Neue Zeitung, 1969 (13. évfolyam, 1-52. szám)
1969-09-19 / 38. szám
NEUE ZEITUNG des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn XIII. JAHRGANG, NUMMER 38 Preis: 80 Fillér BUDAPEST, 19. SEPT. 1969 Wochenblatt Treffpunkt der „grossen Drei” D ie Budapester Herbstmesse (BHM) wurde zum erstenmal 1968, im Jahre der Einführung des neuen Wirtschaftsmechanismus veranstaltet, und sie richtete sich auf eine der sehr wichtigen Zielsetzungen der Reform, darauf, dass der Handel für die Kunden eine je breitere Warenskala sichert. Diese Aufgabe konnte natürlich nicht von heute auf morgen gelöst werden, aber soviel steht schon fest: Es wurden in dieser Richtung ernste Schritte unternommen, und dazu gehört auch die heuer erneut veranstaltete Herbstmesse. Wie die Warenschau im Vorjahre war auch die heurige Messe ein grosses Dreier-Treffen — nämlich das der Industrie, des Handels und der Verbraucher. 450 Unternehmen bzw. Kleingewerbegenossenschaften und 81 Handwerker stellten ihre Erzeugnisse aus. Die Besucher bekamen auch die Artikel der Aussenhandelsunternehmen zu sehen. Charakteristisch für die Messe war, dass im grossen und ganzen Artikel ausgestellt wurden, die man bereits serienweise fabriziert, also erhältlich sind oder in nächster Zukunft, spätestens bis Mitte 1970 in die Geschäfte gelangen. Einen Teil der ausgestellten Waren konnte man auch gleich an Ort und Stelle kaufen. Die halbe Million Besucher im vorigen Jahr steigerte das Interesse der Industrie und des Handels für die Herbstmesse. Aus diesem Grunde vergrösserte sich die Ausstellungsfläche in diesem Jahr fast auf das Doppelte: die Aussteller nahmen für ihre Waren 60 Pavillons auf ca. 50 000 m3 Fläche in Anspruch. Das sind ungefähr 70 Prozent der im Mai veranstalteten Budapester Internationalen Messe. Dem Charakter der Messe entsprechend zog am meisten die Leichtindustrie mit ihrer repräsentativsten Warenschau die Besucher an. Beiläufig waren 5000 Warensorten zu sehen, darunter viele Neuheiten. Daneben wurden auch einige aus sozialistischen Ländern importierte Fabrikate der Leichtindustrie zur Schau gestellt bzw. den Aussenhandelsunternehmen zum Kauf angeboten. Der Wirtschaftspolitik von Partei und Regierung entsprechend entfaltete sich auf der Herbstmesse ein richtiger Wettbewerb: Die Fabrikate der einzelnen heimischen Produktionsbetriebe und die Importartikel boten den Unternehmen eine gute Vergleichsbasis, und hoffentlich wird diese sie dazu anspornen, Waren in guter Qualität und geschmackvoller Ausführung für den in- und ausländischen Markt herzustellen. Diese Messe zeigte nicht nur eine reiche Auswahl der Erzeugnisse, sondern diente auch gleich der Meinungsforschung. Das Landesinstitut für Marktforschung und die Fachleute der Ausstellerfirmen forschten nach der Meinung der Konsumenten, um die Ansprüche kennenzulemen und um auch den Veranstaltern künftiger Messen wertvolle Hinweise zu geben. W as strebten die Veranstalter bei der Herbstmesse an? Sie hatten sich in erster Linie das Ziel gesteckt, dass auf der BHM der Handel und die Konsumenten die Warenauswahl der Erzeuger ausgiebig kennenlernen. Dafür boten sich vielerlei Gelegenheiten. Einen Teil der zur Schau gestellten Waren konnten die Besucher gleich an der Verkaufsstelle kaufen, was zweifelsohne für sie äusserst günstig war. Auch der Handel und die Industrie fuhren gut dabei, denn sie erhielten eine umfassende Grundlage für ihre Marktforschung. Die verschiedenen Warenvorführungen, die Erteilung von Fachratschlägen, die Programme allerlei Art untermauerten dieses Bestreben in grossem Masse. Ein wesentlicher Gesichtspunkt der Messeleitung lag noch darin, dass der Verkauf nicht eingeschränkt werde. Die Produktionsbetriebe konnten ihre Waren auch selbständig verkaufen. Einige maohten von dieser Möglichkeit auch Gebrauch, z. B. die Györer Baumwollspinnerei, die Schuhfabrik „Duna”, das „Videoton’-Unternehmen, die Textilfirma „Budaprint”, die Glasindustrie-Werke usw. Die hier erwähnten Werke