Pester Lloyd, Januar 1869 (Jahrgang 16, nr. 2-25)

1869-01-13 / nr. 9

« « · ae­um = über das Verhältnis der Staatsgewalten noch nicht geklärt waren. Aber Dies beweist nur noch eklatanter, daß der poli­­tische Bildungsgrad jener Elemente, welche in Heves die Ober­­hand gewonnen haben, nicht dem Geiste des 19., sondern jenem des 16. Jahrhunderts entspricht. Es ist traurig, wenn es solche Elemente gibt, aber wenn es einmal konstatirt ist, da­ die Ordnung nicht anders aufrecht erhalten werden kann, so bleibt nichts anderes übrig, als das die Negierung von jenen Befugnissen Gebrauch mache, die ihr durch ältere und neuere Gebete unstreitig eingeräumt werden. Ein Korrespondent aus Heves, welcher der Linken angehört, charakterisirte die Zustände in Heves mit den Worten: „"­ier ist die moralische Guillotine der Madaräfßethätig" Wenn nun die Regierung sich gendm­igt sah, Diese Guillotine zu be­­seitigen, so kann nicht diejenigen ein Vorwurf treffen, welche eine so traurige Pflicht erfüllen, sondern jene, von denen sie zu einem solchen Schritte genöthigt wurden. mn Pest­ 12.Jänner. (II.)Die historisch merkwürdige Stab­rlausche itst in der Geschichte Ungarn­s zu neuer Berü­hmtheit auserkoren zu sein.Während sie jedoch ihren alten Ruhm der Unerschro­­ckenheit ihrer Bü­rger und Bürgerinnen ü­berbannt , ist dieses neuerliche Aufleuchten ihres Namens einem rein zufälligen Umstande zuzuschreiben. Es ist eben das Vorrecht der Unsterb­­lichen , ihren Glanz auch ihrer Umgebung mitzutheilen ; er könnte also dem Komitate Heves das Recht bestreiten, nach­ dem er sich durch seine Haltung gegenüber der konstitutionellen Regierung unsterblich gemacht, auch die Stadt Erlau dieser Unsterblichkeit theilhaftig werden zu lassen ? Die aaderen Er­­lauer mögen sich also nicht zu viel darauf einbilden , wenn ihre Stadt in neuerer­ Zeit so oft als Ursprungsort von Gen­eationstelegrammen neben den größten Städten der Welt in den Zeitungen figurirt ; es ist das nicht ihr eigenes Verbienst, sondern nur die Folge des seltenen Glückes , welches ihrer Stadt das gütige Schiefal zu Theil werden ließ, des Glücks — die Hauptstadt des Hevefer Komitats zu sein. „Erlang — welch einfaches, anspruchsloses Wort, und doch birgt eg ein ganzes oppositionelles Ungemittel in sich und erblidt es der zartnervige, Zeitungsleser mit schwarzen, fetten Lettern gebracht vor einem Originaltelegramme, so erfaßt ihn unheimliche8 Grauen, denn er weiß, daß etwas Außerordent-­li­ches kommen müsse. Unsere Leser werden sich noch des Vorfalles erinnern, welcher fi vor einigen Wochen in der Hauptstadt des Komi­­tats Heves ereignete, jenes Komitatsbeschluffes nämlich, durch welchen über die Legislative die Neidig- — Pardon ! — S­o­­mitatsacht ausgesprochen wurde. Die Folgen jenes Beischluffes konnten bereits damals kaum für Semanden zweifelhaft sein. Wir leben in einem konstitutionellen Staate, wo die Heiligkeit und Unverleglichkeit des Gesetzes die Grundlage der sozialen und politischen Ordnung bildet. Damit aber die Gesete Diese ihre hohe Bestimmung erfüllen können mü­ssen sie nicht nur geschaffen, sondern auch vollzogen werden. Die Verantwortlich­­keit für den Vollzug der Gefete ist der Lebensnerv der parla­­mentarischen Negierungsform ; wird dieser Nerv abgeschnitten, so ist es um den Parlamentarismus geschehen. Mach unnseren bisherigen Institutionen wird aber der Vollzug der Gefäße zum Theil nicht direkt durch das M­iniste­­rium, sondern durch die Komitate „ausgeübt. Wir haben für die Evelative ein verantwortliches Ministerium und außer­dem noch ein unverantwortliches Komitat. Es ist dies wahrlich sein Umstand, der uns in Beziehung auf die gemissenhafte Voll­­friedung der Gesete „mit besonderem Vertrauen erfüllen könnte. Hat ein Minister nicht die Fähigkeit oder den Willen, die Ge­­fee gewissenhaft zu vollziehen, so muß er gehen; kommt die­­ser Fall bei irgend­einem untergeordneten Beamten vor, um so wird dieser eben­­ gegangen. Nur das Komitat , diese unsichtbare, namenlose, ungreifbare Persönlichkeit soll das Borz recht besigen, auch dann noch als der Depositär eines Theiles der vollziehenden Gewalt zu fungiren, wenn es einmal durch seine Beschlüsse beiwiesen hat, daß es die Gebete, welche es vollziehen sollte, perhorreszirt. Daß irgend ein» Organ der vollziehenden Gewalt, in dieser seiner Eigenschaft eine opposi­­tionelle Stellung gegen das Geiet einnehme , das ist einfach