Kaschauer Zeitung, April-Juni 1874 (Jahrgang 36, nr. 26-51)

1874-05-23 / nr. 41

. Kaschau, Samstag 23. Mai. XXXVI Jahrgang 1874. Erscheint jeden Mittwoc­h und Samstag. Pränumeration fir Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 fr., mit Postver­­sendung 1 fl. 50 fr. Pränumeration wird jeden Tag angenom­­men bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Hauptgasse Nr. 60, bei al­­en Postanstalten u. Buch­­ Megjelen minden Szerdán és Szombaton. - unfrankirte Briefe an die Redaktion Nr. 41. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petit­­zeile. — Inseratenstempel 30 tr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigun­­gen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Her­­ren A. Oppelik, Wollzei Nr. 22, Haassenstein , Vogler, Neuer­ Markt Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. Inserate übernimmt für uns die Inter­­nationale Annoncen - Expedition von Lang , Schwarz Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. — In Berlin S. Kornik. In Stuttgart E. Stöcke­hardt. In Paris Havas Laffitt- Bullier & Comp; handlungen. Kaschauer Zeitung Kund­haftsblatt für Kaschau und Spezies. werden nicht angenommen. Anonyme Briefe werden nicht berü­ck­­sichtigt und Manuskripte nicht zurück­­gegeben. ' Fokalblatt für Volks-, Haus- und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) ‚berechnet hat, erwähnte Komits hat jedoch, Kaschau, 22. Mai. Es ist nur eine Stimme darüber, daß das Finanz­­expose Ghyczy'8 das ungewöhnliche Interesse vollkommen gerechtfertigt hat, das demselben von allen Seiten entgegen­­gebracht worden war. Die klare Darlegung ließ keinen Zweifel darüber bestehen, wie es mit unserm Staats­­haushalt eigentlich aussieht. Ghyczy arbeitete nicht mit drei und noch mehr Budgets, es campu­rte keine Ziffern, übertrug nicht von einer Zifferreihe in die andere, erörterte nicht tiefsinnig die Natur der Ausgaben, sondern einfach und in der Art wie es in dem bescheidensten Haushalt ge­­schieht, stellte er die Einnahmen den Ausgaben gegenüber, so daß selbst jene der Abgeordneten, die mit Ziffern in einem beständigen Kriegsstande leben, das Resultat verstehen mußten, und nunmehr seine Gelegenheit haben, wie einst hinter den optimistisch gefärbten und darnach eingerichteten Ziffernreihen eines Lónyay und Kerkapolyi ihre Unwissen­­heit zu verbergen. Das Endresultat der Auseinanderlegun­­gen Ghyczy's ist zwar kein erfreuliches, die rückhaltlose Aufrichtigkeit jedoch, welche seine Rede durchzog, machte einen beruhigenden Eindruck. Wenn Ghyczy versichert, daß es möglich sei, unsere Finanzmisere zu bewältigen, und daß dazu nur einige Opferwilligkeit seitens der Nation gehöre — ruhiges Erdulden von Entbehrungen, mit welchen das Sparen in den Ausgaben verknüpft ist, und andrerseits die bereitwillige Uebernahme jener Lasten, ohne welche der Staatshaushalt noch nirgends in der Welt geordnet wor­­den — als wenn so wird man gerade Ghyczy eher Glauben schenken, er das alte Lied von den „unerschöpflichen Hülfs­­quellen“ gesungen hätte, die sich nur zu oft als trügerisch erwiesen haben. Der Finanzminister berechnet nun, daß er für 1874 einem Deficit von etwa 42 Millionen gegenüber­­stehe. Der Grund desselben liegt in den sanguinischen Hoff­­nungen, mit welchen der Voranschlag entworfen worden, weshalb mehrere , Einnahmen hinter dem Voranschlag stark zurückeblieben, und wieder Ausgaben eintraten, auf welche