Pester Journal - Abendblatt, Oktober 1877 (Jahrgang 4, nr. 130-156)

1877-10-09 / nr. 137

­ ? Budapest, Dienstag Abendblatt des Pester Form­al. Die Enge in Bulgarien. Budape­st, 9. Oktober. Man schreibt der "Bolt. Core" aus 4. Oktober : Die ri­dgängige Bewegung anfänglich erwartete. Der Grund derselben ist größtentheils in dem Mangel Kräften und in den unübermindlichen Berpflegsichmwierigkeiten zu forchen, mit welchen er zu kämpfen teglich war dieser Rückzug Nothmendigkeit geworden. Zwischen dem­­ Lom oder si die Lom-Linie Banicka , Lom und konnte der türkische Generalisiimus seine Stellungen finden, in welchen er dem Anpralle der verstärk­­ten Armee des Großfürsten­ Thronfolger erfolgreich hätte wir­derstehen können. Er war in die Alternative wertet, entweder die Zantra-Linie anzugreifen hinter die Lom-Linie zurückzuziehen. Bei Belin-Verbonia machte er einen Berfuch, auf der Straße Luftca­­ Draggnovo durchzubrechen. Dieser mit zu Schwachen Kräften unter­ Haflan denn an Operationen in den Balfan-Defiléen ist vom Monate November an nicht mehr zu denken. Schon sehr erfieht man aus Briefen von rufsischen Offizieren, welche die den Bab bemachenden Truppen befehligen, mit welchen Schwierigkeiten und Leiden die Truppen im Balkan zu kämpfen haben. Ale Beschießungen, Angriffe und Gefahren sollen sei­­nen Vergleich mit den Qualen aushalten, welche die Ele­mentarverhältnisse und der Wassermangel den Offizieren und Soldaten bereiten. Verhältnismäßig leiden die Tir­ten weniger, weil die Abtheilungen, welche die hoch gelegenen Stellungen befett halten, oft abgelöst werden und im Thale von Kazanlil ein äußerst mildes Klima finden, während die Rufsen auf den nördlichen Abhängen des Bal­tanz bis Gabrowa den vauberten Witterungsverhältnissen ausgefest sind. Wie man sieht, ist die Lage für beide Theile nicht erfuiclich, so daß ein stillcshweigender Waffenstillstand von selbst eintreten wird, wenn nicht bis dahin der eine oder der andere kämpfende Theil sich au­schließlich des Bafjes und seiner Umgebung bemächtigt haben wird. man PBaicha sogar ebenfalls scheint die einheitliche Führung üben. All diese Umstände haben Mehemet Ali bestimmt, auf den Offensivstoß gegen die Jantra zu verzichten und sich in seine frü­here Stellung hinter dem Karakom zurückzu­­ziehen, nachdem er den vollständigen Entias Auftrehufs be­wirkt hatte. Bei Plewna steht ein lang­wieriger Belagerungskrieg bevor, der aller Wahrscheinlichkeit nach den ganzen Herbst und einen guten Theil des Winters dauern wird; denn die russsche rumänische Armee hat es nicht mit einer Yettung zu thun, sondern mit einem Komplexe von befestigten Stellun­­gen, welche einer belagerten Armee immer Raum genug las­­sen, sich hinter denselben frei zu bewegen und hinter­ jeder er­­oberten Vertheidigungslinie eine andere zu errichten. Solche Stellungen wie Plemwna können nur dur Cernirung und­­ Errichtung einer Ei­tumvallationslinie erfolgreich angegriffen werden. Dazu gehört aber erstens eine numerische Weberle­­­­genheit an Streitkräften und eine Operationg­-Armee, welche die Entfalt: und­­ Verproviantirungsversuche vereitelt. Die Aufio-Rumänen hesiten bis jet weder das eine noch das andere: es ist also nicht zu verwundern, daß mann in mi­­litärischen Kreisen den Ausgang der Operation vor Plewna auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben glaubt. Wohl muß bei einem so naturunwichtig geführten Kriege dem Un­wahrschein­­lichen viel Spielraum gelassen werden. Der ganze Zwischen­­fall bei Plewna, der später zum Schwerpunkte des ganzen Feldzuges geworden ist, war ja doch ein so unerwartetes Ereigniß, daß ganz Europa erst nach und nach