Banater Deutsche Zeitung, September 1928 (Jahrgang 10, nr. 196-220)

1928-09-01 / nr. 196

Seite 2 ZF LT 47 3 3 ‚Boll ein t Isolihei riob eamsl­aid STEBZIV SALIFIL ICA ee Mi Five ee [MA Regierungskommissäre traten an die Stelle der ge­­wählten Bürgermeister und schalteten nach ihrem Belieben mit den Gemeindegeldern, mit denen u. a. überall Case del Ballila, faschistische Jugendheime erbaut wurden. Mit dem Gelde der slowenischen Väter wird also die slowenische Jugend entnationa­­lisiert. Ein besonders harter Schlag ist die Zerstörung der Wirtschaftsorganisationen. Zu Beginn dieses Jahres wurde durch Erlaß des Präfekten von Görz die Auflösung der Verwaltungsorgane des Verban­­des der slowenischen Genossenschaften in der Pro­­vinz Görz verfügt. Diese Organisation, die vor 35 Jahre gegründet wurde, und nunmehr unter faschi­­stischer Zwangsverwaltung steht, zählt nicht weniger ,als 190 Genossenschaften mit rund dem­. Bis in die kleinsten Orte hinein­­ 50.000 Mitglie­­erstreckt sich die­­ser bisher musterhaft arbeitende Verband mit seinen Raiffeisenkassen, Molkereien, Konsume und Produk­­tionsgenossenschaften. Schon im Jahre 1926 das Ministerium des Innern eine ergebnislos hatte ver­­laufene Untersuchung verfügt, die feststellen sollte, ob die Genossenschaften auch politischen Zwecken dienten. Die Presse wurde wie in Südtirol völlig geknebelt. Der Redakteur der in Görz erscheinenden „Goriska Straza“ erhielt in mehreren Pressepro­­zessen eine Strafe von 9,4 Monaten Kerker, weil er die Forderung nach Errichtung slowenischer Schu­­len erhoben hatte. Fast noch schlimmer geht es den griechischen­­ Bewohnern der Zwölf-Inselgruppe an der klein­­asiatischen Küste, die seit 1911 unter italienischer Herrschaft steht. Die unter türkischer Herrschaft sehr weitgehende Autonomie ist trotz phrasenhafter Proklamationen und Versprechungen aufgehoben worden. Man betrachtet diese Inselgruppe wie Süd­­tirol, als strategischen Stoßpunkt und sucht dort mit Gewalt eine zuverlässige italienische Bevölkerung zu schaffen. Hier hat man das brutale Mittel der künstlichen Aushungerung­­ nicht gescheut. Man lähmte und unterdrückte die sorglichen Erwerbs­­­möglichkeiten der Aclerbau, Ziegenzucht, Küsten­­schiffahrt und Schwammfischerei betreibenden Be­­völkerung mit schikanösen Beschränkungen, sodaß Hungerperioden einseßten und die Bevölkerung in Massen hinstarb oder auswanderte. Um ein Fünf­­tel ist die Einwohnerzahl der Inseln auf diese Weise schon vermindert worden, um Raum für den italienischen Nachwuchs zu schaffen. Endlich sei noch auf die Not der 10.000 Menschen, zum größten Teil Deutsche, zum kleineren Teil Kärtner Slowenen, hingewiesen, die in dem ohne Volksabstimmung von Kärnten losgerissenen Kanaltale wohnen. Ihnen geht es um sein Haar besser, als den Südtirolern.. Auch sie verdienen die Aufmerksamkeit der zivilisier­­ten Welt, die nicht lange mehr untätig dieser bruta­­len Minderheitenpolitik des faschistischen Italien zusehen kann. + LAIE Tirana im Freudentaumel Belgrad, 31. August. Wie aus Tirana gemeldet wird, finden dort tagtäglich Freudenkundgebungen anläßlich der Proklamierung "Albanien" zur Mo­­narchie statt. So veranstaltete beispielsweise gestern die Bevölkerung Tiranas eine Sympathiedemon­­stration für Ahmed Zogu, die von 7 Uhr mor­­gens bis in die späten­ Abendstunden dauerte. iP „Banner Deutsche