Pester Lloyd - Abendblatt, Mai 1855 (Jahrgang 2, nr. 103-127)
1855-05-23 / nr. 121
Be ESÉSE ÉRET ein Korrespondent des „Constitutionnel“ schreibt aus dem Lager vor Sebastopol, 5. Mai, der dies Bedeutung der im ver Nacht vom A. auf den 2. Mai ausgeführten Waffenthat der Branzosen: „Wir haben uns nach einem glänzenden Gefechte eines großen Kontreapprocewerkes bemächtigt, das die Naffen vor der Zentralbastion, 70 Metren von unseren Laufgräben, errichtet hatten. General Tottleben, der das Geniewesen in Sebastopel formandirt, hatte einen Fehler gemacht; unsere Ingenieurs haben denselben bemußt, und Durch die unglaubliche Energie unserer tapferen Heinen Soldaten sind wir fest um 70 Metres näher gerüct und stehen in dem rufftischen Werte.“ . Aus Barna, 17. Mai, wird der „Times“ telegraphirt : „Allnächtlich wird zu Scebastopol ein lebhaftes Feuer umterhalten. Die Graedition nach Kertichst nicht erneuert worden. Drei Divisionen des französischen Heeres sind von Maglat nach der Krimm abgegangen. Die Cholera ist beinahe verschwunden.“ St. Petersburg, 13. Mai. (9. 8.) Auf Befehl Sr. Majestät wird der Hof die Trauer für den verstorbenen Kaiser Nikolaus I. während der Zeit eines ganzen Jahres, also bis zum 2. März 1856, tragen. Statt der gewöhnlichen Dauer von sechs Wochen fir Die verschiedenen Grade der Trauer, sollen jeht drei Monat eingehalten werden. Ihre Majestät die Kaiserin Maria Aerandrowna hat Befehl ertheilt, in allerhöchst ihrem eigenen Komptoire in Winterpalais eine besondere Abtheilung zur Annahme freiwilliger Geldbeiträge oder anderer Opfergaben für die Wittwen und Waffen der bei Sebastopol getödteten und verwundeten Militärs zu eröffnen. Zur Kontrollirung der eingelieferten Gelden seit ein Buch niedergelegt worden, in Das die Namen der Geber einzutragen sind, welche auch zur Kenntnis Ihrer Majestät gelangen werden. — Für eine aus Breslau eingegangene Sendung mehrerer Zentner Charpie laßt der Kaiser, dem Webersender, Herrn Baumgarten, jenen Dank aussprechen. Der Generaladjutant, Graf Beneendorf in Berlin, ist beauftragt worden, den Herrn Einsender von der Annahme und Aufnahme seines werthvollen Gefdienfes zu benachrichtigen. Wie im vorigen Jahre so ist auch diesmal sofort nach Eröffnung der Schifffahrt Kronstadt in Belagerungszustand erklärt worden. Nur In Dienstangelegenheiten oder auf besonderen Schein des Gouverneurs ist der Zukunft zur Stadt erlaubt. Zum Bergwagenreifende dürfen die Stadt unter seiner Bedingung betreten. E.C.London, 19. Mai. Die Beschreibung der gestern stattgefundenen Medaillenvertheilung der die Königin füllt mehrere Spalten unserer Morgenblätter ; doc kann es den nichtenglischen Leser im Grunde nur wenig interessiren, welche Truppen Spalter machten, welche Regimenter voraus und welche hintendrein defilirten, auf welcher Seite des Paradeplages die Mitglieder der Negierung und die Angehörigen der Dekorirten Plab genommen hatten. Historisch interessant ist es, daß seit den Zeiten der großen Elisabeth Fein Monarch Englands bis auf den gestrigen Tag eine Medaillenvertheilung in eigener Person vorgenommen hat, und welcher Art die Vertheilung aus den Händen der Königin Bek war, fennt die englische Chronik. Das gestrige Schauspiel war im Ganzen ein sehr wirdiges und feierliches. Die Königin, die an der Seite ihres Bemahls auf einem einfachen Thronfessel unter einem Baldachin vor dem Gebäude der Horse-Guards (Kommandantur) Plan genommen hatte, ließ die bezeichneten Offiziere, Unteroffiziere und Gemeinen einzeln vor sich kommen und übergab ihnen die Verdienstmedaillen, die ihr vom Kriegemister Lord Panmure überreicht wurden. Den Reigen eröffneten der vom Volke mit Enthusiasmus begrüßte Herzog v. Cambridge, Sir I. Burgoyne, Sir de Lacy Evans, die Garld of Lucan und Gardigan, die Generalmajore Scarlett und Torrend; dann kamen die Soldaten der verschiedenen , nach ihrem Abersrang geordneten Regimenter. Die Matrosen mit Vizeadmiral D. Dundas und