Pester Lloyd - Abendblatt, Februar 1857 (Jahrgang 4, nr. 26-48)

1857-02-26 / nr. 46

­ , Karl Weißkischer, La Daniella von George Sand. (Fortsetzung.) XIX, 3. April, Heute früh um sechs Uhr weckte mich eine sanfte, solltönende Stimme, die von aufen­ der Nora rief: so heißt die alte Frau, die Tante und Dienerin Mariuceia’s. In dieser Art zu rufen prägte sich der ganze Gesang der italienischen Sprache aus. Während wir, wenn wir uns melthin verständlic machen wollen, die erste Silbe über­­hü­pfen und die Teste in die Länge ziehen, thut man hier ‚gerade,das Entgegengefechte , und der Name Rosa, so gefehrigen oder vielmehr in absteigender Oftave gesungen, kam ungemein wohlklingend heraus. Indem ich mir die Augen rieb, um­ den Schlummer ganz zu verscheuchen, erkannte ich die­ Stimme der Stiratrice, SH ftand auf, um dur meinen Senftervorhang zu leiten, da sah ich sie auf der Straße; sie branchte einen sehr hübschen, Blisblank gepugten Braferdn herbei. Nach ein paar Minuten fehte die Martuccia den Kopf zu ihrem Senster heraus und zog­ nacheinander an zwei Schnüren. Das Gartengitter und dann das Gaffenthor des Hauses öffneten ich, um die Dantella einzulasfen. "Eine halbe Stunde später trat die Martuccia bei mir ein, mit dem Brafero, in dem eine Kohlengluth flammte: „Nun erden Sie hoffentlich nicht mehr frieren, sagte sie. Der Brafero son unten ist­ zu groß für Ihr Zimmer , meine Nichte hielt mich gestern Abend davon ab, ihn Ihnen heraufzubringen, m weil er ipnen Kopfschmerz verursacht haben wü­rde — aber sie hatte einen Heineren, diesen hier.“ — „Sie beraubt sie feiner um meinetwilsen? Das mag ich nicht Und ich rief die Daniella herein, die in der anstufenden Darkkammer sang. „Sie find­ viel zu freundlich gegen mich, hob ih an, gegen mich, der ich nicht frank bin und zu Ihrem Leben in Feiner anderen, Erziehung stehe, als daß ich eine unangenehme und Ärgerliche Episode darin bilde. Ich danke Ihnen recht vom Herzen, recht brüderlich , aber ih ersuche Sie, diesen Hausrath, der in der jenigen Jahreszeit noch von­ Nugen At, für sich zu­ behalten.” —. „Und, was­ soll ich damit anfangen ? antwortete sie. Ich komme in mein Zimmer nur um zu Bette zu gehen.“ Und ohne meine­r Entgegnung abzuwarten, meldete sie, der Martuceta, mein Frühstück sei fertig und sie werde es sofort auftragen. „Kommen Sie fehnet herunter, fuhr fe fort, sich heiter zu mir Tehrend, wenn Sie nicht­ wollen, daß Ihre frischen Eier wieder hart sind wie gestern.” Und damit hüpfte sie leichten Bußes das Chaos steiler Treppen herab, das nach den steinernen Stiegen der unteren Stockwerte führt, „Je gestern ? fragte ich die Martuceta, die mein Zimmer zu ordnen begann. Ihre Nichte war als non gestern Morgen hier ? Sie fommt Also tagtäglich hieher 2! — „Es natürlfich ! Noch hat sie nicht viel Bestellungen in­ der Gegend, Sie hat ihre Kundschaft theilmweise verloren, aber das wird sich.schnell wieder ‚geben + sie ist so beliebt und arbeitet so gut! In­zwischen wird sie mir meine Kindeh bevienen helfen, wie sie es früher oft gethan hat. Es it ein herziges Mädchen, das mich recht [elt hat, lebhaft wie ein Schmetterling, sanft wie ein Kind, gefällig w­ie ein Engel. Was thut es Ihnen zu Leide, wenn sie im Hause um mich herum trabt ? Sie werden deshalb keinen Heller mehr zu zah­­len haben ; denn sie wartet mir, nicht Ihnen auf.