht in unüberlegter Weise zu verwirklichen. Die Hauptsache ist heute die, daß wir die außenpolitische Lage des Landes verbessern müssen. Wir müssen unsere nationale Einheit wiedergewinnen, um unsere wirtschaft­lichen Ubelstände niederzuringen. Unser Hauptbestreben muß sein, die durch den Krieg und die Revolutionen heraufbeschworenen sozialen Ubelstände und Gegensä'tze abzustellen, um der Nation ihre Seelenruhe zu wahren und zu mehren. Vergebens wird man in Ungarn die in Lehrbüchern gelehrten demokratischesten Einrichtungen einführen, wenn das Land außerstande sein wird, die .innere Ordnung aufrechtzuerhalten. Das ist nicht eine Frage der Prinzipien, sondern eine der praktischen Po­litik. In den Prinzipien und den Zielen — ich wiederhole dies — stimmen wir alle überein, doch vindiziefe ich mir das Recht, ja es ist sogar meine Pflicht, die Dinge durch die Brille der praktischen Politik ins Auge zu fassen und dm. Bereiche der Geltendmachung der Prinzipien das Tempo einzuhalten, das die Währung des Friedens und der Rühe im Lande gewährleistet. Es wäre für das Land die größte Gefahr, wenn wieder einmal ein derartiges oder noch schlimmeres Parlament zustande käme, wie es das vom Jahre 1919 war, als unmittelbar nach dem Zusammenbruch und den Revolutionen die erste Na­tionalversammlung auf Grund des allgemeinen geheimen Wahlrechts zusammentrat. Meinen schlimmsten Feinden würde ich nicht »Unschön, in sölchem Falle an meinem Platze die Ordnung im Lande aufrechterhalten zu müssen. Auf die Beschuldigung, daß in Ungarn ein feudales oder . oligarchisches Regierungssystem herrsche, antwortete Graf Bethlen in folgenden Aus­führungen: — Ich möchte wissen, und niemand hat mir darüber bisher «ine klare Auskunft geben können, worin eigent­lich der feudale oder oligarchische Charakter des gegen­wärtigen RegiertjttgSsvstems besteht? Von allem Anfang her wünschte ich im besten Einvernehmen mit den klei­nen Landwirten zu stehen, und das ist auch mein Wunsch für die Zukunft. Ich glaube, die kleinen Landwirte kön­nen mir nicht vorwerfen, daß ich nicht in allen Fragen, in denen sie sich an mich wandten, auf gerechte Art und mit voller Rücksichtnahme auf ihre Interessen vorge­gangen bin. Das gleiche Zeugnis würden mir die Groß­grundbesitzer Ungarns gewiß nicht ausstellen. Die Durchführung der Bodenreform hat mich ja sehr oft in Gegensatz zu den Wünschen und Forderungen gebracht, die vom Lager des Großgrundbesitzes ausgegangen wa­ren. Auch die Reform der Fideikommisse habe ich im Parlament angekündigt. Niemand hat mich dazu genötigt, niemand solche Forderung an mich gestellt. Hätte ich das tun können, wenn ich wirklich ein Vertreter der feudalen und oligarchischen Interessen wäre? Die Herren, die der­artige Schlagwörter in unser öffentliches Leben werfen, würden besser daran tun, diese Schlagwörter, die unsere Feinde in bewußter Weise in die Gedankenwelt des Westens zu verpflanzen trachten, nicht ohne Sinn und Berechtigung zu wiederholen, sondern ihre Pflicht in der Richtung zu tun, daß sie auch durch ihre Stimme diese tendenziös ersonnenen Lügen, mit denen man Ungarn diskreditieren will, widerlegen helfen. — Daß wir den ungarischen Grundbesitzern ihren Grund und Boden nicht im Wege des einfachen Raubes weggenommen haben, berechtigt noch niemand zu der Behauptung, daß hier feudale Auffassungen vorherrschend sind. Das politische Leben in Ungarn hat seine geschicht­lichen