Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1842 (Jahrgang 3, nr. 1-102)

1842-06-03 / nr. 43

190­ ßen Geiste begegnete , der sich hier unvermeidlich höher begabten Naturen offenbart, und mit dem Niemand verkehrt, ohne daß der Eindruck davon sich­ nachher im Leben ausprägt. Wenn wir nun auch nicht im Stande sind, Schritt vor Schritt dieser Reise zu folgen , so wollen wir doch einzelne Züge daraus mittheilen. Am 29. August 1793 kam Ludwig Philipp nach dem Hospiz von St. Gotthard Er schellte an der Klosterpforte­ in Kapuziner erschien am Fenster. — „Was wollt Ihr “ — „Obdach und Nahrung für mich und meine Gefährten­­­“ -- antwortete der Herzog, der Ursache hatte, über diese Frage erstaunt zu sein, da das Hospiz keine andere Bestimmung hat, als Reisende aufzunehmen.­­=­ „Hier werden seine Fußgänger aufgenom­­men, besonders“ — fügte der Kapuziner mit einem in Blicke hinzu == ‚„‚Fußgänger Eurer 4 1006 — „Aber wir wollen bezahlen, was wir for­­dert, ehrwürdiger Vater.“ — „Dort drüben ist gute Herberge für Euch!“ — antwortete der barmherzige Kapuziner , indem er das Fenster zumachte. Der Mond­, der eine so liberale Ansicht von christlicher Gastfreundschaft zeigte, hatte nach einer Schenke gedeutet, in welche die Mault­iertreiber einführten. Dort fand der Herzog zwar nur Ob­­dach und Alpenkäse, aber er hatte eine gute Lehre bekommen , wenn er sie auch mit einem dürftigen Nachtmahl und einem schlechten Lager bezahlen mußte. Die Erinnerung daran ist ihm geblieben , und Ho­­race Vernet hat dies kleine Reiseabentheuer in ei­­nem geistreichen Gemälde carakteristisch ausgeführt. Es scheint übrigens, daß damals die Kunde von der französischen Revolution und ihren blutigen Werken im Schweizergebirge eine Furcht vor Fran­­zosen verbreitet hatte. Man erkannte sie leicht an Kleidung und Sprache, und nahm sie ungerne auf , weil man in den entlegnen Gegenden des Hochlandes sich vorstellte , ganz Frankreich bestehe nunmehr aus Räubern und Mördern. Man be­­greift, daß die Niederrießelung der Schweizergarde bei dieser Annahme eine große Rolle spielte , und dies traurige Ereigniß hatte um­so mehr Eindruck gemacht, da die Schweizergarde größtentheils in den Gebirgskantonen ihre Werbungen bewerktstelligte. Zu Gordona in Graubünd­en fand der Herzog seine bessere Aufnahme , als auf St. Gotthard. Die Wirthinn eines kleinen Gasthofes wollte sich durchaus nicht dazu verstehen, die armen Wanderer aufzunehmen. Es war ein schreiliches Wetter und die Nacht war eingebrochen.“ Dennoch mußte der Herzog lange und dringend bitten, bis das Mit­­leid der zänkischen Frau so weit rege wurde , daß sie ihm und einem Begleiter ein Strohlager in einer Scheune einräumte. Ludwig Philipp aber hatte eine von diesen Alpenwanderungen im schlechten Wetter zurückgelegt , welche auch die rüstigste Kraft erschöpft , und er schlief auf dem Strohlager in der Bündtner Scheune so sanft und gut, wie nur immer unter einer Damastde>e in Versailles oder Palais-Royal. Wie glücklich wären an seiner Seite sein Vater­ und seine Brüder gewesen, die gerade um diese Zeit in einem finstern Kerker im Thurme St. Jean in Marseille saßen. Mit Tagesanbruch erwachte Ludwig Philipp an einem einförmigen Geräusch , wie wenn jemand immer aufs und abgeht, und als er die Augen öffnete , sah er zu seinem nicht geringen Erstaunen einen jungen Bauernburschen mit einer Flinte , der den Dienst einer Schildwache bei ihm versah. Auf Befragen sagte dieser, seine Muhme, die Wirthinn, die geizig und mißtrauisch sei, habe ihm diesen Eh­­rendienst aufgetragen , mit dem Befehl den Herzog sogleich niederzuschießen, wenn er etwa in der Nacht aufstehen und sie bestehlen wolle. Am Vierwaldstätter­ See traf der Herzog zwei Franzosen , einen Priester und einen Kaufmann, die mit einem Kahnführer über die Bezahlung der Ueberfahrt stritten. Der Priester hatte kein Geld und bat den Herzog, ihn als Kaplan anzunehmen ; ein Anerbieten , das er jedoch unter den obwalten­­den Umständen ablehnen mußte. Der Kaufmann war Optiker im Palais-Royal gewesen , an dessen Besißer er mehre Mal Brillen verkauft haben wollte. Dabei versicherte er, alle Mitglieder der Orleans­­schen Familie genau zu kennen. Die Verlegenheit des Herzogs wurde nicht auf lange Probe gestellt, denn der Optiker vom Palais-Royal kannte die Fa­­milie Orleans nicht so genau, als er behauptete, Ludwig Philipps Reisemittel waren fast ganz erschöpft , er hatte auch sein festes Pferd verkaufen müssen , und bald nahte die Jahreszeit , in welcher die Hochalpen unwegsam werden. Die Aussichten für die nächste Zukunft konnten nicht betrübender sein. Da wurde er vom General Montesquiou, mit dem er immer in Verbindung gestanden, nach - .

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