Neues Pester Journal, Januar 1877 (Jahrgang 6, nr. 1-31)

1877-01-14 / nr. 14

tawkvaWLHReJ-eae z»·»··«sz, Sonntag, den 14: Zantiat. mm 14 Helles 98 ster Jo Bibonnement: Ganzi. fl. 14, halbj. fl.7, viertel. fl. 3.50, monatlich fl. 1.20. Das „Neue Welter Journal" erscheint Redaktion und Administration: täglich, anc an Montagen. Leopoldst. Eichenplat Nr. 2. Einzelne Nummern In Infernte und aufliegenden Tarif. BE­sinfer Blatt erscheint morgen, Montag, wie gewöhnlich. . Koloman Tipa. Budapest, 13. Jana. Tr .3 war im Jahre eintausendachthundert, einundsechzig. Den Jahren der Iinterdrüdung folgte in U­ngarn ein kurzer Versuch, die Nation mit der Dynastie und mit Oesterreich zu verführen. Im Museum­ Saale war der Neid­tag versammelt; seine verantwortliche Regierung stand ihm gegen­­über; nur mit den konservativen Kanzlern, welche Ungarn in den „weiteren Neicherath“ Iogen wollten, wurden Schriften gewechselt. u, erklärte unsere Berfassung für „verwirkt“, Franz Deát ver­­theidigte sie vor dem Könige und der Welt. Damals gab es noch­ viele revolutionäre Glos­mente in Ungarn. Man mißtraute den Defterreis­ern; die Wunden waren noch offen, die Verlegun­­gen ungesührt, die Emigration fachte von außen die Aufregung an; man­ erwartete, daß Napo­­­leon II. und Garibaldi an der Spite von Armeen als Befreier heranziehen würden. KRoffuth organi­­sirte im Auslande ungarische Legionen, protestirte eine republikanische Donaukonföderation und seine Emissäre braten im Lande Konspirationen zu Stande Die nüchterne Erwägung hatte in der Na­tion das Webergewicht verloren, Franz Deut und seine Bartei waren im Reichstage in der Minorität. Ahm gegenüber stand eine Majorität, deren peen und Gefühle der Revolution vom Jahre 1849 ent­­lehnt waren, deren Politik es war, dem Scatter von Oesterreich, den sie nicht als geieglichen König von Ungarn anerkannte, nicht Nede und Antwort zu stehen, das künigliche Restript, mit dem­ der Neid­d­­tag eröffnet w­urde, gar nicht zu beant­worten, son­­dern in­ einem Beschlusse die Rechte und Verwahruns gen der Nation darzulegen und den passiven Wider­­stand zu begründen. Dies war die Beichlußpartei, die gi — die Partei Deal’ — die Adreß­­partei. Die ewig denkwü­rdige erste Adresse Deal’s war fertig, auch der Beichlußantrag war eingereicht und die große Debatte begann. Da durchflog die Stadt eines Morgens die Schrecensnachricht eines Selbstmordes aus politischen Motiven. Auf dem Servitenplage strömten dichte Volfdmaffen zusam­­men. Dort im ersten Stoce eines alten, alveistöcki­gen Haufen Yag entseelt ein ausgezeichneter Batriot, der ritterliche Graf Ladislaus Telefi, der Freund Kossuth’3. Seiner linken Hand war die Bistole ent­­fallen, welche die tödliche Kugel gegen sein edles Herz abgeshiet hatte; auf dem Schreibtiche Tag halb fertig das K­onzept der Niede, mit welcher er, der Führer der Beichfußpartei, den Kampf gegen die Politit Franz DeárS aufnehmen wollte. Mitten im Schreiben war Teleft mit sich selbst in Zivie­­lpalt gerathen. Und er konnte nicht zum zweiten Male die Revolution wollen. Durfte er aber seine Prinzipien opfern? Auch das durfte er nicht. Er war Parteiführer, er mußte sich offen aussprechen. Er mußte daher die Wahl treffen und er wählte die­­ Kugel. Koloman Ghyczy