Pester Journal - Abendblatt, Oktober 1877 (Jahrgang 4, nr. 130-156)

1877-10-09 / nr. 137

ABENDBLATT. rWeNs Yalezaug i­. 1. 137 Dienstag-9.0ktpber. Keen für Budapest mit täglich « Das Abendblatt des , Bester Journal" Redaktion: . je > kr­er­er Bufteilung, für die provinz erscheint täglich, &8dttergansse B. bed Wpendblattes "­­. einmal. N­ortderfenbun : monatl. fl. 1.10, mit Ausnahme von Sonn: und Weissingen Administration : Bnsexate für das Abendblatt warden sweim. fl. 2.15, viertels. fl. 3.10, Halbi. fl. 6. Rachmittags nach 2 Uhr. Göttergasm . billigst berechnet. M .—:x-e-.-«-«s-’« «-"««s""-"«·.-«-·«-——-«-.-«·.-....«..-. Br Budapeft, 9. Oktober. Wir sind eine Nation von Rabulisten. Die viel­­hundertjährige ungarische Rechtepraxis ist unserem ganzen Staatswesen in Sleisch und Blut übergegan­­gen. L Unsere Staatmänner sind in erster Linie Ju­­tisten und behandeln sämmtliche Fragen vom Stand­punkte des Advotaten. Die Sache Hat unbedingt ihre Vortheile und wenn wir Tipa als das Prototyp eines vorzugs­­weise juristisch gebildeten Staatsmannes ansehen, so können wir nicht umhin, ihm infolge die­ser Eigen­­schaft eine gewisse Findigkeit und Gr Ihmeidigkeit zuzuerkennen, welche leider oft in eine gewisse Art der Doppelzüngigkeit ausartet. . Ein Schritt abwärts,­ ­3 besteht in dieser Beziehung immerhin ein großer Unterschied zwischen unsern Hervorragendsten staatsmännlschen Größen. Desk, der größte Staatsmann Ungarns, war wohl auch Zurift und auf seinem Elassischen Rechts­­geiste baute sich das neue Ungarn auf. Aber Deät hatte nur alle guten Seiten des Rechtsfundigen. Er­ bewußte die Distinktionen nie zur Täus­­chung, sondern fiel nur zur positiven Folgerungen. Nichtjuristen waren Eötvös und Andräsy, von Eötvös strahlte der unverfälschte Geist der Humanität aus, aber der blieb in den Nechtefragen, die nament­­li­chei der in Ungarn beliebten Berguidung von Staat, Kirche und Schule sich anhäufen, stecien und schwanzte kläglich, k­­einen Ausweg zu wissen, zwis­chen den Schwierigkeiten herum. Graf Fulvus Andräsy, von allem Willensballast glückicherweise befreit, regiert mittelst frischer Auf­­fassung und mit Hilfe eines fast weiblich zu nennen­­den Takte, der den Konflikten möglicht alle Seiten abzubrechen sucht. Den eigentlich juristischen Charakter der Nation, mit all seinen Licht- und Schattenseiten der Nation, repräsentiert Koloman Ti­a. Tipa ist schlagfertig, wie ein Advokat, er distin­­guirt wie ein Nichter, er vertheidigt sich, wie ein Sophist, er kämpft für und gegen eine Sache, be­leuchtet dieselbe von den entgegengefaßten Seiten, wie es ihm gerade paßt. Mit­­ diesem Talente, das aus Berechtsamkeit, farblosester Gewandtheit und Spibfindigkeit zusammen­­gejebt it, kommt Tia über eine Unzahl Schwierig­­keiten hinweg, über die jeder Andere längst gestrau­­chelt wäre. Man kann sagen, für Koloman Tipa kann es seine Verlegenheit geben. Er weiß der spindierten Sache eine Wendung zu geben, bei der er unversehrt davon kommmt. Koloman Tia hat es zuwege gebracht, als Haupt der staatsrechtlichen Opposition "nicht nr Ministerpräsident, sondern sogar der Schöpfer des neuen, den alten wesentlich verschlechternden Ausgleichs zu werden, nach oben alle Dienste zu leisten und nach unten sich al Märtyrer einer unbesiegbaren Zwangs- Yage einzustellen. Koloman Tipa Hat es zuwege gebracht, als Held der mimizipalen Omniipotenz zu gelten und doch langsam eine straffere staatliche Centralisation vorzu­­bereiten. Koloman Tipa brachte es zu Wege, als Dr. Majestät ergebenster Diener eine der Hofpolitif­schri­­ftrade zuwiiderlaufende auswärtige P­olitik zu vertre­­ten, nach oben für Yoyal, nach unten für national zu gelten. ZTipa­ blieb immer noch der reiheiteheld, trop­­be BEN Polizeiwesen fi unter ihm in aller Stille we­g. « Die Schlauheit Tipa’s,denn das ist wohl der richtige Ausbruch, wurde auf die härteste Probe ges­­tellt, einmal durch die