Oedenburger Zeitung, 1879. März (Jahrgang 12, nr. 27-39)

1879-03-26 / nr. 37

N Mittwo­c XI. Jahrgang. 6, 26. März 1879. l Did Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. Pränumerations-Preise: Sir Luca: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 Fl. Bierteljährig 2 fl. 2 at 1m" i Bär auswärts: Ganzjährig 12 fl. albjährig 6 f.,I Bierteljährig 3 fl. Alle für das Blatt ht Elena mit Ausnahm­e von Dalereien, Bräm­meratione- u. Injertiond« gebühren sind an die Nedac­ion portofrei einzusenden. D­er Seit (vormals „Wedenburger Nachrichten.“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für sociale Interesen überhaupt. Worte: „Den Fortschritt zur Ehr? — Beprüdten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gasse,” | Administration, Verlag, Expedition : Grabenrunde Nr. AM. | Kirchgasse Nr. A, ebenerdig. Redaktion : Einzelne Nummern kosten MED Kreuzer. EEE ET EEE DET EEE ERTEILT FERN Inserate vermitteln: Die Herren he­r hie­ß Wall­­fifdanffe 10, Wien, Budapest, U. Oppelit, I. Stubenpartei 2. Wien. Heinrich Schalek, I. Gingerstraffe 8, Win. 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Uns liegt ein sehr umfangreicher Auflag, aus der Feder eines Dedenburgers vor, welches gediegene­s Operat und noch zu vielen Drtikeln Stoff liefern wird und das in seinen ersten Blättern die jeit wieder mehr als je aufgetauchte Wucherfrage behandelt. Gerade à propos kommen die Ausführungen unserer Korre­­spondenten, denn eben ist das österreichische Abgeord­­netenhbaus in Wien im Begriffe, das schwierige Pro­­blem zu lösen, wie der freie Geldverfehr geihngt und doc dem so entjeßlich um sich greifenden Wucer, der, in jüngster Zeit so viele Menschenopfer gefordert hat, gesteuert werden künne. Man will und muß Mittel schaffen den gewissenlosen Blutsaugern das Handwerk zu legen, aber man schadet damit doc auch leider wieder dem allgemeinen Wohlstand, denn das Geld muß di­e fuh­ren, sol Handel und Wandel blühen, undte ist volle wirtschaftlich von größerem Nachtheil als ein Maullorb für das Kapital. Die bisherige Gereggebung hat die früher bestande­­nen Bestimmungen gegen den Wucher aus dem Grunde aufgehoben, weil man bestrebt war die Border­runden des rastlosen Fortschrittes, der modernen und in der That wirtlich rationellen Volfswirthschaft, mit dem Nechteleben des Staates, im Geiste der herrschen­­den Humanität und den jüngsten Ergebnissen der Wissenschaft, in Einklang zu Irgen. Man sagte ich nicht mit Unrecht: SBeld ist eine Waare, so gut wie jede andere, ihr Preis wird dur die Nachfrage bestimmt, wer Geld braucht, muß ed so theuer bezahlen, als es der Kapitalist überhaupt anbringen kann; warum soll er sein Geld, respektive sein Eigenthum zu niedrigen Zinsen hintangeben, wenn er höhere damit erzielen kann? Kein Mensc ist bes­müßigt Geld zu entlohnen, thut er es dennoch, so muß er auf seine eigene Gefahr geschehen und je weniger vertrauungsunwürdig der Geldwerber ist, um so höher muß ihm naturgemäß das verlangte Kapital zu stehen kommen, weil das Mififo de6 Kapitalisten mit der Kreditfähigkeit des Schuldners im stets genau ange­messenen Verhältnisse abnimmt oder steigt. Also — das war die Schußfolgerung der modernen Auffassung —: es gibt seinen Wucher, es gibt nur Händler mit dem Gelde, wie es deren mit Waaren gibt : ist viel Waare (beziehungsweise Geld) zufällig am Markte, so ist dieselbe billig, wenn nicht, so ist sie theuer. Kann der Abnehmer auf Zeit, Garantien einer prompten Erfül­­lung seiner Verbindlichkeiten leisten, so erhält er die Waare (respektive das Geld) mehlfeiler, als wenn er minder „sicher“ ist. — Man sollte denken obige Theorie sei eine une­infechtbar richtige, leider aber hat die Prazis doc manches Hinfällige an derselben herausgestellt. Ale orale des Bortschrittes, ale Doftrinne der