Siebenbürger Bote, Juli-Dezember 1852 (Jahrgang 62, nr. 104-207)

1852-10-20 / nr. 167

an | re A Mu a ! · erschein two Micha­el, Korn gie Montag, Mittivo Sermannftiadt am 2O®. October, 1852. Inferate aller Art werden =: I" 167. .. .Jahre18 Siebenbürger Bote­ ermannstadt, 19. Oktober. Der einzige sichere Mafstab für die Güte und B Vortrefflichkeit ei­­ner bestimmten Berfaffung und Verwaltung ist nach unserer Ansicht die Wirkung, welche diese beiden Hauptfaktoren des staatlichen Lebens in dem leiteren hervorbingen. Die Heeresverfassung des alten Rome er­­scheint und gewiß nur deshalb so bewunderungswürdig, weil sie die Weltherrschaft dieses Staates begründete; wir behwundern noch heut zu Tage die Navigationsarte Englands, weil dieselbe eine ausgebreitete Seemacht in einem reinen Insular-Staate hervorrief und in ihren Kon­­sequenzen eine industrielle Herrschaft desselben begründete, welche heut zu Tage unser Staunen errregt, und eben­so gerechte Bewunderung bringt in den Augen des denfenden Beurtheilers die jedem Eroberungds gelüde ferne, auf gutes Recht und friedliches Bestreben gegründete Bo­­litis Oesterreichs hervor, durch welche sich aus der Heinen Ostmark des deutschen Reiches eine der einflußreichsten Großmächte des Continentes entwickelte — eine Politif, welche als Friedenspolitif zum Sprüchworte geworden ist, — Bella gerant alli, tu felix Austria nube. Siebenbür­­en und Ungarn Hatte durch Jahrhunderte lang seine abgesonderte Ber­ Faffung und Beriwaltung, und nothbvendig taucht jegt, wo dieser ‘par­­ticularismus vor der Macht des einheitlichen Strebens in den Hinter­­rand tritt, in und Die Frage auf, welche Wirkungen für das morali­­ste und materielle Gedeihen Hat Diese abgesonderte zoerieheng, und Berwaltung in diesen Kronländern hervorgebracht, welche wegen Reich­thums an natürlichen Erzeugnissen so gern ein Europa im Kleinen ge­nannt werden. Durch Jahrhunderte lang haben viele Kastoren gewirkt, also Zeit genug gehabt, sich zu erproben.­­ Betrachten wir die Feldwirthschaftiind Viehzu­cht,unewir finden dieselche mit wenigen Ausnahmen in einem zustande einer bedauerungs­­würdigen Verwahrlosung,der von der Fortschrittemweiche die Land­­wirthschaft in­ den Ländern jenseits der Leitha gemacht hat,im grellsten Lichte absticht.Juden Gewerben hat sich durch Jahrhunderte lang nicht ein Streben nach Vervollkommnung,wohl aber ein starres Fest­­halten an dem alterthümlich Hergebrachten und an den Consequenzen des lähmenden Zunftzwanges geltend gemacht,welches jeden freien Auf­­schwung der Gewerbsindustrie tödtete. Auch der Handel,dem es an allen Bedingungungen seiner Exi­­stenz mangelte,konnte unmöglich in Län­dern seinen Sitz aufschlagen, von deren Verhältnissen er keine Begünstigung hoffen konn­te. Jahrhunderte sind vergangen,das Bedürfniß nach guten Straßen und sonstigen Kom­munikationsmitteln hat sich von Jahrquahr mit dringender und gebieterischer Nothwendigkeit herausgestellt und welche Befriedigung dasselbe gefunden hat,­,davon weiß jeder zu erzählender in Unatn oder Siebenbürgen zu reisen Gelegenheit hatte oc­ weniger als für die materiellen Interessen hat­ die frühere Verfassung und Verwaltung für die geistige Interessengesorgt.Jm 9 waren in Siebenbürgen im Ganzen nur 1698 Volksschu­­len vorhanden,während Mähren und Schlesiendete 113859 zählt.—— Während man 988 magyarische,367 deutsche Schulen in Siebenbürgen zählte,waren für die Rom­a 11e 11,welche m­ehr als die Hälfte der Ge­­sammtbevölkerung ausmachen,im Ganzen nicht mehr als die geringe­­ Anzahlv011 322 Schu­len vorhanden. Der Administration fehlte es gänzlich an einheitlichem Zusammen­­wirken­ und an jener Kraft,welche allein durch die Bestimmung und Regelung des Gesetzes und durch eine einheitliche und thatkräftige Voll­­ziehung desselben gewährt werden kann Daher erblicken wirdenn in den früheren Zuständen eine gwße Verwahrlofung im Gebiete der öf­­fentlichen­ und Privat-Sicherheits-und Wohlfahrts-Polizei,die in vielen Fällen unglaublich und dennoch wahr erscheint Wir füllen nur ein Beispiel an.