Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. November (Jahrgang 11, nr. 3311-3335)

1884-11-08 / nr. 3317

Induktion M grimmig­anei- HiergasscLssL Eis-­­­Grichen­itiallsus und mederzoiiusmidsteiers tagtäglich. glionnementsiir Ictmaiiiisiadk monauichsokk.,vierteljahclichgfisotr,halbjährig 5fl-,ganzjährig 10fl-ohne suseeaungin-5Han­g, mit Zustellung 1sl.,3sl.,6fl.,12fl. Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 ag TfL., ganzjährig 14 fl. Für das Ausland: vierteljährig 7 AM. oder 10 Fre3., halbjährig 14 AM. oder 20 Fre3., ganzjährig 28 AM. oder 40 Free. Unfranlirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. N 3317. XI. Jahrgang. Hermannstadt, Samstag, 8. November ur Reichstagswahl im Steinkohler Komitate. Wie unseren L­ejern bekannt ist, hat die sächsische Volkspartei bei der am 6. d. M. in Dicsö-Szent-Marton stattgefundenen Reichstagswahl die ansehnliche Minorität von 217 Stimmen auf ihren Kandidaten vereinigt; dagegen ist der Kandidat der Regierungspartei mit einer Majorität, deren numerische Bedeutung zu verkleinern nicht in unserer Absicht liegt, aus dem Wahlkampfe als Sieger hervorgegangen. Dieses Ergebnis war schon vor dem Beginne des Wahlkampfes vorausgesehen worden; es giebt wohl kaum einen sächsischen Wähler, der sich der Illusion hingegeben hätte, daß der­­­ Kandidat unserer Partei in diesem Wahlfreife, in welchen die deutschen Wähler in der Minderheit sind, das Feld siegreich behaupten werde. Die günstigste Eventualität, welche noch in Rechnung gezogen werden konnte, bestand darin, daß bei einer Teilung der magyarischen Wählerschaft in die beiden Lager der Regierungspartei und der äußersten Linien eine absolute Mehrheit überhaupt für seinen der aufgestellten Kandidaten beim ersten Wahlgange erzielt werden und es zu einer engeren Wahl komm­en wü­rde. Diese Kombination ist allerdings nicht eingetroffen, da die äußerste Linke in diesem Wahlbezirke zu schwach war, um eine Partei zu bilden, und ihre Schwäche — wir fingen und auf Zeugnisse einiger ihrer Führer — haupt­­­sächlich in dem für die ungarischen Wahlverhältnisse sehr charakteristischen Mangel an Geldmitteln lag, der sie verhinderte, den Stimmenwerbungen der Negierungspartei mit Erfolg ein Paroli zu bieten. Aber auch in dem er wenn eine engere Wahl notwendig geworden und der sächsliche­­andidat in die Stichwahl gekommen wäre, ging die fü­nfte Erwartung der Sachsen nicht so weit, daß ihr Kandidat den Sieg davontragen werde. Und troß dieser geringen Aussicht auf einen Wahlerfolg wurde der Wahlkampf aufgenommen? Das Rätsel ist nicht unschwer zu Lösen. Es galt, unsere Ueberzeugung ohne Rücksicht auf die ungünstigen Chancen eines Erfolges offen und männlich an den Tag zu legen, und diese Ueberzeugung geht dahin, daß das gegenwärtige Regierungssystem fir das Vaterland und insbesondere auch fir unser Wolfstum verderblich sei. Das mutige Bekennt­­­nis Dieser Ueberzeugung erscheint uns männlicher und würdiger zu sein, als mit derselben Hinter dem Berge zu halten. Hat doch auch eine Wahl überhaupt wohl kaum einen anderen Zweck, als die Neberzeugung der Wähler war zu Tage zu fördern. Die durch die Haltung der jächsiichen Wähler des untern Kleinfofler Wahlbezirkes dokumentierte