Zeitung“ | Das Arbeitsruhegeset­z und die Kauf­­leute in der Wochenmarktzone Unkenntnis der Arbeitsruhebestimmungen behördlicher Organe Der Kaufmännische Verein für seine bedrängten Mitglieder Beim Kaufmännischen Verein liefen wiederholt Klagen von Kaufleuten ein, die in der sogenannten ee etabliert sind. Sie lauten alle da­­nn, daß“ die Polizeiorgane die Anwendung des Arbeitsruhegesetzes für die Stadt Teme38 war falsch auslegen, was zur Folge hat, daß sie die Kaufleute zur An­­zeige bringen, wodurch ihnen nicht nur viel Laufe­­reien und Scherereien, sondern auch erheblicher ma­­terieller Verlust entsteht. In die sogenannte Wochenmarktzone fallen jene Kaufleute, die in einem gewissen Umkreis der Markt- Mrd etabliert sind und die behördliche Erlaubnis aben, an den Ma­rkttagen, also an jedem Dienstag und Freitag, ihre Geschäfte auch über die ebenfalls gesetzlich angeordnete Mittagspause offen zu halten.­­ Da, wie man uns an maßgebender Stelle mit­­teilte, nicht nur die untergeordneten Polizeigigante, sondern auch ein Teil der Polizeioffiziere mit der An­­wendung des Arbeitsruhegesetes für die Stadt Te­­meswar nicht vertraut ist, konnte es vorkommen, daß gegen die Geschäftsleute in der Wochnmarktzone wiederholt Anzeigen gemacht wurden, weil sie ihre Laden an den Wochenmarkttagen über die Mittags­­pause offen­­hielten, obwohl sie sich das Recht des Offenhaltens­ noch vor zwei Jahren erkämpften, wo­­von sämtliche in Betracht kommenden also auch die Polizeibehörde, Kenntnis hat. Behörden. Um diese Kaufleute vor weiteren Unannehm­­lichkeiten zu schüßen, wird der Kaufmännische Ver­­ein jedem der betreffenden Mitglieder einen Aus­­zug des sich auf das Offenhalten der Geschäfte in der Wochenmarktzone beziehenden und von Arbeitsin­­spektor Botez und dem Vorsitenden des Kaufmän­­nischen Vereines Richard Kun unterfertigten Proto­­kolles zur Verfügung stellen. Die in der Wochen­­marktzone etablierten Kaufleute werden diese Ver­­ordnung einrahmen lassen und neben ihren anderen Dokumenten in ihrem Geschäfte aushängen, um es stets zur Hand zu haben, im­­ Falle polizeiliche Or­­gane sie wegen des Offenhaltens ihrer Geschäfte während der Mittagspause an den Markttagen in­­terpellieren sollten. 2 ; BHOOHEPE9980: B99968665820599065 909 Riesige Fieberepidemie in Griechenland Täglich 100 Opfer Athen, 31. August. Die Fieberepidemie macht in ganz Griechenland unheimliche Fortschritte. In Athen und Umgebung allein sind über 250.000 Pe­r­­sonen erfrankt, von welchen täglich 80 bis 100 sterben. Samstag, den 1. September 1928 99002900290E90998090009000200000002000862006 Hauptmann Stoicescu und Stabsfeldwebel Racea vom Kriegsgericht freigesprochen . Bis 10 Uhr Abends dauerte gestern die Ver­­handlung in dem Prozesse des Hauptmanns Niko­­laus Stoicescu und seines ihm unterstellten Administrationsstabsfeldwebels Konstantin Racea vom 93. Infanterieregimente in Arad, die angeklagt waren, ärarische Equipierungsgegenstände in ge­­winnsüchtiger Absicht entwendet zu haben. Während des Zeugenverhörs kam es zu einer aufregenden Szene. Der Unteroffizier Johann Sapir und Oberleutnant Konstantin Jan­ca gerieten mit ihren in der Voruntersuchung gemachten Aussagen in Widerspruch, was den die Anklage vertretenden kön. Kommissär Panteli veranlaßte, die sofortige Verhaftung der beiden Zeugen wegen falscher Aussage zu