nicht gerechnet worden. In den 42 Millionen sind jedoch bereits jene 17 Millionen eingerechnet, welche die Staats­­kassen vom fünfzigen 1. Januar zur Zahlung von Coupons, Zinsen und Amortisationen bedü­rfen, und für welche schon in diesem Jahre vorzusorgen ist. Trotzdem stellt sich das Deficit bedeutend höher, als es der vorige Finanzminister selbst höher als es der Steuerausschuß be­­zifferte. Da die vorhandenen und die zu gewärtigenden Mit­­tel nicht ausreichen und die im August fällige fette Rate des 76 Millionen-Ansehens schon jet excomptirt werden mußte, so bleibt zur Deckung des Deficits nichts übrig, als die zweite Hälfte des, wie bekannt, ursprünglic auf 153 Millionen gestellten Ansehens durch eine neue Kredit­operation flüssig zu machen. Ghyczy bittet den Reichstag um diese Vollmacht, und zwar möge dieselbe ihm gleichsam in bianco ertheilt werden, damit er sich freier bewegen, nach Bedarf und eigenem Ermessen kontrahiren könne. Es ist kein Zweifel, daß der Reichstag auf diese Neuerung ein­­gehen und, weil sie Ghyczy verlangt, ihm die unbeschränkte Vollmacht ertheilen werde. Er will, da der größere­ Theil des Ansehens erst im künftigen Jahre benöt­igt werden wird, die Emission desselben auf später verschieben und ie selbe nicht auf einmal, sondern partiell flüssig machen, nachdem­ die Bedürfnisse des Staats von Zeit zu Zeit­­ tauchen werden. Was nun die Aussichten für das kommende Jahr betrifft, so berechnet Ghyczy, auf den Vorschlägen des Neuner-Komite­8 fußend, das Deficit auf 16Y2 Millionen, worunter 6­­, Millionen solcher Ausgaben enthalten sind, welche noch auf Investionen verwendet werden müssen. Das um das Deficit bis auf jene 16 Millionen herabzudrücken, bei den Ausgaben eine Erspar­­niß von nahe 12 Millionen angenommen, gemacht, um andrerseits das Einkommen um und Vorschläge 13 Millionen zu erhöhen. Der detaillirten Besprechung jener positiven und negativen Vorschläge war nun der zweite Theil der Rede Ghyczy's gewidmet. — Das große Publikum hat sich zwar in der be­kannten Ostbahn-Affaire schon längst, was die subjective und objective Schuldfrage betrifft, eine Meinung gebildet, die von der Mehrheit nicht allzu sehr abweichen dürfte, und erwartete daher weder neue noch besonders sensationelle Enthüllungen von dem Verhör dem die bei der genannten Affaire, Betheiligten von Seite einer parlamentarischen Com­­mission nunmehr unterzogen werden; immerhin war man doch darauf gespannt zu sehen, wie sich die vor die Schran­­fen geladenen HH, Lonyay, Miks, Hollan u. a. vertheidigen, beziehungsweise auf die formulirten Fragen Antwort geben werden. Bei­ dem ersten Verhör waren Lönyay, Gorove und Hollan zum Worte gekommen. Graf Mitó, der, als er das Communikations-Ministerium inne­­hatte, nur als Aushängschild für seinen Staatssekretär Hollan galt, äußerte sich schriftlich. Gorove gab sachliche Aufklärungen, die be­­weisen, daß­ er jegt gut wüßte was zu thun wäre, daß er aber, zur Zeit als er Communikations-Minister war, entweder unwissend oder strafbar indolent gewesen sei. Die Aufmerksamkeit concentrirte er jedoch Hauptsächlich auf die Vertheidigung der beiden Herren Lönyay und Hollan. Daß Lönyay in erster Linie beflissen war die Schuld von sich abzuwälzen, ist am Ende begreiflich, doch hat es gerade nicht besonders gefallen wie er sich dabei alle Mühe gab Andere der Schuld zu zeihen, bald den betreffenden Communikations- Minister, bald