Gelehrten haben — so weit sie sich auf die verzitirten Grundlage ügten — dadurch einen Schweren Stab erlitten, daß der Umsturz der dem Wucher einst errichtet gewesenen Schranken häufig zu geradezu entreglien Sammer führte. Ganze schöne Existenzen sind herzlosen Wuchrern zum Opfer gefallen, Menchen haben si selbst erwürgt, weil ihnen durch unerbittliche Gläubiger die Lebense­möglichkeit entrissen worden ist. Blühende Geschäfte riptete ein unerschwinglicher Zinsfuß erbarmungslos zu Grunde und auf Diese Art haben alle Ideale des Forte Ichrittes, alle Theorien der Gelehrten eine herbe Ent­­täuschung erfahren, denn die gepriesene Freiheit des Kapitals hat nicht den erhofften „wohlfeilen Credit“, sondern eine Schamlose Tyranne­i­, eine unmenscliche, ungezügelte Ausbeutung der Noth zur Folge ges­chabt. Die Wirthschaftstrise b­at das ihre, um diese Zur­stände bis zur Unerträglichkeit zu steigern, und zureht ballte ein Schrei von V­illionen Stimmen zur Regig«­lative empor, die gequälte Bevölkerung forderte mit dem Ungestüm der höchsten Bedrängniß, daß man dem Bampyre der modernen bürgerlichen Gesellschaft, dem Wucher einen Maulforb anlege! Dieser Maulforb sol vom Justizminister geschaffen werden, und mir gestehen gerne zu, dab­ei für den Theoretiker, für den Mechtegelehrten, für den FSdealis­­ten Clajer eine unsäglich bittere Aufgabe ist, zu dem Standpunkt der alten Wucherpatente zurückzukehren. Allein der „Wucher - Diauk­orb“ ist heute ein Mit, melden si selbst die idealste und humanite Seseßgebung nicht entziehen kann. Auch wir sind von dem erhabenen Sage durchdrungen, daß das Ülecht dus man sein muß, allein es fragt ich, wem diese Humas­nität im vorliegenden Falle zu Gute kommen soll, es fragt si, ob man zuerst gegen die erbarmungslosen Wuchrer oder gegen die gefolterte Bevölkerung human handeln soll ? Die Antwort ist nicht wer, der Menschent muß man zu Hilfe kommen. Bejegt, ein Mann ist in Gefahr zu ertrinken, am Ufer lauert ein Dieb, der es auf die zurückgelasfenen Kleider des mit den Wellen singenden abgesehen hat. Wir kommen dazu, werden wir die Kleider vertheidigen, oder nicht lieber dem Grs­trinfenen beispringen? Darum muß die Geießgebung — wenigstens wie fept die Zeitverhältnisse beschaffen sind — dem trefsenden Krebsschaden des Machers zu Leibe geben, unbeirrt von den dagegen lautenden Volam­men der National-Defonomen. Dem systematisc operirenden Blutlautern in der Gesellshaft, die gegen 100 und mehr Perzent Geld leihen, muß von der Negierung bei­­genommen werden und zwar sehr gründlich, ohne sich ındeß durch oberflächyligliches Geihmäßg und feichte Dhrasen zu verkehrten Machregeln hinreigen zu lassen, welche, statt das Geshwür, den Wucer, auszurotten, dasselbe nur noch bößartiger zu gestalten geeignet wären. Angesichts der empörenden Thatsachen, welche der Wuter schafft, der Niedertracht, mit der er Opfer auf Opfer häuft, der Scheußlichkeit, in der er schamlos auf­­zutreten wagt, und gegenüber der gerechten Erregung, welche in allen Klassen der Benslferung gegen die Banı­­pyre der Befehidhaft herricht, ist es nicht leicht, sich die nöthige Ruhe und Kaltblütigkeit zu bewahren, um mit den beabsichtigten geieglichen Bestimmungen das Bier zu erreichen. Wer den Ziger treffen und das Opfer, auf dem er zähnefletschend steht, sicher retten will, muß mit figerer, von Aufregung unbeirrter Hand zielen, sonst trifft er statt des N­aubt­ieres die leere Luft, wenn nicht gar das zu rettende Opfer selbst. Nach den gestrigen Ausführungen des Zustizmis nifterd ft Dies nicht zu befürchten. Die Regierung ist sich vollkommen der Schwierigkeit, wie der Nothwen­­digkeit bewußt, sicher zu treffen. Sie erwägt sorgfältig, was zu thun, was zu lassen sei, denn sie will nur die zahlreichen Enttäuschungen der österreichischen ®er jeßgebung