Meberzeugung ist nicht durch eine Fristliche Agitation in die Kreise der Wählerschaft hineingetragen worden, sondern selbst dort entstanden und gewaschen. Im der dortigen sächsiichen Wählkr­­­art war der Drang, die nationale und politische Solidarität mit den Brüdern der sächsischen Wahlkreise offen zu benennen, so mächtig erwacht, daß es pflichtvergessen gewesen wäre, ihrem Aufe­­il­ zu verschließen. Es sind geradezu rührende Beispiele, die wir anführen konnten. Einige mögen hier erwähnt werden. Aus einer Gemeinde — Steinblasen­­­dorf — erscheint der reiche Großgrundbesiger an der Soige der Wähler vor der Wahlkommission und stimmt mit den meisten — e3 waren Romänen — für den Kandidaten der Regierungspartei; blos Die vier sächsischen Wähler dieses Dorfes geben ihre Stimmen ohne Furcht für den sächsischen Kandidaten ab; es waren die ersten Stimmen, welche bei dem Wahlgange, nach der Aogabe von bereits mehr als hundert Stimmen für den „liberalen“ Kandidaten, auf Dr. Brudner fielen. Auch aus anderen Heinen Gemeinden, in welchen kaum ein halbes Dupend | Sachsen­ das Wahlrecht haben, waren sie bis auf den legten Dann bis zum Wahlorte geeilt, um hier ihre Stimme für den sächsischen Kandidaten abzugeben. In einer andern voll- und wählerreichen Gemeinde — Bulfeld­ — wird eine bedeutendere Summe, mehr als 400 fl., genannt, welche zu Wahlzwecken zur Disposition stehe, wenn die Wähler auf den Kandidaten der Regierungspartei stimmen sollten. Die Wähler halten am Abend vor der Wahl eine Versammlung ab, in welcher sie wie Ein Mann beschließen, seinen Kreuzer anzunehmen. Die 60 Bulfeid­er Wähler haben in der That am Wahltage ohne Ausnahme ihre Stim­men für Bruckner abgegeben. Die Mederzeugungstreue und Gesinnungstüchi­gkeit der sächsischen Wähler geht zur Genüge auch schon aus der Thatsache hervor, daß die meisten vom frühen Morgen bis zur späten Nachmittagsstunde, im welcher exit die Reihe der Abstimmung an sie fan, auf freiem Felde, allen Unbilden des Novembers tragend, unverdroffen ausharrten und ohne Rücksicht darauf, daß eine er­­­drüdende Majorität für den Regierungskandidaten bereits gesichert war, der Stimme ihres nationalen und politischen Gemwissens folgten. Ehre diesen anderen Männern! Wir werden es ihnen nicht ver­­­effen. E83 ist unsere Pflicht, das Band, das, durch ihr mutiges Einstehen für die gemeinsame Sache neu gestärft, sie mit uns verknüpft, nach Mög­­­lichkeit noch mehr zu festigen. Der Sieg der Negierungspartei erwedt in uns seine Regung des Neides. Wir meinen, daß die Mittel, die zu diesem Siege geführt haben, nicht die würdigsten ge­wesen sind; man muß leider sagen, es sind die landesüblichen gewesen. Wir können auch nicht verschweigen, daß dieser Sieg ohne die Mithilfe der romänischen Wähler, die fast vollzählig zur Abstimmung für den Regierungskandidaten geführt wurden, fraglich ge­­­wesen wäre. In den ausnahmslos für die Regierung abgegebenen Voten der Kleinfofler Rumänen kommt gewiß nicht die Weberzeugung des roma­­­nischen Volkes zum Ausdruck; es dü­rfte auch diesen Wählern kaum ein Unrecht geschehen, wenn wir offen den Zweifel aussprechen, daß sie ü­berhaupt einer Ueberzeugung gefolgt und der Bedeutung ihrer Abstimmung bewußt­­ewesen