Neues Pester Journal, Januar 1877 (Jahrgang 6, nr. 1-31)

1877-01-13 / nr. 13

IRXVIZJMCÆDM­TGZ ester J UbonnentetFÆAÆi.fl.14halbi.fl.7 viertelj.fr.3.50,monanika1.1.20.« Das „Neue Pester Journal“ erscheint täglich, auch an Montagen. Redaktion und Administration: LeopoldsI, Samstag, der 13. Januar. Kirchenplat Nr. 2, Einzelne Nummern4ate, Inserate nach aufliegendem Fazit, 9 A Kofuth’s Ablehnung. Budapest, 12. Januar, Ein neuer Gruß aus Gollegno al Baraccone ! Ein neues Schreiben von Ludwig Koffuth! Zunächst und in erster Linie zwar nur den Wählern von Gzeg­­­ed bestimmt , gilt die jüngste Gnnanziation des großen Grilm­­en nicht minder wie jede frühere der ganzen Nation. Ludwig Koffuth kündigt die Ab­­lehnug des Reichstagsmandates an, welches die Stadt Gregled,ihm angeboten hat und er motivirt diese Ablehnung mit solchen Gründen, daß man seine Entschließung füglig als eine endgültige bet trachten kann. Nicht, b­ 03 der Umstand, daß er in seiner Wahl in Gregled Lediglich eine Manifestation zu Gunsten seiner orientalischen Politis erblickt, eine Manifestation, deren Zweck nach Koffuth’s Ansicht auf einem bequemeren, weniger umständlichen Wege mit der gleichen Wirkung hätte erreicht werden kör­nen — nicht dieser U­nstand ist es, der den Cr Diktator zur Ablehnung des Mandates bestimmt. Ludwig Kofsuth will seine Mederzeugung nicht vers leugnen, er will, wie er sich ausdrüct, „einen der logischesten und mehrsten Momente in den kampf­­reichen Leben seiner Nation” nicht verleugnen, er will „das Unterthanenverhältniß zu einem Herrscher nicht wieder aufnehmen , der zugleich Kaiser von Delt erreic­ht.” Das ist klar gesprochen und nach dieser Erklärung ann man an der Willensrichtung Ludwig Kossuth’s nicht weiter mehr zweifeln. Aber in dem Momente, da Kosfuth diese Worte nieder­­schreibt, fühlt er sofort das Bedürfniß, die Schroff­­heit derselben zu mildern, die Geltung jener Süße ausschließlich auf seine Person zu beziehen und mit größerer Wärme und Entschiedenheit demn je die politische Solidarität zu betonen, welche wichtige Interessen zwischen Oesterreich und Ungarn geknüpft­­ haben. Und Ludwig Korsuth­ bedauert nicht einmal diese Solidarität; er gibt nicht nur die Möglichkeit zu, da. Die politische Aktion der Monarchie, insbez­­ondere jene im Orient, „viribus unitis“ zur intem­sierten Kraft gesteigert werde Durch das Zusammen= jchmelzen des Öffentlichen Geistes in den Bölfern diesseits und jenseits der Leitha in einem Ges­fühle; er wünscht sogar diese Einheit der Gefühle herbei angesichts der von Osten her drohenden Fri­­sis, angesichts der Gr­anfinbestrebungen der „Amrute” und er beklagt aufs Tiefste jenen Zwiespalt, den Schärfe die Ausgleiche fragen, und speziell die Bankfrage zwischen Oesterreich und Ungarn hervorgerufen ha­­ben. Aber freilich indem Kossuth dem Irfachen die­­ses Ziviefpaltes nachgeht, betrachtet er die Dinge­­ wieder durch seine eigentü­mlich gefärbten Brillen und sie zeigen ihm denn auch nur die Ursachen, die er sehen will. Kosfuth will die Ursache des Streites zwischen beiden Staaten der Monarchie in dem staatsrechtlichen Ausgleich vom­ Jahre 1867 finden und darumm übersieht er die wahre und­­wirk­­liche Irfache. Kossuth will darthun, daß ein staats­­rechtliches Band zwischen Ungarn und Oesterreich nicht bestehen kann und darum gibt er beiden