verkauften aber fast ausschliesslich Artikel, die man auch sonst in den Geschäften erstehen kann. E ine der vielleicht schönsten Ausstellungen der Leichtindustrie hatte das Hauptstädtische Kleingewerbe-Unternehmen arrangiert. Die Interessenten konnten die modernsten Bekleidungsartikel und Schuhe bewundern. Auch die Preise waren angegeben, die überraschend niedrig erschienen, zumal dann, wenn sich die Besucher die Auslagen der erwähnten Unternehmen in der Budapester Innenstadt schon angesehen hatten. Wann diese Artikel käuflich zu haben sein werden, darauf konnten wir leider keine konkrete Antwort erhalten! Mustergültig war hingegen die Ausstellung der Firma Budaprint organisiert. Das Unternehmen hatte zahlreiche neue Textilien von erlesenem Geschmack ausgestellt und eine Meinungsforschung durch Stimmzettel durchgeführt. Zu gleicher Zeit konnte man in einer, für diesen Zweck eingerichteten Ecke des Pavillons ohne Ausnahme von jeder ausgestellten Meterware sofort kaufen. A lles zusammengefasst war die heurige BHM für jeden der „grossen Drei” sehr nützlich. Der Wunsch des Publikums ginge, was die Zukunft betrifft, dahin: die gewisse „irrtümliche Information” — wonach man nämlich auf der Ausstellung alles kaufen könne — sollte zu einer den Tatsachen entsprechenden Information werden, und man sollte wenigstens die ausgestellten Waren schnellmöglichst in den Geschäften kaufen können ... Balázs Kratochwill UNO-Vollversammlung eröffnet Streikwelle in Westeuropa — Israelische Eskalation Am Dienstag wurde in New York die 24. UNO-Vollversammlung eröffnet. Noch vor Eröffnung der Vollversammlung kam es zu zwei Besprechungen, die von grossem Interesse begleitet wurden. Die Nachricht über eine Besprechung des sowjetischen Ministerpräsidenten Kossygin und des Vorsitzenden des Staatsrates der Volksrepublik China, Tschou En-lai, in Peking rief eine echte Sensation hervor, und in der Westpresse begann eine nicht versiegende Flut von Mutmassungen und Kommentaren. Die Erklärung der sowjetischen Nachrichtenagentur stellte über die Verhandlungen fest: der „Gedankenaustausch ist für beide Seiten von Nutzen gewesen” und „die Verhandlungspartner haben ihre Standpunkte aufrichtig dargelegtf’. Zum Besuch kam es, als sich der sowjetische Ministerpräsident auf dem Heimweg von Hanoi befand, wo er der Beisetzung Präsident Ho Tschi Minhs beiwohnte. Die Besprechung des sowjetischen und chinesischen Ministerpräsidenten ist in der derzeitigen Situation offensichtlich ein Ereignis von ausserordentlicher Wichtigkeit. Wir können jedoch nicht behaupten, dass sich die Lage bereits grundlegend geändert hätte, denn die groben antisowjetischen Angriffe der chinesischen Presse werden auch seit der Pekinger Unterredung fortgesetzt. Trotzdem betonen einzelne westliche Zeitungen, dass schon allein das Zustandekommen des Treffens ein bemerkenswertes Ergebnis der sowjetischen Friedenspolitik sei. Eine andere wichtige politische Besprechung fand ebenfalls ausserhalb der UNO, immerhin auf dem Gebiet der Vereinigten Staaten statt. Präsident Nixon hatte mit seinen Ratgebern eine lange Besprechung über den Vietnamkrieg. Die hier gefassten Beschlüsse wurden bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. Politische Beobachter folgern daraus, dass sich in den führenden Kreisen der USA die Diskussion über die Südostasien-Politik äusserst zugespitzt habe. Die Anhänger der extremistischen militärischen Linie fordern die Fortsetzung und weitere Ausdehnung der Kriegsoperationen und versprechen immer wieder einen militärischen Sieg, wenn sie jegliche Unterstützung erhalten, die sie fordern. Demgegenüber haben die Anhänger der gemässigteren Linie erkannt, dass auf einen militärischen Sieg keine Hoffnung vorhanden ist, und sie fordern von Nixon, seinem Versprechen gemäss den amerikanischen Abzug aus Vietnam durchzuführen. Zur Zeit der Abfassung dieser Zeilen stand uns die Rede Präsident Nixons, die er auf der UNO-Vollversammlung hielt, noch nicht zur Verfügung. Von