Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1882. Oktober (Jahrgang 9, nr. 2673-2698)

1882-10-10 / nr. 2680

© Redaction und Administration : heltauergasse sä Erschäumktingnahme der zqnwnutzen-­­­tiseiägd­6. Abonnement für Hermannstadtx. monatlich sbkr··,vierteljährig 2st.50kr.,,halbjährig 5st--ganzjahr 1910 st.ohne Pusteaung in’3 Haug, mit Bustellung 1 fl., 3 fl. o A. 12 fl. Abonnement mit Bestversendung: Häür das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 Fr DENaHER 7A, ganzjährig Für das Ausland: vierteljährig 9 RM. oder 12 Frc3., Halbjährig 18 AM. oder 24 gen a 36 AM. oder tc3. Unfrantisrte Briefe werden nicht angenommen, Manustripte nicht zurückgestellt. Re 2680. « Siebenbrigisch: Deutsches Hermannstadt, Dienstag, 10. Oktober ‚Die deutsche Bauernkolonie in der Dobrudsche. Wir haben romanischen Blättern die Nachricht entnommen, daß die unter türkischer Herk­nft in der Dobrudscha angesiedelten deutschen Kolo­­­nisten mit Kind und Segel auswandern wollen. Die Nachricht wird nicht verfehlen, in der deutschen Presse Aufsehen zu erregen um so mehr, als die Gefährdung der deutschen Nationalität ein Motiv der Auswanderung bildet. Die traurige Erscheinung, daß seit der Bildung der großen deutschen Zentralmacht im Herzen Europa’3 die Deutschen außerhalb der Grenzen des deutschen Reiches den heftigsten Anfeindungen ausgelegt sind, wiederholt sie auch in Rumänien. Auch hier wird der Deutsche, wie in Oesterreich- Ungarn und den ruffiigen Ostseeprovinzen, an das vornehmste Objekt der Einschmelzung in andere Nationalitäten betrachtet. Weder Die Deutsche Nationalität des Fürsten, der an der Soige Rumäniens steht, noch der friedliche Charakter der deutschen Ansiedlungen in der Dobrudsha er­weist b­e­­ald eine Bürgschaft für die Erhaltung der Nationalität derselben. Sehr lehrreich ist die Darstellung, welche da „Bukarester Tageblatt“ (Nr. 221 vom G. d. M.) dem Schidsale dieser deutschen Kolonisten widmet : „Vor Allem sei hier erwähnt, daß diese Kolonisten nicht direkt aus Deutschland eingewandert sind, sondern lange s­­ccon vor ihrem Erscheinen in der Dobrudsha ihre Zuständigkeitsrechte auf die erste Heimat aufgegeben hatten. Sie stammen nämlich von den deutschen, zumeist schwäbischen Bauernkolonien des jüdligen Rußland her, welchen die Petersburger Regierung zur Zeit ihrer Auswanderung gewisse Privilegien darunter namentlich die Freiheit vom Militärdienste auf eine Reihe von Jahren garantirt hatte. Als dieser Termin zu Ende ging und die Regierung zu Beginn der vierziger Jahre Miene machte, die deutschen reibauern zum Kriegsdienste herbeizuziehen, wanderten eine große Anzahl von Familien aus, um in der damals türkischen Dobrudscha eine neue Heimstätte zu suchen. Die Pfortenregierung nahm die neuen Ankömmlinge in der zuvor kommendsten Weile auf, wies ihnen gegen die mäßigsten Bedingungen De­­an und ehe noch wenige Jahre vergangen waren, konnten die von den deutsch-russischen Einwanderern gegründeten Dörfer und Nieder­­­lassungen zu den blühendsten des ganzen Distrikts gezählt werden. Was die rechtliche Stellung der Kolonisten zum türkischen Staate anbelangt, so untershied sie dieselbe von jener der Naja in den ehemals cristlichen, von den Türken mit bewaffneter Hand eroberten Provinzen des osmanischen Reiches dadurch, daß die deutschen Kolonisten ss nicht