Pester Lloyd - Abendblatt, September 1855 (Jahrgang 2, nr. 203-226)

1855-09-27 / nr. 224

bendblatt desjpestchoyd. Wannerslag,27.September. Nro.224. HEFT-II Telt, 1855. Telegr. Depefchen der ,, Defterr. Korrespondenz.‘‘ Odeffa, 23. September. Am 20. September ist der Großfürst Konstantin in Nitd­aleff angekommen. Sowohl er als Se, Majestät der Kaiser Merander werden in Odessa erwartet. Nachrichten aus der Krimm vom 19. d. M. zufolge, glaubt man zu willen, Daß die Batterien am Woronzgoffwege und am dort Nikolaus begonnen haben, Die Nordseite Sehbastopols zu de­m hießen K­onstantinopel, 20. September. Bedeutende französische Truppenmassen sind nach Eupatoria birigirt worden. Mehrere slowenische Offiziere sind hier anz­gekommen, um nach der Krimm zu gehen. Der Großvezier ist von seiner Krank­­heit wieder hergestellt. Die Wechselkurse haben angezogen. Das „Journal de Con­­stantinople” enthält eine lange Liste von Verleihungen griechischer Dekorationen an türkische Beamte, Waris, 25. September, Der , Moniteur" enthält den ausführlichen Bericht des Generals Peliffier über den Fall von Sebastopol. London, 25. September. Nächsten Sonntag werden Dankgebete wegen des Falles von Sebastopol veranstaltet. ax West, 27. September. Obigen Depeschen — denen zufolge Pe­­liffier’s Bericht also morgen Abends in unseren Händen sein wird — fügen wir zunächst folgende Depesche der „Hamb. Nachf.“ hinzu: London, 24. September. Die „‚Times’“ bringt in ihrer dritten Ausgabe eine Depesche ihres Kriminkorrespondenten aus Sebastopol von 16. September, welche meldet: Die Russen verstärken die Befestigungen der Nordseite und errichten neue Batterien. Die Franzosen sind im Begriff mit Kavallerie und Infanterie gegen Baftshisarat vorzugehen. Sebastopol­ fort geschleift und feine Dods zugeschüttet werden Ein furcht­­barer Sturm hat zu Sebastopol gem­üthet, Zweet hatsachliche Daten scheinen demnach für die Muthmaßungen ü­ber die nächsten Operationen der Alliirten gewonnen zu sein:sie be­­schießen die Nordsorts und beabsichtigen gegen die russische Position auf dem Belbekplateau einen gleichzeitigen Doppelstoß von der Front und vom Rücken herauszuführen.Ob alle drei Angriffe ernst gemeint sind,oder ob das Bom­­bardement der Nordseite vielleicht nur eine Diversion sein soll,um die Aufmerk­­samkeit des Gegners zu theilen,muß sich bald zeigen.So wird der»Oest.Z.« aus Bukarest vom 25.telegraphirt: Der Rückzug der Russen über Perekop bestätigt sich nicht.Aus Bessarabien zie­­ben fast sämmtliche russischen Truppen ostwä­rts.In Odessa herrscht große Thü­tigkeit. Man scheint dort einen Schlag zu befürchten.Es ist in hiesigen militärischen Kreisen die Ansicht vorherrschend,daß die Alliirten von Eupatoria aus einen Offensivstoß gegen die russische Anstellung beabsichtigen,der natürlich von Sebastopol aus unterstüßt wurde. Auch nach der „Autogr. Korr.” unterliegt es seinem Zweifel mehr, daß si die Ruffen auf der Bergebene Tsherfeg Kerman noch mehr befestigen und auf einen erbitterten Kampf vorbereiten. Die Al­irten sind noch immer bemüht, ihre 200 Mörser und die Kanonen aus 96 Batterien nach Balaklama und Kamierch zu bringen, um ganz operationsfähig zu werden. Die ver­­bündete Feldarmee soll aus 95.000 Mann zusammengefegt werden ; den Oberbefehl übernimmt Pe­liffier. General Simpson wird an der Tschernaja mit dem Neferveforps bleiben, um Balaslawa, Kamierch und Sebastopol zu heren, und die Bewegung der Russen bei Inferman zu beobachten. Am 25. September (? !) — so hört dasselbe Blatt — waren alle Dispositionen für den Angriff von der Trehernaja und von Eupatoria her getroffen. Was die Westmäche in vielem Momente anstreben, auf politi­­schem und militärischem Gebiete, leuchtet besonders aus Folgendem hervor. Der ,D. d. 3. wird „von glaubwürdiger Seite” der Inhalt eines Handschreibend Ludwig Napoleons, welches als Antwort auf die erhaltenen Glücwünsche nach Zichl an den Kaiser von Oesterreich abgegan­­gen, mitgetheilt. Der K­orrespondent sagt :­­ „Es soll dieses Schreiben außer dem selbstverständlichen Dank für die erfahrene Höflichkeit politische Betrachtungen der wichtigsten Art auf den Augenblick bezüglich ent­­halten. Der Koffer der Franzosen soll die Lage der Dinge