dieser Rede wird nämlich erwartet, dass in ihr die mit Vietnam zusammenhängenden Beschlüsse oder mindestens ein Teil derselben an die Öffentlichkeit gelangen. Soviel ist sicher, auf Nixon lastet ein immer grösserer Druck, sich über die Pläne der Regierung massgebend zu äussern. In diesem Zusammenhang stellt die „New York Times” fest, die Haltung der Regierung sei chaotisch und unüberblickbar. Laut Meinung der angesehenen amerikanischen Zeitung geht aus der Haltung der Nixon- Regierung nur eines klar hervor, und zwar, dass innerhalb der Regierung hinsichtlich der Vietnampolitik grosse Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Auf der Tagesordnung der UNO-Vollversammlung stehen mehr • als hundert Punkte — unter ihnen viele von Jahr zu Jahr wiederkehrende Probleme. Zweifelsohne gehören zu den der Diskussion harrenden wichtigsten Probleme die durch die israelische Aggression ausgelöste Krise im Nahen Osten und das Bremsen der Aufrüstung. Auf der Tagesordnung steht aber auch — auf Vorschlag Irlands — die Lage in Nordirland. Die Vollversammlung wird sich mit dem Kampf gegen die Kolonialisierung und mit den Folgen der Rassendiskriminierung spolitik Südafrikas und Rhodesiens beschäftigen. Die Sache der UNO-Mitgliedschaft der Volksrepublik China wird aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls vor die Vollversammlung kommen. Von der vietnamesischen Frage, d. h. von der amerikanischen Aggression gegen das vietnamesische Volk, wird — wenn sie auch nicht offiziell auf der Tagesordnung steht — sowohl auf der Vollversammlung wie auch bei den Gesprächen Während der Pausen viel die Rede sein. Die sowjetische Delegation führt Aussenminister Gromyko, und abweichend von den Traditionen wird Präsident Nixon selbst den Standpunkt der V er einigten Staaten darlegen. Der Leiter der ungarischen Delegation ist Frigyes Púja, erster Stellvertreter des Aussenministers. Wenn man auch von der in dieser Woche begonnenen 24. UNO-Vollversammlung aufsehenerregende Ergebnisse nicht erwarten kann, unterliegt es jedenfalls keinem Zweifel, dass im Hauptsitz der Weltorganisation bedeutende zweiseitige Beratungen über die grossen und ungelösten Probleme der internationalen Kritik geführt werden. Partnerschaft existiert nicht Durch Westeuropa fegt eine grosse Streikwelle. Die italienischen Eisenbahner und Arbeiter der Bauindustrie traten in Streik, desgleichen auch die französischen Eisenbahner und die westdeutschen Bergleute. Die grossangelegte Streikbewegung berührte die Bonner Regierungskreise, die die letzten Gefechte der Wa’nlschlacht austragen, besonders unerwartet. Die Hamburger „Die Zeit” schreibt folgendes: „Wider Erwarten hat der Bundestagswahlkampf einen dramatischen Akzent erhalten. Ausgehend von einem Arbeitskonflikt im Hoesch-Konzern breiten sich in der Eisen- und Stahlindustrie und im Bergbau wilde Streiks aus, wie sie die Bundesrepublik in solchem Umfang noch nicht erlebt hatte.” Die Bezeichnung „wilder Streik" bedeutet, nebenbei gesagt, keinesfalls, dass die Streikbewegungen von irgendwelchen Ausschreitungen begleitet würden. Es geht einfach um folgendes: die Arbeiter sind nicht bereit, die Genehmigung der Gewerkschaftsführer abzuwarten und benützen die Waffe des Streiks auf eigenen Beschluss. In der Mehrzahl der Fälle gelang es denn auch, mit den diszipliniert durchgeführten Streiks eine Lohnerhöhung zu erkämpfen. Der Hauptgrund der Streiks ist, dass die Gestaltung der Löhne mit der Preiserhöhung nicht Schritt hält und wesentlich hinter der Erhöhung des Profits der grossen Konzerne zurückbleibt. Dies springt besonders in Westdeutschland in die Augen. In der westdeutschen Stahlindustrie haben sich die Preise einzelner Produkte in kurzer Zeit verdoppelt, sogar verdreifacht, ohne aber eine Änderung der Löhne zur Folge zu haben. Im westdeutschen Kohlenbergbau wurden unter dem Vorwand der Rationalisierung eine Reihe von Zechen geschlossen und viele Arbeiter entlassen. Die Kohlenkonzerne sind jedoch an den