“ Da ich sah,daß hier’eine bestim­m­te Ordnun­g der Dinge waltete,blieb mir Nichtsi­brig,als mich derselben zu­ f­ügen,insoweit sie mir annehmbar erscheinen würde.Das junge Mädchen trug mir mein Frühstück auf:ihre Reinlichkeit,die weit weniger verdächtig war, als diejenige der Tante, ihre Lebhaftigkeit ihre zarten Auf­­merksamkeiten wären mir sehr angenehm gewesen, wenn mich nicht ein gemeiffes, nicht näh­er definirbares Mißtrauen auf die Defensive besehrauft hätte. In ihrem Benehmen gegen mich lag offenbar eine Herausforderung , aber eine Herausforderung mehr zärt­­licher, fast mütterlicher Art, bei der ich mich eines eher rührenden als sehmeichelhaften Eindrucks nicht einwehren kont­te. Sich befehlen, der Sache auf den Grund zu fommen, und da, während sie sich zu mir bog um mir Kaffee einzusehenfen , ihre Wange die eine mehr als nöthig treffte, gab tűr ihr von ganzem Herzen den Ruf, nach dem sie sich zu sehnen schien, J«ch erstaunte,sie errebhen und zi­ sehn zu sehen,als hätte diese Freiheit sie unvermuthet überrascht.Indes den­k’ichi­iir,sie««kann nicht Grisette,hübsch und eine Italienerin,kann nicht z­wei Jahr­e lang als elegante­ 3ofe in der Welt herum­­gezogen«sein,ohne eine«hü­bsch­e Zahl ernsthafterer Abenteuer zu erleben.Auch glaubte ich, um jeder, Komödie Stoffchen und Belden Ein für alle Male ein Ende zu machen, ihr rund heraus eine Trage stellen zu müssen. „Habe ich Sie beleidigt “" sagte ich, sie an mich stehend. — „Nein !” erwiderte sie ohne zu­ zögern und mich mit ihrem schönsten Blicke Tielefofend. — „Habe ich Ihr Mißfallen erregt 27 — „Rein “ — „Sie erlauben mir also zu hoffen... ." — „Alles wenn Sie mich lieben : Nichts wenn Sie mich nicht Lieben.‘ Das war so bestimmt gesprochen,, "daß ich ganz verblüfft pafap. „Was ver­­stehen Sie unter Lieben “" fing ich wieder an. — „Sie wissen demnach nicht, was es ist, da Sie so fragen “?" — „Ich habe niemals geliebt," — „Warum 2” — ‚‚Jedenfalls weil­ ich auf kein Weib gestoßen­ bin, die mir einer Liebe, zwie ig das Wort verstehe, würdig, geschhenen hätte.“­— „So haben Sie nicht gesucht “! — „Die Liebe findet man nicht, indem man furcht. Vielleicht begegnet man ihr in dem Augenblicke, wo man sich ,dessen am ‚wenigsten versieht." — „Bin ih es, die Ihnen der Liebe, wie Sie sie verstehen, würdig erscheinen würde 2! — „Wie soll ich das missen “” — „Sie rennen mich Schon vierzehn "Tage !" “— „Ich kenne Sie eben so wenig, wie Sie selber mich rennen." — „So meinen Sie denn, man müsse sich vierzehn Jahre Tang fennen, um sich zu Leben? “ Manche behaupten das Gegentheil.” — „Ich habe immer noch Feine Antwort, Was­ verstehen, Sie unter [eben " — „Einander angehören.“ — „Für die Tango, Zeit 2“ — „Für­ eben so lange Bett , als man sich Iebt.” — „Seder hat für die Treue sein eigenes Maß. Sch Fenne bag" meine nicht + wie steht es um das Shrige 2" — „Sch Tenne es eben so wenig.” — .. Aß bah 1 Sie haben es noch nie auf die Probe gestellt 2” fragte ich sie mit ernster Miene , und bei mir im Stillen dachte ich + mach’ das Anderen weis, mein Schägchen! — „Ich habe es noch nie auf die Probe gestellt ,­­ weil ich niemals­ eine erwiderte Liebe gekannt habe.” — „Lassen Sie sehen !, erzählen Sie­­ mir davon als­ gute Freundin, das verpflichtet Sie jan zu Nichts !" „Das erste Mal, das war hier , ich war vierzehn Jahre alt. Sch liebte . . . ZTartaglia 17 — „Ihr ergebenster Diener ! hätt’n mir deinen können !! — „Nein! eg war so­­ albern son mir, und er war sc­hen so baßlich! Aber ich fühlte das Bedürfnng zu­­ eben, Er war der Erste, der zu m­ir von Liebe sprach wie zu einem jungen Mad­­en, und ich war es so überdrüssig, als Kind behandelt zu werden.” — „Sehr schön! mindestens find­eie offenherzig, "Und , 7 . er war Ihr Liebhaber" — „Er hätte es sein Töntten, wenn er es besser verstanden hätte, mich zu betrü­gen , aber ich hatte eine Freundin, der er zu derselben Zeit wie mir den Hof machte und die mich in’s ver­­trauen 304. Da schworen wir uns denn Beide, nachdem wir und statinten satt ger meint, einen heiligen Eid zu, ihn zu verachten; und indem mir, durch einen Rest von Eifersucht gestachelt, feine