har­fchildern und auf die unermeßliche Bedeutung des Siegs­ der Verbünpeten von 8. September hin­weisen,­ der alle Bedenklichkeiten Oesterreichs, sich an dem S Kampfe gegen Rußland zu betheiligen, aufheben müsse. Wenn Oesterreich früher zu­ seiner eigenen Sicherheit die übermäßige Machtstellung Frankreichs von 300.000 Mann verlangt, so sei diese Vorsicht nunmehr in zweier der Hinsicht überflugig geworden, da sich die­ Uebermacht der Westmächte und die Schwäche, ja die Unfähigkeit Rußlands, gegen eine wohlorganisirte Macht angreifend aufzutreten, so schlagend herausgestellt habe, daß Oesterreich mit aller Zuversicht und selbst ohne größere ökonomische Anstrengungen ins Feld ritden künnte, Was das andere Hindernis betrifft, das sich der wahren und wirklichen Ber­­einigung Oesterreichs mit den Westmächten, z. b. der, thätigen Mithilfe, entgegen­­gefegt, nämlich die Meinungsverschiedenheit, den dritten Garantiepunkt betreffend, so sei dies man ebenfalls durch die Einnahme von Sebastopol und die gänz­­liche Zerstörung der russischen Flotte im Sch­warzen Meere weggeräumt. Der Krieg habe diesen Punkt entschieden ; es gäbe keine Flotte mehr, folglich unterliege auch die gröz­sere oder feinere Ausdehnung derselben Feiner Diskussion. Der Kaiser der Franzosen sprach ferner die Ansicht aus, das ein thätiges Auftreten Desterreichs einen raschen und erwünschten Frieden mit allen unerläßlichen Garantien herbeiführen wide, was die Macht der Verhältnisse, wie ungünstig auch ihre Wendung für Rußland sei, kaum im Stande sen dürfte. Denn dieses Beinhalten Deutschlands erhalte die russische Regierung in der gegründeten oder ungegründeten Hoffnung, in demselben früher oder später Bundesgenossen zu finden, und ermuthige sie zum Widerstand gegen alle billigen Forderungen. Der Schaffer sol noch auf die entschiedene Neigung des gesammten deutschen Volks zum Kampfe gegen Rußland hingewiesen haben, die, obgleich für jegt besonnen und sich den leitenden Gewalten fügend, leicht einen lebhafteren Aufschwung nehmen und Bel­­egenheiten schaffen könnte. Der Kaiser Napoleon soll rund heraus erklärt haben, daß er eine Lösung des Streites nur in dem verlangten Beitritt Oesterreichs sehe, was er um so leichter nun nach einem großen Siege ausspreche. Wenn Oesterreich bei seiner Haltung bliebe, so würde es seine oft wiederholten Erklärungen aufheben, denen zufolge seinem entschiedenen Auftreten nichts im Wege stand, als seine abweichende Ansicht über den dritten Punkt, was nun gänzlich wegfalle.‘ Im „Konstitutionnel’” hält es Cefenaan der Zeit, die Absichten der­­ Westmächte für zu detailliren; wir resumiren den Artikel in Folgendem: Bevor die Westmächte die diplomatischen Konsequenzen des Sieges bei Seba­­stopol ziehen, werden sie sich mit den militärischen Konsequenzen bes­­chäftigen, d. h., die Eroberung der Krimmpollenden. Die Rus­­sen mögen den Alliirten noch bei der Tschernaja eine Schlacht bieten, um mit Ruhm zu fallen; ven Rückzug nach Perefop können sie nur noch hinausschie­­ben, schließlich müssen sie die Krimi den Verbündeten überlassen. Bis dahin wird Preußen vergebens Vermittlungsversuche machen; die Alliirten sind für jede Direkte oder indirekte Mediation, für jede offene oder verhüllte Interven­­tion taub. Wird Rußland den Srieren wünschen, so hat es ihn selbst zu verlangen. Höchstens künnte man gestatten, daß Rußland genau bestimmte und als definitiv angenommene Friedensbedingungen der österreichischen Regierung übergebe, damit diese solche von Westmächten zur Annahme oder Ablehnung vorlege. Den Unterhandlungen, analog den Wiener Konferenzen. kann seine Rede mehr sein, auch werde der Mittelpunkt der Verhandlung nicht mehr Wien sein. Jedenfalls sollte Rußland nicht zu lange räumen. Noch seien die West­­mächte gewillt, bei Perefop Halt zu machen ; würde Rußland aber dann nicht zum Frieden geneigt sein, so saben die Allierten sich veranlaßt, außer der Krimm auch Bessarabien zur erobern, das die Grenzen Polens so nahe berührt. Die Eroberung von Sebastopol hat Rußland, bezüglich seiner Stellung zum Orient um ein Jahrhundert zurückgeworfen; spätere Siege konnten ihm auch bezüglich des Westens ähnliche Verluste beibringen. Und wie Die Stimme in Paris, läßt sich