Acta Ethnographica 20. (1971)

1971 / 1-2. szám - J. Manga: Historische Schichten des "Kisze"-Treibens in Ungarn

2 J. MANGA gestellt werden, oder von einem in Stroh gehüllten Menschen, der aus dem Dorf vertrieben, hinausgetragen, häufig auch symbolisch vergraben, verbrannt, gehängt, ins Wasser geworfen usw. wurde.3 Die Gestalt der Ritengruppe, die mit dem Faschingsende bzw. mit dessen zweiter Hälfte verbunden war, die Gestalt — die gleichfalls aus dem Dorf vertrieben, dann meistens ins Wasser geworfen, seltener verbrannt, manchmal an den Baum gehängt wurde — war niemals ein lebender Mensch, sondern im allgemeinen eine Stroh-, seltener eine Lumpenpuppe, aber immer als Braut oder als junge Frau verkleidet. Nebst diesen kamen auch hie und da gleichfalls aus Stroh oder Fetzen ange­fertigte Puppen in Männergestalt vor, die gemeinsam mit der Frauenfigur, oder auch separat aus dem Dorf getragen, ins Wasser geworfen, verbrannt usw. wurden. Obwohl die Riten, die wir in zwei verschiedene Gruppen einteilten, auf eine gemeinsame Herkunft rückgeführt werden können,4 und während ihres Bestehens auch miteinander in Wechselverbindung standen, befassen wir uns in dieser Studie nur mit jenen Riten, die mit der zweiten Hälfte der Fasten­zeit, insbesondere mit den beiden letzten Sonntagen in Verbindung standen. Aus den Inhalts- und Formelementen dieser Riten entwickelte sich — natür­lich mit neuen Deutungen und Vorstellungen erweitert — bzw. bürgerte sich jene Ritenform auch im ungarischen Sprachraum ein, deren Strohpuppen unter den Namen kisze, kiszi, kiszöce, kiszice, kice, kicice, kicevice, banya und villő bekannt waren. Bei der Gegenüberstellung der Inhalts- und For­melemente und der Vergleichsanalyse, einer am spätesten verbreiteten Riten­form im ungarischen Sprachraum, mit dem Material der vermittelnden Völker, wäre unserer Meinung nach damit begründet, daß jeder Ritus —- wie auch Károly Marót5 und Gyula Ortutay6 darauf hinweisen —, so auch dieser, veränderlich sei, eine historische Kategorie darstelle, und sich in diesem die Gesetzmäßigkeiten des Veränderungsprozesses gleichermaßen auffinden lassen. In der Folge wollen wir die aus dem ungarischen Sprachgebiet bekannten Riten mit den charakteristischesten Zügen der böhmischen, mährischen, polnischen und slowakischen Parallelen erörtern und dann die Materie des ungarischen Sprachraumes untersuchen. Durch den Inhalt- und Formver­gleich bzw. durch Gegenüberstellung und Analyse möchten wir auch auf die Umstände hinweisen, die den in Ungarn eingebürgerten Riten am Palmsonn­tag zur Verbreitung und zur eigenartigen Regelung der Inhaltselemente ver­­halfen und ermöglichten, bzw. wie und in welchem Ausmaß sich in diesen Riten der historische Gang und die Veränderung selbst bemerkbar machen, 3 cf. Mannhardt 1904, 155 — 156, 406—407, 410 — 411, 414 — 415; Sebestyén 1902, 226 — 227, 239-240, 266-268; Koren 1934, 100; Gugitz 1949, I. 87-91; Kovács 1901, 318; Ipolyi 1854, 295 — 297; Róheim 1925, 239 — 255; Wlislocki 1893, 61. 4V. Frazer 1903—1911, I. 170—318; Frazer 1965, 177-191. 5 Marót 1939, 254-257. 6 Ortutay 1959, 213. Acta Ethnographica Academiae Scientiarum Hungaricae 20, 1971

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