Traditionen, die in Äußerlichkeiten, aber auf man­chen Gebieten auch im Wesen der Dinge in die Erschei­nung treten. England wahrt diese Traditionen auch in den Äüßerlickeiten Olt bis zum Grade der Lächerlichkeit. Und wenn wir die ungarischen Traditionen nicht aus purem Neuerungskitzel Von einem Tag zum anderen über Bord werfen, so ist das noch nicht Grund genug, um von einer feudalen und oligarchischen Herrschaft zu reden. Über die österreichischen Dinge äußerte sich Graf Bethlen wie folgt: — Zwar wäre es noch vorzeitig, über die Aussich­ten der neuen österreichischen Regierung jetzt schon eine Meinung zu äußern; das. Streben -jedoch, daß in Österreich eine Regierung der starken Hand die Herr­schaft übernehme und mit Hilfe der Ralliierung der bür­gerlichen Elemente der gefährliche Radikalismus zurück­gedrängt werde, kann mir nur sympathisch sein. Auch hege ich die Hoffnung, daß dieses Streben, wofern es von Erfolg gekrönt ist, den weiteren Ausbau und die Vertiefung der zwischen Ungarn und Österreich auch bisher schon bestandenen guten Beziehungen ermöglichen wird. Denn ich gebe zwar zu, daß die innerpolitischen den Süden mit dem Norden dieses schmalen Fluß­­ländchens verbindet, vermittelt uns der gedämpfte Schall der vorbeisausenden Automobile noch die Resteindrücke der Nachbarschaft. Aber schon wenige Schritte inscleinwärts schlichten sich die bewegteren Randkonturen zur Idylle. In der Umrahmung von wuchtigen Eichen- und Platanengruppen tummelt sich mit ländlichem Eifer eine wackere Mäherschar, der unvergleichliche Duft der Herbstmahd steigt auf, die Blumenfülle der Gärtnerei rafft sich für den verblühten Blick zu einem letzten Farbenreigen zu­sammen, und um die von Farrenkraut überwucher­ten Ruinen summt und spinnt mit verspäteter Hast das Insektenvolk dem nahen Wintertode entgegen. Das alles ist mehr als ein kunstvoll angelegter Wildpark, das ist ein Stück Urnatur, das sich in der Umklammerung der städtischen Zange mit wunder­sanier Hartnäckigkeit behauptet hat. Ist man eigent­lich bewußt in diese Welt der Einsamkeit geflohen, oder ist vielmehr sie es, die der Stadtnahe entflieht ? Unterschiede nicht von großer Bedeutung in den inter­nationalen Relationen sind; der Zustand jedoch, daß ge­gen Ungarn in Wien häufig Verhetzungen ftusgegangen sind aus Kreisen, die von der ungarischen Emigration be­einflußt waren, ist nicht bloß nicht angenehm gewesen, sondern hat bis zu einem gewissen Grade auch auf das gegenseitige Verhältnis der beiden Staaten zurückgewirkt. Wir haben ein starkes Interesse daran, daß in Österreich eine stabile und kräftige Regierung bestehe, denn wir hegen die Zuversicht, daß wir in solchem Falle auch auf die Freundschaft Österreichs in gesteigertem Maße zäh­len dürfen. über die demokratischen und freiheitlichen Reformen sagte Graf Bethlen dem Berichterstatter des Az Est; —- In Auswirkung unserer Besprechungen mit den Sozialdemokraten werden sich schon in nächster Zu­kunft Tatsachen ereignen, von denen ich hoffe, daß sie geeignet sein werden, dahin zu führen, daß auch die Sozialdemokratische Partei Ungarns ihre ausländischen Verbindungen zugunsten der großen Interessen unseres Landes geltend machen wird. Von diesen Dingen kann ich vermöge ihrer Natur heute noch nichts Näheres aussagen, doch werden binnen kurzem die betreffenden Tatsachen zur Kenntnis der ganzen Öffentlichkeit ge­langen. In diesem Zusammenhänge teilte der Ministerpräsi­dent