Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1868 (Jahrgang 15, nr. 1-25)

1868-01-22 / nr. 17

n­­ Abendblatt des Pester Lloyd. ( Alittweg, 99, Jänner, RT ( ee) Nr. 17. Die einzelne Nummer Toftet 4 Ír, b, WB) Def, 1860. a Tel. Depeschen des „Pester Lloyd“. Wien, 22. Jänner. Originaldepesche bey „Bester 2 Lloyd”) An der vergangenen Nacht ist aus Waris von Herrn Riss, dem dortigen Bevollmächtigten des ungarischen Finanzministeriums, folgendes auf das ung. Eisenbahn:2Qinleben bezügliche Telegramm eingelaufen: „Dies ist beendigt. Die Rifi­­chen sind bereits an den Mauern von Paris ausgehängt. Alles geht vortrefflich.” Prag, 22. Züme. (Originaldepesche des „Better Lloyd“) Gestern Abends wie­­derholten sich hier die Straßenfkandale. Während der Vorstielung im deutschen Theater fand eine großartige Hafenmusik statt und wurden eine Merige­fenster einge­­worfen. Schließlich mußten zwei Bataillone SAinfanterie und eine Abtheilung Husaren ausrücken, denen es gelang, die Straßen zu räumen. AMaram, 22. Jänner. (Originaldepe iche de3 "Petter Lloyd") Der hiesige öffent­liche Notar Rote ist wegen unrechtmäßiger Aneignung fremder Gelder im Belaufe von nahezu 20.000 Gulden soeben durch die Gendarmerie verhaftet und der Kriminal­­justiz überliefert worden. Wien, 22. Jänner. Originaldepesche des „Reiter 2loho") Die Regiefosten für die fundirte Staatsschuld werden von beiden Neichshälften getragen, aber nicht in das Neichsbudget, sondern in die Spezialbudgets beider Hälften nach dem BVerhältnis von 22 zu 78 eingestellt. (Siehe erstes Wiener Telegramm im heutigen Morgenblatt.) Wien, 22. Jänner. (Originaldepetche des „PBeiter Lloyd") An fänstliche Statthalter sind Messungen bezüglich der Beeidigung der Beamten auf die Berfaffung im Wege von Reversen ergangen. Der Statt­­halter von Tirol, Graf Toggenburg, hat um Enthebung von seinem Posten angefucht. Staatsrath Hal­b­­huber sol zum Statthalter von Mähren befigz nirt sein. . Bien, 21. Jänner 10 Uhr 55 Minuten. Borböärfe, Kreditaftien 186.10, Nordbahn­­, Staatsbahn 245 10, 1860er Lofe 93.90, 1864er Lofe 77.50, Napoleonsbor 9.55, Steuer­­freies —, ungarische Kreditastien —, Lombarden 163.36. — Sehr fest . Gransfurt, 21. Jänner. Abendpfurfe. Brevit­astien 184.62, Staatzbahn 2:3.12, Amerikaner 76, Neue Steuer­freie —, 1860er Lofe —, Newport, 21. Spanner. Mechtelfurss auf London 109%, Goldagio 39%, Bonds 110%, Baumwolle 17, Betr­­ium 2442, Mais per Büschel 1.33. Stettin, 21. Jänner. (Getreidemarktt) Weizen Info 89%.—99­/;, per Frühjahr fehlt, Roggen Info 75177, 2 Frühjahr 77 °/4, Del Iofo 10, per Frühjahr 10%, Spiritus fo 1/4, per Frühjahr 20%. bi­. Aus den Delegationen. I. Delegation des ungarischen Reichstages. D. C. Wien, 21. Jänner. Um 11 Uhr eröffnet der Mterspräsident die Sikung. Der provisorische Schriftführer Graf Bethlen verliert das Protofoll der gestrigen Sikung, wobei auf Bónis Antrag Bartal blos als „nicht erschienen” und nicht als „zurücgetreten” genannt wird. Erengery verlangt, daß diesmal, mie überhaupt in allen offiziellen Altenstüden, die Delegation nach dem Wortlaute des 8. 38. Gefegartikel XII. 1867 „zur Behandlung der gemein­­samen Angelegenheiten entsendete Kommission” genannt werden möge. Die Bersammlung stimmt dem zu. Auf Kärolyi’s, Palffys und Somffih’s Verlangen wird als der Bericht über die Vorstellung bei Sr. Majestät sammt den bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden des Alterspräsiden­­ten" und Sr. Majestät ins Protokoll genommen. Koch verlangt Szögyényi, daß das Präsidium des ungarischen Unterhauses aufgefordert werden möge, den Brief Bartaló brevi mann einzusenden ; doch bemerkt Bónis, was dies­­et nicht zur Sache gehöre, und er wird somit zu der auf der Tagesordnung stehenden Präsidentenwahl gefäh­rten. Zwar verlangen einige Delegirte, unter diesen besonders Manojlovics, daß die Stimmzettel für die Schriftführerwahl gleichzeitig abges­­eben werden mögen. Doc wird im Sinne des gestern ange­­nommenen Wahlmodus vorerst nur für die Präfidentenwahl ab:­­gestimmt. 