Pester Lloyd - Abendblatt, August 1863 (Jahrgang 10, nr. 174-197)

1863-08-01 / nr. 174

Politische Ruundschau,1.August.Fried­ sei ihr erst Geläute.Diesen Wahlspruch der»Glocke«haben jetzt die offiziellen und offiziösen Zeitungen durch ganz Europa angenommen.Die­»France«weist auch heute wieder mit großer Energie den Gedanken zurück,daß Frankreich auf eigene Hand etwas in der polnischen Frage unternehmen solle.Ebenso wenig hält er den Augenblick für gemeinsame kriegerische Maßregeln der drei Mächte bekommen,man wü­sse eben weiter unterhandeln« Die»France«sieht einen großen Vortheil auf Seiten Europa’setzungen,nämlich die roli­uithuß­­lands.Isolirt zu sein ist für einen Staat ersten Ranger schlimmer als eine Niederlage,seine Impulsionskraft wird ge­­schwächt,seine Thätigkeit auf seine Grenzen beschränkt;er wird von der allgemeinen Bewegung der Völker ausgeschieden und zu einer unfruchtbaren Thatlosigkeit verurtheilt.Frankreich war freilich 1789 und 1804 auch isoliert,aber es hatte dabei die allgemeine Sympathie für sich,welche es mit allen Hoff­­nungen des liberalen Europa verbrüderte.Ganz anders steht es jetzt mit Rußland,das die öffentliche Meinung Europa’s wider sich hat­ und schlimmek daraur ist,als wenn es im offenen Kriege wäre.Die drei Mächte werden ihm der Krieg nicht erklären;wollt­ sie sie auch ihre Botschafter auf Urlaub gehen lassen,so wird das noch lange kein Bruch sein,sondern nur eine in den Witterungsverhältnissen liegende Erkältung,aber Rußland ist isolirt.Frankreich hat das an sich selbst empfun­­den,was es heißt,eine solche Quarantaine durchzumachenz das JulL Königthum ist 18 Jahre lang von Rußland sofk-ns’cig behandelt worden,daß ihm daraus großes Unwohlbefinden und all­gemeine Schw­eiche entstand.Schließlich ging esworr der Reaktion des beleidigten Nationalgefühls zu Grundis. Ruflands Stellung heute ist noch sehlimmer als die Frank­­reiche damals. Anger dieser Hoffnung, die pointige Frage nach 18 Jahren gelöst zu sehen, gibt das bei Hofe mieder zu Gnaden gekommene Journal (der Direktor der ,drance" sol nächstens deforirt werden) einige faktische Mitthei­­lungen über die diplomatische Lage: Dean schreibt ver , crance" aus London, bag die französische Note, ungeachtet ihrer etwas trüdnen Form, auf die Regierung einen guten Eindruck hervorgebracht habe, weil sie nuit den Charakter eines Ultimatums habe. Das Londoner Kabinet schwankt noch zwischen drei Maßnahmen : der Absendung getrennter Noten mit identischen Konflusionen, der­­ Absendung identischer Noten und der Notendung einer kv Letttonote. In beiden legteren Fällen s­chnieht Lord Ruffell die Zurkenahme einiger allzu herber Ansprü­che des französischen Entwurfs, im ersteren Falle eine etwas mildere Konkluion und Frankreich wird diese ohne Zweifel gern zugeslehen, denn es wi zur möglichsten Evidenz bringen, daß es vom Geiste der höchsten Mäßigung beseelt­­e. Die französische Regie­­rung wäre indessen für eine von Oesterreich zu üb­er­­reichende Kollek­tivnote. Ferner glaubt die „Srance” nach den neuesten Nachhriten aus Petersburg annehmen zu dürfen, daß Rußland si versühnlicher zeigen werde, und widerspricht entschienen dem Gerüchte, daß Nahland die Ausfuhr von Ge­treide, Del und Vieh verboten habe. Die Nachrichten des frangästischen Blattes in ihrem Bulaemmendange — so sagt die „Wiener Adentpost" in Bezug auf die vorsichernen Mittheilungen — zeigen zur Gerüge, daß man, unweit entfernt Davon zu positiven Ent­­fliegungen gekommen zu sein, die diplomatische Verstän­­digung mit Ruhe und ohne Uebereilung weiterführt. Die Stimmung, melde prayalirt, drängt eben auf seiner Seite zu zieloser Mederslärzung. Diese Ansichten führt das offizielle Blatt in einem selb­tständigen Artikel­met­ter aus, von welchen mir folgende bezeichnende Stellen hervorheben : Verantwortlicher Redakteur:Kaereißkircher. HCWI Menvruc von Emil Müxlxk«Dorothmngasse sih 1, Seh, 1868, — Derlag der Pefler Rieybgesellshaft, Es mar wohl vorherzusehen, daß