« Uns liegen statistische Daten aus dem Jahre 1837 vor,nach wel­­chen es in Sieb­enbürgen m­it einer Bevölkerung von mehr als zwei­­ Millionen Menschen nicht mehr als 58 Aerzte und 97 Wundärzte und 353 gab, während zu derselben Zeit das kleine Mähren und Schlesien 407 Aerzte, 515 Wundärzte und und 2080 Hebammen zählte, wodurch sich folgendes Mißverhältnis hervorstellte, daß, während in Mähren und Schlesien auf 100.000 Ei­­l-Einwohner die Zahl von 29 Aerzten und Wundärzten entfiel, auf eben diese Zahl von Menschen in Siebenbürgen nicht mehr als 7 Aerzte kamen. (Nach den statistischen Tafeln vom Jahre 1849 waren in diesem Jahre in Siebenbürgen 69 Aerzte, 443 Wundärzte und 888 Hebammen, während Mähren und Schlesien in diesem Jahre 174 Aerzte, 551 Wundärzte und 1944 Heb­­ammen zählte.) « für die leidenden und hilfebedürftigen Menschen,für welche in den Ländern jenseits der Leitha durch so viele wohlthätige Institute gesorgt wird, gab es in Siebenbürgen so gut wie gar nichts. Vergebens sucht man in den statistischen Tabellen vom Jahre 1837 nach entsprechenden Eivik­rankenhäusern, nach Irrenanstalten, nach Gebär- und Findelhäu­­sern, nach Blinden- oder Taubstummen - Instituten, und wie alle diese Anstalten heißen mögen. Von allen dem mußte Siebenbürgen gar nichts, obschon Hier wie anderworts das dringendste Bedürfnis darnach vorhanden war. «» Und so wie es mit der Gesundheitspolizei bestellt war,so war es in ähnlicher Weise mit allen Zweigen der politischen Verwaltun­g.Frei­­lich kostete die politische Administration verhältnißmäßig sehr wenig,aber sie war auch dafür so gut wie nicht vorhanden,und fast in sämmtlichen Zweigen ließ man den Himm­el folgen,und dass als seguler war in seiner vollsten Blüthe. Und wie sah es mit der Grundlage für die Wohlfahrt der Natio­­nen,mit der Gerechtigkeitspflege aus­ von welcher ein persischer Dichter sagt,sie sei de 11 Menschen so nothwendig,daß sie auch unter Dieben und Räubern herrschen müsse,wenn sie fortbestehen sollen.f Wir hatten­ keine bestimmten,die VerhältnisseI­ach dem Bedürf­­nisse der Zeit regelnde Gesetzen.Unsere Gesetze entstammten früheren, längst verb­ungenen­ Jahrhunderten­,und es war weder das sächsische tatut,noch das Werbezifche Tripartitum u.s.w.im Stande,den Bedürfnissndh­eit zu einigen . Unsere Gerichtsverraung war eine der komplizirtesten und unges­teimtesten,die es geben kann Gab es doch nach der sächsischen­ Ge­­richtsverfassungf­annstanzen.Nach dem ungarischen Recht sin­d man­ch­­mal noch mehr Behörden übereinandergestanden,und dazu kam noch der abnorme Umstand,daß gerade die wichtigeren Sachen bei den höhern Gerichten in erster Instanz angebracht werden mußten, also weniger Instanzen hatten, als die minder wichtigen Angelegenheiten. Mit wenigen Ausnahmen herrschte die schreiendste Ungleichheit vor dem Gefege durch die vielen Privilegien des Adels, in dessen Händen beinahe ausschließlich die Gerechtigkeitspflege war. MWechselrecht und MWechselstrenge nannte man nicht, dafür aber Ge­­richtsferien, Moratorien und Rechtsmittel, die für sich allein Hinreichend waren, jedem Berechtigten den Glauben und die Hoffnung an eine Möglichkeit einer wirksamen Rechtsverfolgung im Voraus zu benehmen. Mußte doch bis zum Jahre 1791, wenn ein Bürger gegen einen Edel­­mann einen­­ Prozeß anfangen wollte, die ganze Stadt für ihn auftreten, und erst auf dem Neichstage vom Jahre 1846 (rt. .13.), wurde auch dem Bauer gestattet, in eigener Person (nicht unter Vertretung seines adelichen Grundherrn) vor Gericht aufzutreten. Hiezu kamen noch die Mittel, die Erolution zu vereiteln, und trog eines bereits rechtskräftig entschiedenen Streites durch das Oppono­brachium zu bewirken, daß der Prozeß von vorne anfangen mußte. Eben­so übel war die ungarische Strafgerichtspflege bestellt. Auf die unbedeutendsten Diebereien war der Tod dur den Strang ges droht. Während im Zivilprozesse so­­ viele Instanzen über­einander fanden, war die Appellation in Strafprozesse außerordentlich beschränkt; erst Leopold I. hat die Prozesse auf Leben und Tod für appellabel erklärt, was sie früher nicht waren, und­ die Folter abgeschafft. Die Stadftreiche wurden mit einer solchen Reichhaltigkeit und Allgemeinheit im Straf­­prozesse verschwendet, daß ein beachtenswerther Schriftsteller in Leipzig im Jahre 1833 die Meinung aussprechen konnte, daß es kaum irgend einen armen Bauer in Ungarn geben könne, der einen ungeprügelten Leichnam­­ und Grab bringt. Der Deres, eine eigens sehr zr­ed­­mäßig geformte Prügelbank, stand gewissermaßen als Abzeichen der Amtswürde, des Richters vor dessen Haus, wo die Justiz am Amts­­tage öffentlich administeirt wurde, und Alles prügelfähig war, was nicht Edelmann gewesen.­­ Die jährliche Strafgefegpflege war etwas milder, darin dürfte aber ihr einziger Vorzug bestehen. — Bei diesen Zuständen mußte der Aderbau darniederliegen, Gewerb,

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