Profiten der derzeitigen Konjunktur ebenfalls beteiligt und bestrebt, von den Werktätigen der Kohlengruben Leistungen zu erpressen, die die Produktion der geschlossenen Zechen und der entlassenen Bergleute ersetzen. Unter solchen Umständen ist es völlig verständlich, dass die Arbeiter nicht geneigt sind, den Ablauf der Kollektivverträge abzuwarten, sondern nötigenfalls versuchen, auch ohne Gutheissen der Gewerkschaftsfunktionäre die Erfüllung ihrer Forderungen durch Streiks zu erkämpfen. All dies ist natürlich für jene führenden westdeutschen Politiker, die im Laufe der Wahlkampagne die Bundesrepublik als Paradies der Zufriedenheit und des Klassenfriedens hinstellen möchten, äusserst unangenehm. Und unangenehm ist diese Situation auch für jene bürgerlichen Gesellschaftswissenschaftler und Politologen, die über den Sieg des „Wohlstandsstaates”, des „Volkskapitalismus” so schöne Reden halten können. Die Streikbewegungen in Westeuropa haben erneut gezeigt, wie weit die Parolen „Sozialpartnerschaft”, „Wohlstandsstaat” von der Wahrheit entfernt sind und dass die Arbeiter auch durch diese Parolen auf die Dauer nicht irregeführt werden können. Kriegsrausch in Israel Die Kriegstätigkeit im Nahen Osten erreicht fast jeden Tag einen neuen Gipfelpunkt. Vom Angriff der israelischen Armee in der Suez-Bucht schreiben die westlichen Zeitungen, dieser sei seit dem Krieg im Juni 1967 die grösste israelische Aktion, und dadurch habe Tel Aviv die Kriegstätigkeit weiter ausgedehnt. Am grossangelegten Angriff beteiligten sich starke Luft-, See- und Infanterieeinheiten. Verständlicherweise antworteten die arabischen Staaten mit grosser Erbitterung. Dabei geht es nicht nur darum, dass sich die Partisanentätigkeit bedeutend intensiviert, sondern dass sich — wie massgebende westliche Beobachter immer öfter betonen — die Israel gegenüberstehende arabische Militärkraft in grossem Masse erhöht hat. Diese Gestaltung des Kräfteverhältnisses müsste bei den führenden israelischen Politikern und ihren westlichen Unterstützem ernste Bedenken hervorrufen. Bei letzteren — wie dies auch aus der Presse ersichtlich ist — wird die Notwendigkeit der Überprüfung der Nahostpolitik immer häufiger aufgeworfen. In der westeuropäischen Presse, aber auch in einzelnen amerikanischen Zeitungen, kann man Meinungen lesen, laut denen es nicht richtig ist, einseitig auf der Seite Israels zu stehen und die Sympathie der arabischen Welt endgültig zu verspielen. Diese Überlegungen gehen jedoch nie von der tatsächlichen Anerkennung der arabischen Interessen aus, sondern sind darauf abgezielt, in der arabischen Welt jene reaktionären Kräfte zu suchen, mit denen ein Bündnis abgeschlossen werden könnte. Und innerhalb der praktischen Politik der Vereinigten Staaten kann man keine Änderung beobachten: Israel erhielt vor kurzem die ersten fünf von den versprochenen 50 Jagdbombern vom Typ Phantom. Was die israelischen Führer anbelangt, ist es offensichtlich: die derzeitige Regierung ist unfähig, die Lage real einzuschätzen. Der israelische Ministerpräsident, Frau Golda Meir, gab der der amerikanischen Regierung nahestehenden Wochenzeitschrift „US News and World Report” ein Interview, in dem sie betont, es gäbe in ihrem Land keinen einzigen Staatsbürger, der einen Sieg im nächsten Krieg nicht für sicher halten würde. Die führenden Politiker Israels unternehmen auch alles, damit diese Stimmung, dieser Kriegs- und Siegesrausch nicht abflaue. Im Dienste dieses Zieles stehen u. a. auch die attraktiven Angriffsaktionen der Sondereinheiten der Armee und die Erklärungen leitender Politiker in Tel Aviv. In diesem Geiste versicherte im Laufe einer Wahlversammlung Kriegsminister Dayan seinen Zuhörern, Israel werde trotz der Beschlüsse der Weltorganisation die besetzten arabischen Gebiete nicht räumen. Georg Kertész Streikende Metallarbeiter vor den FIAT-Werken in Torino Aus dem Inhalt: Die Lage in Westberlin 2 Bäcker, Friseure, Mechaniker... 3 Erinnerungen an eine Gastspielreise 5