Oedenburger Zeitung, 1881. September (Jahrgang 14, nr. 105-117)

1881-09-16 / nr. 111

HERE ET­TE­RT RR­RT UNTERE REISEN, kan Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag, Präm­merations-Preise: Für Roco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 Tr., Vierteljährig 2 fl. 25 fl., Monatlich 1 fl. Für Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Vier­­teljährig 3 fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertions­­gebühren sind an die Redaction portofrei einzusenden. XIV. Jahrgang. Az. 11. _Beeitag, 16. September 1881. Sedenhuner 3 (vormals „Wedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Hortschritt zur Ehr? — Beorachten zur Wehr? — Der Wahrheit eine Waffe,“ .-.spms.l-«k««-F »Es-«- -.-....-».· Redaktion: | Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. MA. |Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Einzelne Nummern Loften 8 Kreuzer. .. « EZ Inferate vermitteln: die Herren Hafenfrei Vogler, in Wien, Prag, Budapest sowie in den Hauptstädten Deutschland und der Schweiz. A. Oppelif, T., Stubenpartei 2 Wien. Heinrich Stäaler, I. Wollzeile 12 Wien, Snfertions-Hebühr : 5 fr. für die einspaltige, 10 fr. fü­r die zweispaltige, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die durchlaufende Petitzeile er­­clusive der Stempelgebühr von 30 Tr. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprecender Rabatt. Weitere Jugend. Oedenburg, 15. September 1881. Unter obiger Ueberfrist bringt das „N. BP. %.“ einen so beachtenswerthen Auffag, daß wir ed ung nicht versagen künnen das Wesentlichste davon zu er­­zerptiven und dergestalt ausnahmsweise eine Reproduk­­tion zu bringen, wiewohl dad­urch uns vorliegende Originalarbeiten zurücgelegt werden müssen. Der Gegenstand, von dem der besagte haupt­­städtische Artikel handelt, betrifft das Laster des Spieles, das in Ungarn immer weiter um sich greifend, auch schon die vaterländische Jugend er faßt und mit feinem Gifte imprognirt hat. Wie sehr, hier, in Oedenburg, an der Spielteufel fpuct, davon kann insbesondere ein nächtlicher Besuch im­­ Kasino das deutlichste Bild liefern, dort wo­mits unter seloft Personen aus jenem hohen Stande spielen, von welchen das Publikum nur das leuchtende Bei­­spiel frommer Aftere empfangen sollte, dort wo im Hazard Zündhölzchen zu M Wertbzeichen von 25 und mehr Gulden erhoben und „tausender“ ger­wonnen und verloren werden. Doch davon fei jegt nicht die Nede, Erwachsene mögen der Leidenschaft des Spieles — soferne die Polizei nichts dagegen einwendet — fröhnen. Diejenigen, die am grünen Tische im Kar­fing opfern, können’s ihm­, ihre Mittel erlauben ihnen nicht nur diesen sport, sondern noch manch’ andern, der nahezu ebenso Fortspielig und noch — zum Glüd! — viel fruchtloser. if, wie 3. 3. die plum­­pen Berfuche das freie Wort zu Knebeln und honetten, durch Geburts und geistigen ang ihren weit überlegenen, aber, vielleicht eben da­­rum, ihnen nicht zu Gesicht stehenden Mitbürgern die Existenz im hiesiger Stadt zu erschweren , wie ge­­sagt : jene Herren mögen spielen, „hätten fies nicht, so thäten fie­s nicht, sie thun’s nur, weil fies ba’m“ — daß jedoch auch fon die kaum den Kinderschuben entwachsene Jugend das Laster des Kartenspieles er­­­griffen Hat, dagegen kann man nit energisch genug das Wort ergreifen. Besagtes Uebel hat unstreitig bereits die Dimen­­sionen einer Landesfalamität angenommen und nicht blos von der Publizistin, namentlich von der Lehrkanzel, sollte der Kampf gegen dasselbe aufgenommen werden. Leider nimmt gemeiniglich die Deffentlicheit erst dan von jenem Laster Notiz, wenn sie durch den Knall einer Pistole darauf aufmerks­am gemacht wird, daß der Moloch wieder ein Opfer gefordert hat. Aber der Fall wird bald vergessen. Die „Sesellschaft“ macht es, wie eine auf den amerikanischen Prairien weidende Büffelheerde. Wird ein Büffel von der Kugel des Jägers niedergestredt, so erheben auf einen Augenblick die weidenden Thiere die Köpfe , dann weiden sie ruhig weiter, als wäre nichts vorgefallen. Wie ist es möglich, daß gebildete junge Männer, welche doch Sinn für alles Gute und Schöne haben sollten, Feine bessere Unterhaltung finden können ? Nun, wir glauben, die Wurzel des Uebels Liegt tiefer, als man gemeiniglich annimmt. 