sah damals auf dem Prä­­sidentenstuhle, auch er gehörte der Beichfußpartei an. Patriotische Besorgniß und Ambition hatten ihn in ein Lager geführt, in welches er nicht gehörte und ihn dort dreizehn Jahre festgehalten. ALs Präsident konnte er aber an den Berathungen nicht t­eilneh­­men; die Beichfußpartei stand demnach ohne Führer. Da erhob sich in der dritten Bank ein elegant gekleideter, hoher, Schlanker junger Mann mit Schwar­­zem Haare und helltönender Stimme; es war ein Neffe des vereidigten Telefi, ein reicher Herr, aber ein unbekannter Mann. Er hielt eine hibssche Rede, welche seit damals freilich schon der Vergessenheit anheimgefallen i­; da aber die Beichfußpartei einen Führer benet­igte, so nahm jener den erledigten Prag ohne jedes größere Verdienst, ohne daß er irgendwie darum hätte sümpfen müssen, ein. er trat die Führerschaft aleichfan als Erbe seines Ohemnd at. Der junge Mann war Koloman Tika, der Ab­­geordnete der Stadt Debrezin. Seit jener Zeit hat sie sechzehnmal das Jahr erneuert und der Hitige junge Oppositionsredner von damals ist gegenwärtig. Königlicher Minister­­präsident im Ungarn Sein Haar ist gebleicht, feine Gestalt gebeugt, die feinen Gesichtszüge sind einem harten, falten Ausdruch gewichhen, die einst feine Stirne ist von Rumm­eln beliebt, das einst fress leb­ende Auge it geschwächt und blinzelt nervös, wenn es nicht durch die dunkle Brille gefehn­gt ist — mit den langen Armen weiß er nicht was anfangen, und auf­ seine leidung verwendet: er, mei­nig Sorgfalt ; stets drüden ihn sch­were Sor­gen und man sieht ihm dieselben an. Wenn er um sich Schaut, befindet sein . Blid ging in der Musil. Beides finden wir in der bevorzugten Spielart der französischen Opernproduktion bis auf un­­sere Zeit, in beiden Dingen wird sie noch lange als uns erreichtes Muster gelten ; die geheiligte Tradition, die bes­­anntlich nirgends konservativer ist, als in der Geschichte der Kunst, hat den Begriff der Spieloper mit dem des französischen Nationalgeistes so enge verknüpft, das­s es außerhalb Paris für ein Wagniß galt, dieses erempte Gebiet zu betreten. Für den jungen, aufstrebenden Komponisten gibt es nichts Gefährlicheres, als ein fühner Bruch mit Dies­sen Traditionen — aber auch nicht? Verlobenderes. Jg­­na­ Brüll Hat es gewagt, und mit seinem Erstlings­­werfe, dem „goldenen Kreuz”, eine in der besten Bedeutung französische Spieloper geschaffen. Der Komponist, der durch seine Erstlingsoper in der ganzen musikalischen Welt zu Ansehen gelangte, ist der engeren musikalischen Gemeinde längst bekannt. Ignaz Brüll, der seit Jahren in hervorragender Stellung im Lehrfache wirkt, zählt nicht blos in Wien, seiner Vater­­stadt und dem Orte seiner Berufsthätigkeit, sondern auch außerhalb der österreichischen Kaiserstadt, namentlich aber in Deutschland zu den gefeiertsten Pianisten. Mehr noch als seine gediegenen Klavierkompositionen hat ihm sein meisterhafter Vortrag Flaffischer Werke zum Liebling der musikalischen Kreise Berlin’3 gemacht, also der anerkannt konpetentesten Beurtheiler in der modernen Klavierkunst. Von den Klavierkonzerten des Komponisten war der Uebergang zu der komplizirteren Kunstform der drama­­tischen Dichtung nicht so unvermittelt , glaubte man doch in seinem