die Marinesoldaten. Im Ganzen wurden 500 beführt; für Jeden hatte die Monarchin einen freundlichen Blicf für viele der am traurigsten. Verstümmelten ein freundliches Wort. Kapitän Traubridge, dessen heldenmüthiges Benehmen bei Snferman bekannt it er kommandirte seine Batterie weiter, nachdem ihm eine Kanonenkugel das rechte Bein und den Tinten Fuß weggerissen hatte), wurde in einem Wägelchen bis zum Thronfesfel der Königin hingefahren und empfing mit der Medaille zugleich die Ernennung zu 3. M. Adjutanten; noch mancher Andere konnte sich nur mit Hilfe von Krücen zum Baldahin hinschleppen, und auf vielen Gesichtern waren die Leiden des taurischen Winters, der Jammer und die Noth des Feldzugs in tief eingegrabenen Zügen zu lesen. Die prachtvollen Uniformen der vielen amwelenden Offiziere, die vielen in Trauer gefletdteten Gestalten auf der einen, die glänzenden Damentoiletten auf der andern Tribüme, die riesigen Harse-Guards zu Pferde und die vielen verstümmelten auf Krücken boten merkwürdige Kontraste, poetisch genug, um einem Maler zu einen großen Gemälde, um Mr. Bright zu einem Friedensantrage im Hause der Gemeinen zu begeistern. Nach der Parade wurden die deformten Gemeinen und Unteroffiziere in der Neitschule des Palastes bewirthet. Die Königin, am Arme des Prinzen und gefolgt von ihrem ganzen Hofftat, erschien in ihrer Mitte. Später war Banket und Konzert bei Hofe. Der Herzog von Koburg.Gotha war um 8 Uhr abgereist und begibt sich nach Deutschland zurück. Grund noch ein anderer Offizier waren bei der Medaillenvertheilung in österreichischer Uniform erschienen. Der 36. Geburtstag der Königin wurde heute mit Festgeläute, Kanonendonner, Drawing Room 2c. gefeiert. Die Negierung wird, wie wir hören, allen Arbeitern, welche die Pariser Ausstellung besuchen wollen, gratis Neifepaffe ertheilen. „Herald“ und „Advertiser“ wirfen von einer Mesalliance zwischen den Perettenamd der Manchesterpartei. Bright und Gibson haben Hrn. Gladestone und Sir 3. Graham zur fid hinübergezogen. Die letteren wollen angeblich für Gibson’s Friedensresolutionen stimmen, und das Programm des Kabinetts Gladestone sei bereits fertig. In Manchester hat das Komitee des dortigen Zweigvereins für Administrativreform ein Nımdschreiben erlassen und ein großartiges Meeting angekünbigt, das dem Cuy Meeting in der London Tavern in seiner Beziehung nachstehen sol. Parlamentsverhandlungen vom 18. Mai, Doberhausfigung, Lord Parmure, Kriegsminister, entwickelt seinen Plan zur Reform der Zivildepartements im Kriegsinneren. Erstens beabsichtigt er die Stelle des Obergenerals im Zeugamt (Master-General of the Board of Ordnance) ganz abzuschaffen. Das Zeugamt besteht aus zwei Departements, deren eines sich mit rein militärischen Dingen, und deren anderes mit Angelegenheiten von nicht militärischem Charakter beschäftigt. Das Kommando über die 1. Artillerie und das Über die 1. Ingenieurs, welche bis jekt zum erstern der genanntem Departements gehörten, sollen auf den Generalissimus (Commander-in-chief of the army) .Übertragen werden. Das zweite oder Zivildepartement des Zeugamts wir Kkriegsminister(secretxu«»yof state for the war—leartment) gesteligt, der noch einen bürgerlichen Beamten mit Sit im Unterhause haben sollt, um für Alles, was im Zivildepartement geschieht, den Gemeinen verantwortlich zu sein und Nede zu stehen. Zur Oberleitung der O Verbesserungen im Schiffsgefhüswesen will er dem Generaldirektor der Artillerie einen Flottenoffizier an die Seite geben. Ferner ist die Gründung eines eigenen Departements beabsichtigt , welches alle für die Armee oder das Zeugamt abgeschlossenen Lieferungskontrakte zu überwachen hat, und am dessen Spike ein kommerzieller Gentleman kommen sol, der das Vertrauen der Handelswelt besigtz ebenso wird die Aufsicht über die Armeebekleidung einem eigenen Oberbeamten (Superintendent) anvertraut werden, anstatt einem Kollegium von Generalen; und die verschiedenen Departementschefs