Oedenburger Zeitung, 1879. November (Jahrgang 12, nr. 132-144)

1879-11-21 / nr. 140

- --i--. — s . .. NAT- f­reitag, 21. November 1879. 6 den 0 . . KL VI­­.,« « Organ für Politik, Kandel, Ind "Das Blatt erscheint ’jeden mittwoch, Freitag und Sonntag. Sräm­merations-Preise : K­ 2oco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 kr., Sn AA bei de] 1 R Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Vier- Siping 5 fl. Alle für das Tatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Insertions­gebühren sind um die Redaction portofrei einzusenden. LILIng.—— W­­ Barmacs,,Oedenburger Aussichten-U uflrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Eher? — Bedrücken zur Mehr! — Der Wahrheit eine Gasse.“ Aminifration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. 121.­­Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Redaktion: Einzelne Nummern toten MED Kreuzer. Nr. 140. RE Suferafe vermitteln: die Herren Hafenstein , Vogler, Wall, Fan 16, Bien, Budapest A. Oppelit, L. Stubenpaflei , Wien. Heinrich Schale, I. Gingersirafie 8, Wien. Sufersrons-Hebüpr : 5 fr. file die einspaltige, 10 Er. für die zweispaltige, 15 fr. für die dreispaltige und 20 Er. für die durchlaufende Petitzeile er­­elusive der Stem­pelgebühr von 80 Er. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt: „Was geschrieen! ich hab’ gewonnen.“ Dedenburg, am 20. November 1879. In alten Gedichten, so au­sragend sie auf den ersten Augenblick auch scheinen mögen, liegt mitunter eine Moral verborgen, deren tiefe Weisheit, im rech­­ten Lichte betrachtet, überwältigend ist. Man­ erlaube uns foll eine uralte Geschichte aufzuwärmen und eine moderne Nuganmwendung daraus zu indefüih­ren.­­ Ein armer Handelejute, der sich mühselig Dura sein „Maufgeln" den särglichen Unterhalt erwarb, tritt eines Tages zufällig ganz erschöpft in eine Schan­­ze, um sich bei einem Gläschen „Dittern“ von den Strapazzen feiner, dur den stereotypen Nut: „Hand­­le was!” bezeichneten Irrfahrten, Straffen auf, Straf» jen ab, zu erholen. Ein übermüthiger, von den in sich aufgenommenen Alkoholdünsten in ganz besonders laus­­ige Stimmung verlegter Hußarenwachmeister, leerte im Branntweinladen soeben seine 10 oder 12 „Stam­­perl“ als er des just eingetretenen armen Juden anfichtig wurde. „Was gilt’s Mauskel“ — redete er ihn als — „ich baue Dir mit meinem Weiterfäbel das Schwarze vom Nagel auf einen Hieb­wurz weg, ohne Dir die Finger zu verlegen ?!" Der Hausierer wollte aber von dieser Gesch­lichkeitsprobe nichts wissen und weigerte si entschieden seinen Singer für das Experinent des Kavalleristen berzuleihen. Dieser mit allem Starrsinne eines Berauschten und aller Gewaltthätigkeit eines auf seine Ueberlegenheit, einem Zivilisten gegenüber, po­­chende Soldat, bestand jedoch auf der Ausführung seines Kunststückes und legte 10 blanke Silbergulden auf den Laden zu­, als Preis der Wette, soferne sein Hieb fehl gegen jolte Halb aus Habgier die zehn Gulden zu erobern, halb der Gewalt sich fügend streckte endlich der Handelsjude seinen Zeigefinger zitternd in die Höhe. Der Husar zog seinen gewaltigen Pallasch und führte einen gräßlichen Hieb, der aber nicht blos das Schwarze von Nagel, sondern auch diesen rammt dem ganzen Zeigefinger bis zum dritten Glied mit fortrie ; der Jude griff aber sofort mit der heilen Hand nach den zehn Gulden und die verstümmelte in der Luft schüttelnd, brüllte er vor Schmerz: „Was ger schrieen, ich hab’ gewonnen!