Häßlichkeit und feine Dummheit gegeneinander nach besten Kräften hervorhoben , gelang es uns, uns von der Lebe zu ihm so volltändig zu Fuh­­­ren, daß mir ihn nicht mehr ansehen, ja nicht mehr von ihm sprechen konnten, ohne in Lachen auszubrechen.” „But! was den betrifft, so bin ich beruhigt ! Und der Zweite 2 ° — „Der Zweite Fam viel später, Unglü­tt zu etwas gut. Der Widerwille und die Scham, fir Tartaglia ges­cmwärmt zu haben, machten mich mißtrauliger und genuldiger, Diese Burschen bhoffrten mir, Feiner gefiel mir, Ich verachtete die Männer, und da mich das in den Ruf einer jungen und spröden Dirne brachte, fanden meine Kofetterten um mein. Hochmuth ihre Rechnung dabei, Breilich Tang meilte mich meine Hochnäfigkeit manchmal trogdem ist es immer ein GTad für mich .gewesen, Daß ich dabei verblieben bin, Hätte ich mich, mittellos mie ich war, als ganz junges Ding verheirathet, so stände ich heute da, im Elende, mit Kindern, stelle icht obendrein noch mit einem bru­­talen Menschen, mit einem Trunfenbolde oder ‚Saulpelz, auf dem Halse.“ — „Und die zweite Liebe 27 — „Geduld, ! es war Lord “" — ,D weh! und ich hielt ihn für so tugendhaft " — „Er­st es auf, Er hat mir niemals den Hof gemacht und hat niemals erfahren, daß er ihn mir Hätte machen dürfen.” — „Wieder eine Feufche Liebe “" — „Eine Liebe ist immer Feufch, wenn sie aufrichtig ist, und da Lady Harriet von ihrem Gatten nichts wissen will, obschon sie um des Anstandes und Geredes willen eifersüchtig auf ihn ft, hätte ich in allen Ehren insgeheim ihre Nebenbuhferin sein können, ohne den Hausfrieden zu flören. Doch dazu kam es nicht, weil ih.­­ eines Tages in Paris Milord betrunken sah. Das begegnet ihm nicht häufig, nur wen er einen Zuwachs von Berger hat. Ich mußte ihn abwarten, damit seine Frau nichts merkte. Da kam er mir im Rausche so häßlich vor, so alt mit feinem fahlen Seftchte und feinem Haupte ohne Perücke, furz so pusig in feinem Unglüse, daß es mir von Stunde an unmöglich war, ernsthaft an ihn zu denken. Er ist ein vortrefflicher Ment, der Einzige von der ganzen Familie, den ich vermifse , aber wenn man ihn mir zum Bater oder zum Manne anböte, so wü­rde ich ihn zu meinem Vater wählen.” — „Genug von den Beiden, bei denen Ihr guter Stern Sie zur rechten Zeit von Ihren Stusionen befreit hat , doch der Dritte?! — „Der Dritte? Das find­eie m Diese sebenswürdige Antwort verdiente noch einen Ruf.. „Warten Sie r­ief sie, nachdem sie ihn sich hatte rauben lassen, Da Sie ein offenherziger Mensch sind muß ich Ihnen Alles jagen, Ich habe Sie bis zur Narrheit geliebt , das hat aber sehr. nachgelassen und gegenwärtig würde ich mich davon zu Beilen im Stande sein wie ich mir die Anderen aus dem Sinne geschlagen habe.” — „Sagen Sie mir, w­as ich zu dem Behufe thun müßte, damit ich es vermeide.” — „Sie müßten versuchen mich zu betrügen ; und da Sie damit nicht zu Stande kommen­­wirden , . , würden Sie mir sofort zumider werden,” — „Was verstehen Sie denn unter betrügen 2” — „Die Medora geben und mir das Gegentheil weis machen wollen,” — „Auf meine Ehre ich liebe sie nicht ! eben Sie mich jept 2” — , Ha ! erwiderte sie mit Entfehloffenheit, wobei sie sich aber meinen Armen entwand, Allein hören Sie was ich Ihnen no zu sagen habe." — „Ich weiß es, sagte ich übellaunig, Sie verlangen, daß in Sie heirathe 2" — „Nein! ich will mich nicht verheirathen, ohne die Beständigkeit meines Liebhabers und meine eigene mehrere Jahre lang auf Die Probe gestelt zu haben, Und da Sie mir in dieser Beziehung nichts versuiegen und ich meinerseits Ihnen eben so wenig versprechen kann, so denke ich bei Ihnen an Feine Heirath," — ‚Mal denn macht Sie zögern 2" — „Daß Sie mir und­ nicht gesagt haben, ob Sie mich Lieben « —­»Auch Jorekcpesinitten der Liebe,di­e"auf«Zis««Eins anderi Angehören hinausii­uft können wir unsi alloch gar nicht lieben.