Neues Pester Journal, Dezember 1878 (Jahrgang 7, nr. 333-362)

1878-12-03 / nr. 335

­ "MEN, Jahrgang. Ar. 335 (gi­rdonmement: Ganzi. fl. 14, halbj. fl.7. | Das „Neue Pester Journal” erscheint viertelj. fl. 3.50, monatlichh fl. 1.20. | täglich), and an Montagen. und Administration: Leopoldft. Kirchenplat Nr.2. PUR BERICHT BEN IS TE VT ZETEC MET EDTT RUN BETTER Einzelvernummernd It Suferate nach anfliegendem Em­if.­ ­ " Redaktion Ein erstaunter Minifer. Budapest, 2. Dezember. Seit zwei Tagen kommt Graf Andraffy aus dem Staunen nicht heraus. Der edle Graf hatte an sein Expose die überschwängh­aften Hoffnungen geknüpft ; drei Wochen Hindurch hatte er im Schmweiße seines Angesichtes unausgejeßt an diesem Opus gearbeitet; eigenhändig hatte er es konzipirt, mit seinen vertrauten Näthen Zeile in Zeile ge­teilt, und als das Werft vollendet war, da war sein Berfaffer überzeugt, daß er auf alle Welt und vor Allem auf die Delegationen eine ü­berwälti­­gende Wirkung ausüben, daß die hartnäckigsten Skepzifer seine Politik als die denkbar beste aner­­kennen, daß die­ verstädterten Oppositionsmänner sich zu enthusiastischen Bewunderern seiner Politik be­­fehren werden. Und nun, da das gerade Gegen­­theil von dem geschehen ist, was Graf Andrássy erhofft und erwartet hat, nachdem das Érposé in der Österreichischen Delegation so gut wie gar seine, in der öffentlichen Meinung Ungarns nur die Wir­­kung geäußert hat, welche eben die offen einge­­standene Annexion äußern man, nachden speziell die österreichische Delegation fortfährt, Mißtrauens­­votum auf Mißtrauensvotum zu häufen, ist Graf Andrasfy wie aus den Wolfen gefallen. Er kann es nicht fassen, daß die österreichischen Delegirten gar so begriffsflügig sind und ist ganz erstaunt darüber, daß sie noch heute, also zwei Tage nach den­­ Vortrage des elegant c­jelirten Expose’s an den vorgefaßten Meinungen­­ festhalten, mit wel­­en sie von Wien herabgekommen sind. Es ist aber als ganz merkwürdig, wie hart,­näcdig und starrköpfig diese österreichischen Delegirten sind. Da verbeißen sie sich in Verfassungspara­­graph­ und Kompetenzfragen und der Budgetaus­­schuß geht über den Ofsupationskredit pro 1878 einfach zur Tagesordnung über. Die Regierung zieht die Vorlage zurück und Graf Andraffy glaubt, daß die Sache nunmehr erledigt sei. Allein der österreichische Budgetausschuß findet, daß eigentlich genau dieselben Gründe, welche für die Ablehnung der 1878er Kredite sprechen, auch zur Ablehnung des 1879er Ossupationskredites führen müssen ; regemäß beschließt denn der Ausschuß zur großen Ueberlaschung des Grafen Andraffy, auch in die Berathung der Vorlage, betreffend das Offupations­­präliminare pro 1879, nicht einzugehen, dagegen für die Offupationstruppen ein vorläufiges Pau­­schale von 15 Millionen, also den Bedarf für die ersten vier Monate des Jahres 1879 zu bewilligen. Darf man sich wundern, wenn Graf Andraffy ob dieses Vorgehens ganz erstaunt, vielleicht auch in­­dignirt it? Für den Grafen Andraffy zählt es ja nicht zu den besonderen Annehmlichkeiten, sich mit den Delegationen auseinanderfegen, ihnen Rede und Antwort Stehen, vor ihnen Exrpose’s halten, Interpellationen anhören und ermwidern, und endlich gar ih mit Anträgen überrumpeln lassen zu w­ü­sfen, die man in disfreter Weise erst in Der­tigung einbringt und int Thon 24 Stunden früher Dr. Lizellenz zur gütigen Kenntnaßnahme und geneigten Vorbereitung mittheilt. Und da soll er dann Ende April, Anfangs Mai nochmals eine Delegationssession durchm­achen müssen, weil ihn Die Oesterreicher nicht mehr über den Weg trauen und die Schnüre des Geldbeutels in der Hand be­halten wollen. Wenn indessen Graf Andrasiy sich noch den Glauben hingab, daß der Bejdluk, in die Berau­b­ung der zweiten Ossupationsvorlage nicht einzu­­gehen. Fein Mißtrauensvotum begründe, dam­­it ihm Dieser Glaube bei Berlefung des Schaup’schen Berichtes über den Grat des Ministeriums des Heußern gründli­ benommen worden. Der Bericht des Dr. Schaup ist ein Mißtrauensvotum in aller Form und selbst Graf Andrasfy, der immer einen Anhaltspunkt gefunden hatte, um zu erklären, die jen over,jenen Beschluß könne