das Bekanntwerden der russischen Antivorten die öffentliche Meinung in Europa bis zu einem gewissen Grade aufregen würde. Man hatte sich so sehr an den Glauben gewöhnt, Rußland werde die gewiß nicht unannehmbaren Vorschläge der drei Mächte acceptiren, daß der Rücschlag natürlich ein sehr empfindlicher sein mußte. Die Kriegspartei, die wir für den Umweg der vollkommenen­ Unab­­hängigkeit Polens in so vielen Ländern Europas wirken sehen, bemächtigte sich dieser Stimmung. Aber nicht lange währte ihr Einfluß; die Leidenschaften berichtwichtigten sich: die Ernüch­­terung der Geister fand bald satt und mit ihr Fam die Er­­­ fenntniß, daß die Bemühungen der Mächte zur Erhaltung des Friedens nicht nur nicht erschöpft seien, sondern daß die theil­­weise negative, theilweise aus­weichende Erwiderung Rußlands seinesfalls als Substrat für einen Kriegsfall anzusehen sei. Soweit die polnische Trage eine Rechtsseite aufzuweisen hat, "muß wohl bedacht werden, das Rechte zwar erzwingbar sind, aber nicht erzwungen werden müssen. Die Sym­­pathien für die polnische Sache mögen noch so hervortretend sein, so versteht sich Doch von selbst, daß sie nicht in Anschlag gebracht werden dürfen, wenn es sich darum handelt, den eurn­­salfchen Frieden auf das Spiel zu geben. In diesem Falle kann nur das eigenste und vitale Interesse aller betheiligten Mächte maßgebend sein. Wir haben beeihm­ bei geeignetem Anlasse Con­­statirt, daß in den bisherigen Schritten der drei Mächte durch­­aus Feine Provofation Tag. Wir glauben auch heute noch­, daß die Mittel zur friedlichen Begleichung des Konfliktes nicht er­­folgőpft sind und das der Hoffnung, Rußland zu einem billigen Mafe von Nachgiebigkeit zu bestimmen, nicht entsagt werden muß. An telegraphischen Depeschen sind mitzutheilen : Turin, 30. Sult. Die Esfadre des Admirals Pro­­vana, aus acht Fregatten und einem Asiro bestehend, wird sich in Cagliari versammeln und die sizilianischen und neapolitani­­schen Häfen besuchen. Die Kammer genehmigte die Aushebung von 55.000 Mann der ersten Altersftaffe und die Bewaffnung der Nationalgarden. Die „Stalin meldet: Die französische Polizei in Rom hat bei dem sp3Tfanischen Gesandten eine Sausruchung vorgenommen. In­folge dieser Vegtern hat die päpstliche­­­egierung dem Vertreter des Großherzogs die Päsfe zugestellt. — In Folge der neuen Verfügungen stellt sich aus allen Theilen Siziliens eine beträchtliche Zahl von Auf­­rührern freiwillig. « Flensburg,30.Juli.In der Ständeveramm­­lung sind nur drei Stellvertreter erschienen.Die dänise Mi­­norität verwahrt sich gegen die aus der Mandatsniederlegung erwachsenden Konsequenzen.Der Kommissär verliest eine Mini­­sterialerklärung betreffend die Mandatsniederlegung der Depu­ Eine.Die Ständeversammlung wurde geschlossen. Nachrichten-Ins Tiflis vom 2.d.M.zufolge soll im ganzen Kaukasus eine weitverzweigte Verschwö­­rung gegen die russische Herrschaft bestehen. VWien HZLIulLAND-rbeutigeanrbörfe gingen Kreditaktien von 190.10 auf 189.iks:zxixi«te1".Nordbahn1708——10, 18()(-er Lose 101.45­—55.Die Mittagsbörse zeigte ziemliche Festigkeit,Staatsfonds für ausländische Rechnung begehrt und höhere,ebenso verlosbare Pfandbriefe,sowie die meisten Gat­s­tung in Grunoentlastungsobligationem Kreditaktion durch Spe­­kulationsverkäufe bis 189.70 gedrückt,schließen wieder höher. Sloyvaktiken stiegen um 5 ff.,auch Pardubitzex beliebter.Wechsel und Komptanten etwas steifer.Geldsehrflüssig.Schlußkurse: Kreditaktien190.4(),Nordbahn17«».­9,Staatsbahn192,1860er Lose101.­50,Kreditlose138.35. (Tcl.)An der Abendbörse war die Stimmung eine gei­rs­chte.Kreditaktien bewegten sich zwischen 190.10 und 19().(.0.Schlußmattem Kreditaktien190.10—­190.20.1860er Lose100.00——100.70(nach der Ziehung).Nordbahn1708——1709. Pariij­,81.Juli.Schlußkaffeespot Rente 10 Ets. schwächer,66.85.Credit Mobilie71035.Staatsbahn425.Lom­­barden550..Konsols971-sgemeldet. a GE]

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