Thei­­len mit ihren Ansprücen in der Ausgleich­­frage vollkommen Necht und deduzirt daraus die Unvereinbarlichkeit dieser gegenseitigen Ansprüche, die Nothwendigkeit der vollständigen staatsrechtli­­chen und wirthschaftlichen Trennung. Die Trennung bedeutet für ihn dem Frieden und die Freundschaft zwischen Oesterreich und Ungarn, das heutige staats­­rechtliche Verhältniß die Permanenz des Hader2. Einen auf der Basis der 1867er Außgleichsgeseke geschlosfenen Pakt mit Oesterreich, der die Einheit des Rollgebietes aufrechterhalten und doch beide Theile befriedigen würde, kann sich Koffuth nicht denken. Er hält alle die mehr oder minder Fünfte sichen Schmerzensschreie, die seit dem Beginne der Ausgleichscampagne in Oesterreich ausgestoßen wur­­den, alle die Lite und Kniffe, zu denen man jenseits der Leitha die Zuflucht nahm, um uns täuschen und übervortheilen zu können, für Aeußerungen wahrer und echter Empfindung und er gelangt zu dem Schluffe : Oesterreich hat Recht, wenn es von einem wirthschaftlichen Verbande mit Ungarn nichts wissen will. Ungarn hat Recht, wenn es sich Hund­ eine solche Verbindung für geschädigt erachtet. Ueberaus verlobend und lohnend wäre es, an der Hand der­ eigenen Argumentation Kossuth’s sei­­nen Gedankengang zu widerlegen. Wir widerstehen aber dieser Versuchung. Wozu auch tadel er, wo es so viel des Nahmens gibt; wozu eine Polemik gegen ein Schriftstüc, das so viel des M Wahren und Treff­­lichen enthält, mit dem wir uns einverstanden erklä­­ren könne! Wir meinen die Glanzpartie seines Briefes, der eine geradezu blendende und Hinreißende Beredsamkeit entfaltet ; wir meinen jene meisterhaf­­ten Süße, die Ludwig Kossuth über die Bankfrage äußert. Wohl Niemand hat noch mitfeld Yogischer ganze Bankfrage verwirrt und Verwickelt wurde.»s« Die Kauffrage ist zur Dividendenfrage geworden, ruft Ludwig Kossuth, und damit hat er thatsächlich echt. Wenn jene Bank, melde künftighin Ungarn mit dreißig Perzent ihres für den öffentlichen Kredit disponibten N­otenquantums betheiligen 1011, sein gröz­ßeres Grundkapital besigen und sohin auch kein größer­­es Notenquantum emittiren wird, als heute, danit sie eine Schädigung ihrer­­ Interessen befürchten, mögen die Oesterreicher allerdings im Rechte sein, wenn während gleichzeitig Ungarn mit der geringen Summate, um welche seine Dotation wählt, nicht zufriedenge­stelt sein fan­ı. Juden aber beide Negierungen bei nur die Nationalbank mit ihrem gegenwärtigen Kapitale im Auge hatten, da in den Mai­tipulation ihren Verhandlungen über die Bankfrage nummer wen von einc­ermehrung des Grundkapitals der­ Bank nirgends die Nede­it, haben die Negierungen selbst die Bankfrage zur Dividendenfrage gemacht durch­ die warme Fü­rsorge, mit welcher sie darauf bedacht waren, daß die fünftige Dividende der Bant= aktionäre nicht geschädigt werde. Das ist, wie ex­­wähnt, die Glanzpartie des Kosfuth’schen Briefes, und wü­rdig schließt es an dieselbe jene vernichtende Kritik, welche Koffuth an dem wunderbaren Neb­en­­erempel eines offizielsen Blattes übt, dem wir ber­­eits seinerzeit energisch auf die Finger geflopft haben, als es der überraschten Welt weiß machen dotation un 30 Millionen erhöhen würden. Geradezu wollte, daß die Maistipulationen Ungarns Bant­­staunenswerth aber ist es, wenn Kossuth in dem der Banffrage gewidmeten