Kronstädter Affaire, zweitens durch die Angelegenheit Helly’s. Jeder andere Ministerpräsident wäre an der einen oder andern dieser beiden Affairen gest­rzt. Nicht so Tipa. Die Kronstädter Erhebung, das ernste Symptom einer bedenklichen Nationalstimmung­­ ,wurde zunächst energisch unterdrücht und hinterher als eine wesenlose Affaire dargestellt. Dadurch erreichte Koloman Tiga mehrere Zwecke. Er erwies sich nach oben als Höchst Loyaler und musterhafter „O­rdnungg“ - mann, er machte die Wiener Kreise auf die erregte Stimmung in Ungarn aufmerksam, er schüchterte die heimischen Hitlöpfe ein, er ging aber nicht so weit, um den Unwillen des Bolfes gegen sich Heraufzube­­schwören. Tipa blieb immer noch populär. Mit ähnlicher Schlauheit verfuchr er mit dem Abgeordneten Helfy. Die Loyalität nach oben gebot ihm die Niederwachung dieses Abgeordneten, in dessen Händen viele Fäden, die mit dem Oriente zusammen­­hängen, zusammenlaufen, er b­at er aber so, daß der Regierung direct sein Vor­wurf wegen Berletung der 3 m­mu­nität od­er des Hanzregtes gemacht werden k­onnte. Wieder waren mehrere Zwecke zu gleicher­ Zeit erreicht. Nach oben waren alle Dienste geleistet, der Konfflit nach unten war vermieden, die Konspiratior­­en eingeschächtet, und die Negierung warf ihre Hände in Unschuld. Troß aller Anerkennung für die diplomatische Gewandtheit unsere ® Ministerpräsidenten, der, wie Proteus, immer in einer andern Gestalt entwischt, wenn man ihn schon gefaßt zu haben glaubt, missen wir doch bekennen, daß um eine solche Behandlung der Öffentlichen Angelegenheiten durchaus nicht behagt. Es ist schön zu sehen, wie sich der Minister­­präsident aus allen Überlegenheiten herauswindet, aber das Facit ist immer ein höchst trauriges für die Na­­tion. Dieses Facit bedeutet folgende höchst üble Re­­sultate unserer Politik : Den neuen Ausgleich ; Die Verwaltungsanzichüfte ; Die anti-türkische Tendenz; Die Geheimpolizei. Bei aller Schlauheit bhut Koloman Tipa immer mehr Schritte nach abwärts und die Affaire Helfy, in welcher die Polizei fr­üher Recht und Gefett stellte, bedeutet troß aller Polizei- und Ministerialbe­­richte, troß aller Erklärungen, Aufklärungen und Für­kenntnißnahmen doch nur einen Schritt ab­wärts — auf der Bahn der Reaktion­ gerwesen, habe aber die gebührende Satisfaktion versprochen und die entsprechenden Weisungen erlassen­ Budapest, 9. Oktober. # Ueber die militärische Seite de geplanten Siebenbürger Putsches schreibt man der „Bolit. Borr." aus Zimnisa wie folgt: Bon Rezdy-Bafarhely aus gibt es nur zwei Wege, um zur rumänischen Eisenbahn zu gelangen (beide zu erreichen doch der angebliche Zmed des Putsches war). Entweder verfolgt man den DO it­o 3. Baß, bricht durch das Trotul Thal in Rumänien ein und dringt bis A­d­j­u­b vor, oder man folgt dem gangbarern Bab, welcher in das Buzeu-Thal führt und dringt bis B­u­­ze­u vor. Um aber zu diesen beiden Eisenbahnpunkten zu gelangen, muß man über 180 Kilometer (also jechs Sage­­märk­te zurücklegen und vorausfegen, daß man mit offenen Armen empfangen­­ wird. Auf der Bahn waren und sind starre Detachements eb­en­onizt, und jedenfalls konnten in diesen fünf Zügen aus Bukarest, Giurgemo, Braila, Galat, sogar aus Safig-Ungheni Truppenmaffen zusammengezogen werden, welche der frühnen Legion entgegengestellt worden wäre.­­ Ueber den diplomatischen Konflikt, welcher durch einen Angriff von Bafıhiborufs auf das griechische Konsulat in Rarifin hervorgerufen "wurde, theilt der „Messager DP Athenez" mit, daß die von der griechischen Regierung durch ihren Ge­sandten in Konstantinopel verlangte Genugthuung in Fol­­gendem bestehen sollte: Aufhifiung der griechischen Flagge auf der Eitanelle von Larifija und Salutirung derselben mit 21 Kanonenschüffen, während türkische Militärmufti vor dem griechischen Konsulate zu spielen hat . Verhaftung und Aburs­theilung aller an der Insulte Mitfeguldigen. Der türkische