nur in Bezug auf ihre Religion, sondern auch n n­­ur auf ihre Gemeindeverwaltung einer weitgehenden Autonomie erfreuten. Im Uebrigen waren sie ebenso wie überhaupt alle s christlichen Bewohner der Türkei gegen Leistung einer beson­­­deren Steuer vom Kriegsdienste befreit, so zwar, daß der Grund, welcher sie zur Auswanderung nach der Dobrudscha veranlaßt hatte, ganz in­­egtall Fam­ «­­ng So standen die Verhältnisse,als die Dobrudscha an Rumänien kam, und es war selbstverständlich,daß bei der Besitzergreifung der neuen Provinz den schon seit mehreren Jahrzehnten auf eigenem Grund und Boden an­­­säßigen deutschen Kolonien gegenüber nicht jener Artikel der Verfassung in Anwendung gebracht werden konnte, welcher die Kolonisation und die Er­­­werbung von Grundftächen in den Landgemeinden als ausschließliches Pri­­­vilegium der rumänischen Soninnationalen erklärt. (Ebenso wie die Türken und Tartaren der Dobrudicha, so traten auch Die deutschen Kolonisten der Provinz nicht nu­­r­ ein Untert­anenverhältniß zu Rumänien, sondern nahmen an an allen staatsbürgerlichen Rechten theil, insoferne dieselben nicht, wie 3. 3. das Recht der aktiven und passiven Wahl für die Volks­­­vertretung, doch das für die Dobrudicha ausgesprochene Uebergangsstadium vorläufig suspendirt waren. Da die deutschen Bauern der Dobrudicha gute Steuerzahler sind, ihr Schul- und Kirchenwesen in Ordnung halten und auch sonst das verläßlichste und arbeitsamste Element der gesammten Bevölkerung in der Dobrudicha bilden, so wäre sein Grund zu Reibereien zwischen ihnen und den Behörden ihres neuen Heimatstaates gewesen. Hätte man nicht den Ber­uch gemacht, die­se Kolonisten zur Entäußerung ihrer Nationalität zu zwingen. Als Mittel Hiezu sollte die Ro­­­manisirung ihrer Schule in Anwendung gebracht werden. Man wollte ihnen zu diesem Behufe an Stelle der von den Gemeinden selbst be­­­stellten und aus Gemeindemitteln bezahlten Schullehrer rumänische Pädagogen oetrofren und ist es wohl nur den Vorstellungen der deutschen R­egierung zu danken, daß von Seite der rumänischen Behörden auf die Durchführung dieses Versuches verzichtet wurde und die Deutschen der Dobrudicha im Belege ihrer alten Schulordnung blieben. Ein weiterer Grund zur freund­­­schaftlichen Intervention war für die deutsche Reichsregierung geboten, als man den deutschen Gemeinden der Dobrudiche die Ansiedlung weiterer Stammesgenossen innerhalb deren Kommunalgemarkung untersagte. Auch, danach nahm sich die deutsche Gesench­aft der deutschen Stammes­­­genossen an, und die rumänische Regierung lieferte durch ihre Ber­­reitwilligkeit den Wünschen der deutschen Reichsvertretung gegenüber einen erfreulichen Beweis, daß man in den ma­ßgebenden Stellen des Landes völlig frei von jenen chauvinistischen Vorurtheilen ist, welche die Hurtcdrängung und Unterdrüdung aller Einwohner fremder Abkunft als die Vorbedingung für die Zukunft des Landes einstellen. Gleichwohl scheinen die untergeordneten Behörden der Dobrudicha nicht der gleichen erleuchteten Auffassungsweise zu sein, wie die Bukarester Regierung. Wenigstens wird von den deutschen Kolonisten der Dobrudicha über mancherlei Chikanen der Verwaltungsbehörden Stage geführt und scheint auch dieser Umstand weit mehr dazu beigetragen zu haben, den bdeuticheruffischen Bauern des Distrikts Tulcen den Aufenthalt