63 sind 50 ° Stimmzettel abgegeben worden. Der Borz­fißende enthielt sich der Abstimmung, 9 Mitglieder waren abs wefend. Zum Präfidenten ist mit 44 Stimmen Paul Somffid gewählt. Der Alterspräsident fragt hierauf die Versammlung, ob er den Präsidentenstuhl sofort dem gewählten Präsidenten ab­­treten, oder früher wo die Schriftführermahl leiten solle. Die Versammlung entscheidet sich für das Lektere. Zum Schriftführer it mit 47 unter 49 abgegebenen Stim­­men Ludwig Horvath gewählt. Alterspräsident Graf Anton Majlath: Indem ich so glück­ bin, das Wahlergebniß zu emund­ren, bitte ich den Herrn P­räsidenten, mir zu erlauben, der Erste zu sein, der ihn zu seiner, auf Grund des durch Verdienste erworbenen Vertrauens erfolgten Wahl beglückwünscht, und den aus der Tiefe des Her­­zens kommenden Wunsch ausspricht, daß die göttliche Vorsehung ihren Segen gebe zu seinen schwierigen Bräfm­­algeschäften und es so füge, daß unter seiner weisen Leitung die Dinge sich so entwickeln­ mögen, daß wir, unsere patriotischen Pflichten im vollsten Maße erfüllend, die Anerkennung der Nation uns erst werden. Ich habe auch noch eine persönliche Schuld abzutragen. 68 ist dies die Schuld der Dankbarkeit an jedes einzelne Mitglied der a. Delegation für die schonende Nunsicht, mit der Sie die Schwäche meines greifen Alters zu sroßen die Güte hatten. (eb­­hafte Elfenrufe.) Der Alterspräfident verläßt den Präsidentenstuhl, den Paul Somsfih unter Elfenrufen mit folgender Rede einnimmt : Die bogverehrte Kommission hat gut befunden zu be­­schließen, daß während des V­erlaufes ihrer Verhandlungen ich ihren Präfidentenstuhl einnehme und sie hat dadurch die wichti­­gen und sch­wierigen Obliegenheiten der Präsidentigaft auf die schwacen Schultern ihres geringsten Mitgliedes gewälzt. 63 sei! ich gehorche ihrem Beibluffe. Nicht als ob ich einerseits die Geringfügigkeit meiner Fähigkeiten, die ersten Schwierigkeiten der Aufgabe des P­räsidenten anderseits nicht fennte. Im Gegentheile, ich Tenne sie, und begreife viele ihrem ganzen Umfange nach ; doch als konstitutioneller Mann bin ich der Ansicht, daß der freie Bürger eines freien Landes verpflichtet sei, dem geießlich ausgesprochenen Willen der Majorität zu gehorchen , ihn zu erfüllen. Ich betrete somir zagend, meiner eigenen Kraft nicht eben vertrauend und nur weil mein Pflichtgefühl es verlangt, den mir bestimmten Pla­ ven aus dieser V­ersammlung viel wür­­digere Männer al ich­es bin zieren könnten, die im politischen und Komitatsleben, in der Gesebgebung und im Privatleben in mehr als einmal befleineter Krästrentenwürde sich dur so viel Berdienste auszeichneten. Ciner unter diesen hat vor einigen Monaten eben. an viesem Orte die Berathungen mit seltenem Takte, tiefer Weisheit und mit jener Mäßigung, die den wahren Staatsmann kennzeichnet, geleitet. Nrobdem gehorche it, weil die Mitglieder der sehr verehrten Kommission es so wünsten, deren Beschlüsse zu befolgen, nicht zu fritisiven ich berufen bin. Ih folge mit aller Bereitwilligkeit und ohne alles Zögern. Da eben diese Bereitwilligkeit bereh­liget mich auf die Unter­­frügung der verehrten Kommission in vollem Maße zu rechnen. Ich, der ich die Geringfügigkei meiner Fähigkeiten freiwillig eingestand, kann mit Zuversicht hoffen, daß Jene, die mich trob­­bem auf einen so wichtigen Posten wählten, die Mängel meiner Fähigkeiten ergeben werden. Unsere Aufgabe ist schwierig!Wir sind berufen,eine im Entwickelungsprozesse unseres Vaterlan­des blostheoretisch einge­­führte Institution praktisch auszuführen-das Gesetz,in­ dessen Sinne wir vorzugehen