oder wolle er nicht als Tavelnvotum betrachten, bemerkte nach Ver­­lesung jenes Gerichtes ganz erstaunt und betroffen, Daß dies ja eine Mißbilligung seiner Politik sei ! je Beh­assungspartei hat meisterhaft operirt und sie hat Dadurc), trogdem sie in der Wiinorität war, ven Sieg errungen und dem Grafen Andrasfy Schlappe auf Schlappe beigebracht. Welcher Unterschied in der Haltung der bei­­den Delegationen! Im Mademiegebäude erfischt eine kleine Minorität Sieg auf Sieg, weil sie dem öffentlichen Ge­wissen zum Ausdruck verhilft, weil sie ihrer Webterzeugung folgt und diese nicht der ersten besten Opportunitätsrücsicht preiszuge­­ben gewillt ist. Im Museumsaale aber feiert das Mamelutentribum seine Orgien; mag die Majori­­tätsadresse auch immerhin einen scharfen Protest gegen die Annexion enthalten haben, so jubelt man doch dort dem die Annexion versündenden Minister freudig zu und zweifelsohne wird dieser die ungarische Delegation abermals mit einem Ver­­trauensvotum in der Tat­che verlassen. Am liebsten wäre es briesen. Bewunderern der Andrassy’schen Politik, wenn sie ohne viel Aufhebens die 75 Mil­­lionen hätten bewilligen können, die Graf An­­drassy gefordert Hat, daß in diesem Punkte die Oesterreicher Not behalten, bildet den einzigen Schmerz dieser treuen Garde. Ungarns Bevölke­­rung aber sieht des beschämende Schauspiel, Daß die Interessen des Vaterlandes und der Monarchie, ignorirt und mißachtet von den ungarischen Dele­­girten, ihre Wahrung und Vertheidigung dort finden, wo man es müde ist, vom Grafen Andräffy sich täuschen und naheführen zu lassen und wo man Dem erstaunten Grafen das verdiente Miß­­trauensvotum in’s Antlis schleudert. Rußland. Die Türkei. England. Budapes­t, 2. Dezember. Ein Privat-Telegramm meldet uns gerücht­­weise, daß gefterm Abends der definitive Friedensvertrag zwischen Rußland und der Pforte abgeschlossen wurde. Bekannt­ l­ wollte Rußland die Türkei zwingen, in einem Separatfrieden diejenigen Stipulationen von Sanz Stefano anzuerkennen, welche vom Berliner Kon­­greß nicht abgeändert waren, und um einen Drud auf die türkischen Etaatelenser auszuüben, verweil­­ten starre russische Truppenmaffen in bedrohlicher Nähe von Konstantinopel. Die Angelegenheit wurde durch Dr. Grocholski auf Bestellung in der öster­­reichischen Delegation zur Sprache gebracht und Graf Andrasiy sprach sie zu Gunsten der mosfo­­witischen Infolenz aus und bek­arirte den Vertrag von San­ Stefano als die neue Rechtsbasis Europa’s, so daß der Berliner DBertrag zum auge eines Nachtrages und Kommentars der Schöpfung Sgna= tief?“ herabgewürdigt wurde. Unmöglich ist nicht, daß die von Oesterreich-Ungarn­­ aberm­als dem rus­­sischen Bären unter die Klauen gelieferte, nur von England gesrüßte Pforte sich dem übermächtigen Drude.gefügt, möglich­st au), daß Rußland das Uebereinkommen durch Nachgiebigkeit in unwesent­­lichen Dingen erleichtert hat. Die ganze Tendenz der rechrmonatlichen rus­­sischen Politik ist eine entschieden — wir wollen nicht jagen: friedliche, doch beschwichtigende . Die alltäglichen sensationellen Meldungen, welche im Wiener gemeinsamen Presbureau geschm­iedet wer­­den, haben, wie an dieser Stelle schon nachgewie­­sen ist, den einzigen Zweckk eine dunkle Folie für angebliche Triumphe Andrasiy’s zu schaffen. Wie in der Dobrudscha­zgrage, konnte auch in der Frage des russischtürkischen Vertrages und der Räumung des türkischen Gebietes die Interpellation erst be­­stellt sein, nachdem der Entschluß Rußlands, die Räumung bis März zuzugestehen, in unserenm aus­­wärtigen Amte gekannt war. Offiziös Fan wieder­­ gefabelt werden, dak der Graf vor dem Xoden­­sgürteln Amdraffy’s erbebt sei. Augenscheinlich ist Rußland bestrebt, eine Koalition der Mestmächte zu hintertreiben, Eng­­land zu ifoliren, indem es auf der Balkanhalb­­insel den Berliner Frieden provisorisch zu­recht kom­men läßt. Die orientalische Krise soll nach Aien, nach Afghanistan übertragen werden. If England dort, wo es Allak­te nicht juden und fin ven Fan, vollauf beschäftigt und ermüdet, dann hat Rußland nicht mehr auf der Balkanhalbinsel den argusäugigen Widersacher zu fürchten, fan