und hauptsächlich seinen Nachfolger im Finanzministerium, Kerkapolyi, „einzutunken“. Auch daß er, der doch im ersten ungarischen Ministerium in allen Finanz­­und Eisenbahnfragen das erste Wort führte, vergab von den wichtigsten Vorgängen bei der Konzessionirung der Ost­­bahn nichts gewußt zu haben, daß er einmal sogar ein Alibi produzirte — eine Reise nach Paris und ein See­­bad — und einen indeß selig verstorbenen Sektionschef ver­­antwortlich machte — dieß alles hat nicht­ sehr für Loönyay eingenommen, und die öffentliche Meinung nur darin be­­stärkt, daß er einer der Hauptschuldigen sei, stets seine Privatperson von seiner offiziellen­­ Eigenschaft trennen. Auch mit Mitó kam er in Collision : dieser behaup­­tete, die Konzession an Waring gegeben zu haben, weil der Finanzminister als Resultat der eingegangenen Erkundigun­­gen fü­r die Solidität der betreffenden Firma eingestanden sei. Lonyay "aber bestreitet dies. Hollan­­der, ein großer Phrasenmacher und fließender Redner, zwei Stunden lang sprach, unternimmt es nicht, sich und die Behörde, der er vorstand, von aller Schuld ganz im allgemeinen freizuspre­­chen; er appellirt in salbungsvollem Ton an die Nachsicht der Kommission , sie möge die Lage und die Umstände in würdigenden Betracht ziehen, „wie große Dinge vollbracht werden sollten, zu deren Erledigung wir weder die gehörige Praxis besaßen, noch­ über der Aufgabe entsprechende Kräfte verfügten“, und schließt mit den angesichts der Thatsachen — einer unglaublichen Mißwirthschaft, durch Oberfläclichkeit und Leichtsinn der Behörden potenzirt — nahezu die ganze ungarische Intelligenz und Ehrlichkeit beleidigenden Worten: „Wer da glaubt, daß er die Sache besser gemacht hätte, der breche den Stab über uns". Nun, wir glauben, der Stab sei bereits gebrochen, so gründlich, daß Niemand den­­selben noch einmal werde ganz­ machen können, speziellen Falle suht aber auch Hollan die Schuld­er jedem stets ab­­zuwälzen, bald auf den Verwaltungsrath, bald auf die Bau­sektion, und zwei Beamte, deren einer zwar not lebt, aber irrsinnig geworden, der andere aber irrsinnig geworden und bereits gestorben ist, bekommen unter derhand einen guten Theil der Schuld weg.­­ Die obligatoriste Civilehe wurde be­­kanntlich von­ dem Subkomits des kircenpolitischen Ausschusses als erste Grundbedingung der Regelung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche festgestellt. Zwei Sitzungen hat das Subkomits bisher abgehalten und in denselben folgende Beschlüsse gefaßt : 1. Die Civilehe soll eingeführt werden und zwar obligatorisch. 2. Demzufolge ist der Justizminister anzu­weisen, daß er einen Gesetzentwurf über das bürgerliche Eherecht ausarbeiten lassen und denselben noch im Laufe dieses­­ Jahres, mithin spätestens bis Ende Dezember dem Ab­­­­geordnetenhause unterbreiten solle. 3. Die bürgerlichen Ehen werden vor den Gemeinde­­­­vorstehern, mithin in Städten mit ordentlichem Magistrat vor dem Bürgermeister und dem Notar, in anderen Ge­­meinden vor dem Richter und dem Notar geschlossen. Der Richter ist für den Akt, der Notar für den Akt und für die vorschriftsmäßige Einregistrirung verantwortlich. 4. Der Stuhlrichter ist verpflichtet, die Bücher vier­­teljährlich an Ort und Stelle zu prüfen. Am Schlusfe eines jeden Jahres müssen die Bücher an das Comitats­­oder Stadtarchiv übermittelt werden. 