Oedenburger Zeitung, 1882. November (Jahrgang 15, nr. 252-276)

1882-11-21 / nr. 268

WWWIHWJ-kqu2k» a­n­ EEE ETC TEHEE TER­enstag,21.­­ November 1882, XV. Jahrgang. Az. 268. Dedenburger Reifung, (V­ormals „Dedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Forttritt zur Chr? — Betrücken zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.“ jährig . kr- Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahm­e von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebü­hren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, erlag und Inferatenaufnahme. BEI Einzelne Nummern Rotten 5 reger. I gie Auswärts: Sungäife 1, Halli Tfl., Biertel= Aurhdrucerei E&, NRomivalter & Sohn, Drachenrunde 121, Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Vogler, Wall­­figarre 10, A. Oppelit, r., Stubenbastei 2, Heinrich Scalek, 1, Wollzeile 12, N. Moffe, Seilerstätte 2, M. Dukes, ı., Ries­mergasse 12. 3 Budapest: Saulus Gy. Dorotheagasse 11, Leop. Yang, Gisellaplag 3, A. B. Goldberger, Servitenplaß 3. 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Diese drei Staaten sind Italien, Belgien und die Schweiz. Am allen übrigen Ländertompleren unseres Kontinents hat entweder die politische Reaktion unter Pausens und Trom­­petenschall bereits ihren Einzug gehalten oder es ist die bekannte „mittelalterliche Allianz” eben bei der Arbeit, die legten Vorbereitungen zu ihrem trium­­phalen Einzuge zu beendigen. Gewig merkwürdige Zeiten das, wo die Nachkommen gerade der begeistertesten Freiheits­­helden von 1848 mit eigener Hand die ersten Art­­hiebe gegen den Bau, zu dem ihre Väter den Grundstein gelegt, führen. « Das Gelehrten», Bürger» und Arbeitert­um waren im Lenze des glorreichen europäischen Revolutionsjahres darin einig, daß die Zeit für immer vorbei sei, wo der Geist der Imdividuen durch einige bevorzugte Klassen im Staate gernechtet wurde und Soldes allüberall als vollkommen gelegmäßig galt. Damals, nämlich im Jahre 1848, bildeten Bürger, Studen­­ten und Arbeiter eine festgeschlossene Phalanz, einen undurchdringlichen Wal, an dem die mittel­­alterliche Zeit in Schutt und Trümmer zerschellte. Und Heute, nach vierunddreißig Jahren, sind die Burgen, die Zwinguris der­eister wieder neu erstanden und ihre Mauern schauen so Hoffnungs­­fühn und­­ freudig in die Welt hinein, als ob es gar niemals ein Achtundvierziger Jahr in Europa gegeben haben würde. Was ist Schuld an diesem gewiß überraschen­­den Ereignis? — — War das, was im Jahre des Völker­ Erwachend­ung und Alt beseelte, nur ein flüchtiger Traum? War jener Trans, den das mal. Alle begierig schlürften, nur ein frisch ge­preßter Wein, der den Prozeß der Gährung erst nach dem Genisse im den Geistern der Menschen durchmachte und heute, geklärt und. alt geworden, Zeugniß dafür ablegt, daß er gar sonderbaren Ursprunges und von mehr als zweifelhafter Güte gewesen? — Solche Erklärung zu geben, verab­­säumen die „Helden der politischen Reaktion“ bei seiner Gelegenheit. Aber die Wahrheit wohnt i­hr nicht inne. Im­ Jahre 1848 jubelte Alles, was bis da­­hin im Banne der Knechtschaft gelegen, der Tyrei­­heit, weil jeder, bewußt oder unbewußt, von der aufgehenden Sonne erwartete, sie werde mit ihren Strahlen für Alle, jo auf der Erde leben, materielle Güter und körperliches Wohlbefinden plöglich und ohne jegliches Darzuthun der Menschenfinder hervorzaubern. Das war ein falscher Traum, dessen wahren Werth die großen Geister vor sofort erkannten, sich aber fürchteten, Odenselben zu zerstören, weil einerseits man ihnen nicht geglaubt haben würde, andererseits sie aber der Hoffnung lebten, daß nach der eingetretenen Entnüchterung die realen Bortheile, welche die zur Macht gelangte Freiheit bieten würde, jene scheinbaren Mängel, die sie im Gefolge haben mußte, Hundertfach auffwiegen und in Folge dessen Allen noch genügenden Erlag für die durchaus nothwendigen Opfer spenden werde. Diese Rechnung hat sich aber als ebenso falsch erwiesen, wie der Achtundvierziger Traum der damals am Freiheitstrunfe fi berauschenden Maffen, und jene Nehnung mußte sich auch als falsch erweisen, weil die Nebenfünftler, welche das Wesen der Freiheit und des Konstitutionalis­­mus an der Quelle — (in England oder Amerika) — studiert, nicht die viele hundert Jahre alten Gewohnheiten, Aussichten und Einrichtungen der Europäer, am allerwenigsten aber den geringen Bildungsgrad der Mafsen, in ihren Kalkül gezogen hatten. Dazu kam aber noch, daß, wenn es auch einige große Meister gab, welche die politische Weis­heit der Amerikaner und Briten von den ihr anz­­baftenden Schladen befreien und selbe, derart ge­reinigt, dann den Eigenthümlichkeiten der Europäer anpassen wollten, für solche Gesinnungen theils fein Verständnis fanden, theild gar nit im Stande waren, mit ihren besten Absichten durchzudringen, weil die in 1848 mächtig gewesenen Herren der europäischen Länder in