die Wächtig­­keit der Stellung in ihrem ganzen Umfange anerkannte. E­benso eigenthümlich ist die Situation bei Schipra. Die Ruffen halten noch immer den eigentlichen Bab und die darin errichteten Befestigungen belebt. Die Türken haben jedoch auf beiden Flauten dominirende Stellungen erobert, welche den Ruffen die Behauptung des Passes äußerst schwie­­rig machen. Bald aber wird die Saison dafür sorgen, daß weder Nuffen noch Türken diese Stellungen werden befett halten können. In einigen Wochen werden die Seiten des Balkan eine neutrale Zone zwischen beiden Heeren bilden , weiter erst recht, als man nommen war und zwischen der Zwift zwischen Mehemet dem Kara , Berfud mißlang, und Mehemet Ali der weil er ein bis hinter seine Einigkeit über Die Durchführung Angriffes bereichte. Ali, höchst an Bimnibn, gefehlt an Mehemet A­l3 hat dem egyptischen Prinzen Nach Berichten aus Barna erbitterter gewesen zu sich genügenden hatte. Aber auch Itra­­eine scheint Prinz Haslan und Sulei:­fein, 9. Oktober 1877. Bndungen der bosnischen Insurrektion. Budape­st, 9. Oktober. Man schreibt der ,polit. Core.” aus Serajewo, 1. Oktober: In der vertroffenen Woche ist ein Theil jenes Kontin­­gents nach der Herzegowina abmarschirt, welches durch frei­­willigen Eintritt der bosnischen Mahomevaner in Sera­jew­o gebildet wurde. Dieses Kontingent umfast alle Schichten der Bevölkerung des ganzen Bilarets und dürfte sich dessen Zahl auf 2000 Mann belaufen. Am stärksten ist das städtische Clement darin vertreten, wobei die Begs, Muftis Handelsleute und Beamten eine ansehnliche Zahl repräsen­­tiren. Mit besonders hervorragendem Beispiele sind dabei die Einwohner der Hauptstadt vorgegangen, indem sie nicht nur die zahlreichste Mannschafts-Kontingent beistellten, sondern auch bedeutende Spenden an Proviant und Fourageartikeln für die Truppen und ärab­ischen Pferde lieferten. Was aber dem ganzen Unternehmen in den Augen der Mahomedaner eine besondere Weihe verleiht, das ist der Umstand, das der Sohn Mazhar Barcha’z,Tunieres Gouverneurs, Diemil Effendi, sich freiwillig an E Syige der geworbenen fellte und die Mühen und Gefahren theilen wils, welchen die Bewohner des seinem Vater unterstehenden Bilareft entgegenzugehen Willens sind. Der Abzug der ersten Abtheilung nach der Herzegowina mar denn auch mit fold­ einem Pomp in Szene gesetz, daß die Zuschauer dieses militärischen Schauspieles hievon mächtig ergiffen waren und unter diesem Cindrude sich noch mehr Freiwillige in die Reihen der Muftehafiz einweihen Lassen, als es bisher geschehen. Außer der Muftehafiz Bewegung gehört die legte Woche ausschließlich den Infurgenten. In gleichem Maße wie die Türken für ihre Herrschaft, rühren sich auch die Infurgenten für ihre Sache. Bei Diesen ist er Das siegreiche Vorbringen der Montenegriner, welches sie zu neuen Unternehmungen anspornt und neue Hoffnungen bei ihnen erweckt. Vorigen Dienstag erschien der berüchtigte Bandenführer Simo S­avi­c 8 plöblich im Begleitung von fünf Insur­­genten in Chlemna, einem kleinen Oxie des Traminter Land­­schafes, und drohte, den Ort anzuzünden. Der Kaimafam des Ortes, Abdullah Effendi, veranstaltete alsogleich eine Razzia auf den tüb­en Häuptling, und es gelang ihm auch, sich desselben in dem Augenblicke zu bemächtigen, in welchem er sich in das Haus des Kaimafams selbst einschleichen wollte. Im Dorfe Milfovice ‚zeigte si im der verfroffenen Woche eine Bande von beiläufig 100 Insurgenten, welche den ganzen Tag den Ort beobachtete, des Nachts jedoch den­­selben überfiel und sich darauf beschränkte, 45 Schafe und 5 Kälber wegzutreiben, bei welcher Gelegenheit ein Insurgent in einem Hause