ein Unsinn und einen solchen hat die sogenannte Majorität des Hevefer Komitats mit seinem letzten Beschlusse in Bezug auf die Wirksamkeit des Reichstages begangen. Si­e hat sich nicht nur als zur Ausübung der vollziehenden Gewalt mora=­ch unfähig erwiesen, sondern hat zugleich einen Mißbrauch­ der dem Komitate anvertrauten Gewalt begangen , indem ber Schlossen wurde, auch die übrigen Komitate zu einer Ähnlichen Haltung gegen das Gefet aufzufordern. Unter solchen Umständen war es nicht nur natürlich, sondern geradezu unumgänglich­ nothunwendig, daß die Regierung, welche für die Vollziehung der Gefege, also auch der Gefege von 1867 verantwwortlich ist, Schritte thue, um diesem Trei­­ben ein Ende zu machen. Sie forderte das Komitat auf, seinen Beschluß, im welchen behauptet wird, die Gefege von 1867 hätten Ungarn zu einer Provinz Oesterreichs degradirt, aufzu­­heben. Hätte das Komitat­­ dieser Aufforderung Folge geleistet, so hätte es dadurch bewiesen, daß es noch fähig sei, ein Or­­gan der vollziehenden Gewalt zu sein und noch immer mora­­lische Garantie dafür biete, daß, wenn auch die Individuen, aus denen der Komitatsausschuß besteht, als solche überwiegend zur Opposition gehören, das Komitat selbst dennoch die Unver­­feglichkeit des Gefetes wahren werde. Da aber der Komitate­­ausschuß sich der Aufforderung des Ministeriums Folge zu leisten weigerte und­ bei seinem früheren gefegwidrigen Beschlusse verharrte, so blieb eben der Negierung nichts anderes übrig, als diesen Komitatsausschuß aufzulösen. Mit jenem berüchtigten Beschlusse trat der Komitatsausschuß von Hered aus der Reihe der legalen Organe des Gesetzes in die Reihe jener „Conven­­ticula“, von denen schon im 46. G.-Artikel vom Jahre 1598 gesagt wird, daß dieselben , ea, quae in ipsis Comitiis publico suffragio statuta fuerint, non modo irrumpere satagunt; sed etiam contraria eis constitui debere enituntur.‘* 8 muß doch endlich gezeigt werden, wer Herr im Lande sei, ob der Reichstag und das verantwortliche Ministerium, oder einige Komitatsjunfer. Es liegt eine gewisse Ironie des Schiefald darin, wenn wir zur Charakterisirung des Borger­hens eines Komitates Gefege zitiren müssen, welche einem ungebildeten Jahrhundert ihr Dasein verbaufen, wo der Sinn für geregeltes Staatsleben noch nicht entwickelt, die Ansichten Graf Bismarck. Aus Berlin geht uns von guter Hand nachfolgende interessante Mittheilung zu : Berlin, Mitte Jänner. Als ich Ihnen vor etwa drei Monaten einige Aufklärungen über die wahre Natur der Krankheit des Grafen Bismarck gab, haben meine Mittheilungen damals wohl so ziemlich die Wunde durch die europäische Presse gemacht, doch fehien man nicht recht zu wissen, ob man denselben wirklich vollkommenen Glauben schenken dürfe. Ich schrieb Ihnen, wie Sie wissen, damals, daß Graf Bismarc seineswegs 10 frank und leivend sei, um sich durchaus aller Theilnahme an den Geschäften enthalten zu müssen, daß es sich vielmehr um eine tief­­gehende Differenz zwischen ihm und einem Theile der Hofpartei, welche auf den König einen vorwiegenden Einfluß übe, handle. Sene Partei, welche in der inneren P­olitik reaktionär und in der äußern für die Erhaltung des Friedens sei, wünsche eine Annäherung an Oesterreich, ein DBerharren beim Prager Vertrag und eine entschiedene Begrenzung der Macht und des Einflusses, den Graf Bismarc bisher geübt. Sie hat deshalb dem König plausibel gemacht, daß es wathsam sei, minde­­stens das Portefeuille der­ auswärtigen Angelegenheiten anderen Händen zu übertragen und der König habe in der That dem Grafen Bismarc eine Proposition in diesem Sinne machen lassen, „um ihm die Arbeits­­last in etwas zu erleichtern.” Das sei schließlich der eigentliche Grund, der den norddeutschen Bundeskanzler nach Varzin getrieben. Gewinne die Verständigung mit Oesterreich und die Aussicht auf eine längere Dauer des Friedens festeren Boden, so wird Graf Bismarc wohl eine längere Zeit auf seiner Einsievelei in Varzin bleiben , wenn sich dage­­gen die politischen Aussichten trüben sollten, so würde Graf Bismarc den drohenden Eventualitäten gegenüber für unentbehrlich geltend, wohl wiederum die volle Macht in die Hände bekommen, die er bisher geübt. Was seither geschehen, wird ihnen bewiesen haben, daß meine damaligen Nachrichten aus sehr guter Duelle getroffen waren. Graf Dismard, den verschiedene Korrespondenten noch im November für an einer Ermweichung