Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1861 (Jahrgang 8, nr. 225-251)

1861-10-09 / nr. 232

Mittwoch , 9. Oktober. Hr. 232. Def. 1861. (Die einzelne Nummer Koftet 4 Er, 5. W.) Abendblatt as Pester Lloyd, H, Wien, 8. Oktober, Die Herrn v. Mailath bewilligte vierzehntägige Urlaubsverlängerung Läuft Dieser Tage ab, und verfehlte wird, wie ihnen bereits­ gemeldet wurde, übermorgen hier erwartet. Man­ behauptet, daß er sich bereit erklärt habe, die Würde des " Tavernitus" als Neidig­­barons auch, fernerhin beizubehalten, zugleich aber beabsichtige, sich von jeder Einflußnahme in die Administrat­ion zu ent­­halten, so daß die Leitung der Statthalterei auch Finstig­­lein von Herrn v. Károlyi geführt würde, = Graf Apponyi wird täglich hier erwartet. Der Herr Tavernitus sol nach wenigen Tagen hier ein­­treffen, und Baron Sennyey, entnehmen wir der „Part. Korr.”, war­ vorgestern mit dem Schnellzuge nach Wien geeilt und ist gestern, nach geschehener Unterredung mit dem Grafen Forgäach, gleichfalls nach Pest gegangen. Gleich­­zeitig Begegnen wir im „Him­ef“ einer Wiener Korrespondenz, die deutlich ahnen sst, daß man in der ungarischen Stof­­fanzlei sich zu neuen Schritten anfchiet. Das Schreiben ist zu sehr bezeichnend für die Situation, als daß wir es nicht seinem wesentlichen Inhalte nach folgen lassen sollten. Nach­­dem es vorausgefhiet, daß Ritter v. Schmerling nie in so guter Laune gewesen, als seitdem unsere Komitatskon­­missionen ihre Auflösung veranlagten, fährt es fort : In Privat- und Öffentlichen Kreisen protestirt Herr v. Schmerling entschieden gegen alle ihm aufgebürdeten absolutistischen Tendenzen ; er trachtet Ledermann, besonders aber den Monarchen nur davon zu Überzeugen, daß, so wie Oesterreich weder in Deutschland, ndr neben Deutschland mehr ohne Verfassung einlt­ren könne, eben so wenig künnte die Monarchie ohne die Goeb­heit und Gemein­­schaft(ui­m fett der konstitutionellen Institutionen regiert werden, und daß mit der Einheit und dem Fortbestand der Monarchie fest Schon nicht allein das 1848er ungarische Mi­­nisterium, sondern die Munizipalautonomie unvereinbar sei. Herr 9. Schmerling beruft sich auf sämmtliche europäischen Konstitutionellen Monarchen ; in allen liegt die Exekutive und die Verwaltung in der Hand der Negierung ; selbst in dem unvergleichlich freien England, Belgien und Norwegen besteht blos Geme­inde- Autonomie, die Kreisämter vertichetet die Regierung. Herr v. Schmerling hält es für eine Ano­­malie, daß der Monarch die Eremativgewalt in den Komita­­ten mit den Unterthanen theile. Im späteren Verlaufe des Artikels sucht der Korre­­spondent die Schwierigkeiten zu­ fehildern, mit denen Graf Vorgach zu kämpfen habe und wie sehr er bemüht sei, den 1847er Standpunkt zu erringen. Der Korrespon­­dent schreibt : Die sch­wierigste, unangenehmste Lage ist der ungarischen Hofkanzlei zu Theil geworden , welche von der Wiener Nea­­­tion und der revolutionären Politik der ungarischen Nachtfalen ins Kreuzfeuer genommen, und von den um die Macht mett­­eifernden österreichischen und ungarischen Zentralisten gleich verleumdet, die alte Verfassung und die Grundrechte Ungarns von Schritt zu Schritt zu vertheidigen und zur Geltung zu bringen strebt,­­­ ohne in diesem Kampf von Seite der inter­­efsirten ungarischen Nation gehörig unterfragt zu werden. Die ungarische Kanzlei gleicht dem Trupp entschlossener Krieger, welcher eine isolirte Position nur deshalb­ befeit hält, um den vordringenden Feind m wenigstens so lange zurückzu­halten , bis die durch Anarchie desorganisirte Nationalarmee disziplinirt und zu geießlicher Führung geeignet­­ sein wird. Die Natur der Sache bringt es mit sich, daß dem Kanzler Die Rettung der Komitate die meiste Sorge macht,­­ in deren