es das Bulgarien von San­ Stefano verwirklichen, vielleicht die legte Theilung der europäischen Türkei vornehmen. Das neueste englische Blaubuch beweist, wie Rußland seit Jahren schon an Herausführung der afghanischen Verwicklung gearbeitet, nicht Mort­­brud, noch Lüge gespart hat. Immer und immer wieder versicherte Staatssek­etär Giers hoch und theuer, daß Rußland seinen Brief und seine Ges­­and­schaft nach Afghanistan schielen werde, und immer und immer wieder wurde General Kauf­­mann dur s eine übermäßige „Höflichkeit“ ver­­führt, Briefe und Gesandte abzusenden. Natürlich handelte der General gegen den Willen des Eza­ven und der Negierung. Naßland ist ja ein so eminent radikal regierter Staat, daß jeder Unter­­gebene dem Grafen und dem Reichskanzler ein Schnippchen schlagen darf! Rußlands Lug und Trug triumphirt leider aberm­als. Die Situation der englischen Armee in Afghanistan it nicht un­bedenklich und das Aufgebot der äußersten Kräfte Englands schwer vermeidlich. Und wenn Englands Kräfte in Aften gefes­­selt sind, dann ist der thatkräftige Alliirte, den wir gegen das Andringen der slavischen Sturmz­fluth finden konnten, für uns verloren, dann sind wir nicht mehr, wie seit dem Am­tsantritte des Gra­­fen Andraffy, Diener, dann sind wir Sklaven des Moskowitenthums. Ministen auch Graf. _ Budapest, 2. Dezember. & Gestern Mittags 1 Uhr. empfing Se. Majestät zu gleicher Zeit den königlich ungarischen Mini­ster­­präsidenten und den Grafen Julius Szapáry. — Heute Abends um 5 Uhr fand ein Ministerrath statt, welchem nebst sämmtlichen Lulius Szapáry und der Staatssekretär Baron Gabriel Bene beimwohnten. Der Ministerrath dauerte bis halb 8 Uhr. Um 8 Uhr erschien Graf Lulius Androlffy beim Ministerpräsidenten, mit dem er längere Zeit fonferixte. & Wie wir vernehmen, soll die Delegationsr Sefliion Samstag geschoffen werden. Mittwoch, Donnerstag und Freitag werden in beiden Delegationen die entscheidenden Debatten stattfinden; der Samstag wird zur Ausgleichung der abschwebenden, nicht allzu zahlreichen Differenzen verwendet, Samstag Abends werden die Delegationen gescloffen. Für Dienstag, den 10. d. M., ist Der österreichische Neichsrath zur Wiederaufnahme seiner Thätigkeit einberufen. Der Direktor der Neichsraths-Kanzlei, Regierungsrath Kupfa, welcher zwei Tage hier weilte, hat sich bereits nach Wien begeben, um die nöthigen Vorbereitungen zur Aufnahme der Arbeiten des Reichsrathes zu treffen. “ Ein Berliner Telegramm meldet: „Eine Interpellation im Abgeordnetenhause über den kleinen Belagerungszustand erscheint, da seine Partei dazu geneigt ist, immer un­wahrscheinlicher; dagegen wird Derselbe beim Etat des Ministeriums des Sne­nern zur Sprache kommen, der bald auf Die Tages­­ordnung gerecht werden dürfte. Neuerdings wurde auch ausgewiesen Dr. Stamm, ein sozialistenfreund­­licher Mediziner, und Die aus Versam­mlungen best­­annten Präsidenten Hahn, Stägemann Can­tiu­s. Das „Montagsblatt” bezeichnet die Nachricht von dr Satierung von Kisten mit Dr fini: Bomben als unbegründet; dagegen höre ich aus geachteten parlamentarischen Kreisen, Graf Eulenburg habe privatim die Beschlagnahme von Drz fini-Bomben als thatsächlich erklärt. Indessen ist in Folge der betreffenden Nachrichten keinerlei Beründe­­­ung in der Stimmung Der Bevölkerung bemerkbar.‘ I In Folge des vom italienischen Justizz­minister an die Bräselten versendeten Girfulars haben die Behörden nicht weniger al hundertvierzig Pro­­zesse gegen die Affiliirten der “ Circoli Barfanti” und der Internationale eingeleitet und viele V­erhaft­befehle erlassen, welche auch ausgeführt wurden. Bei einigen Tribunalen werden die Beschuldigten Direk­ vorges­uaden. Das größte Kontingent von Prozessen liefern die Appellations-Gerichtshöfe von Lucca und Bor­­vogna. 2 Die vumännige Negierung hat Dieser Tage von Italien aus eine eindringliche Mainung beformen, mit der Gleichberechtigung der Konfessionen Ernst zu machen. Der diplomatische Agent Italiens, Baron Fava, hat nämlich den Auftrag erhalten, vor der Meberz BE Die heutige Kammer umfaßt zwölf Seiten, SB ammeg

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