des Gehirns erkrankt erklärten, ist, sowie der poli­tische Horizont sich wieder etwas mehr trüben zu wollen schien, zurück­ekehrt und er erweist sich seit seiner Nachfehr als so vollkräftig, dab Niemand mehr an das Märchen von der schweren Eh­ehüi­terung seiner Gesundheit glauben mag. Zum Ueberfluß beginnen je­ noch in anderen Blättern Mittheilungen aufzutauchen, die meine früheren Nach­­­richten vollkommen bestätigen. So bringt z. B. die hiesige „Börsen­­zeitung” die Nachricht, daß ihr von glaubhafter Seite die V­ersicherung gegeben worden, daß die Berufung des Generals von Manteuffel an die Spike der Negierung in der That eine Zeitlang während der Abwesenheit des Grafen Bismarc in naher Aussicht gestanden. Dam it richtig , lassen Sie mich Ihnen aber nun auch sagen, was die hiesigen Blätter, wie es scheint, noch nicht willen, daß die Nachkehr des Grafen Bismarc ins Amt nur erfolgt ist, auf Grund eines Kompromisses, in welchem sich beide Theile gewisse Konzessionen gemacht haben. Zunächst hat Here von Bismarck sich zu der Konzession bequemt, seine „national:liberalen Anmwandlungen” aufzugeben und si in der innern Polität wieder fester Fan die reaktionäre Partei, die ihn ursprünglich ins Amt gebracht hat,­­anzuschließen. Die Na­­tional­liberalen hatten bekanntlich über die Entlassung des Grafen Lippe großen Jubel angestimmt und dieselbe im Sinne ihrer bekannten „Yweis Seelen:Theorie” als eine Konzession des Grafen Bismarc an ihre Partei angeseben, die im Laufe der gegenwärtigen Session in der Entfernung Eulenburg’s­ und Mahler’ s ihre Be­vollständigung finden sollte. Diesen Illusionen galt es nun gründlich ein Ende zu machen. Darum war es, daß Herr Leonhardt just im Augenblide der Nackehr des Grafen Bismard, indem er für die beliebige Hinzuziehung von Hilfsrichtern beim Obertribunal plaidirte, zugleich das Budgetrecht und die liberalen Gesinnungen der Kammermehrheit verhöhnte und ihr die Worte ins Angesicht schleuderte: „Täuschen Sie si nicht in mir; ich habe seine liberalen Neigungen !" Darum ferner bemweist Graf Eulenburg in der innern Nodministration, so viel er fan, der Kam­­mer, seine fahle Beratung, wie er dieß erst neulich in der Angelegen­­heit Staudi’S — der als Landsrathsamtsverweser sich bei den Wahlen so grobe Eingriffe zu Schulden kommen ließ, daß die Kammer die be­treffende Wahl annullirte und der seither vom Minister dafü­r zum Landrath befördert worden ist , gethan hat. Darum it von den Liberalen der so lange vorbereitete Sturm gegen Herrn von Minhler als Kultus und Unterrichtsminiter so täglich gescheitert und darum endlich hat das Herrenhaus den Antrag auf Wie­derherstellung der Redefreiheit im Abgeordnetenhause so Kurziweg verworfen. Das eat­­tionäre System steht also im Innern wieder fester als jemals. Graf Bismarc hat sich in dieser Richtung vollständig den Forderungen der feudalen­ Partei gefügt. Dafür aber macht er st nunmehr das Vergnügen gegen Desterreich) und insbesondere gegen den Grafen Beust, was das Zeug nur halten will, Sturm läuten zu lassen. Jo mehr er sich dazu bequemen muß, die Empfindlichkeit Frank­­reichs zu schonen, desto ungenirter läßt er seinen Grimm gegen Dester­­reich aus. Er erreicht damit, daß die politische Situation dem Könige gefahrprobend erscheint, und daß somit seine Dienste wieder für unent­­behrlich gelten, und er erreicht weiter, daß diejenigen, welche ihn dür den V­ersuch eine Annäherung an Oesterreich herbeizuführen, haben beseitigen wollen, längere Zeit wieder unmöglich gemacht werden. Na­­türli muß man dem Könige die Meinung beibringen, daß, wenn die Spannung mit Oesterreich wieder in Steigerung begriffen it, der Kai­­serstaat allein die Verantwortung trage. Darum v diese täglichen mit einer fast unerhörten Heftigkeit geführten Anklagen gegen den Grafen Beust, der angeblich nichts Geringeres als den Untergang Preußens planen soll. Sie begreifen, daß, wenn der König Tag für Tag in den Spalten der „Kreuzzeitung”, der „Norddeutschen Allgemeinen” u. s. w. diese Ankragen gegen den österreichischen Reichskanzler liest, er nach und nach dahin kommen muß, ihnen vollen Glauben zu schenken. Daß die „Kreuzzeitung”, die den Kampf gegen den österreichischen Reichskanzler eröffnet hat, dem Grafen Bismarc. diesen Liebesdienst erweist, ist ein unwidersprechliches Zeugniß dafür, daß die feudale Partei und Graf Bismard wieder ein Herz und eine Seele sind. Noch eine