dem Augenblicke, wo sie sich von ihrem ersten Revolutionsschreden erhob­, von der Einführung ganzer und voller Freiheit — (nach amerikanischem oder englischem Weuster) — durchaus nichts wissen wollten, und noch viel weniger von einer solchen, wie sie bei­­spielsweise heute in Belgien Geltung hat. Der erste Grundstein zu dem heutigen, sich neuerdings „in üppiger Schöne“ erhebenden mittelalterlichen Reaktionsbau in den verschiedenen Staaten Europa’s ward demnach in dem W­ugenblice gelegt, wo jene großen Geister, welche ihren Menschenbrüdern die Slücheligkeiten der Freiheit zuwenden wollten, sich herbeiliegen, mit dem Großen und Mächtigen zu feilchen und, um nur Etwas zu retten, zulett­ih zufrieden geben mußten, daß wenigstens „im Prinzipe“ das „Konstitutionelle System“ in den einzelnen Ländern eingeführt werde. Diesem, vielleicht dur die Lage der Dinge damals nothwendig gewordenen Nachgeben verdank­en die einzelnen Völker in Europa vornämlich Jeuillelon. Die beiden Yofaunenbläser. Mr. Whiffles der ehrenwerthe Vater unseres Helden, Mr. Adolf Whiffles­­­ war ein reicher perfihiver Farmer, der, bevor er sich vom Ges­schäft zurückzog und dasselbe seinem Sohne über­­ließ, meinte, daß ein Besuch in der großen Metro­­pole den Geist dieses liebenswürdigen Jünglings schärfen würde, was diesem jungen Herrn sehr nöthig war. Der Sohn sprang bei dieser Absicht vor Freude in die Lüfte, besonders als er hörte, das er sich allein auf die Reife machen sollte. Mit dem väterlichen Segen und reichgefüllter Börse langte Mr. Woiffles junior in London an und installirte sich in einer billigen Wohnung in der Savoy Street. Natürlich nahmen die Theater Mr. Woiffles Aufmerksamkeit ganz besonders in Anspruch und die Nähe der verschiedenen Theater und Konzert­­häuser gewährte ihm große Befriedigung. Der An­­blick der „Berufsmäßigen“ in ihrem Alltagskostüm flößte ihm großes­nteresse ein, und seine Freude übertritt alle Grenzen, als er die Bekanntschaft eines hervorragenden Drcester-Mitglieder vom Royal Dash-Theater machte. In der ersten­­ Vier­­telstunde ihrer Bekanntschaft gelobte er demselben ewige Freundschaft und von Zeit zu Zeit bekräf­­tigte er ihr Bündnis damit, daß er seinen neuen Bekannten zu einem ausgewählt feinen Diner lud. Unsere Erzählung beginnt,­­als Mr. Wpiffles und sein Gefährte — Namens Der. O’Leary — seit sechs Wochen fast unzertrennliche Freunde waren. Mit Betrübung hatte Mr. Wiffles seit Kur­­zem den Ausbruch tiefer Melancholie auf Der. D’Kearys ausdruchsvollen Zügen wahrgenommen, und er war fest entschlossen, den Grund­­dieser Schwermuth zu erforschen. „Sind Sie frank ?* fragte unser Held eines Abends, nachdem sie im Hotel fein foupirt hatten und zur besseren Verdauung ein paar beige Whis­­keys schlürften. Dir. D’Reary feufzte schüttelte traurig den Kopf und leerte sein Glas als Antwort. „Das Abendessen it ihnen wohl nicht bek­­ommen, Sie haben vielleicht zu viel gegessen*, fuhr Mr. Whiffles theilnehmend fort. „D, nicht das Abendessen ist es, das mich plagt,“ bemerkte sein Gefährte, „sondern der Substitut.“ Mr. Whiffles verstand diese mysteriöse Anti­wort nicht. Er dachte lange und ernst Darüber nach, schließlich gab er das Bemühen, den Sinn von seines Freundes Worten zu begreifen, auf, und bat um eine Erklärung. Dir. O’Yeary b­at ein paar tiefe Züge aus seiner Zigarre und flärte dann Dir. Woiffles über seine geheimnißvollen Worte auf. Aus Dir. O’Yearys Erzählung erfuhr Dir. Woiffles, das es in dem Royal Dash- Theater Sitte war, daß einzelne Orcester-Mitglieder sich bei stattfindenden Konzerten hin und wieder von ihren Besten absentiren durften, unter der Bedin­­gung daß sie einen tüchtigen Substituten stellten, der die Stelle des Abwesenden genügend vertreten konnte. Für gewöhnlich mangelte es nicht an derarz­tigen Substituten, aber Mr. O’Reary gestand, daß er troß allem Bemühen und Suchen unbegreifl­er­­weise seinen finden konnte, der willig oder fähig gewesen wäre, ihn am folgenden Abend im­­ The­­ater zu vertreten, während er einem sehr profitabi­len Engagement folgte, das er für den einen Abend in einem sehr eleganten West-End-Konzert anges­nommen hatte. Ohne sich auch nur einen Moment zu bedeu­­ten, warf Mir. Wpiffles sich ins Mittel und bot seine Dienste an. „Thorheit !“ erwiderte D’Reary bar, „was verstehen Sie von Musik ?“ Darauf wußte Mr. Whiffles freilich nichs zu antworten. Was er nicht verstand, das hätte er wohl sagen können; davor aber hütete er si aber wohlweislich. Er entstand eine peinliche Stille. Der. O’Leary rauchte schweigend wenige Brit weiter, während er hin und wieder einen solchen Bi Lauf das besorgte Gesicht von Dir. Wiffles warf, wie wenn er irgend einen großen Entschluß in seinem Zwiefinnern erwägte, aber noch gar seinen Nath wußte, wie er denselben ausführen könne. (Fortf. folgt.) : ' . F er.

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