Vernich­­tung das Streben der ungarischen Resolutionspartei (­ 9) den Wünschen des Herrn 9. Schmerling so wunderbar begeg­­net. So wie Graf Forgach zur Zeit, als er seine Stel­­lung übernahm , sich es zur Bedingung machte, daß durch Herrn 9. Schmerling seine direkten Reichsrathswahlen ange­­ordnet werden, so wendet er alle aus der Macht der Krone fließenden Mittel an, um der gemäßigten Partei in Ungarn Mittel zu bieten, daß sie Die autonome Bermültung der Ko­­mitate fi­ sichern. Er hat das Prinzip aufgestellt daß­ die einzelnen Komitatskomm­issionen nur in den Äußersten Fällen suspendirt werden. So verbleiben die Kommissionen von Heves, Bihar und Dedenburg. Um jeden denkba­­ren Vorwand zu beseitigen , als ob die Beamten genöthigt wären abzudanfen, weil sie zur Durchführung geheimwidriger Aufträge genöthigt werden,­­ hat der Kanzler erwirft,, daß die Instruktion der Obergespane dahin modifizirt werde , daß die Kremttatsbeamten nicht gendthigt seien, bei der Steuerein­­hebung mitzumirfen. Er erwirkte ferner , daß in­ Anhoffung eines baldigen ungarischen Reichstages die Nefruth­ung in Ungarn dieses Jahr unterbleibe. Schließlich erwirkte er , daß für jedes Komitat, welches bisher keine Domestikalsteuer eingehoben hat, die Munizipalkosten durch die Statthalterei aus dem Norar ange­wiesen werden. Niebrigens ist bekannt , daß der Kanzler seine gegenwärtige Stellung (die ihn nicht in eine günstigere materielle Position brachte, als die Prager Statthalterschaft, ja die prosaische Seite der Sache betrachtet, bezog sein Vor­­gänger in der Hofkanzlei einen um 8000 fl. größeren Gehalt) nicht besucht hat; — er nahm b dieselbe auf den entschiedenen Bun­h Sr. Majestät an, in der Hoffnung, daß er im Stande sein werde, seinem Vaterlande wüsliche Dienste zu Leisten. An dem Kanzler wird es gewiß nicht fehlen, daß die ursprüngliche Berfaffung sammt allen Rechten wieder hergestellt werde, in deren Genuß die Nation vor 1848 gerwesen. Und wenn ich die Sache richtig auffaffe , so hat die 1848er Verfassung nur soziale Reformen geschaffen,, unsere Kardinalrechte aber nicht vermehrt ; die ministerielle Zentra­­lisation aber, welche wir dem Märzfieber zu verdanten haben, ist ohnehin schon das Grab der altehrwüchtigen V­erfassung. Dereinigen wir uns also gegen die deutsche und die unga­­­rische Zentralisation. Unsere Kollegen hier werden die Antwort nicht [hhuldig bletben, dessen sind wir gemiß. Heute wendet sich „Naplo“ gegen den Paffus in der kürzlich aus der Staatsbruderei an die Numänen, Slaven und Neuthenen gerichteten Broschüre, in welcher es heißt, daß durch den 26. Feber von den Necten der ungarischen Geiesgelung nur diejenigen Konfiszirt wurden, welche die Militärpflicht, das Finanzwesen, die Handels- und die nationalökonomischen Interessen betreffen­­ , Rapló" sagt : Nach Uebertragung der oben erwähnten Rechte auf den Reichsrath würde, sagt man, das Gesettgebungsrecht des ungarischen Reichstags in Bezug auf das Privatrecht belassen werden. Wäre dem aber wirklich ív ? Würde der Reichsrath nicht bald auch auf diesem Felde die Hand nach den Rechten der ungarischen Legislation ausstreben ? Machen wir nicht die Erfahrung, daß die Korporationen siel geneigter sind ihre Macht auszudehnen, als einzelne Autofraten? Es ist das eine alte Erfahrung, welche vom römischen Senat bis zum engli­­schen Parlament alle Zeiten bestätigen. Und die Logische Entwicklung der Dinge­­w­rde die volständige Verschmelzung mit der Monarchie herbeifü­hren, sobald Ungarn auf den Batts­ten des Reichsraths Plan genommen hätte. Das Strafrecht gestaltet sich überall nach dem Staatsrecht. Dem einheitli­­chen Desterreic gegenüber würden sich neue Pflichten heraus­­bilden, auf deren Uebertretung not­wendigerweise das Parla­­ment der Gesammtmonarchie