Seite ist an dem Kompromiß, der neulich z­wischen dem Grafen Bismard und der feudalen Partei zu Stande gekommen ist, die besonders hervorgehoben zu werden verdient: das ist die Hal­­tung gegen Frankreich. Noch vor Kurzem führten die preußischen offiziösen Organe Frankreich gegenüber eine ziemlich hochmüthige und herausfordernde Sprache ; seit der Nachkehr des Grafen Bismarc ist in dieser Beziehung eine auffallende Renderung eingetreten. Während die inspirirte Presse auf der ganzen Linie sich in den dreiftesten Anschuldi­­gungen gegen Desterreich überbietet, hat man sich nunmehr Frankreich gegenüber die größte Nachsicht auferlegt. Dieselben Organe, melde es Desterreich als ein Verbrechen anrechnen, daß es ab und zu die Mei­­nung zu erkennen gibt, daß der Prager Friedensvertrag eine andere B­estimmung habe, als dem Grafen Bismarc zu einem Vinibus zu dienen, haben mit großer Befriedigung die Mittheilung verbreitet, daß Graf Bismarc bei dem Besuche, den er nach seiner Rückkehr dem französischen Botschafter abgestattet, demselben die Versicherung ge­­geben hat, Preußen beabsichtige, Alles zu vermeiden, was die Empfind­­lichkeit Ftantreichs verlegen könnte. Graf Bismarc selbt, der neulich so viel Aufheben von der m welfischen Politik und von einem angeblich in Hieging bestehenden Agitations­ Komitd gemacht hat — die Existenz dieses Komités scheint nach Allem, was bisher laut geworden, lediglich eine von preußischen Spionen erfundene Miythe zu sein, hat sich dem­ Doc die Zurückaltung auferlegt und der in Frankreich bestehenden Mel­­senlegion mit feiner Silbe gedacht. Je stärker die Anschuldigungen sind, die gegen Oesterreich geschleudert werden, umsso auffälliger erscheint die zarte Nachsicht, die man gleichzeitig Frankreich gegenüber beobachtet. Der nationalliberalen Brefse hat man die Bard­e gegeben , daß 3 vor Allem darauf ankomme, durch die Gewinnung Ungarns, solwhe durch die Beunruhigung und Ginschüchterung Oesterreichs Frankreich jede Aussicht zu benehmen, daß es irgend einen Bundesgenossen finden werde, wenn es Stellung gegen Preußen nehmen mollte. Mein, so lautet die Information, die man diesen Blättern gegeben, Frankreich die Ueberzeugung gewinnt, dab es seinen Allai­ten finden wirde, sobald es die Einhaltung der Bestimmungen des Prager Vertrags zum casus belli machen­­ wollte, so wird es sich in das Unvermeidliche ergeben und bei der Ueberschreitung der Mainlinie ruhig zu sehen. Aber das ist, wie ich mit Bestimmtheit versichern zu künnen glaube , nicht das eigentliche Ziel des Grafen Bismarc. Seine wahre Absicht geht, wie in vertrauteren Kreisen bereits verlautet, dahin, mit dem Q Tuilerienkabinett noch einmal wie 1866 eine V­erständi­­gung zu versuchen. Die Ueberschreitung der Mainlinie gegen den Millen Frankreichs, resp. auf die Gefahr eines Krieges mit Frankreich hin zu versuchen, erscheint Herrn v. Bismarc denn doch zu bedenklich. Wie aber, wenn man sich mit Frankreich verständigt ist dann nicht der Weg vollkommen frei? Braucht man dann noch auf Oesterreich, obgleich es ter PWaciscent des Wrager Vertrags it, noch irgend melde Nachsicht zu nehmen ? Aber Graf Bismarc’s Pläne greifen noch weiter aus. Während der Luxemburger Affaire war es bekanntlich die Wie­­derherstellung der "heiligen Allianz", die Herr v. Bismarc durch den Grafen Taufffichen in Wien anbieten ließ Der General v. Man­­teuffel, der seinerseits schon früher für eine Annäherung an Oesterreich plaidirte, hat diesen Gedanken, für welchen König Wilhelm troß Allem, was geschehen is, noch immer eine gewisse Sympathie bewahrt, im Laufe des vergangenen Sommers wieder aufgenommen. Aber inzwischen hat Graf Bismarc eine andere Kombination ins Auge gefaßt: eine Verbindung preußens, mit Rußland auf der einen und Frankreich auf der andern Seite Piece Koalition, bei welcher Italien die Rolle eines Trabanten zufallen dürfte, würde selbstverständlich in der orientalischen Frage, wie in allen euro­­päischen Angelegenheiten sich zur Geltung bringen und namentlich DOesterreich jedes Einflusses berauben. Rußland und Preußen sind nur ein gemeinsames Ant­resfe und durch einen gemeinsamen Halt gegen Oesterreich verbunden. Nubland kann es nicht ertragen, daß in dem Augenblice, wo es mit Reifeitefegung aller Menschlichkeit Bolen den legten Athemzug auszupreffen bemüht ist, Desterreich in Galizien konstitutio­­nelle Freiheit einführt und damit der nationalen