seien. Wer diese geehrten Wähler gesehen, wie sie, mit den drei­ Kareien Kortejchiedern auf den Belzmngen, aus den Schanklokalen von Dicsd-Szent-Marton unmittelbar in das Wahllokal geführt wurden, kann sich solcher Zweifel nicht entschlagen. Wir können unseren romanischen Brüdern nur wünschen, daß ihre Bauern ebenfalls zu solchem Selbstbewußt­­­sein erwachen mögen, wie e3 die meisten sächsliichen Bauern des unteren Kleinkofler Wahlbezirkes — wir miüssen e3 mit Stolz wiederholen — bei der vorgestrigen Reichstagswahl bewiesen haben.­­ ­ Pränumerationen und Inserate übernehmen außer­­dem Hauptbureau, Heltanergasse Nr. 28, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­wandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz Fr. Wachsmann Nr. 187, Sächs.­Regen Carl Fronius, Mühlbach ‚Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Battoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Pest A. V. Goldberger, Frankfurt , M. G.L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmoniezeile Tostet beim einmaligen @invüden 7 Er., da zweitemal je 6 kr., das drittemal je 5 fr. 5. W. exclusive ber Stempelgehält von je 80 fr. 1884, Volitische Nebersicht. ··» ·H·­­­Hei·marin­stadt,7.Novem­ber. Dire«"EH­re des Vortrittes,Von den gemeinsamen Ministern zuerst Aufklärungen und Mitteilungen zu empfan­gen,hat in diesem­ Dele­­­gationsjahre die österreichische Delegation.Nachdem Graf Kalnoky ein zufriedenstellendes Bild über die auswärtigen Beziehungen der Monarchie entrollt hat,zeigt nun Herr v.Kallay dem­ österreichischen Buderaus­­­schusse»Neu-Oesterreich«,womit Bosnien gemeint ist,in einer so Freund­­­lichen Beleuchtung,daß sich selbst der verbittertste Pester 48er,wir wollen noch nicht sagen von Rechts wegen,so doch aber von Minister wegen,als überwunden bekennen m­üßte.In einer stundenlangen Rede schilderte Herr v.Kallay dem Budgetausschusse,als das bosnische Budget beraten wurde, unsere Lage in Vos niemals im­m­er günstiger sich gestaltend.Die Vers hältnisse würden sich auch in der nächsten Zukunft umso günstiger ge­­­stalten,da Montenegro unsere Behörden in freundnachbarlicher Weise unterstütze Das angebahnte freundschaftliche Verhältnis zu Mon­tenegro lasse eine erfreuliche Entwicklung in den okkupierten Provinzen gewärtigen. Im­ weiteren Verlaufe seiner Auseinandersezungen erklärte der Minister, daß die Eisenbahn Mostar—Methopie voraussichtlich am 15. Juni 1885 aus­­­gebaut sein werde. Die Streifkolonnen müßten noch fortbestehen, weil das Räuberunmelen nicht abgenommen habe, obgleich die Bevölkerung die Beh­­örde in loyalster Weise unterftüge. Der Minister erwiderte auf eine An­ I des Delegierten Dr. Beer, daß der Kataster in einigen Monaten an­­­gelegt sein werde, daß die Waldungen in Bosnien sehr devastiert seien und nur einen geringen Ertrag abwerfen. Die Gewinnung von Montanerzen nehme jedoch zu, die Schul und Refrutierungsverhältnisse gestalten sich all­­­jährlich günstiger; selbst die reichen Leute geben ihre Söhne zum Militär und legten die meisten auch die Offiziersprüfung mit Erfolg ab. Die Ko­­­lonisationsverhältnise besprechend, empfahl der Minister, daß insbesondere a­­­nDE Personen günstiger Fortkommen in Bosnien finden unten.