8 sind keineswegs blos jugendlicher Leichtsinn und böste Beispiele, welche die jungen Leute dazu verleiten, fn dem Schattenteufel mit Leib und Seele zu verschreiben. Gestehen wir nur offen, daß wir — rühmliche Ausnahmen immer abge­­rechnet — eine herzlich flache Jugend besigen, eine nicht von geistiger und körperlicher Kraft ftragende, sondern frühreife,­­ die Vergnügungen des reiferen Alters anti­­zipirende Jugend. Aus solchen jungen Leuten werden dann griesgrämige, blasirte Männer. Furchtbare Dede des Geistes und Gemüths stellt sich bei vielen bereits in einen Alter ein, in welchem die Glastizität der Willenskraft und die aus mannhafter Kraftfülle her­­vorgehende Schaffensfreudigkeit ihren Höhepunkt er­­reichen sollen. Der Hauptgrund, warum sich unsere Jugend dem Hazardspiele ergibt, liegt darin, weil sie, ah! nur all­zu häufig die geistige Befähigung zu einer ebdleren Unterhaltung nit in sich pflegt, weil sie nur den Sinn auf momentane Aufregungen richtet und ihr der Drang nach seelischer Vervollkommmung abhanden gekommen­ ist. Die veredelnde Freude an der Arbeit, die Freude an der Kunst, die Freude an edlerem Sport, die Freude an der Natur, sie alle erfordern die Entfaltung und Hebung aktiver Geisteskräfte. Das Spiellaster ist das Laster geistiger Passivität. Darum ist dasselbe ver­­abscheuungswürdiger, als alle anderen, weil es nicht ein Symptom überströmender, frü­her Jugendlichkeit, sondern ein Vorzeichen früh eintretender Senilität ist. Gemeine Habsucht ist immer die wirkliche Triebfeder der zur Leidenschaft gewordenen Spielsucht, die Betref­­fenden mögen sich hundertmal in die entgegengelegte Fiktion Hineinfügen. Dies sollte man unseren jungen Keuten begreiflich machen, welche vielleicht im Irrthum leben, e8 erfordere der gute Ton und die feinere Lebend­­art, daß der echte Kavalier ein Spieler­ei. E38 wäre ungerecht, zu sagen, das Kartenspiel sei ein spezielles Laster der ungariigen Jugend. Nein, unsere Jugend ist nicht Schlechter als die Erwachsenen. Das Laser der Jugend ist ein Laster der ungarischen Gesellsschaft. Wenn bei ung drei Männer aus der he­­eren oder der Mittelklasse zusammenkommen, so ist, falls sie nicht etwas Spezielles zu thun haben, die Spielge­sellsshhaft fertig. Die 500 oder 600 sogenannten Kasino’s im Lande sind zum größten Theile dem Kultus des Spieles geweiht. Jm­ Meännergesellschaft ein anregendes Gespräch über Literatur und Kunst, über kulturelle und humanitäre Fragen, ist bei uns leider eine Selten­­heit. Frivole Anekdoten, fades Politifiven und das ewige Kartenpiel bilden das furchtbar eintönige geistige Diens der geselligen Zusammenkünfte der erwachsenen Män­­ner. Die jüngere Generation macht es ihnen wader nach. In der That, was sollen Leute machen, welche entweder nichts gelernt, oder das Wenige, was sie ge­lernt, längst vergessen Haben ? Um anregend Fouversiren zu können, muß man gelesen, gelernt, gedacht, beob­­achtet haben. Wie viele, gesellschaftlich eine gewise Seuilleton. Feben und Fieben. Eine Geschichte aus unseren Tagen. Nach wirklichen Geschehnissen mitgeteilt von dem Verfasser der „Erzählungen eines Achtundvierzigers.