Reorganisation noth­­wendiger­weise freien Spielraum gewähren muß. Seinerseits wird bin­­wiederum Graf Bismarc durch das verfassungsmäßige Negims in Oesterreich um so mehr geüi­t, als er selber sie neuerdings durch seinen Batt mit der feudalen Partei außer Stande sieht, al nur den Schein eines liberalen Regiments zu behaupten, und was die „Kreuszig­” betrifft, so weiß Jedermann, daß je nicht bloß den „Par­­­­lamentarismus” verabredent, sondern auch, echt ruffisch tie sie ist, vie Bolen von jeher besonders gehaßt hat. Gelingt es, das Tuilerienkabinet, dem man Oesterreich als ebenso schwach wie unzuverläßlich darstellt, in diese Kombination hineinzugiehen, land­reich, der Anhänger Kossuth’8 und der italienischen Aktionspartei gewährt werden, nach Möglichkeit beunruhigt, sol Oefter­­eine solche Koalition zugleich von Außen her aufs Schwerste bedroht erscheinen müßte, zunächst zu dem die österreichischen Feudalen ihre Hilfe leihen würden, gedrängt werden. Vor Allem soll in Galizien ein anderes Regiment eingeführt und in der diesseitigen Neichshälfte überhaupt das parlamentarische Ministerium und die Dezember: Verfassung­ wieder beseitigt werden. Graf Beust würde selbstverständlich diesem Systemwechsel zum fallen, der ganze Verfassungszustand Opfer würde wieder von Grund auf verändert und beide Reichshälften würden von Neuem Gegenstand politischer Groegimente werden, bis Oesterreich schließlich ohnmächtig und erschöpft jedes Schicsal über fi ergehen lassen müßte. Wenn dieser Spremmechtel im Wege der Intrigue nicht zu weichen sein sollte — nun, dann dürfte Graf er, Sorne „Stopsin’S­cherz” gegen Oesterreich zu führen. Daß dann Galizien an Rußland ausgeliefert werden würde, untersteht seinem Zweifel. Denn Rußland’s Interesse erheicht dringend, daß der nationalen Reorganisation dort schleunigst Ende gemacht auftauchen würde. czechiichen ES entspricht ganz politischen Neigungen des Grafen Bismarc, Rußland von der Sorge zu befreien, die ihm gegen­­wärtig Galizien macht, er würde damit nur sein Wert von 1863, wo er Rußland die Hand reichte, um den Aufstand in Polen zu ersu­den, vervollständigen. Daß alsdann ferner die M­enzelskrone an den König Johann als Entschädigung für Sachsen kommen soll, haben Nachrichten, die aus­gebracht, Kreisen herrühren, bereits in die Oeffentlichkeit zu der preußisch truflishen Coalition , für deren Iusrendrung die Conferenz die erste Handhabe bieten sol­ — offeriren ? Man spricht von einer „Nectification am Rhein.“ Wird Frankreich sich durch derartige Aussichten verladen einer Koalition beizutreten, die sichtlich die Interessen werde, Beitritt so ist DVesterreich isolirt. Im Innern duch die Agitationen, die von Brenken sei, doch immer noch manche Skrupel über die Geschehnisse nährt, für diese Volitif zu gewinnen, muß man dauernd die schauerlichsten V­ernichtungspläne "gegen Preußen bet werben. Diese Tattit wird voraussichtlich denselben unter weil Beihilfe das durch völlig die Zügel hießen lassen, einen Kriegsfall­tralität Frankreichs gesichert weiß, (ingen, den bereits 1866 geplanten auf das Schwerste gefährdet ? Bon die nächte Zukunft Europa’s ab. Um Slauben ist, nun daß Oesterreich als wie 1866, und den der Krieg von Welhen Preis Er­itt ganz zu finden, und wenn sonst binnen kurzem von Neuem eine den König Wilhelm,­­ der, wahre wird Mördergrube. Bismarc der Mann, und Ruß: Nacht die Neu, wohl ge: in dem geschmie: haben, feinen Tafjen, einem­ Sostemwechsel, die „polnische Frage“ der Entscheidung der Civilisation dieser­ Frage hängt so stark er auch Erfolg für sein Gewissen von Neuem beihm wichtigen. feinem über er nur von Neuem sich so könnte es ihm diesmal ein 1866 von Oesterreich provocirt worden ihm Tag darstellen, man dem Tuilerien-Cabinette von für 1866 Tag in welcher fort­­ a RT TEN rn ea TEr en en bu ae — Wir haben vor einiger Zeit eines Nundschreibens an die Handelskammern Erwähnung geteban, in melchem Kiefelsen auf die Gefahren, die unseren Hantel in Folge der Aus­weitung der griechischen Unterthanen aus der Türkei bedrohen, aufmerk­sam Hinsicht nöthigen Vorkehrungen in Anregung zu bringen. Wie wir vernehmen, sind nun die erwähnten Kammern neuestens dahin verstän­­digt worden, daß den Ausmessungsmaf­­der Türkei verbleiben dürfen uns und mitgetheilt, unter ottomanische­n ihrer Operationen gewährt, indem die Kirchen Schiffen, die in türkischen Häfen sind, Gejebe gestellt werden, ohne hieduch