im Lande zu verleihen, als die angeordnete Hockerziehung derselben zur Militärpflicht. Denn schließlich müssen sie ja zur Meberzeugung kommen, daß man mit ihnen seine Ausnahme machen kann und würde eine diesbezüglich von kompetenter Seite gemachte wohl­­­wollende Vorstellung ihre Wirkung gewiß nicht verfehlen. Bestätigt es sich dagegen, daß der Grund der Auswanderung in Meinlichen M­ergeleien Liegt,­ dur) welche man den deutschen Bauern der Dobrudiha den Aufenthalt im­ Lande zu verleihen sucht, so wird Rumänien in der That wenig Ursache haben, jenen Beamten dankbar zu sein, welche durch ihren chauvinistischen Uebereifer ein ebenso fleißiges, als Tokales Bevölkerungselement aus dem Lande treiben, das in mehr als einer Richtung dem rumänischen Klein­­grundbeiiger als Muster zur Nacheifeung dienen konnte.“ Pränumerationen und Inferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauergans Nr. 23, in Kronstadt die Buchhandlungen Heinrich Dresswandt, Heinrich Zeidner, Mediasch J. Hed­­­rich’s Erben, Schässburg Heinrich Zeidner’s Siliale, Bistritz Friedrich Wachsmann ,Nr. 187, Sächsisch - Regen Adolf Dengyel, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Braos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, Rotter & C., H. Schalek Pest A. V. Goldberger, Frankfurt 2.8. @. L Daube & C. Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Tofte beim einmaligen Einraden 7 tr. Daß z­weitemal je 6 tr., daß drittemal je 5 tr. d. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 fr. — 1882. Politische Nebersicht. jegentwurf über die Bededung der Ausgaben der administrativen, Waisen­­­und Vormundschafts-Beh­örden der Komitate pro 1883 wichtig. Für das laufende Sahr war unter diesem Titel ein Kredit von 4.600,000 fl. botirt, für das nächste Jahr werden — laut einer Meldung des „Nemzet“ — 4,480,000 fl. präliminirt, obwohl die administrativen Agenden der Ko­­­mitate immer mehr zunehmen und in­­folge der Errichtung der Gendarmerie bei einigen Stuhlrichterämtern die Stellen von Amtsdienern und berittenen Banduren systemisirt werden mußten. Zur Erklärung des Judenhasses, der sich in Oberungarn in so ge­waltthätiger Weise Luft gemacht hat, wird der „Allgemeinen Zeitung“ (Nr. 281) geschrieben: „Das Land ist besonders in seinen nördlichen Theilen starl mit Juden bevölkert; jedes Städtchen, jedes Dorf, jeder no­­ch kleine Ort ist von einigen jüdischen Familien bewohnt. Sämmtlich befassen sie sich mit dem Handel und der Spekulation, sie Halten das Wirt­shaus, pachten das Branntweinregal, pachten auch Meder, ohne si jedoch mit dem Aderbau stark abzugeben. Der Pat von Grundst­chen dient Hauptsächlich dazu, um in Frucht, Spiritus und Wolle zu spelulicen. Dieß treiben die Kleinen, wie die Großen. Die Slleinen sind die Geldgeber und Geschäfts­­­leute der Bauern des Dorfes. Sol­­­ein keiner jüdischer Kaufmann oder Gastwirth in einem Dorfe besigt eine Stellung die ganz ähnlich der ist, die ein Rothschild unter den Großmächten Europa’s einnimmt. Aie Bauern schulden ihm und er wird reich von den Stutereffen, die er bezieht. Der ganz gewöhnliche girzia beträgt 52 Prozent, d. h. fü­r jeden entliehenen Gulden gibt der Bauer wöchentlich einen Kreuzer dem Juden. Da muß aber der betreffende Bauer noch sicher sein, wenig Schulden haben, sonst steigt der Einzjag auf das Doppelte oder