­­­ Der Kredit für Bosnien wurde dann auch mit unwesentlichen Ab­­­änderungen angenommen. . In Berlin wurde in ein­er Versam­mlung von Vertrauensmännern der dortigen Sozial-Demokraten die strengste Wahlenthaltung bei den Stichwahlen beschlossen,da sowohl die Freisinnigen als auch die Kons­­servativen gleichmäßig den Arbeitern feindselig gesinn­t seien.Ob diese Wahl­­­enthaltung bei den Stichwahlen auch sonst in Deutschland stattfindet,darüber verlautet nichts. Der Unzufriedenheit mit der Regierung in Frankrei und der Kammermajorität, namentlich mit Rücsicht auf die Expedition nach Tongjing, wird in Paris mit Maueranschlägen Ausdruck gegeben. Ein „Comite de salut public“ forderte zur Steuer-Verweigerung auf, und ergoß sich dabei in den stärksten Ausdrüchen gegen die Regierung. Der Bapst hat, wie der Pariser Korrespondent der „Daily News“ wisen will, den Konseils-präsidenten Kerry gewarnt, daß er das neue Ehescheidungsgeiet nicht anerkennen künne, da die Unauflösbarkeit der Ehe das fundamentale Dogma der Kirche sei. Die französische Negie­­­rung erwiderte hierauf, daß diese Maßregel eine rein zivilrechtliche sei und Se­ Heiligkeit durch die Bischöfe jedwede ihm beliebige moralische Ueber­­­redung anwenden künne, um Katholiken davon abzuhalten, ihre Zuflucht zu den Ehescheidungstribu­nalen zu nehmen. Wie aus London gemeldet wird, erregt dort die Gestaltung der Beziehungen zwischen Frankreich und England mancherlei Bedenken. Die einlaufenden diplomatischen Berichte konstatieren, daß sich in Frank­­reich eine stetig wachsende Gereiztheit gegen England zu zeigen beginne. Im englischen Doberhause ist die Regierung lebhaft über die Nachrichten aus dem Sudan und Gordons Gefchte interpelliert worden. Salisbury fragte, ob demn General Wolseley nicht wenigstens die Garnison von Chartum retten werde, und Lord Northbrook­ entgegnete, man wisse wohl, daß Gordon nicht der Mann sei, die Garnison von Chartum im Stiche zu lassen. Er würde unzweifelhaft an der Soige der Garnison aus Chartum herausmarschieren, und Lord Wolseley würde dann den Rüdzug dieser Garnison deden. Die Regierung sei übrigens nicht verpflichtet, eng­­­lisches Blut und Geld behufs Befreiung aller egyptischen Garnisonen in Zentral-Afrifa, die sich nicht selbst Helfen könnten, zu opfern. Die Regie­­­rung habe sich niemals verpflichtet, englische Truppen nach dem Sudan zu entsenden, um die dortigen Garnisonen aus ihrer bedrängten Rage zu be­­­freien. Sennaar liege 200 Meilen Hinter Chartum, und zu dem Intrage seiner Garnison wü­rde es nötig sein, eine britische Streitmacht ein Jahr länger im Sudan zu belassen. Die Regierung wü­rde sr hüten, einen solchen Entschluß zu fassen. Auf die Frage Lord Dunravens, ob es unter viesen Umständen nicht zweckmäßig wäre, den Beistand der Türkei oder irgend­­einer anderen Macht anzurufen, blieben die anwesenden Vertreter der Re­­­gierung einfach die Antwort schuldig. Bezüglich der Kongokonferenz richtet sich die Hauptaufmerksam­­­keit auf die Gruppierung der Mächte. ee selbst dürfen kaum zu tiefgehenden Differenzen Anlaß geben. Nach wie vor ist man in den Berliner leitenden Kreisen darauf bedacht, die Beratungen ausschließlich auf die Kongofrage zu beschränken und soweit als