ihre Nationalität aufgeben zu müssen, nur solche früher türkische Unterthanen, welche Hellenen geworden, müssen ihr früheres Unterthansverhältniß zurückehren oder das Land verlassen. — Ueberhaupt wird daß die Erwirtung auch anderer Milderungen eifrig angestrebt und daß nichts versäumt wird, um das österreichisch-ungarische Handelsinteresse im griechisch-türkischen Konflikt zu wahren. So wurde für jene hellenischen Schiffe, welche mit fremdem Eigenthum nach der Türkei unterwegs sind, eine angemessene Frist zur Beendigun Pforte Ladung in fremden­ Häfen vor Abbruch der Beziehungen Zürlei und Griechenland (16. Dezember) begannen, oder mit unterwegs sind, das Einlaufen in türkische zu Häfen und Reihung der Ladung ohne Bestimmung einer Frist gestattet hat. — Aus Konstanti­­nopel wird mitgetheilt, daß unser Geschäftsträger daselbst die Vertreter des österreichische ungarischen Handelsstandes und der Kaufparter-Marine nebst den Hauptagenten des „Lloyd“ einer Berathung versammelte, in welcher die Mittel und Wege besprochen wurden, wie der Gefähr­­dung unserer Handelsinteressen am besten vorgebeugt, oder deren Folgen wenigstens gemildert werden konnten. — Die Austweichslung der Nazifikationseurk­unden des zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und der­ schmeize­­rischen Givgenoffenh­­eit in Wien am 14.. Juli. v. 3. abgeschlossenen Handelsvertrages hat nachträglich am 5. b. M. stattgefunden. = 63 ist in den Blättern berichtet worden, daßs der zwischen Kronstadt-Bulareit verfehrende, unsere Geldpost mit sich führende Kör­­ner’jene Eilwagen am 18. des vorigen Monats dur einen fürst­­lich walachhschen Beamten zu Projest unwiderrechtlich angehalten und an der Weiterfahrt verhindert wurde. Wir hören nun, daß die auf einem Mißverständniß beruhende Angelegenheit aufgeklärt und ver­schulp­ macht und aufgefordert wurden, regeln gegen griechische Unterthanen dieselben in der Art modifizierte, zum Auslaufen gegeben, und allen beim Kaufmannzitand der türkische Ministerrath in die eine Milderung eintreten eine Frist von Schiffen, 14 Tagen welche eine zwischen der derselben in ge­ dieser grie: ließ, und daß wirklich hellenische Unterthanen in hellenischen allen in en EIN als rss Sunggefellen leben. Eine Erinnerung. Zum ersten Male in einer fremden Stadt sein, zum ersten Male si­­elbst überlasfen sein — welche Wandlungen gehen da in einem Menschenherzen vor! ES fühlt sich verwirrt, bangig , ängstlich wird ihm , " wenn es ohne Führer ist und die Sehnsucht nach „zu Hause“ erwacht. Dieser Gemüthszustand dauert einige Tage. Dann gewinnt das Auge einen sichern Blick, es orientirt sich in den unbekannten Gegenden ; wir knüpfen Gespräche mit Nachbar und Logierirthin an, wir werden vorgestellt vorüber gehenden Bekannten, es entgehen Freundschaften , wir werden hierhin, dorthin geführt, immer leichter wird das Herz, immer mehr verliert sie das Heimvieh. An den ersten Wochen schrieben wir alle zwei, drei Tage an Vater und Mut­ter, an Freunde und Schulgenossen , späterhin werden wir faumseliger im Schreiben und es kommt oft vor, daß uns die Lieben zu Hause an unsere Pflicht erinnern miüssen. Nichts findet sie so leicht, als eine neue Umgebung, als neue Seselschaftskreise, nur müssen wir das Herz ein wenig aufthun, und ung blidhen lassen unter jenen Menschen, mit denen wir zunäc­ht verkehren. Der Anschluß an bessere Verbindungen findet sich allmälig von selbst , die Bekanntschaften erweitern si und wir können wählen, welche uns die liebsten sein sollen. Zu Anfang begnüge ss der Mensch mit dem ersten Betten, das ihm in den Weg kommt — er braucht nichts von seinem Wesen anzunehmen,­­brauchtj sich nicht zu binden, aber er kann an ihm bemessen , in welchem Ungefähr er fs zu verhalten und in die neue Welt zu fleiden hat. Lernen kann man von dem Schlechtesten Etwas und wenn es auch nur Dasjenige ist, was man nicht thun soll , wenn es heißt? „Geh allem Niedrigen auf den Weg”, so gilt diese Regel nur für den Schwächling, der Cha­­raktermensch, das Genie, der ringende kämpfende Geist muß sich an Allem reiben, muß an Allem Anstoß nehmen, muß ji durcharbeiten allenfalls auch durch den bedenklichsten Schmuß. Ehen aus dem Verkehr, aus dem Streit mit allem Riedrigen und Gemeinen entwickelt sich unsere seelische Kraft und wir fühlen uns recht stark, wenn die Gefahr am größten ist. Menn Alles vorüber, Donnerwetter und Nothzustand, und mir bliden