ferner mit, daß die Regierung in absehbarer Zeit die Reste der Ausnahmegewalten abbauen und das Ver­eins- sowie das Versammlungsrecht auf legislatorischem Wege neuregeln werde. Auch eine baldige Neuregelung des Pressegesetzes wurde vom Grafen Bethlen in Aus­sicht gestellt. Über die außenpolitischen Belange sagte der Ministerpräsident folgendes: — Die Ereignisse im Verlaufe der Herbsttagung des Völkerbundes bieten einen blassen Hoffnungsschim­mer in der Richtung, daß die Fragen der Abrüstung und der Minoritäten, und sogar die Debatte über Arti­kel 19 des Völkerbundpaktes und im Zusammenhang damit das Problem der Revision der Friedensverträge heute bereits in einer ganz anderen Tonart verhandelt werden können, als dies bisher möglich war. — Das ist freilich ein noch sehr blasser Hoffnungs- Schimmer, und wir dürfen uns keiner Täuschung dar-« über hingeben, daß noch sehr viel Wasser die Donau abwärts fließen wird, bis diese Hoffnungen ihre Ver* wirklichung finden können. Immerhin können die Re­gelung der deutschen Reparationsfrage, die Räumung des Rheinlandes, die Erledigung des Reparationspro­blems der Oststaaten eine friedlichere Atmosphäre in Europa schaffen und den Zeitpunkt näher rücken, in dem auch die durch den Friedensvertrag geschaffene Lage Ungarns auf besseres Verständnis stoßen wird. — Darauf läßt auch die Aufnahme schließen, deren Graf Albert Apponyi in Genf teilhaftig geworden ist, deti unser Land in so würdiger Weise vertreten hat. Selbst­verständlich muß diesen Prozeß die diplomatische Arbeit der ungarischen Außenpolitik unterstützen, die seit Jah­­ren bestrebt ist, dem Lande möglichst viel Freunde zu gewinnen uud die Bestrebungen nach Tunlichkeit zu isolieren, die der Durchsetzung der gerechten Sacha Ungarns im Wege stehen. Diese diplomatische Arbeit kann nicht mit geräuschvollen Mitteln verrichtet wer-’ den. Dennoch ist sie in der Vergangenheit erfolgreich' gewesen, denn unsere internationale Lage ist heute doch wesentlich anders beschaffen, als noch vor wenigen Jahren, und ich habe das Vertrauen, daß sie auch in der Dort, wo Ruhe herrscht, spricht die Vergangen­heit zu uns. Merkwürdig ist es um diese Vergangen» heit der Insel bestellt. Nur ein kleiner Haufen ver­moderter Steine und spärlicher Ruinenreste zeugt von ihr. Es gilt, alte Chroniken aufzustöbern, um dia Topographie eines bewegten Zeitabschnittes herzu­stellen, über dessen mönchischen Zauber kriegerisch! gesinnte, für Naturraunen und historische Traditio­nen unempfängliche Jahrhunderte hinweggetrampelt sind. Es gilt, zwischen den vergilbten Blättern dec St,-Margareten-Legende zu stöbern, um uns vorzu­stellen, was die Trümmer am Ostufer der nördlichen Insel zu bedeuten babén. Das Kloster, dessen letzte Überreste sie darstellen, trug mit einer legcndärea und idyllischen Note zur ungarischen Geschichte bei und gab der Insel für alle künftigen Zeiten ihr eige­nes Gepräge. Auf der vordem nur als königliches Jagdrevier dienenden „Haseninsel“ errichtete der aus seinem dalmatinischen Exil heimkehrende König Béla IV7. dieses Nonnenkloster als Sühnopfer für die überstandene Tatarenflut und ließ seine in der Verbannung geborene Tochter dort von jedem welt­lichen Tand abseits zur Oberin heranziehen, auf daß sie durch ihren frommen Lebenswandel die gött­liche Vorsehung gleichsam mit dem ferneren unga­rischen Schicksal versöhne. Aus der schlichten Nonne aber, zu der die strahlende