Spiel mehr als einmal Menschenstimmen sin­­gen zu hören, wenn er die Gantilene auf dem Klavier ertönen ließ und die reiche Harmonisirung wies wie von selbst auf eine symphonische Behandlung des musikalischen Stoffes hin. Dazu bedurfte es eben nur nom des erst­­ein gewisses Mißtragen gegen Die Menschen; im Reden ist er verschlosfener als im Schweigen, aber immer scharf, immer gebieterisch; nur sein Auge und sein oft ausbrechender Zorn verrathen die im Innern gährende mächtige Leidenschaft, welche seine pbastischen Kräfte in so kurzer Frist aufgezehrt. Dieser schlaue Blik kann in Feuer aufflammen und dieses verborgene Herz man warm empfinden. Dann und wann bricht diese innere Natur hervor und dann gewinnt Tiba die S­ympathien seiner mißtrauischen Gegner; aber immer nur für kurze Zeit, denn Koloman Tiba­­ ertastet nach jedem solchen Auffladern nur zu wasch — er wird i­ieder streng und verschlosfen wie der Falte Stein, dem man unten entlodt hat; er wird gereizt und ber­­legend, als ob auch er selbst unzufrieden wäre mit sich, mit Anderen, mit Allen und mit Allen. Dazu wurde Tiha dur­­f eine oppositionelle Vergangenheit erzogen, und seine gegenwärtige Mitz nisterpräsidentschaft ist nicht geeignet, ihn freundlic­her zu stimmen. Tipa ist sein glücklicher Boliziker. Sein erstes Auftreten war glänzend, aber fehlerhaft. Seine heftige und sterile Opposition endete damit, daß die Majorität sich vor der Minorität beugte, ihre Mitglieder vor der Ab­stimmung hinausschichte und so Franz Desk eine künstliche Majorität ver­­schaffte. Dies war Tipa’s erste Taktik. Seit dam­als führte Tiba unausgeregt den ziellosen und schädli­­chen Kam­pf gegen die Bolitif Deafs und gegen die deofistische Regierung . Schonungslos riß er jede A­rto­­vität nieder , beseitigte er jede Talent, welches ihm in seinem Streben nach Alleinherrschaft im Wege stand, und in den Mitteln, die ihm zur Erreichung seiner Ziele förderlich sein konnten, zeigte er sich nie wählerisch.­ Seine Opposition entfeffelte die Leidenschaften­­, und obwohl diese dien, fühdern nur um im Volke und im Parl Opposition sich nicht um Schlagworte gruppirte, hemmte sie die Gefeßgebung und provozirte Krisen, ohne daß sie aus der Nega­­tion heraußgetreten und ein positives Ziel erreicht hätte. Erst nachdem er große moralische Verwüstun­­gen angerichtet und wiederholte Niederlagen erlitten­ hatte, kam Tiba zur Einsicht, daß all’ sein Streben vergeblich sei, und vielleicht Dämmerte in ihm auch die Erkenntniß auf, daß er im Irrthum sei. So ent­­f­lok er sich denn, seine Bolitit aufzugeben und zu verleugnen. Groß und [wer war der Kampf, dem­ Tiba mit sich selbst Lümpfte, noch größer und schiwes a 5 .»Das goldene Kreuz.‘ Oper in 2 Akten von Mosenth­al. Mufit von 3. Brüll- Budapest, 13. Januar. Wir sind auf f­ranzösischen Boden. Das besagt nicht nur das Textbuch der heute am Nationaltheater in Szene gegangenen Novität, deren Handlung in der glorreichen Zeit des ersten Kaisert­ums spielt, sondern weit mehr noch die Partitur, die ganz nach dem Zuschnitt der Opera Comique gehalten ist, der Charakter der Mufik, Die Verwendung der rein französischen Formen des Stro­­phenliedes, der Romanze, des Tanzliedes in der Gestalt eines Gesangswalzers. Ya selbst in ihrer