haben in stetem Verkehr mit dem Kriegsminister zu stehen, so daß jeder die Ansicht aller Kollegen über jede einzelne Angelegenheit, Neuerung und Verbesserung fennen muß. Zur Durchführung der hiermit vorgelegten Reformen sei keine Parlamentsarte erforderlich, sondern sie geschieht Kraft der Prärogative der Krone. Lord Ellenborough findet Die legte Meittheilung ehr befriedigend, weil sie an fünftigen Kriegsministern das Recht vorbehält, angemessene Reformen ungehindert vorzunehmen. Ueber den Werth der angefindigten Aenderungen lasse sich noch Fein Mitheil fällen Carl Grey und einige andere Lords behalten sich ebenfalls eine eingehende Kritik auf später vor. Unterhäussigung. Eine Anfrage Mr. Ewart’s veranlaßt Mr. §. Peel zu der Eröffnung, daß es, nach den Berichten der auf dem Kontinent thätigen Negierungsagenten, gelungen sei 3000-4000 Mann für die Fremdenlegion anzumerken. Ursprünglich wollte man bei der Zahl 5000 stehen bleiben, aber da die Sache einen bessern Fortgang hat als man erwartete, so ging die Regierung auf die Idee der Offiziere ein, weitere 5000 Mann Legionärs in Dienst zu nehmen. Abgesehen von dieser auf etwa 10.000 Mann zu ihä senden. Streitmacht seien Offiziere nach der Schweiz zur Anwerbung von 3000 Mann abgegangen. Zur Aufnahme der Nefruten sind Depots in Helgoland und Shoraicliffe errichtet; da an legterem Ort die Holzbaraden oder Soldatenhütten noch nicht ganz fertig seien, so werde man die ersten Abtheilungen vorläufig in den Kasernen von Dover unterbringen. In Bezug auf Disziplinareinrichtungen werde Die Fremdenlegion, natürlich, unter den Befehlen des Generalissimus stehen. Eine bedeutende Anzahl Offiziere sei bereits angestellt, so daß die Organisation des Korps gar keine Schwierigkeiten mehr habe; ein Theil derselben befinde sich in Helgoland, der Nest in England. Zugleich bemerkt er, daß die englischen Kriegsartikel in die verschiedenen fremden Sprachen überlegt worden sind, welche die Region spricht. Auf eine Interpellation von Mr. Beresford erwiedert Mr. Peel, daß Lord Panmure bei einem Wiener Haufe eine ieferung von Sommerkleidern für die Armee in der Krimm, nämlich 50,000 Stük Pantalons und 50,000 Strapazir- oder Kommisrede bestellt hat. Der ganze Vorrath befinde fi ohne Zweifel fett schon in den Händen des Kommissariats in Konstantinopel. Mr. Fergus bringt den befragenswerthen Tod des Kapitän Christie zur Sprache, welches Ereigniß ermittelbar den Anklagen Wr. Layard’s zuscreiben will. Derselbe habe den tapfern Kapitän als einen Siebziger dargestellt, während er noch nicht 60 alt mal (Hört, hört!) und von den berichtigenden Briefen seiner Verwandten seine Notiz genommen (hört, hört, Hört!) Er müsse Dies Benehmen unredel und ummirdig nennen (Beifall) Das Mitglied für Aylesbury sollte sich das Unglück, das er angerichtet, zur Warnung dienen lassen u. s. w. (lärmender Beifall. Mr. Layard vertheidigt sich mit lebhafter Wärme gegen den, wie er bemessen will, umvitterlichen Angriff, wird aber jedem Augenblick durc101 Gelächter und andere Ausrufungen unterbrochen. Eine Berichtigung, die ihm von einem Verwandten Christie's zukam, fand er zugleich im „Herald“ veröffentlicht, und von so beleidigenden Bemerkungen begleitet, daß er ich berechtigt glaubte, die Sache als abgethan anzusehen. Einen Beschwerdebrief von Kapitän Christie selbst beantwortete er mit umgehender Pot, und zwar entschuldigte er sich darin auf dieselbe Weise, wie er hier thun will. Was hatte er von dem verstorbenen Böses gesagt ? Daß er nicht im Mindesten an seinen Muth zmweifele noch etwas gegen seinen Privatcharakter habe, aber daß der Kapitän mit seinem ewigen Katarıh und seinem ganzen Aussehen nach ein Siebziger und daher für seinen schweren Posten ungeeignet schten. Auf jeden, der ihm sah, machte er denselben Eindruck. Könne man das Verleumdung nennen ? Niemand könne seinen Tod tiefer bedauern als er, aber wenn Christie sein leiblicher Bruder gewesen wäre, hätte