for­­dern. Der peinlichen Szene machte der Präsident Oberst Simboteanu ein Ende, der nach kurzer Beratung mit den Mitgliedern des Richterkollegiums­ verkündete, daß das Kriegsgericht von der Verhaf­­tung Abstand nimmt. Nach der Anklagerede des kön. K­ommissärs, der die Bestrafung der Angeklagten be­­antragte, begannen die Reden der fünf Verteidiger, u. zw. der Advokaten Dr. Weiser, Dr. Mura­­rescu, des Obersten a. D. Pa3ci­evici, Oberst­­leutnant Mihailescu und Generalstabsmajor E Chirculescu (letzterer aus Arad), die alle um Freispruch baten. Die Angeklagten, sagten sie, haben die Gegenstände nicht aus gewinnsüchtiger Ursache versteckt, sondern zur besseren Equipierung der WE aus Sparsamkeitsrücksichten zur Seite gelegt. Um 10 Uhr abends verkündete dann Oberst Simboteanu das Urteil: die Angeklagten werden mit drei Nein gegen zwei Ja von der Aufrage frei­­gesprochen. Die im Zuhörerraum befindlichen Offi­­ziere brachen in Hochrufe auf die­­ Mitglieder­­ des Gerichtshofes aus. Die Populationskanzlei in städtischer Verwal­­tung. Im Sinne einer innerministeriellen Entschei­­dung gehört die Aufrechterhaltung der Populations­­ämter (die früheren Wohnungs­anmeldungsämter) nicht in den Wirkungskreis der Polizei, sondern es ist die Aufgabe der Städte, für die Aufrechterhaltung derselben Sorge zu tragen. Im Sinne dieser mi­­nisteriellen Entscheidung übergeht demzufolge auch das Temeswarer Populationsamt schon demnächst in städtische Verwaltung. „Drei Nein, zwei Ja NE Er : Kampf im Dunkeln Eine Geschichte aus dem Spionenleben Von Frank Highman Nun hätte ich ihn erkannt. Es war ganz un­­glaublich- was knappe zwölf Jahre aus dem ehema­­ligen Premierleutnant Joachim­ von R. gemacht hatten. Dieser gebeugte hagere Mann vor mir, mit­ Hart, unerbittlich hart ist das Schisal von Menschen und Völkern. Eines der grausamsten Ge­­schie eröffnete sich mir vergangenen Herbst im lie­­ben, alten München. Das gutbürgerliche Hotel, in dem ich abgestiegen war, schien eine einzige große Familie zu beherbergen, so zwanglos war der Ver­­kehr der Gäste untereinander. Schon am Tage mei­­ner Ankunft saß ich mit zwei Berliner Herren, die ich vorher nie gesehen hatte, in der großen Halle, und wir unterhielten uns, als wären wir langjährige Bekannte. Da kam ein Boy auf mich zu und bat mich in das Büro des Empfangsbeamten. IH dachte nichts anderes, als daß irgendwelche Formalität, wie sie reisenden Fremden gegenüber üblich ist, zu erle­­digen sei und ging in das Büro. Wie erstaunte ich aber, als der Beamte, ein distinguierter Herr in mitt­­leren Jahren, freudig auf mich zueilte, meine Hand faßte und außrief: „Tatsächlich, bist du es! Sei herzlich gegrüßt in München! Ich habe im Fremdenbuch deinen Namen gefunden. Du kannst dir denken, wie ich mich freue, einen alten Freund wiedersehen zu können!“ Während er sprach, zerbrach ich mir vergebens den Kopf, wer er sei und woher er mich kenne, schien auch meine Unwissenheit zu bemerken, denn Er er­fuhr fort: „Ja, ich habe mich stark verändert, seit damals, als wir uns in London das letzte Mal sahen. Nicht nur älter geworden! Auch“ so... .