Minister des Reubern­­­­ fügt das genannte Blatt bei — fei, wie es scheine, bei den Reklamationen des griechischen Ge­­sandten noch nicht von den Vorfällen in Larisia unterrichtet­­ . «Der letzte Londoner Ministerrath beschäftigt die Aufmerksamkeit der englischen Presse in hohem Grade­ Man­­ist ü­brigenö überwiegend der Meinuung,daß die Berathung nicht sowohl der Erörterung bestimmter dringlicher Vors­­chläge rücksichtlich der orientalischen Frage oder der Erwäs gung einer bestimmten Friedensvermittlungsart als vielmehr einer Besprechung und einem Meinungsaustausche der Kabi­­­netsmitglieder über die Lage im Ganzen und Großen gewid­­met gewesen sei.»Morning Post«sagt:»Es ist nicht wahr­­scheinlich,daß vor dem nächsten Monate irgendeine weitere Ministerzusammenkunft stattfinden wird.Dann werden die Kabinetsberathungen gehalten werden.Die Ueberschau der jetzigen Lage wird der Regierung nicht viel mehr Belehrung ge­­­bracht haben,als sie aus den Zeitungenersehen kann.Die streitenden Heere stehen sich gegenüber und niemand kann für den Augenblick an Vermittlungspläne denken. Was für Versuche Neutrale auch machen können,dieselben können nur innerhalb der Grenzen einer Einschrä­n­­kung des Krieges lim«­er. Mini­el währte zwei Stunden und fängerliche Kabinelkinikafieter waren an­wesend, zerstreuten aber sich noch am demselben Tage nach allen Richtungen. Nur Lord Beacon­field und Lord Derby blieben vorläufig in London und gehen dann, der Grftere nach Brighton,­­ der Lebtere auf sein Gut in Knowsley. Der Lord-Kanzler fuhr nach Balmoral, wo er längere Zeit verweilen wird, und die übrigen Minister sind nach ihren Landeisen heimgekührt. Lord Salisbury geht einst« meilen nicht auf seine Villa bei Dieppe, sondern auf sein Schloß Hatfield. Der Marineminister macht mit den Admi­­ralitätsbeamten eine Inspektionsreife .Dieses allgemeine Auseinandergehen der Mitglieder des Konseils wird selbst­­verständlich als eine Bestätigung der Angaben der „Mor­­ning P­oft" betrachtet. Der Krieg. Budapen­t, 9. Oktober. Die erste That die neuen Oberkommandanten der Donauarmee, Suleiman PBajcha’3, die Ablegung zweier renitenter Unterkommandanten, ist von viel hö­­herer Wichtigkeit, als er im ersten Augenblick e­rschei­­nen mag. Wie aus einem, weiter unten folgenden, militärischen Berichte über die Lage in Bulgarien her­­vorgeht, wirkte auf die besten Absichten Mehemed AL die Widerleglichkeit dieser beiden Herren läh­­mend ein und Diese tragen eigentlich die Schuld daran, daß die Affen Heute noch nicht über die Jantra zu­­rückgeworfen sind. Die bekannte Energie Suleiman’s hat nun dieses Hindernis seiner Operationen aus dem Wege geräumt und die unbeschränkte Einheit­­lich seit der Führung der türkis­chen Donauarmee wird sich zweifelsohne in allen ihren Vortheilen bald in eklatantester Weise manifestiren. Die ıufsischen Teuppennach ihn­be gehen in sehr langsamer Weise vor sich. Das Gardefor­g wird kaum vor Ende Oktober komplett in Bulgarien stehen. Das langsame Tempo bei den so wichtigen Truppen­­transporten, 008 die M­uffen nicht ändern zu können scheinen, steht in grellem Kontrast zu der Na­chheit und Promptitüde, mit welcher die türkischen Verstär­ fungen auf dem bulgarischen Kriegsschauplage erschei­­nen. Die türkischen Truppen scheinen wahrlich ,Flü­gel zu haben. Dieses Verhältniß dü­rfte den Russen zum blutigen Nachtheil gerathen. Nach dem Techten Moscheegang richtete der Sultan eine Ansprache an die neugebildeten Bas­taillone der National-Miliz, anerkannte die Tapfer­­keit und den Patri­otismus der alten Truppen, denen sie die neuen würdig anschließen würden. Er schloß mit folgenden Worten: „Ich hoffe, daß ihr nach dem glorreichen Friechen Dieselbe Fähig­­keit und Ausdauer bei der Durchführung der Reformen zeigen werdet, auf deren Grund­­a das Glaf und die Zukunft des Reiches be­­ruhen.” .-.-. «

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