“ Alle Rechte für den Autor vorbehalten. (Fortlegung.) Einen Augenblick herrrgte tiefe Stille. Sprach­­loses Erstaunen drüh­te sich in aller Mienen aus. Dann aber stürzte Adlershorst plöglich, mit weit geöffneten Armen auf die fremde Dame zu, drücte diese an seine Brust und bedeckte deren Antlig mit flammenden Küffen. Der fremde alte Herr war, nachdem er seinen Speech beendet, einige Schritte zurücgetreten und hatte, si auf einen Lessel niederlassend, während des Gefühls­­ausbruches seines fürstlichen Schwagers das Antlig mit dem Taschentuhe verhält. Elvira aber, welche aber von dem alten Herrn während dessen kurzer Erzählung sein Auge verwandt hatte, näherte sich nun fast unbemerkt demselben, zog leise und behutsam die seidene Hülle von dessen Gesicht, senkte ihre glänzenden Blice in die Augen des alten Herrn und fragte kaum hörbar: „Also bist Du wirklich mein Onker“­? „a das bin ich," flüsterte Jener, nur für El­­vira verständlich. „Wirst Du mir auch lieb haben ?“ fuhr das Mäd­­chen eben so leise fort. „Gewiß, gewiß. Und Du mein Kind?“ „Vertrauen erwect Vertrauen, und Liebe erzeugt Gegenliebe, habe ich jüngst gelesen,“ antwortete Elvira mit sinnenden Bliden das Antlig des Onkers durch­­forschend. „Wenn Du den Papa und mich wahrhaft lieben wirst, werden wir Di auch Lieben.“ Während der hier mit wenigen Stunden skizzirten Scene, welche sich übrigens so­ rash abspielte, daß sie stummen, Zuschauer si faum noch von dem Erstaunen, das sich in ihren Zügen über das unverhoffte Finden von Schwester und Bruder abspiegelte, erholt hatten, war jener junge Mann, welcher in Begleitung der Verwandten Adlershorst’s gekommen, keineswegs ein Falter Beobachter geblieben, sondern er hatte vielmehr mit großer Aufmerksamkeit die Züge des jungen Mäd­­eng studiert, das wo immer, die beiden Hände des Onkels umschlungen haltend, mit diesem leise Worte tauschte. — Nun bliebe Elvira zufällig in die Höhe, und in diesem Momente traf ihr Brief jenen des jun­­gen Mannes, welcher von demselben wie durch magische Gewalt angezogen, den DVB erfund machte, sich ihr zu nähern. Aber er war wie erstarrt; er konnte si nicht regen. AUf seine Willenskraft konzentrirte sich in­ den dem Mädchen zuge­wendeten Briefen, die diese, eben so frappirt wie er, halb uubewußt in sich aufnahm. — Elvirens Finger ruhten zwar noch immer auf den Händen des Onkels, aber ihre Seele weilte nicht mehr bei demselben ; diese hatte sich in andere Regionen ge­­schwungen. Der alte Herr, dem Elvirens fortgefegtes Schwei­­gen auffiel, erhob den Kopf und folgte der Nichtung des Blides, den dieser genommen, ward sich aber hier­durch auch augenbliclich der eigenthümligen Situation bewußt, in der er si befand. Mit einem gewaltigen Nuch schüttelte er nun die Lethargie, in melche er duch Elvirens Geplauder ver­­funten, von sich ab, flüsterte dem reizenden Kinde: „Ges denfe stetS Deines Onkels in Liebe!" zu, und trat dann zu den Oiderström’schen Ehepaar, welches si befegeiden in eine Fensternische zurückgezogen hatte und dort leise die Geschehnisse des heutigen Morgens be­­sprach, während Bruder und Schwester Alles um si­cher vergessen zu haben schienen und sich an einander nicht satt sehen konnten. „Es ist meine Pflicht und Schuldigkeit, Herr Kapitän,“ begann der frem­de Onkel mit sonorer Stimme, „daß ich Ahnen und Lehrer welchen Gattin vor Allem meinen Namen nenne und sie recht sehr um Entschul­­digung bitte, in die Stille ihres glücklichen Familien­­lebens diese Unruhe gebracht zu haben. Ich bin der Baron Albert Selleny, und jener junge Mann. . .* „Wo ist der Baron Selleny ?“ rief pröglich Ad­­lershorst, wie aus einem Traume erwachend. „IH bin e8 entgegnete dieser langsam und jede Silbe betonend. „Sie sind Baron Selleny ?“ wiederholte Adlers­­horft nochmals seine Frage. „a, ih bin e8, Ihr Schwager, der Gatte ihrer Schwester Leonie.“ Adlershorft bedeckte sein Antlig einen Augenblick mit beiden Händen, gleichsam als wolle er sich sammeln, oder auch aus dieser Sammlung seiner Gedanken den Muth f­öpfen, seinen Schwager offen entgegenzutreten. Leonied Blidde aber ruhten mit unsäglicher Angst auf dem Gesichte ihres Bruders. Endli erhob sich dieser. Die Bläffe seiner Wan­­gen zeugte von dem Kampfe, der in seinem Innern tobte. — (Fortlegung folgt:) - 5 u a PET tee en + ae re ee­rn­ed Per Per Se ä ul oe IE W wre

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