“ Dieß die alte Geschichte — und die moderne Nugarmwendung? Nun, die paßt auf unsern Minister­­präsidenten Tzipa, nach erfolgter Abstimmung über die bosnische Frage im ungarischen Abgeordnetenzu baufe, so gut als ob der Anekdotenerzähler eigentlich nur eine Parabel habe machen wollen. Der arme Han­­delsjude und Ziga gleichen sich in ihren scheinbaren Triumphen wie ein Ei dem andern. Beide haben ihren Bwed erreicht, jener am Laden­, dieser am grünen Mi­­nistertische. Beide haben aber als gleiche Ursache zu dem ominösen Ausrufe: „Was geschrieen, ich hab’ gewonnen.“ Die Würfel zwar sind zu Gunsten der Regie­­rungsvorlage gefallen, aber ehe si dies vollzog, fladerte no einmal die Flamıne des Patriotismus auf und sprühte Feuer und Funken gegen dieses Leichentuch unserer nationalen Unabhängigkeit, bäumte sich noch einmal das patriotische Gewissen der Opposition mit robuster Kraft in ihrem Führer auf, gegen dieses offen­­kundige Attentat auf unsere verfassungsmäßigen Errun­­genschaften. Desider Szilágyi schöpfte aus der ganzen Tiefe seines reichen Wissens schlagende und handgreifliche Argumente ; er appellirte an den Patrio­­tismus, an das Herz und an den B Verstand der Geg­­ner. Solche Worte konnten nur ohne Wirkung verhal­­ten; se mußten ein nachhaltiges Echo in der Brust der unter der Mameluten­haar zertreut figenden, selbstständigen Männer erweden. Nur die unsterbliche Garde der enragirten Jasager blieb unerschütterlic. Gegen das echte Mamelutenthum Tämpfen selbst die Szilägyi’s vergebens ! Nach­folcer Mede­join Koloman Tifa trog seiner in den legten Tagen entwickelten fieberhaften Werdungsthätigkeit über den Ausgang der Abstimmung in Zweifel. Wie wenn unter der Wucht Szilágyi’scher Argumente das Spinnenweg mit welchem der Desnister­­präsident die aus allen Winkeln des Landes zusammen­­getrommelten Suttyomberty’s umgarnt hat, plöglic zerreißt ? Diese Besorgnn­g quälte ihn offenbar, als er sich bleich und sichtlich erregt erhob, um den fiegenden Eindruc wett zu machen, den die Mode des Opposi­­tionsführers auf Freund und Feind gleichmäßig aus­­üben mußte. Mit gehobener, von Leidenschaft erregter Stimme trat er nun wieder fü­r das Mah­mwerf in die Schran­­zen. Was er sprach, enthielt jedoch sein Geschoß gegen die feindlichen Bastionen , diese niederzureißen, fühlte er sich offenbar zu schwach. Er Lag vielmehr ein leben und Gebieten zugleich in diesem Tone, der die Freunde rühren und die Schwankenden fesseln sollte. Seit jener denkwürdigen Rede im Jahre 1875, in der Koloman v. Tipa sich die Wege zum Ministerfaus­teuil ebnete, hat man ihn nicht so sprechen gehört. Das­mals hat die verlobende Aussicht auf den rothen Lammtreffel die dürre Gestalt dieses ehrgeizigen Staats­­mannes mit jugendfrischem Leben erfüllt und in seine ermüdete Lunge Saft und Kraft gegosfen , welcher Dä­­mon aber in legter Sigung so laut aus bdiesem ei-­ n Jeuilleton. Der Kalkül des Agenten. Aus dem gesellschaftlichen Leben genommen von Marie Angyalffy. (Schuf.) Aber nun komm endlich und trink deinen Kaffee, sonst­ wird er ja ganz Falt, ruft die junge Frau, sie den Armen ihres Gatten entwindend. Papa, was hast du mir gebracht, fegte der Kleine inzu. ar Etwas sehr Schönes, erwiderte der glückliche Bater. Zeig der Papa, o zeig her ; Du garstiger Yaube ruft die Mutter dazwischen, lab do den Vater ruhig frühftnden ! Seufzend resignirte der Kleine auf das süße „Sogleich“ und begnügte sich damit, sehnjüchtigen Blides die Entleerung der Tafje zu überwachen. Endlich! Papa aber jegt. — Ja mein Kind, jegt sollst du dich verwundern ! Und in­ der That, riffen Mutter und Sohn die­ Augen weit auf, als der Vater das pragtvolle Sammt- Heidchen mit der­ breiten blauen Schärpe dem Söhn­­chen anzog. 