gefangen wurde und ein ähnliches Loos wie Simo Savica erfuhr. In Kadice (Banjaluler Sandihat) gelang es den türkischen Einwohnern, vorgestern den geflch­teten Insurgen­­ten Lufo sammt einigen seiner Kameraden beim Ausplün­­dern eines türkischen Marktladens zu ertappen und zu er­greifen. Nach kurzer Berathung, das mit den Gefangenen an­geschehen habe, wurde einstimmig beschlossen, dieselben zu hängen. Nachdem aber keine Stunde zur Hand waren, schaffen die Anwesenden nacheinander ihre Bistolen auf die drei Opfer ab und hieben dieselben schließlich in Stade. In Darcar (Radilut Farce) verbreitete sich am sechten Dienstag die Nachricht, dab eine Insurgentenschaar von 40 bis 50 Mann sich dem Orte Podrasnica nähere. Es gelang nur, zwei Insurgenten zu tödten, während die übrigen sich in die nächte Planina flüchteten. Außer den hier angeführten Fällen laufen­ aber noch andere Nachrichten ein, welche insgesammt bestätigen, dab die Insurreftion seineswegs noch erlofchen ist, sondern noch immer ihren Spur treibt. Ungesneuigkeiten. Budape­st, 9. Oktober. Der König ist gestern Abends, wie aus Wien berich­­tet wird, von dort nac­h Budapest, veipel­m­­e Gödöllő geweilt. Vormittags besuchte der König das Offizierstöchter- Institut­ in­ Hernals. Graf Andrásy soll heute, wie Wiener Blätter berich­­ten, von Wien abreisen und sich auf seine ungarischen Güter begeben, wo er, der „N. Fr. Br." zufolge drei Wochen zu verweilen gebdenkt. — Von unserem Minister des Äußern wird folgende anläßlich der russischen Niederlagen bei Pleona "gemachte Aeußerung Folportirt : Auf die Frage eines Diplomaten, was er imn Blevnaer , Affaire" sage, wobei derselbe hinzufeßte: „C’est une affaire tr&s sérieuse" (dieselbe sei eine sehr ernste Gab­e,) antwortete Andrasy : „Wohl, sehr ernst, weil man’gute Miene zum bösen Spiele machen müsse.” (Bien serieuse, car il faut faire bonne mi­e au mauvais jen.) Gesehent ‚des Kronprinzen. Kronprinz Rudolph „ber­auchte, wie die , Boz. 3ta." erfährt, bei seiner An­wesenheit in Ampezzo das Atelier des dortigen sehr renommirten Malers Luigi C­h­e­b­in­a. Von den Gemälden schienen insbesondere vier Jagdskizzen das besondere Wohlgefallen des Grahherzogs zu erregen und der Kronprinz berücte schließlich auch den M­uncch aus, dieselben­­ für sich anzulaufen. Ghedina, hoch­ erfreut über die hohe Anerkennung, bat den Kronprinzen, die vier Skizzen entgegennehmen zu wollen. Kronprinz Ru­­dolph gestand dies freundlich zu. Die Bilder Finanderten nach Wien und nach Ampezzo gelangte an den Maler ein practvoller Diamantring mit eingegrabenem R,­ den der Kronprinz von Schönbrunn aus gesendet hatte. Ein Königssohn im­­ Kloster. Das wiederholt er­wähnte Gerücht Brinz A­m­a b­e 0 (der Sohn Victor Ema­­nuals) gedente aus Schmerz über den Verlust seiner Gemalin den Freuden der Welt zu entsagen­­ und in einen reli­giösen Orden zu treten, wird nun von der in solchen Dingen allerdings zu optimistischen „Germania” als vollkommen begründet bezeichnet. Der Bapst habe, als im Balk­an von dem merkwürdigen Gerüchte die Rede mar, sich getreulich bei — um Margaret von einem verzeifelten Schritte abzuhalten. Als sie endlich ruhiger geworden, sagte sie zu mir : „Aber wie soll ich John entsagen, ich bin doch sein Weib ! 39 machte sie nun darauf aufmerksam, daß ihres Gatten Familie wahrscheinlich in ihn dringen­ werde, eine Löfung dieser Ehe herbei­­zuführen, und daß eine solche auch wohl erfolgen könne, da manche gejegliche Formalitäten bei Schlie­­ßung derselben nicht beobachtet sein möchten. „Gib mir, liebe Margaret,“ fügte ich hinzu, einen Bogen Papier mit Deiner Namensunterschrift versehen, ich fan­n alsdann beim Eintreten des angedeuteten Ereig­­nis die Einwilligung zur Scheidung in Deinem Namen geben, ohne Dich aufzu­regen.