5. Jedermann ist gehalten, die im bürgerlichen Ge­setbuch festzustellenden Folgen der bürgerlichen Ehe zu respectiren ; jedoch kann hierdurch das Religionsprinzip der Confessionen und das daraus erfließende kircliche Vorgehen in der bisher geübten Freiheit nicht eingeschränkt werden. Die nächste Sittung des Subkomitees findet nach den Feiertagen statt. — Der Gesetzentwurf über die Großjährigkeit der Frauen, welchen der Justizminister in der Reichs- DIER am 18. d. vorlegte, enthält folgende Bestimmun­­gen: Ledige Frauenspersonen werden mit der Vollendung des 24. Lebensjahres großjährig und treten im den Genuß aller mit der Großjährigkeit verbundenen Rechte. Jede Frauensperson wird ohne Rücksicht auf die Anzahl ihrer Lebensjahre großjährig, sobald sie­ sich verehelicht. Dieses Recht behält die Frau auch dann, wenn sie vor dem oben angegebenen Lebensalter Witwe, von ihrem Manne gericht­­(ig) gesc­hieden, oder wenn die Ehe gelöst ist. — Die Delegationsstürme in Pest scheinen ausgetobt zu haben. Wohl hat das Kriegsbudget nicht ohne Havarie die Debatten der Ausschüsse passirt ; aber­­ selbst für den Fall, wo­­ im Plenum die betreffenden Abstriche bekräftigt werden sollten, wird das Schiff sich über Wasser halten können, und sind im Ganzen die Differenzen zwischen Kiesseits und jenseits so wenig bedeutend, daß es vielleicht inter pocula — am 18. d. fand ein gemeinsames Delegations­­bankett auf der Margarethen-Insel statt , sie zu beglei­­chen gelingt. Man hält es gleichwohl für sicher, daß noch vor dem Pfingstfest die Session nicht geschlossen werden kann, obgleich, um jede Verzögerung zu seinem Theil hint­­anzuhalten, Graf Andräsy, statt, wie es die Absicht war, am 16. d. nach Wien zu gehen, in Pest geblieben ist. Wenn übrigens die ungarischen Blätter recht berichtet sind, so ist Graf Andräsy, mit noch­ weit größerem Nachdruck, als die bisher ü­bermittelten Mittheilungen glauben ließen, gegen alle Abstriche eingetreten, welche die Wehrkraft des Reiches zu schwächen die Folge haben müßten. Er erklärte die K­ntakterhaltung dieser Wehrkraft auf dem heutigen Stand als eine unabweisliche Nothwendigkeit. Im Fall eines europäischen Konflikts bleibe der nicht direkt betheiligte Staat neutral, oder er schlage sich auf die Seite desjenigen Theils, dem er die größten Chancen des Erfolgs beimesse ; aber nur einem kräftigen Staat gestehe man die Neutralität zu, oder bewerbe sich um dessen Freundschaft, und jede Spar­­­samkeit müsse ihre Gränze in der Erwägung finden, daß politisch nicht bloß die Armee in Betracht komme, sondern auch der Schatten, den sie vorauswerfe; sie müsse nicht bloß stark sein, sondern man müsse auch vorweg an ihre Stärke glauben. — Im großen Nam­e des Kantons Aargau wird die Staatsrechnungscommission die Aufhebung der Frauen» Höfter Fahr, Gnadenthal und Hermetswyl beantragen, welcher­ Antrag jedenfalls auf Annahme rechnen kann. — Nachdem sich die Stadt Genf in der großen Braunschweiger Erbschaftsangelegenheit mit dem Herzog Wilhelm in Güte verglichen hat, ist nun auch, Dank der Vermittlung des New-Yorker Hauses Yselin und Comp., der Streit wegen der Forderung des­ verstorbenen Herzogs Karl an die Northern-Groß-Eisenbahngesellscaft beigelegt. Lektere hat so­eben Genf als Ausgleich­ die Summe von 46,000 Pf. St. oder 1,150,000 Fr. ausgezahlt. Die guten Genfer können dem tollen Herzog sein Denkmal nun in Frieden bauen.­­ möge er auch SES ERES NIS et In­ie.

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