0. Mit stummen Entzügen betrachtete siß der Kleine im Spiegel, balt rechts bald links fi drehend. ie Mutter aber schüttelte den Kopf. Noch vorgestern schriebst Du mir,Ernst,Du getranest Dich kaum­ heimzukehrem da Du absolut Vischxissverdimt hast und nun machst Du solche Ausgaben. Hast Du denn gestern so glänzende Geschäfte gemacht? Das Bestehen der Welt,als«ich Dich,liebes «,Q,i,nd,e»rwarb,jubelte Ernst,auf’6 Neuesein junges Weib umarmend. Weih meinen Fragen nicht aus, Du Schelm, schmollte Frau Leopoldine, denn von mir ist jei nicht die Rede. Und um das Uebrige solge Dich nit. Könnte ich so froh sein, wenn ich mit leeren Händen gekommen wäre ? Für unsere nächte Zukunft ist reichlich gesorgt. Aber nun fege Dich her zu mir, ich habe Dir so Vieles zu erzählen. Mama, ich gehe hinüber zu Lischen und werde ihr mein neues Kleid zeigen. Gut, mein Kind, aber gib­st, daß Du Die nicht beschmugert. Und nun fing Ernst an, seiner Gattin sein gan­ 368 unverhofftes Glück zu erzählen. Wie sah der Herr aus, der Dir das Geld gab, trug Leopoldine nun schon zum zehnten Male ihren Mann, Und geduldig wiederholte Dieser zum zehnten Male: Groß, mager, ein schmales braunes Gesicht und ziemlich, ergrautes Haar. Sch kann mir durchaus nicht denken, wer das fein kann, grübelte Leopoldine ; in PBapa’d ganzer Bes­­anntschaft Fenne ich seinen Herrn, der diesem Signa­­lement entspräche und besonders in Ungarn ist Papa gar nie gewesen ! Wieder Hopft e8 an die Thüre. Sie haben fon wahrgenommen, diese Blutegel, daß mein Mann zu Hause ist und können e8 nicht er­­warten, die Hand aufzuthun. Gottlob, daß ich sie be­friedigen fan, murmelte die junge Frau verdrießlich. Aber, ohne einen Laut vom fi zu geben, bleibt ihr der Mund offen stehen, als sie den Eintretenden erblicht. Ernst Hingegen springt freudig auf. Leopoldine, dieß unser edler Gönner, unser Wohlthäter | Vater! mein guter, theurer Bater | ruft Leopol­­dine fast heiser vor Aufregung und nun ist an Ernst die Reihe zum Erstaunen. Weinend fließt Herr v. Edelöberg seine lange nicht gesehene Tochter in die Arme. Dann zieht er an Ernst an seine Brust. Mein Sohn sei mir willkommen ! ! Vater, Vater, rufen die Glück­chen, je eine Hand des vor Glückseligkeit strahlenden, alten Mannes nach Aber wo habt ihr denn den Kleinen, ruft plög­­lich Herr v. Edelsberg, sich seiner großväterlichen Würde erinnernd. Mama, Lishens Mutter läßt Di fragen — — Da hat ihm schon der Großvater in den Armen und überfluthet das zarte Gesichtchen mit feinen rauhen graubärtigen Küffen. Aber mein Vater, ruft Leopoldine aus, mie ist es möglich, sich so sehr zu verändern, ich mnwundere mich, dag ich Sie erkannt. ja mein Kind, Scham und Neue über meine Verblendung, wie die Sehnsucht nach meinem Finde, das ich nirgends zu ruhen wußte, denn hätte ich den Weg öffentlicher Aufforderung gewählt, so hätte ich Dich und mich bloßgestellt, dieß hat mich Förperli so herun­­tergekragpt und auch aus diesem Grunde habe ich Wien verlassen und mich in jenem ungarischen Provinzstädtc­hen angesiedelt, wo mir der Zufall oder die Vorsehung mit Deinem Manne zusam­mengeführt. Aber lieber Bapa, wie war es möglich, so rasch lie­­ber zu gelangen, Sie müßten denn — — Ha ha ha! Nicht wahr, das war ein Geniestreich! Yhh bin mit demselben Zuge gekommen, "wie Du, ich ließ Euch nur Zeit, ein paar Kürchen auszutauscen, denn ich weiß schon, so junges Volk !Hud­’8 ohne dem nicht ! Zwei Stunden später als gewöhnlich brachte Leo­­poldine das Mittagessen zu Stande. Von zahllosen Fragen und Gegenfragen war es gewürzt ; beim Schwarzen aber faßte Herr v. Edels­­berg die Hand seines Schwiegersohnes : Nun Ernst, jegt stimmt Deine Nehnung doc, bist Du zufrieden ? Bolllommen, theurer Vater, vollkommen, Dan Ihrer grenzenlosen­ Güte )

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