irgend­­whunlich, eine möglichst rasche Erledigung herbeizuführen. Italien geht ebenfalls nach dem Kongo. Brei Kriegsschiffe haben den Auftrag erhalten, sich dorthin zu verfügen. Eines derselben Hat auf mehrere Fachmänner am Bord. Die Aufgabe der Fachmänner wird sein, eine genaue Untersuchung der klimatologischen und der Bodenverhältnisse der noch als res nullius betrachteten westafrikanischen Küstenstriche vorzunehmen und hierüber sodann Senilleton. Aus der Jugendzeit. Bon­­k. Migula. (12. Fortlegung.) &3 war der legte Abend, den ich in Tante Agathens traulichem Veilchen­­­zimmer verlebte. Die Märzionne hatte Abschied nehmend noch alle Wärme ausgeströmt, Bäume und Sträucher trieben Anospen, ein rauer Frühlings­­­bauch d­urchzog die Welt. Im Walde blüften Anemonen und Schneeglöckchen, heute hatte ich den ersten Strauß VBeilchen gesammelt, er sollte mich auf der weiten Reise begleiten, ein Gruß aus der Heimat. Ich sah sinnend ins Thal hinab, wie würde meine Zukunft sich gestalten ? Da trat Tante Agathe Leise an mich heran. „Komm, Kind, seße dich zu mir, laß uns noch gemütlich zusammen plaudern, bis der Doktor kommt.” Wir fegten uns im Dämmerlicht auf­ ® Sopha, sie zog mich an sich und strich mit ihrer feinen schlanken Hand Liebrofend über mein Haar. Aus dem Halbdunkel schimmerte matt der Goldrahmen herüber, der das braunlockige Knabentöpfchen umschlug und unwillkürlich fragte ich: „Tante Agathe, ist dein Sohn wirklich tot?" Ich fühlte, wie sie erschrach; aber gleich darauf sagte sie ruhig: Gewiß, er ist lange tot, weshalb fragst du, Kind?” „Ich weiß nicht, wie es kommt, aber ich habe mir immer eingebildet, er sei gar nicht gestorben, sondern in Amerika.“ Diesmal erhielt ich seine Antwort, aber nicht entmutigt wagte ich noch eine Frage, die mir das Dunkel, in das Tante Agathens Vergangenheit und ihre Familie gehüllt war, erhellen sollte. „War er noch jung? Und war er wohl verheiratet ?” „Laß das, Magdalene,­­­pri nie und mit niemandem über mich und meinen Sohn, frage nie wieder nach ihm, er ist tot für —“ Sie brach, plöglich ab, als fürchtete sie schon zu viel gejagt zu haben und erhob sich, um die Lampe anzuzünden. Ich mußte «8 daher der Zeit überlassen, das Rätsel in dem Leben dieser­­rau zu lösen, das sie so sorg­­­fältig leitete. Am­­­ anderen Tage nahm ich mieder Abschied von meinen Freunden. Noch ein legter Gruß und fort braufte der Zug in die meite Welt hinein. Ich warf mich in eine Ehe und weinte Bitterlich, so Hilf'es kam ich mir vor, so allein und verlassen. Wie würde man mir begegnen? Ich schauerte innerlich zusammen, wenn ich an die Kränkungen dachte, die mir von allen vorausgesagt wurden. Aber da war ja Johanna, meine herzige Freundin. Bei ihr fand ich allezeit Liebevolle Teilnahme, ein gütiges, warmes Herz voll treuer Freundschaft. So suchte mir ein Bild von meiner sünftigen Umgebung und den Menschen, mit denen ich fortan Leben sollte, zu machen. Das zerstreute mich­, die Thränen versiegten und bald hatte ich meinen inneren Gleichmut wieder­­­gefunden. Die Reise von Heidelberg nach DOstpreußen war langwierig und beschwerlich, ich konnte wenig schlafen und war totmüde, als ich mich endlich meinem Biere näherte. Elstes Kapitel. Schloß Golzheim. „Ernsdorf — zehn Minuten”, rief die rauhe Stimme des Schaffners, indem er die Thür aufriß und mich aus meinen Gedanken aufschredte. Ernsdorf, die legte Station! Wie eine Zentnerlast legte es sich mir auf die Brust. Noch eine halbe Stunde und ein ganz neues Leben begann für mich. Wie würde ich mich Hineinfinden? Die alte heiße Sehnsucht nach meinen zu früh verstorbenen Eltern, nach meinem Daheim, dem traulichen Lindenhaug, ergriff mich; mit Gewalt mußte ich die Thränen zurückdrängen, die aufs neue meinen Augen zu entströmen drohten. „Nur Mut, Magdalene”, tröstete ich mich selbst, „siehe dem Leben frisch und fest ins Auge und gehe unbeirrt deinen Weg.” Mit Leichterem Herzen nahm ich meine Handtasche und stieg aus. Ich erwartete nicht, daß jemand von der Golzheim’schen Familie mich abholen würde, deshalb schritt ich ohne Zögern einem Plate zu, auf dem mehrere elegante Equipagen hielten. „Fräulein Werner?” tönte es da fragend Hinter mir, und mich um­­­wendend, stand ich einem Herrn gegenüber, der artig grüßte. „Mein Name ist Magdalene Werner, ich suche den Wagen aus Golzheim­, entgegnete ich. „Ich bin Baron Golzheim, bitte folgen Sie mir, Fräulein Werner, Sodann sol sofort ihr Gepäck besorgen.” Bei einem hübschen, offenen Wagen Halt machend, bedeutete er einen reich betreuten Diener, meinen Gepäcschein zu nehmen. Dann forderte er mich auf, einzusteigen, legte folglich eine warme Dede über meine nie und fegte sich neben mich. Bald war alles in Ordnung und wir flogen pfeilschnell die mit Linden bejehte Allee entlang, meinem neuen Bestimmungsort entgegen. IH war nur höchst selten gefahren, dies schnelle Dahinfliegen machte , mir großes Vergnügen. Eine kurze Streife legten wir schweigend zurück, ich hatte Muße, meine Umgebung zu mustern. Es war Anfang April und wenn auch bei ung daheim, im gesegneten Nedarthal, die Natur längst erwacht war, die Frühlingsblumen blühten, während Bäume und Felder im ersten hellen Grun­­dcimmerten, so war hier in dem rauheren, nordischen Klima noch seine Spur vom Nahen des Lenzes zu merken. Die Felder sahen grau und unscheinbar aus, wie totesmilde lagen die Blättchen der Wintersaaten auf dem erweichten Ader und harrten des belebenden Sonnenstrahls. Der Baron unterbrach meine Betrachtungen, indem er sagte: „Meine Frau wird sehr bedauern, Sie nicht begrüßen zu können; sie hätte es sich gewiß nicht nehmen Lassen, Sie selbst in Ernsdorf zu empfangen.” „Die Frau Baronin ist doch nicht frank?” fragte ich teilnehmend. „Sest hoffentlich nicht mehr, aber sie war im Winter so angegriffen, daß die Aerzte auf einen längeren Aufenthalt in Nizza bestanden, wo sie mit meiner ältesten Tochter nun seit einigen Wochen weilt.” Ich sprac mein Bedauern aus und die Hoffnung, daß der Aufenthalt im Süden ihre Gesundheit wieder ganz herstellen würde. „Sa, wir wollen es wünschen”, sagte er leise, dabei bemerkte ich, daß ein summervoller Schatten sein freundliches Gesicht überflog. Er hatte eine schöne, stattliche Figur, aber sein Antlik zeigte die Spuren vieler Leiden. Auch war sein Haar schon stark ergraut. Ich machte diese Beobachtungen, als wir fest langsam bergauf fuhren und er schweigend vor fi niedersah.

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