zurück auf die vergangenen Tage, wundern wir uns, wie wir Beides erleben, wie wir Alles durchmachen konnten. In dem Augen­­blick, wo uns das Wasser zu Halle ging, wo uns der Untergang drohte, munderten wir uns nicht , sondern wir rangen und ruderten und strengten unsere Lebenskräfte an, um den gefährlichsten Klippen­ aus dem Wege zu gehen. Darin lag unsere Errettung. Das Shikjal ist nie so hart, daß mir seiner Gewalt nicht troz­ben könnten. Hunger, Durst und Krankheit haffen sich allerdings nicht gerade leicht bekämpfen, aber sie lassen sie abfürzen durch eine Gemüthsheiterkeit, die nichts hostet und dabei ein theures Gut für alle Falle ist. Zu große Aengstlichkeit, fortgefegte Verstimmung ruini­t früher von Leib, eh’ Noth und Elend daran kommen. Des Exsteren Gift legt ich auf die Nerven, und Lebteres wirft auf Haut und Knochen, auf leich und den Magen ein. Die Nestauration des Lekteren it eher geschehen, als die Negulirung des Gifteren, diese sind wie ein Nek — ein Neiß, ein Sprung und die ganze Lebensthätigkeit hat ein Ende. Die Erregung oder, wie Viele sagen, die Aufregung, i­s an, die uns neuen Bestimmungsörtern entgegeneilen läßt. Wir können den Augenblick kaum erwarten, wo wir „da sind”, und diese Erregung stei­­gert sich mit dem Gedanken, daß uns längst ersehnte Lieben erwarten. Der Sprung aus dem Wagen in die Arme der Empfangenden it ein Freudensprung, wir sehen und hören nichts in diesem Monnemoment, ja wir geben dumme Antworten auf die von drei, vier Seiten an uns gestellten Wohlbefindens­ und Gesundheitsfragen. Man läßt sich mecha­­nisch von seinen Begleitern fortführen und ist froh, wenn uns ein Zimmer angezeigt werden, in dem wir uns zurückziehen und von Be­­willk­ommnungsrausch verschlafen können. Schlafen ? Welcher Mensch kann schlafen in der ersten Nacht in einer fremden Stadt, in einem fremden Bett ? Tausend Gedanken hal­­ten ung wach, tausend Bilder ziehen an unserem Auge vorüber und erleuchten die nächtliche F­insterniß mit hüpfendem Strlichtgefundel. Mir stehen am Morgen gewöhnlich mit Kopfweh auf. Und sind wir die spätere Zeit über uns selbst überlassen, haben wir eine Stell­­ung angenommen und it das Zimmer, in dem wir fißen, zu unserem dauernden bestimmt, so beflemmt die­ Sorge unser Herz , wie wird es dir ergehen als alleinstehender Singgeselle ohne elterlichen Anhang ? Daheim durfte man nur die Füße aus den Bettfedern heben und mit gähnendem Munde nach den Kleidern greifen — da eilte au­­chon Mütterchen mit den Morgenschuhen herbei : „Damit du dir die Füße nicht erfältert, mein Jungen!" sagte sie. Und hatte ich, wie Claudius der Wandsrieder Bote, meinen Kaffee im tiefsten Ne­­gligde hinuntergeschlürft, stand Mutter bereits mit dem Schlips an meis­ter Seite und ich mußte den Kopf in die Höhe halten, till stehen wie ein preußischer Nefrut, wenn ihm die erste Uniform angepabt wird ; nach dieses Beispiels Ende begann der lange Ast des „Anpaßens“ und Mutter legte mir die seidene Schlinge mit jener Miene um den Hals, die die Wichtigkeit des Magenblides in ihrer vollen Größe erfaßt. Wenn man ein leichtlebiger Bengel ist, lacht man oft über diese mütterliche Sorgsamkeit und fühlt nicht, daß man dadurch die treue Erzeugerin aufs Empfindsamste beleidigt. Es ist ihr Stolz, das Ki b, das sie großgezogen,­ zum Beschauen Aller hübich gestriegelt schniegelt auf der Straße dahin schreiten zu sehen und das ungezogene Mesen lohnt ihre Mühe und Sorgfalt mit einem ausgelassenen Lachen. Mie absehen sich ! „Warte nur, du Nase weiß,” sagte meine Güte oftmals, „wenn ich todt sein werde, wirst du es erst einsehen, was es heißt, eine Mut­­ter haben.“ Ach Gott, ich sehe es fest schon ein, wo ich als Gast auf frem­­­der Grove lebe und bei jeder Dienstleistung vom fremder Hand das Portemonnaie aus der Tasche ziehen muß. Ich muß tief aufleufzen, wenn mein Auge durch das von dienstbaren Geistern selten besuchte Zimmer schmweift. Die Insassen meines unbetreibten Adamitenthums, Apfelfinsnschaalen, abgerissene MWettenknöpfe, Wurstpapiere und Nettig­­scheiben follern in liebenswür­digster Harmonie auf den Dielen herum. Das Bedürfniß eines Meibes macht sich beim fleinsten Gegenstande geltend und wenn es­ der Heberzieher it, statt ihm im Schranze seinen Pla anzumeisen, werfen wir ihn der Länge nach über das Bett, die Stiefeln stehen auf dem Sopha und haben mir einen Affenpiitscher, sind wir im Stande und Logiren ihn