Transsilvania - Beiblatt zum Siebenbürger Boten, 1845 (Jahrgang 6, nr. 6-103)

1845-03-28 / nr. 25

122 was der Herzog von Nemours in diesem köstlichen Au­­genblik empfand mitten in der Nacht an einem einsa­­men und schönen Ort eine Frau zu sehen, die er an­­betete, sie zu sehen, ohne daß­ sie es ahnte, und sie­ zu sehen, wie sie augenscheinlich von der Neigung beherrscht wurde, die sie ihm sorgfältig verborgen — ein solches Glück hat wohl ein Liebhaber noch nie genossen, kaum­­ geträumt! Der Herzog blieb wie versteinert bei diesem süßen Anblick stehen; er vergaß, wie kostbar die Minu­­ten für ihn waren. „Als er sich etwas gefaßt, überlegte er, daß er nicht eher sie anreden wolle, bis sie in den Garten hinabginge, aber als sie unbeweglich im Zimmer blieb, entschloß er sich, einzutreten, der Muth fehlte ihm jedoch, er fürchtete sich, ihr zu mißfallen, diese schönen, sanften Züge durch Entrüstung und Zorn verändert zu sehen; jest erst fiel ihm das Gewagte seines Schrittes ein;­­der Wunsch, sie zu sprechen, die Hoffnungen, die ihr Benehmen rege gemacht, wurden von der Furcht fieberhaft gesteigert. In seiner Verwirrung, ob er gehen oder bleiben sollte, verwickelte er sich mit seiner Schärpe an einem Fensterladen; das Geräusch erschie>te die Prinzessin, sie wandte den Kopf und glaubte eine Ge­­stalt zu sehen, die sie für den Herzog hielt, ohne zu zögern und ohne sich umzusehen, eilte sie in das ansto­­ßende Zimmer, wo ihre Leute waren, und gab dort vor, sie fühle sich unwohl, um die Ursache ihres Spreckens nicht zu verrathen und dem Herzog Zeit zur Flucht zu gewähren. Nach einiger Zeit ließ sich die Prinzessin von ihren Leuten in das Schloß zurückbegleiten und legte sich in höchster Aufregung zur Ruhe; sie redete sich vor, ein Spiel ihrer Phantasie habe sie getäuscht, der Her­­zog könne unmöglich im Park gewesen sein und doch war sie fast ungern hinausgegangen, weil sie seine Nähe vermuthete. Der Herzog war so lange im Park geblieben, als er noch Licht sah; er hoffte immer noch, sie käme zurück, obgleich er sich nicht verbergen konnte, daß sie vor ihm entflohen sei. Endlich trat er den Rückweg an, ohne zu ahnen, daß er beobachtet werde: er beschloß, sich ein Unterkommen im nächsten Dorfe zu suchen, um am fol­­genden Abend noch einen Versuch zu machen. Seine Leidenschaft hatte den höchsten Grad von Heftigkeit und Innigkeit erreicht; er gab sich unterweges den Ausbrü­­chen derselben hin und weinte sogar, aber nicht allein vor Schmerz, seine Thränen waren mit dem Wonnereiz vermisst, wie­­ ihn nur die Liebe kennt. Er begriff nicht, wie er dem Drange, ihr zu Füßen zu sinken, habe wiederstehen können; er wiederho­lte sich in Ge­­danken alle die kleinsten Umstände seit seiner Neigung für die Prinzessin, ihre bescheidene zurückhaltende Strenge gegen ihn und die un­willkürlichen Beweise, die sie in holder Verwirrung „immer wieder von ihrer Liebe gege­­ben, rührten und entzückten ihn gleichzeitig. Er brachte den ganzen Tag in dieser Extase zu, und als es Abend wurde, begab er sich wieder auf seinen gefährlichen Weg in­ den Park; der junge Edelmann hatte sich verkleidet und war ihm unablässig gefolgt. Der Herzog merkte bald, wie die Prinzessin jede Vorsicht übte, um ihm zu entgehen; es war kein Licht im Pavillon, sie blieb im Schlosse, aus Furcht, er könnte seinen kühnen Besuch dennoch wiederholen; sie hatte vielleicht gefürchtet, daß ihr zum zweiten Male die Kraft zur Flucht fehlen würde. Obwohl nun der Herzog keine­ Hoffnung hatte, sie zu sehen, so tröstete es ihn dar, an demselben Orte zu weilen, wo sie alle Tage war, und er blieb die ganze Nacht im Garten, erst mit Sonnenaufgang entfernte­ er sich und trat niedergeschlagen seine Rückreise nach der Stadt an. Der junge Edelmann eilte ihm voraus, er wußte, daß sein Gönner ihn mi Ungeduld erwartete; der Prinz von Cleve betrachtete die Nachricht seines jungen Freundes wie eine Entscheidung über Tod und Leben. Er sah an den Gesichtszügen und an dem dü­­steren Schweigen, wie entjeglich , diese Nachricht sein mußte, „Io weiß Ihnen nichts Bestimmtes mitzuthei­­len,­ sagte der junge Mann; „nur das ist gewiß, daß der Herzog zwei Nächte hinter einander in dem Park ihres Landhauses zugebracht hat." — Der Prinz von Cleve war vernichtet; er fühlte den Schmerz über die Untreue der geliebtesten Person auf der Welt und zu­­gleich die Schmach, von seiner Frau betrogen worden zu sein. Eine heftige Krankheit war die Folge davon; seine Gemahlin eilte auf die erste Nachricht an sein La­­ger und war sehr erstaunt über die Kälte, womit er sie empfing. — Nach langen Kämpfen kommt es endlich zur Erklärung zwischen dem Ehepaar; der Prinz wirft seiner Gattin ihre vermeintliche Untreue und Schande vor, es gelingt ihr endlich, ihn von ihrer Unschuld zu überzeu­­gen, aber es ist zu spät, der Tod läßt ihr nicht Zeit, den liebenden Gemahl noch glücklich zu machen, er stirbt versöhnt, voll der tiefsten Achtung und Zärtlichkeit für die Tugend seiner Frau, aber sie kann sich nicht ver­­heimlichen, daß der Kummer über ihre Liebe zu einem Anderen sein Herz gebrochen hat, und zieht sich deshalb, von Reue und Schmerz­ gequält, in ein Kloster zurück. Kein Bitten und Flehen des Herzogs­ von Nemours, der dringend um ihre Hand sich bewirbt, der nun sicher

Next