­­n den müden flackernden Augen, die dem fahlen Ge­­sicht einen dumpfen, welken Ton gaben, sollte Freund Joachim vom preußischen Geniestab sein? Jener Joachim von R., der seinerzeit das Armeepistolen­­­schießen in Wilmersdorf überlegen gewann. Der­­selbe, der zu Beginn des Krieges, als er zum tech­­nischen Kundschafterdienste nach dem feindlichen England kommandiert worden war, in einem win­­zigen Segelboote die britische Sperrlinie an der eng­­lischen Ostküste durchbrach. Was war aus dem schnei­­digen, übermütigen Manne geworden? Wir plauderten von vergangenen Tagen und von gemeinsamen Freunden. Da fragte ich unvermit­­­­telt nach einem Kameraden Joachims, der ebenfalls der deutschen Spionageorganisation in England an­­gehört hatte und, wie mir bekannt, mit Joachim eng befreundet gewesen war. Der Blic über­ wurde beinahe furchtsam, und meines Gegen­­er sagte leise: „Willy ist tot! Erschossen im Feindesland zum Wohle des Vaterlandes!“ Natürlich war ich auf nähere Einzelheiten ge­­spannt und Joachim begann:­­ „Aufrichtig gestanden, bin ich froh, mit jeman­­dem, der mich früher kannte, Darüber sprechen zu können. Das erleichtert. Die Gedanken, die man schweigend hinunterschluckt, sind nur allzu geeignet, das innere Gleichgewicht zu zerstören. Erinnerst da dich noch dem Namen nach an­­ die russische Spionin Sonja Fedorowna, die seinerzeit der Deutschen Staatspolizei im ostpreußischen Festungsgebiet viel zu schaffen machte? Ja? Nun, diese Fedorowna so sollte Willys Schicsal werden! &3 war im Sommer 1916. In einem fashionab­­len englischen Seebad trieb sich eine elegante Russin herum, von welcher unser Chef erfuhr, daß sie in ver­­traulicher Mission nach England geschickt worden war. Willy und ich bekamen den Auftrag, das Trei­­ben der Russin zu erforschen und ihr Woher zu er­­kundigen. Wir beschlossen, getrennt zu operieren, daß wir und davon besseren Erfolg versprachen und we­­niger auffielen. Nun, wir hatten beide Glük. I< machte die Bekanntschaft der Russin bei einem Wohl­­tätigkeitsfest, und als ich von ihr bald darauf zum Tee geladen wurde, stellte sie mir einen Freund ihres Hauses, Mister Frederik Hansen, einen dänischen Maler, vor. Es war — Willy! « In der Folge glaubte ich zu bemerken, daß sich die beiden nicht gleichgültig blieben. Die Russin war eine grazile, rassische Schönheit und Willy jung und lebenslustig. Wir machten zu dritt kleine Aus­­flüge mit lustigen Picnic3 und nahmen auch das Souper beinahe regelmäßig zusammen. Die Korre­­spondenz mit unserem Chef hielt ich aufrecht, konnte aber vorderhand noch keine positiven Resultate be­­richten. Da kam eine 38 Tages den Auftrag enthielt, eine gute ein Chiffrebrief, der Photographie der Russin herzustellen und sofort dem Chef zu übermit­­teln. Ich sprach mit Willy darüber und wir einig­­ten uns, schon am kommenden Tage die Aufnahme gelegentlich eines Ausflugs zu machen, da die Rus­­sin kurz darauf verreisen wollte. Um sie nicht miß­­trauisch zu machen, mußte sich Willy mit ihr abneh­­men lassen, um, wie ich sagte, eine Erinnerung an beide zu haben. Alles ging scheinbar glatt von­stat­­ten. Ich stellte den Verschluß des Apparates auf „Moment“ und visierte vorher mit der Mattscheibe. Da bat mich Willy einen Augenblick um den Appa­­rat, um sich wie er sagte, die Bildschärfe zu besehen. Als ich den Apparat wieder zur Hand nahm und knipsen wollte, sah ich zufällig auf den Verschluß und mußte zu meinem maßlosen Erstaunen konsta­­tieren, daß er auf „Zeit“ stand. Niemand anders als Willy konnte diese verräterische Manipulation vorgenommen haben. I“ stellte wieder auf „Mo-

Next