Königstochter ausersehen war, wird, den fürstlichen Freiern abhold, in leiden­schaftlichem Samaritanerdienst, bis zur äußersten Selbstkasteiung eine in der Erinnerung des ungari­schen Volkes fortlebende Heilige. Im Bannkreise dieses nur in seinen letzten Trümmern erhaltenen Klosters, von dessen gnaden­voll wirkender Oberin die Insel ihren heutigen Namen erhielt, herrscht der treu beharrende Dunst­kreis früher Jahrhunderte, und die kleine romani­sche Kapelle ist eine Kopie der noch von König Béla IV. an dieser Stelle errichteten Gedächtnis­kirche. An die Prämonstratenser- und Minoriten­­klöster aber, die gleichfalls in der Zeit nach der Mongolenverwüstung entstanden sind, erinnert nur ——...--------------------------— - — ----r-— Feuilleton. Herbststimmung auf der Margareteninsel. Von GUSTAV ERÉNYI. Wenn der Herbst sich vorerst nur noch an­deutungsweise initteilt: durch längere, kühlere ; Nächte, ein gesättigteres, kaum noch ins Bräunliche überspielendes Grün der Blätter und durch einen matteren und zugleich magischeren Sonnenglanz, —* da ist uns Budapestem das Wunder um vieles näher, als sich manche KaiYeehausphantasfen Träumen ließen. Die Stadt ist erfüllt von dem neuen Betriebsstoff des Saisonbeginns, die Geräusche der Í Straße haben sich vervielfältigt, und aus dem Konglomerat der Ämter und Lokale weht uns der Geist einer frisch erwachenden Geschäftigkeit Und Ge­selligkeit an. Berührt es uns da nicht wie ein Wunder, daß es fast im Schneidepunkt des hauptstädtischen Vollbetriebes ein abgeschiedenes Stück Land gibt, dessen erhabene Ruhe sich im nämlichen Maße zu vertiefen scheint, in dem die angrenzenden Bezirke an metropolischer Dynamik zusetzen? An der Schwelle des Herbstes spendet die : Margareteninsel den ihr unentwegt Getreuen ihren vollsten Zauber. Es ist, als ob eine Fürstin die Hul­digung der Wenigen tausendfach lohnen würde, die sich nicht durch den Glanz ihrer Diademe, sondern durch die subtile Hoheit ihres Wesens bestricken lassen. Dort, wo sich die Pforten zu ihr öffnen, am Kreuzungseck der Margaretenbrücke, stauen sich die Fuhrwerke und Motoren, zehn Straßenbahnrelationeri folgen und begegnen einander mit unablässigem Rattern, und die nahe Stadt sendet alle ihre Effekte und Affekte mit konzentrischer Gewalt herüber. Schreitet man über die kleine Verbindungsbrücke der Insel zu, so wirkt noch das Dröhnen von vorhin 'unmerklich in uns nach. In der Wandelhalle flutet es zu bewegten Stunden noch mit mondäner Be­flissenheit auf und nieder. Auf dem Hauptweg, der * Es ist dies hier fürwahr eine andere Welt, wie­wohl wir sie gewissermaßen zu der unseren gemacht haben. Die Großstadt griff auch in das Inselgefüge umformend und uniformierend ein. Man muß sich wundern, wie vieles die Margareteninsel an Zutaten der neuesten Zivilisation, an Etablissements für Sport, Zerstreuung und Badegebrauch in sich zu bergen vermag, ohne ihren Originalcharakter auf zu­­geben. Geht dies auf einem Gesamtareal von kaum zweihundert Joch auch mit rechten Dingen zu? Wie kleine Leuchtkäfer heben sich die mannigfachen Neugründungen für gesellige Zusammenrottungen: die Sanatorien, Hotels, Restaurants, Milchhallen, Klubs, Bootshäuser und Tennisplätze von dem Natur­milieu ab. Die Wiesen und Wipfel bleiben Sieger. Und hier ist keine Ruheverordnung vonnöten. Das Surren und Hupen der Autos, der Kinderlärm wird durch die Sinfonie der Landschaft aufgefangen und erstirbt in ihr.

Next