Theil seines Briefes eine so genaue Detailkenntniß aller wirthschaftlichen Vorgänge bei und sowohl wie jenseits der Leitha zeigt, daß man glauben möchte, er lebe mitten unter und und beobachte mit eigenen Augen alle großen, kleinen und auch die kleinsten Ereignisse. Und gerade darum wird sein Theil des Nor­muth’schen Briefes in allen Schichten der Nation eine so­ tiefgehende Wirkung hervorrufen, als der auf die Bankfrage bezügliche. Schon der durch­­wegs volksthümliche, anruthende Ton, den Oj­­futh Hier­ anschlägt, bürgt dafür, nicht minder die Schlagende und blendende Dialektik. Noj­­futh rennt sein Bolt und er versteht mit ihm zu sprechen wie sein Zweiter; und wenn dasjenige, was Ludwig Kossuth dem Volke in einer drastischen Formel präzig ausdrückt, eben dasjenige ist, was dieses Bolt fühlt, was es bedrüht, dann muß die den Punkt aufgehellt, von welchen aus Die Herr Joseph Brudhormte. Original-Feuilleton des „Neuen Better Souenal“.) Paris, 9. Januar, 65 gibt Menschen, deren Name mit heiteren Borstel­­ungen unlösbar verbunden ist. Man denkt an sie nur im Zusammenhange mit einem Scherze, und wenn sie ungeschickt genug sind, einmal auch die Helden eines traurigen Greifs­niffes zu werben, so Fann selbst die empfindendste und theils nahmavollste Seele nicht umhin, dasselbe mit einem Lächeln auf den Lippen nachzuerzählen. Ein solcher Mensch war Henri Monnier, dessen Tod vorgestern die Blätter verfün­­deten. Sie bemühen sich, die Nachricht, die ein Anrecht auf einen Schwarzen Rand hat, mit der offiziellen Bekü­mmertheit eines Leichenbitters mitzutbeilen, allein das niedergefämpfte Lachen bricht sieghaft durch. Den bei solchen Gelegenheiten üblichen Worten eines oberflächlichen Bedauerns lassen sie einen Notenfranz toller Anekdoten folgen, die bewirken, daß ein helles Gelächter das Echo eines Nefrologs ist. Bon Monnier selbst will ich nur wenige Worte fas­sen. Er war ohne Zweifel eines der größten und vielseitig­­sten romischen Talente des Jahrhunderts und hat als Zeich­­ner, Schauspieler und Schriftsteller seine Zeitgenossen mehr lachen machten, als irgend­ein anderer F­ranzose derselben Epoche. Aber sein Humor war sein gutmüthiger, keiner von jenen, die, um mit Heine zu reden, „die lachende Thräne im Mappen führen“. Er war vielmehr boshaft, verlegend and Scharfzähnig. Monnier’s Wit mußte ein Opfer haben. Wenn alle Meinrigen lachten, mußte Einer die Kosten der Unterhaltung in Ungemach und Berger, wo nicht in hand­­greiflichem Schaden bezahlen. Ein grausamer Aberglaube des Mittelalters behauptete, daß nur diejenigen Baumwerte dauern, in deren Mörtel ein Menschenopfer Blut gemengt hat. Wenn das Gleichung nicht außer Verhältniß tragisch der Franzose fennt heute Mir. Joseph Prudhomme, sein Porträt figurirt in allen Wegblättern, das ganze Bublikum dichtet ihm neue Züge an und „prudhommesque“ ist ein allgemein verstandenes und sehr bezeichnendes, wenn auch in das Wörterbuch der Akademie noch nicht eingelassenes neues Beiwort der französischen Sprache geworden. Joseph Prudhomme ist der gewöhnliche französische Bourgeois, wie er die Straßen von Paris bevölkert, wie er in den Boulevardk­affeehäusern Mazagran schlürft und in den Dorfcabarett ein Schöpplein Rothwein trinkt. Er hat mit dem deutschen Philister einige entfernte Familien­­ähnlichkeit, unterscheidet si aber