in einer Kommodeschube ein. Ein Junggeselle kann Jahre lang Physiologie des Häuslichen studiren und die naturforscherliche Nase in zerrissene Strumpflöcher stechen, er wird nie die Werkzeuge zu ihrer „sicheren Heilung” so zu handhaben wissen, wie er eine Grastochter versteht und geradezu in Verzweiflung kann er kommen, wenn ihm kurz vor dem Ausgehen, kurz vor dem Schlagen der Geschäftsstunde ein Knopf springt. „Wo ist die rettende Hand, ruft es in seinem Innern, „die mir aus meiner Überlegenheit hilft?" Er flopft der Aufwärterin,, sie hört nicht, sie ist vielleicht gar nicht zu Hause ; endlich kommt er auf die „dee“, doch eine Einpfadenschlinge den abgerissenen Knopf zu erregen. Dies geht, wenigstens so lange, bis fi eine günstigere Gelegenheit zum Erlaß bietet Ja, ja, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erden, die ein ver­­heirathetes Menschenkind nicht begreift, die einem Junggesellen aber sehr bittere Stunden bereiten können. Betrachten wir nicht Manches mit Augen, al wenn es ein gordischer Knoten wäre und doc künnte es eines Meibes Hand einfach mit der­­ Scheere lösen. Zerbrechen wir uns nicht stundenlang den Kopf über ein gesauftes Taschentuch, um zu wissen, ob es von Bielefelder Leinen oder Battist ist und fühlen wir uns nit besehämt, wenn uns des Wirthes Fleines Z Töchterlein den Schnippischen Bescheid gibt, daß wir einen Baummollenlappen in Händen haben ? Singgesellenleben — Heidenleben ! Das Frühfiüd stelt die Auf­­wärterin mit einem flüchtigen „Guten Morgen” auf den Tisch und eilt dann wieder zur Thüre hinaus, „Hören Sie,“ ruf ich ihr nach und hebe den Kopf unter der Bettrede hervor, „hören Sie, Sie haben das Waschwasser vergessen” — vergebens, die Thür fliegt zu, die Frau it fort. Wir finden uns in solche Zustände und zwar mit jener Gleich­­giltigkeit, die das häusliche Element nicht für der Junggesellengüter höchstes hält. Grit wenn wir zu Hause „auf Besuch“ kommen, da sind Mutter und Schwester und Geliebte, die hundert kleine Mängel an unserer Garderobe mit lachendem Munde auszufegen willen, und an der G­nauigkeit, mit er sie die einzelnen Fehler herzählen, merten wir, daß die Kleidung den Gentleman macht und seine Properität gerade an der Tadellosigkeit des Unbedeutendsten, und wenn es ein Band, das aus den Stiefeln guht, zu erkennen ist. Heut it Sonntag. Ich sie auf meinen Galgonzimmer — am Fenster vice Eisblumen, im Ofen ein praffelndes Feuer. Der Wind bläst eine Sturmcantate duch die Kachellöcher — ein unwohliges Ge­­fühl ergreift mein Herz. Das ist der Zustand, in dem sich der ein­­zelne Mensch am glücklichsten fühlt. Auf dem Sopha hingestrebt, die beiden Beine lang über die Lehne baumelnd, trommle ich mit den Füßen zum Reitvertreib die Marseillaife. Die Gedanken geben sich dem Spiele der Laune hin. Sie fliegen in’S Blaue hinein, bauen Luftschlösser, die in graue Nebelfernen ragen, und malen uns eine Zukunft zurecht, die zu er­­reichen uns in Wirklichkeit noch mancher Kreuzberg hindert. So vergehen die Stunden und wir empfinden noch lange nac: ber einen Genuß von ihrem angenehmen Verlauf. Mal hör’ ich auf einmal aus dem Zimmer meiner Schönen Nach­­barin für ein seltsam Geräusch? „Laura, süße Laura,“ tönt es, „Du bit grausam, nur einen Blick aus Deinen Augen, nur ein Lächeln Deiner Lippen und ich bin glüclic, ja, auf ewig glüclich !" „Bossammerment !" murmelte ich, und hob den Kopf aus meiner Sophaede nicht empor. Was it das? Ein Paar Liebende? Eine Ligende und ein An­eender, eine Launige und ein — Narr ! Ich hielt das Ohr dit an die Wand, eine dünne Brettermand war es, und lauschte den Zungenschlägen der Dulcinea. „Süßer Heinrich,“ flötete sie leise, und es klopfte „hinter Mauern” mir das Herz so sehr, — „theurer Engel,“ hört ich meiter, „wie fünnt’ ich grausam fein, flichte ich nicht gestern Dir die seidene Weite?” Auf dieses Argument schien es seine Entgegnung zu geben, ich sah nur dur einen Mik in der Wand, die der Geliebten schmachtende Blide sich auf des NKnieenden pomachiges Haupt herniedersenkten, und dessen Nase sich zu „ihrem“ Antlis in die Höhe zog. Schmüre mechselten die Glücklichen, und hundert fade Din­­ger, die die Dichtersprache Küffe nennt, folgten hinterdrein. Schlum­­mermüde drückte ich beide Augen zu und warf zum „Gute Nacht“ einen neidischen Blick nach der Brettermand. Otto Spielberg,­­ und ges­­­a­nn

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