Dreifache, ja auch noch höher. Alles, was jo der Bauer sich erarbeitet, geht in die Hände des Juden über, der ihm einmal in der Noth mit einer kleinen Anleihe ausgeholfen und auch bei einer anderen Gelegenheit stets auszuhelfen bereit ist — gegen hundert Prozent Binsen. In den ärmeren nordungarischen B Distrikten spielt dieses Heine Fudenthum mit feinen Spekulationen und feinem Wucher eine größere Rolle, als in den reicheren Distrikten, die von Magyaren be­­­wohnt sind, dafür begegnen wir dort dem jüdischen Pächter, der in ähnlicher Weise zum Herrn der Gentry und des Kleinadels wird, nachdem er der Geld­­­geber desselben gewesen. Bekanntlich geht der ungarische Kleinadel zu Grunde, und in den Besig seiner Güter regt sich der Jude, d. h. irgend ein jüdi­­­scher Pächter, Kaufmann aus Belt oder Bankier aus Wien. In den kleineren Provinzstädten find­­et wieder die christlichen Kaufleute, also der Bürger­­­stand, der dem jüdischen Stamm einen intensiven Haß entgegendringt. Der auf dem Lande wohlhabend gewordene Jude wandert nämlich­ in das nachte Städtchen und errichtet dort ein Geschäft; in Harmonie mit und unterfragt von seinen Glaubensgenossen gelingt es ihm zumeist den christ­­­lichen Kaufmann aus dem Felde zu schlagen. Wir fennen Dite, die vor 30 Jahren gar feinen jüdischen Kaufladen, Heute aber nuv­­oc) solche Haben. Die nicht jüdischen Kaufleute kämpfen da flet3 um ihre Existenz, und der Kampf ist in so fern fein leichter, als ihnen die jüdische Kaufmannschaft mit vereinten Kräften entgegensteht.“ Anstatt der erwarteten Sudendebatte im PBester Reichstag ist eine solche im nieder-österreichischen Landtag durch den Abgeordneten Schönerer hervorgerufen worden. Derselbe brachte am 7. Oktober eine von mehreren Bewohnern Wiens unterschriebene Petition ein, dahin gehend, der Landtag möge die Regierung auffordern, unverzüglich die zur Regelung der Judenfrage geeigneten Maßregeln zur ergreifen. Dr. Weitlof beantragte sofort, über derlei antisemitische Anträge unverweilt da parlamentarische Standrecht zu publiziren und an der eben angekündigten, noch nicht einmal verlesenen Petition unverzüglich das erste abschiedende Krempel zu statuiren. Die übergroße Majorität des Landtages ging auf dieses Ansinnen auch sofort ein und wies die Petition zurück. Ebenso kam es, um es glei­­­cher zu erwähnen, in Berlin zu einer neuerlichen Erörterung dieser Frage, indem der Abgeordnete Richter gegen Stöder am 5. Oktober im ersten Berliner Wahlkreise sprach. Stöder, der Beuilleton. Das Ringen nach Gläh. Roman von 5. Friedrich, (52, Ortjegung.) Mit dieser Nachricht eilte er heim, als Bolten und Merkel ihm be­­­gegneten, und Kieselbe beschäftigte seine Gedanken vollständig. Nun konnte es ihm nicht schwer werden, sich bei dem Maler einzuführen, er durfte hoffen, als Sohn eines früheren Studiengenossen freundlich aufgenommen werden. ” Einige Stunden später eilte er mit dem Stammbude in der Tasche zu der Wohnung des Malers. Er hatte auf das Sorgfältigste Toilette ge­­­macht und war fest überzeugt, daß er seinen Zweck leicht erreichen werde. Er traf Kolbe und Lilli in dem Heinen Garten und stellte fi als den Sohn eines früheren Studiengenossen desselben vor, indem er seinen Namen nannte. Das ehrwürdig weiße Haar und das offene Kindesauge des Alten hatten ihm auf den ersten Blic DBertrauen