äußeren Gestalt, den m­usikalischen Ausdruchsmitteln weist das „Goldene Kreuz“ unverkennbar auf die ältere Schule der französiz­igen römischen Oper — richtiger „Spieloper” — hin, auf Boieldieu und Auber, die Meister des musikalischen Lustspieles, die dieses Genre geschaffen und ihrer Nation damit ein Erbe hinterlassen, das sein frem­des Volk ihr streitig machen kann. Es ist dies nicht das größte, bedeu­­tendste und jedenfalls nur Dieses einzige Gebiet, welches die französische Mufif beherrscht, aber sie beherrscht es vollkommen. In Deutschland vermag diese Kunstfern troß mancher gelungener Bersuche nicht recht Wurzel zu fassen. Die in ihrer Art mustergiftigen romischen Opern älterer Komponisten (Dittersdorf, Weigl, Lorking), von welchen sich einige noch auf dem Repertoire behaupten, zählen nicht hieher ; es sind meist anspruchslose, gemüthe­liche, heitere Schilderungen kleinbürgerlichen Stilllebens oder ländlicher Soyllen, deren Mufti denselben deutsch­­romantischen Geist atmet. Um sie auf der Bühne wirksam und lebensfähig zu machen, fehlt ihnen nur Eines, aber dieses Eine ist für den modernen Geschmack entscheidend ; dram­atisches Leben in der Handlung, Farbe und Beweg das fatal, goldene Krenz, das Gontran leider am Schlachtfelde verlo ein legtes Mittel : sie nimmt das goldene Kreuz, das heilige Erbe der Mutter, vom Halse und schwört auf Dieses Pfand, dem Netter ihres Bruders, der ihr nach zwei Jahren das­ Kreuz zurückringe, zum Traualtar zu folgen. Christinen’s Anbeter, die jungen Burschen ziehen sich den zurück — aber Einer war unbemerkt Zeuge der ganzen Szene gebesen, Gontran, ein junger Edelmann, der zufällig in das Städten gekommen war. Er nimmt das Kreuz, aber nicht aus Christinen’s Hand, da er ihre Neigung nicht auf solche Weise erlangen will, sondern von Bombardon, und Colas ist frei. Christine sendet dem unbekannten Retter ihre Ses­genswünsche nach, unter fröhlichem Hochzeitsjubel und Tanz schließt der erste Akt. Im zweiten Akt erfolgt die Lösung des einfachen Snotend. Gontran wird, schwer verwundet, von Colas, der, mittlerweile dennoch­ in den Krieg gezogen mars nach Hause gebracht, von Christine gepflegt und nichts stünde der Vereinigung der Liebenden im Wege, als Knien 6 Seiten Beilage, enthaltend Die Roman- und Beuilletonzeitung, sowie das „Theater­ und Bergnügungsblatt”, 7 jenden Wortes, des passenden Libretto’. Auch dieses fand der junge Komponist in dem Buche von Mosenthal, eigentlich 5. B. von Mosenthal, wie er auf dem Titel blatte heißt, oder auch der „deutsche Scribe”, wie er sich nicht ungern nennen hört. Die Handlung spielt in Mes­sun, einem Landstädtchen unweit Paris, in der Zeit Na­­poleon I. ,d­as Barifet, der Wirth des Städtl­ens, soll seine Gousine Therese zum Altare führen. Da erscheint das Verhängniß in der Gestalt des wohls genährten Sergeants Bombardon, der den Macht­befehl des Schaffers verkündigt, in welcher alle erwach­senen Mannesleute­ zu den Fahnen beruft. Golas muß in den Krieg, mit der großen Armee nach Rußland, wenn sich nicht für ihn ein Kringmann findet. Schon will er von seinen Lieben Abschied nehmen, da versucht die verz­weifelnde Schwester des unglücklichen Bräutigams, Christine, a EN

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