doch sehr wesentlich von ihn. Gemeinsam ist den Beiden blos ihre absolute Blattheit, ihre verzweifelte Alltäglichkeit und ihre feuchtfalte Brosa, die fi dem flammendsten Ideal nur auf einige Schritte nähern muß, um es sofort verlolgten zu machen. Allein hier hört auf die Aehnlichkeit Schon auf. Der Philister besikt eine gewisse gemeine Gutmüthigkeit, die für seinen Mangel an höherer Empfindung und an Takt einigermaßen ent­­schädigt ; er beugt sich willig vor einem höheren Geiste und zollt großen Charakteren, die er weder völlig begreift, noch nachzuahmen vermag, eine konventionelle, plumpe Bewun­­derung. Herr Hofepp Prudhomme rennt diese Schwächen nicht. Er liebt, achtet und bewundert nur einen Menschen, und das ist er selbst. Seine Selbstverherrlichung fennt seine Grenzen und sein Selbstvertrauen ist fast so groß, wie seine Dummheit und das will sehr viel jagen. Joseph Prudhomme it überzeugt, daß er Alles versteht, Alles weiß und Alles besser machen könnte, als jeder Andere. Defragt oder nicht befragt gibt er sein Urtheil über alle Personen und alle Dinge ab ; über ein Gemälde ebenso wie Hiezu 4 Seiten Beilage, enthalten» Die Roman­ am» Benib­etomdeitung, sowie Das „Theater­ und Bergnügungeblatt“, wäre, würde ich das zur Slustiirung der Natur des Mons­nier’schen Mikes benügen. Ein englischer Schriftsteller sagt, daß ein Franzose im Stande wäre, seinen Bater zu ermfors­chen, wenn ihm dies eine Pointe für einen Tik bieten würde, und im Falle Monnier’s ist diese groteste Lebertreibung beinahe eine Wahrheit. Nur zwei Proben vom Genre der Sperze Monnier?s. Er spielt eines Abends eine Gastrolle in einem Provinztheater. Hinter den Gouliffen stößt er auf den jugendlichen Liebhaber, dessen Stichwort gefallen ist, und der sich eben antschieft, auf die Bühne zu treten. „Um Gotteswile len, wie siehst Du aus !" ruft ihn Monnier zu: „Dein linker Schnurrbart ist Dir herunter gefallen, reiße doch rasch auch den anderen ab, sonst bist Du verloren !" Der unglückiche K­ünstler thut voll Angst, wie ihm Monnier gerathen hat, und erscheint — mit einem halben Schnurrbart vor dem Publikum, das sich einbildet, man mache sich über es luftig und den Liebhaber mit Hüten und Stöcken bombardirt. Der Rechtere war von da ab in der kleinen Stadt unmöglich, aber Monnier lachte über den gelungenen Spaß. Ein anderes Mal fragt ihn ein biederer Provinziale auf dem­ Boulevard, welche Straße er zu nehmen habe, um zum Pantheon zu ges­langen. „Nehmen Sie die Märtyrerstraße”, antwortete der Gefragte mit großem Ernst. Das ist sehr fein gesagt, allein der Provinziale wurde durch die epigrammatische Ant­wort in den äußersten Norden der Stadt gesendet, wo sich Die Rue des Martyrs befindet, während sein Ziel in Wirklichkeit eine halbe Meile davon im Süden lag. Indeh, wer wirde Monnier nicht tiese Gamm­erien verzeihen angesicht seiner unvergleichlichen Schöpfung, des Herrn Joseph Brudhonme ? Diese eine Gestalt sichert dem verstorbenen Humoristen die literarische Unsterblichkeit. In zwei Versen, den „Memoiren des Herrn Soseph Brud­­homme" und der Komödie „Größe und Verfall des Herrn Soseph Brudhonme”, hat er seinen Heros dem Bublikum vorgeführt, das bei seinem Anblick einen Freudenschrei aus­stieß und sich seither nicht mehr von ihm trennen will, Je 7 «

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