auch in London die ministerielle „Morning Post“ vernehmen: „Rußland“, sagt sie, „Das wegnehmen, was es gewissenlos sich angeeignet hat, die Krimm auf’S Neue der europäischen Zivilifation eröffnen, damit sie über diese Halbinsel nach Asien vordringe. Die Freiheit der Donau in der Vereinigung Befsarabieng mit dem ottoma­­nischen Reiche suchen, — das muß unser 3wed im schwarzen Meere sein; wenn er nicht erreicht wird, so wird das ohnehin Dürre Programm der vier Punkte nicht wirklich ausgeführt werden." Die Innigkeit des Bündnisses von England und Frankreich hat, durch den in unserem Morgenblatte bereits mitgetheilten Montteurartikel, eine neue Llustration erhalten; offenbar wollte die französische Regierung damit jener Eifersucht des englischen W­olfes einen Niegel vorschieben. Ueber Neapel liegen Details vor, welche betätigen, daß die Eroberung von Sebastopol die Nachgiebigkeit des Königs herbeigeführt hat. Freilich erk­lärt der „Conft.“ dieselben für halb oder null, in demselben Momente, sagt er, in welchem man Mazza abfebte, hat man auch dem Fürsten Sichitella das Portefeuille des Krieges abgenommen, obschon gerade er das einzige, der Politik der Westmächte günstige Mitglied des Kabinets­ war. Das offiziöse Blatt stellt daher auch neue Vorstellungen von Seite der Westmächte in Aussicht. Wie in Stodholm, so ist auch in der Universitätsfradt Upsala der Fall Sebastopols mit endlosem Jubel gefeiert worden. Das Stu­denten­­korps versammelte sich, unter V­ortragung seiner Fahnen, auf Dem Marfte, wo der Kurator der Universität eine Rede hielt und ein neunfaches Hurrah ausz brachte. Der Korrespondent der „Off. 3." in Konstantinopel erwähnt als ein Kuriosum, daß die dort befindlichen gefangenen russischen Offiziere beim französischen Stadtkommandanten General Larchey um die Erlaubnis einsamen: das Namensfest des Ezaren Alexander in einem der Salons des russischen Ge­­sandtschaftspalais feiern zu dürfen und diese Erlaubnis bewilligt erhielten. In Wien trug man sich wieder mit Friedensgerüchten, auch mit dem un­wahrscheinlichen Gerüchte, wer Czar werde von Warschau aus mit dem König von Preußen zusammenkommen. Sehr einleuchtend­ ist dagegen, was man der „N. Pr. 3." in Bezug auf die Diplomatische Lage aus Wie­se ; =­an darf vorauslesen, daß die Westmächte ihre « zur Griebenafene karl, orten­ nicht a Hafen ee I, nee eine Vereinbarung m­it Oesterreich getroffen zu haben, und das dieser Ent­­schluß überhaupt noch nicht feststeht. Was also bisher über die mestlichen­­ Absichten Be nr arlen verlautet haben mag, dann vielleicht als Projekt, aber nicht als Aus London hört die „Ind. b." von der Möglichkeit eines Wie­­dereintrittes Lord Ruffell’s in vag Ministerium sprechen , er solle die Beers­­würde und an Stelle des, zum künfzigen Sprecher designirten Sir 9. Grey das Portefeuille des Innern erhalten. CD In Nom hat der heilige DBater seine Neffe nach Castel Gandolfo auf­­gegeben, weil er die Hauptstadt nicht während der Cholera verlassen wollte: er läßt sich seit sehr häufig in den Straßen sehen. Der „Univers“ behauptet, Preußen habe seinen Einfluß bei dem Czaren zur Beeinträchtigung der katho­­lischen Interessen bewust. Graf Sorbin=- Janson soll von Seiten Napoleons ee sein, die Ansichten des Papstes über die orientalische Frage ein­­zuholen. Die "Pr. orr." bringt einen, offenbar für die neue Kammer bestimm­­ten Artikel über die Politik des Berliner Ministeriums. Das Wesentliche daraus ist, daß „die Regierung sich von Dant des Landes verdient habe und die auswärtige Politik nicht zur Kompetenz der Abgeordneten ge­­höre.” Auch die bairische zweite Kammer hat fest in ihrer Ants­wort auf die Thronrede den Wunsch ausgesprochen, daß die schon so lange sehnlichst erwartete und feierlich verheigene Ausbildung der Bundes­­sehfassung den Belfern Deutschlands die unfhäßbare Wohlthat eines ge­­sicherten Rechtszustandes gewährleiste, ihrer Stimme au) am Bunde, to ihre en Angelegenheiten berathen werden, Gehör verschaffe und Beachtung schere. Kardinal Biale Preala ist noch am 25. Abends nach Sichl abgereist, nachdem an demselben Tage die Nazifikationen des Konkordates in Wien aus­ gewechselt worden waren. ;

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