haben, bezeichnet zwar die Mittel, zeigt die Richtung, in­­ welcher wir uns bewegen müssen; doc der Pfad ist in dieser Richtung noch ungangbar und die zweifelhafte Sa 063 Versuches, die Schwere des Bahnbregens ist unser eil. Daß wir zu einem Erfolg gelangen, dazu ist die beste Absicht an sichh nicht genügend."Nur der vereinte energische Eifer der M­itglieder der geehrten Kommission kann die Aufgabe Lösen ; doch meiner Ansicht nach nur dann, wenn wir mit jener Treue, die wir dem gefrönten Könige Schulden, unsere aus der prag­­matischen Sanktion erfließenden Verpflichtungen erfüllen, die aus dem Verhältnisse zu den übrigen Ländern Seiner Majestät resul­­tirenden Sintereffen gehörig würdigen und wenn wir die der­­fassungsmäßigen Rechte und Gefege unseres Vaterlandes mit der uns angeborenen, niemals warlenden Treue bewahren, d. h. wenn wir hiezu unter Beobachtung des nothwen­digen V­erhält­­nisses zwischen Neht und Pflicht von Versuch machen, vieles Verhältnis zu zerreißen, ist moralisch mie vernunftrechtlich m­us­kal; geschieht es dennoch, so wird es si in der Pfar­z gewiß räcen. Ab für meinen Theil kann kaum anderes als die gute Absicht in die Wagschale werfen, doc dies thue ich mit allem Eifer und mit­­ aller Bereitb­illigkeit. Die geehrte Kommission nehme diesen Eifer in ihren mächtigen Schuß und ich werde meiner Aufgabe einigermaßen genügen können. (Beifall) So viel verspreche ic) der geehrten Kommission — daß bei Erfüllung meiner Präftientenpflicht mich im Allgemeinen bloß bes Bater: lanoes Gefeße, im Speziellen nur die auf uns bezüglichen Gesehe und darauf basirten Vorschriften leiten werden. Noch stattet Nedner im Namen der Versammlung dem Alterspräsidenten seinen Dant für dessen bisherige Amtsführung ab (Elsenzufe), dankt für das in ihn gefeste Vertrauen und­ ergreift von seiner neuen Würde feierlich Befis. Sodann erklärt er die Versammlung für Bonftitchet und fließt mit einem Lebebod­ auf den König und auf das Baterland. (Elfenrufe) Nun dankt der neue Schriftführer 8. Horvath in kurzen Worten für das in ihn gelechte Beriemten und verspricht nach besten Kräften seine Pflichten zu erfüllen. Der Präsident ist der Ansicht, daß nunmehr die Feststel­­lung einer Geschäftsordnung an der Tagesordnung wäre. E3engervy hingegen verlangt, daß vorher darüber berathen werden möge, ob Bartal’s Resignation angenommen werden soll oder nicht, da die Versammlung früher nicht als vollkommen sonstizwirt zu betrachten sei Manoilovitz glaubt, da Bartal als zurückgetreten, zu betrachten sei ; man möge den P­räsidenten Szentiványi auf­fordern das bezügliche Schreiben Bartats einzusenden. Bónis besteht — troß der­ Einwendung des Präsidenten das wohl vorerst zu bestimmen sei, ob die Angelegenheit Bartai oder eine andere auf der Tagesordnung stehe — auf Beriefung des Briefes auch dem ungarischen Unterhauspräsidium an die ungarische Delegation , diese erfolgt. Run erklärt Bónis, daß aus diesem Schreiben noch nicht ersichtlich sei, ob Bartal definitiv zu resigniren beabsi tigt, oder­ blos anzeige, daß er zeitweilig verhindert sei zu erscheinen ; man möge daher die Einsendung des Schreibens Bartal’3 vom Unterhauspräsidium verlangen, und bis dahin solle Bernát Szitanyi als Erfasmann eintreten. Ekertápolyi gibt zu bewennen , daß möglicherweise auch Bartal’3 verlangtes Schreiben Feine Aufklärung über den fraglichen Buntt enthalten könne, er räth somit, um neuer Zeita­versäumnniß vorzubeugen, daß für diesen Fall sofort eine ausa­brückliche Erklärung Bartal’s abverlangt werden möge. Der Präsident erklärt, was er sich in dieser Ange­­legenheit telegraphisch an den Präsidenten des Unterhauses men­­den werde. Nun schlägt Graf Anton Szapáry die Wahl von­­ sieben Mitgliedern in ein Komite zur Ausarbeitung der Ges­chäftsordnung vor ; der Antrag wird