er nicht anders urtheilen künnen. Am Schluß jenes Schreibens, von dem er nicht weiß, ob es den Kapitän vor seinen Tod erreichte, rieth er ihm, sich vor dem Sebastopol-Komite vernehmen zumlassen. Sir 3. Graham befahl ihm — nicht wegen seines Alters oder seiner Kränklichkeit, sondern wegen gestiert Verraummiffe, die er (Bayard) nie berührt hatte, — vor’s Kriegsgericht zu stellen und jet erhebe man das Geschrei, der grausame Layard habe dem armen Kapitän das Herz gebrochen. (Hört, hört!) Er verstehe den Zweck dieser Verfolgungsfucht (O!O), man suche das „System“ an ihm zu rächen; man glaube ihn niedertreten zu können, weil er seinen Anhang, feine Konnezionen, feinen Neichthum befígt, aber vor der Erfüllung seiner Pflicht werde ihm seine Macht der Welt abschieden, und er mnwarne das Haus (O! O! Ha! Ha fi) nicht in der Meinung des Landes durch fo Fleinliche Taktik herabzufegen. (DIO1) Mr. Fergus und Lir 3. Pagington widersprechen (unter lautem Beifall) den Angaben Layard’s die berichtigenden Briefe betreffend und der Baronet gibt ihm den Math, si durch seine voreiligen Denunziationen nicht selbst „niederzutreten“ (Lärmender Beifall.) Mr. Bright sagt einige Worte Hi Layard. ent ai ” Mr. Olway knüpft an einige Bemerkungen zu Gunsten Layard’s eine Antt der angeblich gebildeten Polenlegion. Lord Balmerston erebinetk Die in fifo : Eine Anzahl polnischer und russischer Kriegsgefangener sprachh den Wunsch aus in eine unter dem Fürsten Czartoryski zu bildende Polenlegion zu treten, welche auf Kosten Englands equipirt und transportirt, aber im türkische Dienste genommen wird und einen Namen trägt, der seine bestimmte Nationalität andeutet. Im Banner führt sie das Kreuz und den Halbmond. Zu jenen Kriegsgefangenen gesellte sich eine Anzahl polnischer Emigranten. Ort und Art ihrer Verwendung sind lediglich Sache der Pforte, Paris, 19. Mai. Der Kaiser und die Kaiserin werden mächsten Tage nach St. Cloud übersiedeln ; dieser Palast ist daher auch nicht, gleich den anderen Schlössern der Krone, dem Publikum geöffnet worden. General Ganrobert hat auf das Entschiedenste verweigert, den Befehl über ein Armeekorps anzunehmen. Er will dlos Divisionsgeneral bleiben, und der heutige Ministerab wurde vom Kaiser mit diesem telegraphisch gemeldeten Wunfe des ehemaligen Oberfeldherrn bekannt gemacht. « · Graf von Persigny ist,mehr ihnen vorgestern schrieb,immer noch in Paris. Verschiedene Gründe halten ihn hier zurück.Der Hauptgrund scheint jedoch die immer noch fortdauernde Ministerkrisis zu sein.Persigny besteht,wie man wissen mill,beim Kaiser aus der Entfernung der Herren Billault und Fould aus dem Ministerium Die Feindschaft die zwischen dem letzteren und dem intimen Freunde des Kaisers herrscht,ist hinlänglich bekannt.Herr Lally,der bekanntlich in das Ministerium treten soll,weigert sich bis jetzt,das ihm angebotene Ministerium des Innern anzunehmen Derselbe scheint ebenfalls ein Widersacher des Herrn Fould zu sei,dessen Austritt aus dem Kabineter als Bedingung seines Eintritts aufstellt. Wien,22.Mai.Die Abreise Le Maj des Kaisers nach Galizien,welche schon wiederholt für verschiedene Zeitpunkte angekündet wurde,ist noch ganz unbestimukt. Se.kaiserl·Hoheit,Erzherzog Albrecht der Sohn des ruhmreichen Helden von Aspern,ist dorthin abgereist,1im der Erinnerungsfeier an die in jener Schlacht Gefallenen beizuwohnen Fürst Gortschakows befindet sich auf dem Wege der Besserung. ? Wiener Börse am 22. Mai. Anfangs herrsichte die günstigere Stimmung vor, so daß die meisten Offertengattungen höher gingen, doch wurden im weitern Verlaufe die Kurse dur ansehnliche Gewinnrealisirungen gedrückt, schloffen aber fest zur Notiz. Staatseisenbahnaktien 3121 ; Nationalanlehen 848/, ; Nordbahn 188%; 1854 der Lofe 102. Die Wechselkurse haben unbedeutend angezogen. Gold 311%; Silber 273/, Verantwortliger Redakteur : Karl Meisflicher, Buchbrucerei von Johann Herz. — Verlag der Perler Lloyd : Gesellshaft,