«—,,Oh!­Hart da signor mio Ürief sie, indem sie mich mit ihrem feuchten Blide wie in ein Meer der Woluft einhite mir über ihre Hände entzog, die ich über den Teisch Hin ergriffen hatte, Sie fin fein und ich bin nicht dumm. Auf dem Punkte, wo Mir mit­einander steben, beißt si lieben, Luft Haben sich zu Heben. Die Sehnsucht danach muß groß sein auf jeder von beiden Seiten. Die der Frau ist niemals zweifelhaft, weil sie ihre Ehre dabei auf’s Spiel fegt. Die des Mannes Tann seht unwohl­ nichts weiter sein, als ee augen­­blickliche, schnell verfliegende Laune, weil er nichts dabei risfirt, „Nun es scheint doch, dab ich mein Leben dabei risfire, wenn das, tag Ste mir son Ihrem Bruder und von Ihren anderen Verw­andten gesagt haben, wahr ist“” — „Das if leider nur zu wahr. Mein Bruder, der fast immer abwesend oder betrunk­fen tik, überwacht mich nicht , aber es braucht ihm nur eine boshafte Zunge etwas In den Kopf zu fegen, und er wäre im Stande, Sie zu ermorden.“ — „Sppön! besto besser,, Daniela! Ich bin entzüdt , daß ich diese Gefahr zu laufen habe, um Shen zu betreffen . . — „Daß Sie Feine Memme sind? Das bewert Nichts weiter! Ich muß die Gemwißpeit Haben, Ihre Liebe gegen meine Ehre einzutauschen.“ I „Ach, meine Liebe­­ Bradh ich ärgerlich 108, Das ft nun fon das zweite Mal, bab Sie mir mit dem fejverfälligen Worte da Fommen ; sprechen Sie es nicht zum dritten Male aus , oder Alles ft zvischen ung zu Endes“ Sie betrachtete mich erstaun­t ; dann sagte sie, die Arfeln suchend : „ich verstehe, Sie glauben nicht daran? und freshalb glauben Sie nicht je van?" — „Werden Sie nicht böse ! Vielleicht würde­­ dj daran glauben, wenn ich vitat was Sie darunter verstehen.” — „Das Wort kann nur auf Eine Art gedeutet sterden. Ein Mädchen‘, welches liebt, ohne daß ihr dabei,der Gedanke der Heirath sorfehwebt , ist ein gefallenes Geschöpf, Ted­r Mann glaubt sich berechtigt, von ihr zu verlangen, sie wolle ihm angehören ; und wenn sie widerficht, verschreit und beleidigt er sie.“ : „Sie reden mit mir, meine Befte, als hätten Sie­ niemals mit irgend einem Manne zu schaffen gehabt. Wenn dem so wäre, so­ geb’ ich Ihnen mein Ehrenwort daß ich nicht Danach­ streben würde, der Erste zu sein.“ — „Und warum das 2” “ „Beil ich zu jung und zu aren bin, um Ihnen eine Stüge zu sein, für den Fall daß unsere Liebe von Dauer sein solltes; und weil ich mir anderenfalls einen Vorwurf daraus machen würde, einer Person zu sehaden, die mir Freundschaft bezeugt und si meiner angenommen hat.” — „Es ist gut !” sagte sie nach kurzem Sinnen, Und wenn sie so nachdentt, nimmt ihr für gewöhnlich jedes und sinnfiches Gesicht einen eigen­­thümlichen Ausdruch von Energie an. Dann stand sie auf und machte sich, um unsere Unterhaltung abzubrechen, mit der Wegräumung des­ Gededes zu thun. Er wollte das Gespräch wieder anknüpfen: sie schüittelte schweigend den Kopf und stieg leichten Schrittes die Treppe nach dem Garten herab. Ich hatte große Luft ihr nachzueilen um mir Betreibung von ihr zu erzw­ingen , da ich vom Fenster aus bemerkte, daß sie alein war. Ich rief sie zurück; sie rührte sich nicht, Ich fand ein paar Augenblicke unschlüsfig da, von einer Aufregung erpackt, die­ mich selber erfehreszte. Das war nicht b­os, wie bei der Medora, ein Aufruhr der Sinne: es war ein lebhafterer Reiz, den die Heberlegung weder fortzuraisoniiren, noch zu beschwichtigen vermochte ; Buntfesung folgt.) : ; · Verantwortlicher Redakteur een Schnellpreifendeuf von Emil Müller, Dorotheagaffe Nr. 12, — Verlag der Petter Bloybgesellschft, a iv, aa‘

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