“ „Gewiß,“ rief sie, werden die bösen Menschen alle aufbieten, um mich von Lohn zu trennen !: Ach mein Glüid war zu groß, um von langer Dauer zu sein M Konnte ich nur weit, weit von hier fliehen, dem­ Sohn einmal begegnen und nicht in seine Arme eilen dürfen, das überstiege meine Kraft ! „Die Journale — so reich an Neuigkeiten und Slatschereien aus der vornehmen Welt — brachten bald die Nachricht, daß eine Herzogstochter, the first beauty of England, John mit ihrer Hand beglücen werde. Ich sek nun Margaret schnell den Bogen Ra­pier unterzeichnen, damit, falls die Untreue ihres Geliebten 6i3 zu ihren Ohren bringen sollte, ich das Märchen von der eingetretenen Scheidung in Bereit» Die Wächter des Naboh. (Fortlegung.) Außer einem schnellen Sensen und Wiederauf­­blißen feiner dürfeln Augen konnte ich Feinerlei Der­änderung in feinem Antlig bemerken. Ich fuhr nun fort : Meine Nichte Margaret war frank, dem Tode nahe , in ihren Lieberphantasieen sprach sie, Mylord, Ihren Namen vor mir aus und verband ihn mit so süßen Liebesworten, daß ich fürchten , diese Neigung des Mädchens werde unheilvoll auf deren Lebensgrad einwirken. Ich weiß nicht, ob die Liebe Margaret’s von Ihnen eriwiedert wird, und ob — einen solchen Fall vorausgejest — Ihre Verhältnisse es Ihnen gestatten, eine Ehe mit ihr einzugehen ? Ich bin nur’hierher gekommen,um mich darüber außsprechen, was ich für Margaret zu thin gedenfe, die meine einzige Verwandte ist. Mein Vermögen ist beträcht­­lic — ich nannte die Summe — und wirde auch für große Ansprüche das Leben genügen ; es­ sol ihr und dem Gatten, welchen sie erwählt sogleich zufallen. Mit einem geringen Bruchtheil, den ich zurückzubehalten gedente, will ich nach Indien gehen , dort und noch Schäge zu heben für Jemand, der gleich mir aufmerk­­sam dem Handelsverkehr jener Länder gefolgt ist. a3 ic) bei der Höcsten Anspannung meiner Kräfte noch erwerben­ werde, so ebenfalls Margaret’gehören. Shrä@lic befördert zu haben, würde mir Lohn für alle Anstrengungen sein ! „Mr. Oliver, entgegnete John, er ist mir Yeider nicht vergönnt, mit gleicher Offenheit zu sprechen, ala Sie er thun konnten. Ich werde an Margaret morgen schreiben, und darf in Wahrheit versichern, daß er mir eine große Freude gewährt hat, deren großmiüthigen Romund kennen zu lernen! „So gab noch Margaret’s jegigen Aufenthalts­­ort an, verbeugte mich und wurde von John mit der größten Liebenswürdigkeit bis zu dem Ausgange des Balastes geleitet. „Ein bitterer, englischer Fluch kam über meine Lippen, als ich allein war ! Denn das stand nun fest : von dem Manne war nichts zu erwarten und ich konnte Margaret keine Hülfe bringen ! „Am nächsten Tage erhielt sie das versprochene Schreiben — einen meisterhaft stylisirten Brief — n welchem jeder Sab­bat wieder in­­ Frage stellte, was aus dem vorgehender entnommen war. John sprach von Heißer Liebe — aber seine Mutter blieb unerbittlich ; er litt schwer, sehr schwer unter der Trennung — doch wie wäre es möglich eine Mutter zu betrüben, die vor so kurzer Zeit mir den Gatten verloren ? Gern wolle er Alles für Margaret thun — allein wiedersehen dürfte er sie nicht! Ach, nur Unheil­ drohe "der treuesten Liebe — und mit Schmerz müsse er die Geliebte­n erschwören , ihm zu entsagen . So ungefähr lautete der Schluß des so sehnsuchtsvoll erwarteten Briefes: „Meine ganze Kunst der­ Ueberredung mu­ßte ich aufbieten — und ein wiürdiger Priester stand mir K­haft Härte. „Meine Pläne waren langsam gereift ; id­­ge-

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