die Strafe diktiren würde. Und das bürgerliche Privatrecht ? Bietet der Zusammenhang,, in welchem die Handelsangelegenheiten mit den Kreditgefegen, und die Finanzangelegenheiten mit dem Gefälle, der Erbsteuer u. s. w. stehen, nicht genug Stilspunkte zur Gebietsausdeh­­nung ! Und würde die Zentralisation,, welche auf diese­ Art ihr Gebiet erweitern würde, nicht zulegt auch unsere auton­men Institutionen bei der Förderung der Reichsinteressen un­­bequem finden ? Bem­ündet Das nicht bereits das Organ der Wiener Negierung, die „Donauzeitung“ ? Und würde nach fo telen Gebietserwerbungen nicht Die Frage auftauchen, ob es noch der Mühe werth sei, die offen eines besonderen Land­­tags der Ungarn zu deden, eines Landtags, der kaum etwas Beac­htensmwerthes zu thbun hat ? — Der Reichgrabh würde den Ambitionen, dem Streben nach Einfluß ein Feld eröffnen. Un­­sere Staatsmänner würden sich dahindrängen, und anstatt der fraftooffen ungarischen Sprache würden sie streben sich die offizielle deutsche Sprache dermaßen anzueignen, daß sie darin denken, Staatsschriften verfassen, und mit den deutschen Dok­­toren in die Schranfen treten Fünften. Und die Leichtigkeit und Fertigkeit in deutsch sprechen und schreiben,, mü­rden sie sich auf Kosten der ungarischen Sprache erwerben. Auch un­­sere Sournalistik würde allmälig ihre Selbstständigkeit verlie­­ren. Sie würde nach Wien ziehen und gleichfalls deutsch werden, wenn sie auf jene Faktoren wirken wollte, die über unsere michtigsten Angelegenheiten entscheiden. Und mohin versinft eine Nation, deren intelligente Klassen entnationalisirt werden! Nur ein Blinder sieht nicht, daß die politische Reife und Zivilisation unserer Nation in Gefahr schmwebt ; und mit der Beseitigung dieser Gefahr hat sich der 1SKler Landtag ein unsterbliches Verdienst erworben. Aus Klausenburg geben dem „Naglo” wichtige Nachrichten zu, der Korrespondent schreibt : „ Das Siebenbürger prosiforische Gubernium berieb­ über das Landtagseinberufungsschreiben drei Tage lang, und es erklärten sich von den 12 Närben 7 (lingarı) gegen die Promulgirung, 5 aber (Rumänen und Sachen) für die Be­­kanntmacung des F. Einberufungsschreibens. Aldultanu begann die Diskussion, und obwohl er anerkannte, daß bei den 1848er Gefegen die Abhaltung des Landtags unmöglich sei, so drang er noch wegen der gespannten Stimmung der Na­­tionalitäten auf die Promulgation. Diese Auffassung theil­­ten auch die übrigen Rumänen. Konrad Schmidt wollte die ungarische Verfassung nicht anerkennen, und erklärte sich auf Grund des Oktoberdiploms für die Promulgation. Nach Beendigung der Situing telegraphirten sie eine ganze Stunde nach Wien. In der Vertheidigung der 1848er Gesege zeich­­neten sie besonders Graf Mito und Bishof Haynald aus. Die Majorität erklärt sich demnach für die 1848er sanktionirten Gefege, und hat auch die Vorlage in einem solchen Sinne machen Taffen. Im Verweigerungs­all wird das ganze Cubernium zurüc­­reiten Aus Wien erfahren wir, daß Herr Bischof v. Strofmeyer gestern die Reise nach Pest angetreten. Im „AUfeld“ laßt Herr Aldunat aus Bukfurest eine Warnung an die ungarische Jugend ergeben, daß sie „den heimatlichen Herd nicht verlasse , um über die Do­­naufürstenthü­mer den Weg nach Italien zu nehmen, in der falschen Meinung, man würde sie von Gala aus unentgelt­­li befördern.” Politische Rundschau, 9. Oktober. Die Bros­­chüre ‚Rhein und Weichseld ist, was ihren Ur­­sprung betrifft, auch in Paris noch nicht enträthselt. Der „Indep.‘‘ wird versichert, sie sei direkt inspirirt, ein Pa­­vier Korrespondent der , A. Pr. 3.” will ihr gar feinen französischen, sondern einen [lavyischen Ursprung an­­weisen. Diese Bermuthung ist nicht unwahrscheinlich; von

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