seit hundert Jahren gerade in Bezug auf die Erkämpfung des Wucerd um eine neue vermehren. Ein erfreulicher Ringerzeig, dab sich wenigstens vorläufig die österreichische Regierung (die ungae­­­rische wird Schon folgen) auf den richtigen Weg befinden liegt darin, dach der Wirksamkeit des Gejeges für Galie zien und die Bukowina, welches wo nicht zwei Jahre gehandhabt wird und welches gegen blutsaugerische Stres­ditgeschäfte sehr strenge verfährt, von den kompetenten Behörden dieser Kronländer äußerst günstige Zeugnisse ausgestellt werden. Nach dem Muster dieser Gefeße dürfe­ten wohl auch in den übrigen SKronländern und Ihliehe fh wohl auch im Freihe der heiligen Stefansfrone ihren spezifischen Eigenthümlichkeiten entsprechend abge­­änderte Gelege eingeführt werden und auch in diesen ihre heilsame Wirkung äußern. Wir sehen nach alledem der Aktion der Regierungen gegen den Wucher mit der Beruhigung entgegen, daß es gelingen werde, das freie jende Uebel, wenn schon nicht ganz audzurotten, so doc wenigstend im feinen verderblichsten Ausschreitungen zu unterdrücken. Wenn es — wie man leider sieht — ab« folgt nicht anders geht, so denn in Gottes Namen: dem Kapital einen Maulford! Die Eivilehe. Also das ungarische Abgeordnetenhaus hat den bindenden, auch die Negierung verpflichtenden Beschluß gefaßt, die Negierung anzumeilen, daß sie möglichst tal einen Gefegentwurf einbringe, welcher die obliga­­torische Givilehe statuirt. Das „N. P. DB." Schreibt hierüber in seiner legten Nummer: „“3 hat lange gewährt, bis das ungarische Par­­lament, die ungarische Regierung sich enttroffen haben, dem reinen Menschichkeitsgefühl, den Geboten des mo­­dernen Zeitgeistes Rechnung zu tragen. Schon im Jahre 1861 hat der gegenwärtige Ministerpräsident v. Tiba die Einführung der Civilehe als dringli erklärt, er hat so zu Sagen diese Dringlichkeitserklärung als Testa­­ment jener ersten, verfassungsmäßigen Versammlung seit 1848 versündigt, und wahrhaftig­­­er wäre ein Un­­recht, mehr als ein Unrecht, eine Fächerlichkeit gewesen, die Givilehe nicht zu befürworten. 65 wäre eine Lächerlichkeit gewesen, wenn Ungarn, das im­­ S­ahre 1848 die größten, edelsten Prinzipien, wie die große menschenbefreiende französische Revolution sie diftirte, auf seine Fahne geschrieben hat, sie heute verläugnet hätte. &8 wäre eine Lächerlichkeit gewesen, daß Ungarn hinter Serbien und Rumänien, ja hinter Montenegro zurücgeblieben wäre, denen der Berliner Kongreß die voße Gleichheit der Kulte aufoftroyirte. Freilich die Religionsfreiheit wurde vom ungas­tischen Parlamente auch heute abgelehnt. Mit drei Stimmen abgelehnt. Wir bedauern diesen Beschluß. Kann man sich denn die obligatorische Zivilehe ohne Religionsfreiheit denken? Ist ein Thurm denkbar ohne Unterbau. Dog enthalten wir und in dem feierlichen Mom­mente, da der ungarische Melc­etag sich selbst und dem modernen Zeitgeist eine Genugthuung gegeben, der Per­fliminationen. Sreuen wir und, daß das Werk gelun­­gen, daß ein guter Geist dem Parlamente eingegeben, das Votum abzugeben, welches «8 fihle und der Freie beit schuldig war. Und hoffen wir, daß die segensreiche Saat auf­­geben und Frucht tragen werde, zum Heile der Nati­ on, zum Segen der kommenden Geschlechter. Die Welt hat no Religion, und sie sol auch Religion haben, aber Konfession und Konfession stehen einander nicht als Feinde gegenüber und die Art und Weise, wie der Eine oder der Andere seinen Gott ver­­ehrt, ist seinem mehr ein Gegenstand bes Spotted und des M Wiederwillens. Die Liebe fragt nit nach der Konfession, sol au nit darnady fragen. . . Die si lieben wollen und­ sollen ein ehelich Ehepaar sein, daß unter dem Schupe, des Staates die Familie pflegt, dem Vaterlande gute, brave Bürger heranzieht.

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