eingeflößt. „Thomas — Thomas —" wiederholte Kolbe, um seinem Gedächtnisse zu Hilfe zu kommen, denn wie unendlich viele Namen und Gestalten waren ihm während seiner Studentenzeit entgegengetreten. „Mein Vater hat sehr oft von Ihnen erzählt," fuhr der Kandidat fort, obschon dies nicht wahr war, „Jo daß ich fon ala Knabe von Wunsch hegte, Sie kennen zu lernen und als ich gestern erfuhr, daß Sie hier wohnen, zögerte ich nicht Länger, den schon als Kunde gehegten Wunsch zu ‘ we Ns ist prächtig von Ihnen“, entgegnete der Alte; „ich bin indessen mit meinem Gedächtnisse noch immer nit im Klaren. Es sind viele Jahre seit der Zeit entschwunden und das Gesichd hat mich viel im der Welt umhergeworfen, ich ruhe das Bild ihres Vaters zu erfassen und «8 will mir nicht gelingen.“ „Sie haben si in sein Stammbuchh eingeschrieben," bemerkte Thomas. „Das ist möglich, das habe ich indessen bei all meinen Freunden da­­­maliger Zeit gethan.“ Hermannfadt, 9. Oktober. ‚ Sechesmal, wenn der Neid­dtag im Herbste zusammentritt, durch­­­schwirren Gerüchte über Ansehen und Steuererhöhungen die Luft. Bevor noch der Finanzminister sein Ex­posee über die Finanzlage im Abgeordneten­­­hause gehalten, schict der offiziöse „Nemzet“ die zarte Andeutung voraus, daß, der Finanzminister dem ungebecten Rest des heurigen Defizits durch Emittirung von fünfperzentiger Rapierrente an den Leib rüden will. Was wird mit dem Defizit des nächsten Jahres geschehen? Das wird der „Nemzet“ mit geziemender Schonung wohl später andeuten. Auch eine „geringe“ Erhöhung der Zuder- und Biertonsumsteuer ist in Aussicht genommen; dafür wird der Finanzminister sein Versprechen, die Kaffee­­tonjfumsterer aufzuheben, einlösen. Bei dem I Interesse, das Ungarn an der Aufnahmsfähigkeit des Geld­­­marktes Hinsichtlich unserer Ansehenspapiere hat, ist es erfläclich,­ daß der Beschluß de Wiener Gemeinderathed, daß die in Wien zu grüns­­dende städtische Hypothekenbant nıre gemeinsame und österreichische Papiere belehnen dü­rfe und ungarische Staatspapiere von der Belehnung auszu­­­schließen seien, in Belt sehr verstimmt hat. Der „Peter Lloyd“ redet daher so eindringlich den Wiener Herren ins Gewissen, daß es heißt, der Wiener Gemeinderath werde seinen Beschluß ‚rücgängig machen. Für die innere Verwaltung, welche im ganzen Lande bekanntlich nicht zum Besten bestellt ist, ist der vom Minister des Innern vorbereitete @e­­­„Ich beffe dieses Stammbuch noch”, fuhr Thomas fort und langte das Buch aus der Zarche. Kolbe hatte es kaum aufgeschlagen, als er heiter rief: „Nun entsinne ich mich, jeßt steht er so lebhaft vor meinem Geiste, daß ich ihn malen könnte! Ein luftiger und prächtiger Mensch! Nun, seien Sie herzlich will­­­kommen !” fuhr Kolbe in seiner ehrlichen und Vertrauen erweckenden Weise fort. „Was macht mein alter Jugendfreund “" „Er­­st todt — schon seit Fahren“, erwiderte Thomas und richtete den Blick auf die Erde. „D — 91" rief Kolbe mit aufrichtiger Theilnahme. „Das Hatte ich nicht erwartet, ich freute mich schon darauf, ihn wieder zu sehen und die alten­­­ Jugenderinnerungen gemeinsam mit ihm aufzufrischen. Es war doch eine Luftige Zeit. Ihr Vater und ich wohnten Beide in einem Hause, unsere Zimmer lagen dicht neben­­einander. Wir Beide hatten seinen bes fandes starren Wechsel und deshalb einige Schulden. Um­ unsere sehr unge­­­duldigen