Berzeviczy Albert: Baron Josef Eötvös als Kulturpolitiker - Ungarische Rundschau. 3. Jahrg. 1. (Budapest, 1914)

Albert V. Berzeviczy : Baron Josef Eötvös als Kulturpolitiker. 79 «In unmittelbarer Nähe der Stadt Athen ist die Akademie, deren Baugrund früher Eigentum eines Privatmannes war, jetzt aber Gym­­nasion ist... Hier gibt es auch einen Altar des Prometheus, von welchem aus Wettläufe nach der Stadt mit brennenden Fackeln stattfinden. Der Wettbewerb besteht darin, die Fackel auch im Laufe brennend zu erhalten. Wenn die des ersten Läufers erlischt, kann nicht mehr er Sieger werden, sondern nur der zweite, und wenn auch dessen Fackel nicht im Brande bleibt, der dritte, wenn aber die Brände aller Wettläufer erlöschen, fällt keinem von ihnen der Preis zu.» Der Fackellauf des Prometheus-Altars der Akademie zu Athen symbolisiert die Rolle der Gelehrtengesellschaften aller Zeiten. Sie tragen Flammen in die Welt hinaus, die Flammen des Wissens, und wie viel Fackeln erlöschen in diesem Wettbewerb, bis eine ihr Ziel erreicht, eine ihr Licht in die Menge bringt und damit verwandte Flammen entzündet! Heute aber wollen wir nicht nur mit einer Flamme vom Altare des Wissens in den Kreis des ungarischen Publikums dringen; unsere Flamme haben wir am Altare der Pietät entzündet und hoffen, daß der eisige Hauch der Gleichgültigkeit dieselbe nicht vorzeitig aus­löschen wird. Zwei denkwürdige Momente bringen uns die Worte der Pietät auf die Lippen: Nach der Geburt zweier großer Führer unserer Akademie wendet sich ein Jahrhundert, zweier Gestalten, die nicht nur vom Zufall zu Zeitgenossen gemacht, sondern durch die Gemein­schaft der Empfindungen, Gedanken, der edeln Bestrebungen zu Freunden und Arbeitsgenossen erkoren wurden. Die innige Freundschaft, sagen wir: die Seelenverwandtschaft zwischen Baron Josef Eötvös und Ladislaus v. Szalay ist eines der wertvollsten und fesselndsten Kapitel der ganzen Geschichte unserer großen nationalen Umgestaltung in der Mitte des vergangenen Jahr­hunderts. Sie begann auf der Schulbank und endete erst am Grabe, welchem der den Freund überlebende Eötvös noch mit seiner Denk­rede Glorie verlieh. Nach Szalays Geständnisse «fanden sie sich zu­erst in den Propyläen der Kunst», dann gründeten sie gemeinschaft­lich den «Kunstverein», die «Budapesti Szemle» (Budapester Revue), fast gleichzeitig wurden sie in die Akademie und in die Kisfaludy- Gesellschaft aufgenommen und von Eötvös wurde Szalay zur Politik zurückgebracht. Beide waren Dichter und Schriftsteller, Ge­lehrte und Politiker, «von einem Geiste belebt, nach einem Ziele strebend, kämpften sie gemeinsam den Kampf des ungarischen Rechtes, des ungarischen Verstandes und des ungarischen Herzens.»

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