angenommen und fü­h­rt der Präsident auf fünf Minuten die Situng, damit sich die Berz sammelten über die vorzunehmende Wahl berathen können. Aus der Wahlurne gingen die in der Konferenz Designirten hervor, und zwar Rainer, Csengery und Ghyezy mit 47, Szögyényi und Kerkapolyi mit 46, Zihy und Nárady mit 45 Stimmen. Noch fordert der Präsident die so­eben Gewählten auf, nach der Sibung zu bleiben und sich zu Tonstü­chten und schließt hierauf um 1 Uhr die Sigung. Die nächste Sikung wird den Delegirten in ihren Wohnz­­ofalen angezeigt werden. og. Wien, 21. Jänner. Heute hat die ungarische Delegation ihre parlamentarische Toilette beendet, die Bureaumahl vollzogen und sich Konstituirt. Dies war der einzige Gegenstand der Tagesordnung, der die heutige z­w­eite Sittung der Delegationen gegolten. Wie ich Ihnen voraus bereits ges meldet, erhielt Paul Sowffich die meisten Stimmen bei der Präsidentenwahl, zum Schriftführer wurde Ludwig Horváth gewählt, nachdem Efengery, der ursprünals in Aussicht genommen worden war, wie ich vernehme, die Wahl abgelehnt. Der erste Akt, der hierauf unter dem gewählten Präsidenten sich vollzog, war die Wahl der Geschäftsordnungßn K­ommission. Wie man sieht, machte die heutige Sibung von Bornes herein gar seinen Anspruch darauf, in die Rache der „interessanz­ten“ parlamentarischen Verhandlungen gezählt zu werden. Das Iinteresse der Verhandlung konzentrirte sich in der kurzen Ans­­prache, mit der Somijidh vom Präsidentenstuhle die Zeitung der Geschäfte übernahm. Aber selbst diese Rede — deren pratoz­iide Vorzüge ist übrigens für überflüssig­e Taxte einen unga­rischen Lesepublikum besonders betentzuheben — selbst diese brillante Improvisation blieb hinsichtlich des politischen Gehaltes hinter den Erwartungen, die man im großen Buhlitum an dies­­elbe zw stellen si berechtigt wähnte, weit zurüc. &3 sei hier in Kürze bemerkt, daß man hoffte, viejer her­­vorragende Redner des ungarischen Parlamentes werde bei Beiisnahme des Präsidentenstuhles Gelegenheit nehmen, auf die elegischen Anh­änge einiges Treffendes zu ermwrdern, deren fi der um den zentralistischen Fleischtopf noch immer tief trauernde Präsident der­­ Reichsrathsdelegation in seiner Antrittsrede nicht erwehren zu sollen glaubte. Dan erwartete irgend­eine Anfpisc­hung, ein passendes Miposto auf: die, unter den obwaltenden Vers­­ältnissen nicht­ weniger denn — raisonnable, fast zu jagen pro­­vozirende Nerewendung des Grafen Auersperg, mit der es ihm beliebte die­ cieleithanische Delegation, an der Schwelle ihrer der Krönung des Friedenswerkes gewidm­eten Thätigkeit, gleichsam sie zu einer fliegerischen G Campagne zu ermuntern und zur Bekämpfung eines „feindlichen Widerstannes" vor­­zubereiten. Vermuthlich zufolge eines Alubbeschlusses unterließ Somfish jedoch jene hieberzielende Wendung in feiner ‘Rede *­ und Eleis dete, wie gestern der Alterspräsident, die auf die „österreichischen Bundeswölter" ‚bezügliche Stelle seiner Rede, in die wärmsten, Brüderlichkeit und Eintracht athmen­den Worte. In dieser Weise entbehrte seine Rede des erwarteten „pilanten” Ansteihs und ers hob si­cst über das Niveau einer, mit ungewöhnlicher, rhetor­­ischer Begabung hervorgebrachten Gelegenheitsansprache. An einer Stelle bios [könnte der Rede allenfalls eine politische Tendenz unterlegt werden, da, wo Somfih mit unverkennbarem Rad? drud und mit gehobener Stimme die Pflicht des konstitutionellen Bürgers betonte, dem Beschluffe der Majorität die invivinuelle Meinung zu unterordnen. 4) Wir können es nur als einen Beweis von politischem Takte betrachten, wenn unsere Delegation, namentlich deren Vorligender, er vorgezogen, eine Tastlosigkeit von anderer Seite stillschmeigend fallen zu lasen und nut von vorneherein 048 gegenseitige Berhältnik zu verbittern, D. Red.

Next