Gläubiger nun irrezuführen, faßten wir den Entschluß, umzuziehen, das heißt ich schrieb an meine Stubenthür: „Ernst Thomas", und Ihr Vater schrieb an die feinige: „Werner v. Kolbe”. Kamen nun die Gläubiger des Mordes früh — anders kamen sie nie, weil dies die einzige Zeit war, in der sie uns zu Hause trafen — und pochten an meine Thür, so rief ich laut: Herein! Schüchtern stecten sie ven Kopf dur die Thür und waren erstaunt einen Fremden auf dem Sopha liegen zu finden. Gewöhnlich lautete ihre Frage: „Wohnt Hier nicht Here Ernst Thomas? worauf ich regelmäßig mit lauter Stimme erwiderte: „Nein, ist schon vor einem halben Jahre ausgezogen !" Wohin ?" — „Weiß nicht, Philister, und kümmert mich auch nicht! Nun fort aus meinem Zimmer!" — Ich machte dann einen bezeichnenden Griff in die Ehe, wo mein Ziegenhainer stand, und die Gläubiger ver­­­schwanden fehleunigst. Ihr Vater machte es mit meinen Gläubigern ebenso, und eine Zeit lang hatten wir wirklich Ruhe, bis die pfiffigen Köpfe die Geschichte merkten !" Thomas lachte scheinbar in der unbefangensten und heitersten Weise. „Und was machtet ihr dann?" fragte Lil. „Kind, das weiß ich nicht mehr," gab Kolbe zur Antwort: „DBer« muthlich wurden wir sehr grob und suchten dadurch die Ungeduldigen ein a iz bis auch dies nicht mehr half, denn ein echter Philister gewöhnt an Alles." In gewandter Weise hatte sich Thomas sehr schnell in das harmlos luftige Leben Kolbe’s gefunden, er fühlte sich bei ihm heimlsch, und es war ihm, als ob er schon seit Jahren mit dem Alten bekannt sei. Zugleich fesselte ihn die Heitere und unbefangene Lilli. Sein Herz schlug schneller in ihrer Nähe und von dem beiden echten Künstlernaturen wehte ihm ein Hau ent­­­gegen, der­ ihn unwilliürlich mit Hinriß, obschon er zu seinem Wesen wenig zu paffen schien. Sie waren in der Laube angelangt und Kolbe ließ sich fest nieder. „Hier lassen Sie uns bleiben!“ rief er Thomas zu und bat dan Lili, Wein zu besorgen. „Bringe nicht zu wenig,“ fügte er scherzend Hinzu. „Ich bin heute in heiterer Stimmung. Es erfrischt ung Alte nichts mehr, als luftige Fugenderinnerungen, es ist, als ob wir aus ihnen neue Lebens­­­kraft schöpften.“ Lili entfernte sich. Thomas’ Blide folgten ihr mit Wohlgefallen, zugleich vergaß er seinen Zweck nicht eine Minute lang. Sein scharfer Dird Hatte ihm sofort verrathen, daß Kolbe sich Leicht ausforschen ließt, daß er wie ein Kind war, das Jedem mit unbedingtem Vertrauen ent­­gegen kommt. Kolbe erzählte ihm Manches aus seiner Vergangenheit, wie er als Maler sich mühsam emporgerungen, und wie er durch seine Künstlerlaufbahn sich mit seiner Familie verfeindet. „Ihr Bruder ist tobt?“ warf Thomas ein. „sa“, erwiderte Kolbe ernst. „Er starb, ohne daß wir uns verfähnt hatten. Welch’ thörichte Geschöpfe die Menschen doch sind, daß sie Gering­­­fügigkeiten wegen sich verfeinden und sich das Leben verbittern." „Ich hörte zufällig, daß die Wittwe Ihres Bruders sehr reich ist und seine näheren Verwandten besigt“, warf Thomas ein. „Die alte Dame ist sehr kränklich, da werden Sie das Vermögen verselben erben — auch das Gut, welches schon Ihr Vater besessen hat.“ „Ich werde nichts erben”, entgegnete Kolbe. „Mein Vater hat mich enterbt, mein Bruder gehaßt, und seine Frau wird wohl die Gesinnung ”

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