Pester Lloyd, November 1872 (Jahrgang 19, nr. 254-278)

1872-11-21 / nr. 270

4 « «­­Ir» EEE Vest, 20. November. Fast alle hier anmwetenden Abgeordneten von der Deskpartei hatten sich Heute Abend im Klublokale zusam­­mengefunden, um aus Anlaß jener bedauerlichen Angele­­genheit, welche seit zwei Tagen alle Gemüther in Span­­nung und Aufregung hält, über das weitere Vorgehen­sgläfsig zu werden. Franz Deil war leider dar­an haltendes Un­wohlsein verhindert, der Berathung beizu­­wohnen. Auch von den Ministern war Niemand erschie­­nen. Dagegen war ein Schreiben des Minister-Präsidenten eingelaufen, worin derselbe mittheilt, daß das gesammte Dem­isterium in dieser Trage solidarisch ein­stehe, daß b dasselbe jedoch auf die Entschließungen der Partei einen Einfluß nehmen wolle, sondern dieselben ab­warte, um sich dann seinerseits darü­ber, was weiter geschehen solle, auszusprechen. Nach einer längeren ein­­gehenden Diskussion wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, in der nächsten Ligung des Hauses durch ein Mitglied der Partei nachfolgenden Resolutionsantrag ein­­bringen zu hassen . Nachdem sich schon während der jüngsten Lan­dtags- Periode die Geschäftsordnun­g des­ Hauses als mangelhaft erwiesen,——­nachdem ferner die Vorfälle in der Sitzung vom­ 18.No­vemb­er d.J.,insbesondere die von einem­ Mit­­gliede des Hau­ses ausgesprochen­en tendenziöser­ und grundlosen Verdächtigungen die Wü­rde des­ Hauses tief verletzen­,für deren Bestrafung (1«ege,orläs),sowie um ähnlichen Fällen vorzubeugen,in der­ Geschäftsordnung jedoch keine genügenden Mittel ge­­boten sind,wolle das Abgeordnetenhaus eine aus neun Mitgliedern bestehende Kommission entsenden, welche die Hausordnung zu prüfen und behufs Reparation ihrer Mängel baldmöglich dem Hause ihren Vorschlag zu unterbreiten hat. Damit aber die solchergestalt modifizirte Geschäfts­­ordnung nach ihrer Annahme von Seite des Hauses so­­fort und noch mit der Wirksamkeit für d­iese Session ins Reben treten künne, wird das Min­­sterium ange­wiesen, einen Gelegentwurf wegen Abänderung des §. 14 §.­A. IV . 1848 dem Hause vorzulegen. Prüfen wir ruhig und unbefangen die Aufgabe, welche die Denkpartei im vorliegenden Falle zu Lösen hatte, und die Art und Weise, wie sie dieselbe gelötet hat! Eine direkte Vertrauensfrage im gewöhnlichen Sinne des Wortes lag von vorneherein absolut nicht vor; nicht eine politische, denn von der Politik des Ministeriums war in der ganzen Lage überhaupt nicht die Rede, und aug nicht eine persönliche, da auch in dieser Beziehung schlechterdings keine greifbare Anklage vorlag, die auch nur zu einer ernstlichen Erörterung hätte Anlaß bieten können. Nicht eine Stimme in der ganzen Partei stellte an das Ministerium die Zumuthung, auch­ nur mit einer Sylbe fich zu rechtfertigen, er hatte im Gegentheil schon die Haltung derselben während der Mede Gsernatony’s und dann die laute Zustimmung bei der Rede Lönyay’s be­wiesen, daß das Urtheil " b­ei diesem Vorfalle gegenüber bereits unerschütter­n feststehe und gar nicht Gegenstand einer weiteren Erwägung oder Erörterung sein könne. Zudem wäre es doch wohl weder mit der Wü­rde der Partei, noch mit jener der Regierung verträglich, bei jeder unmotivirten Beleidigung — denn von einer eigentlichen Beschuldigung ist wie gesagt gar nicht die Mede gemesen­­ durch ein beliebige Mitglied der Opposition, die Vertrauensfrage zu stellen und mit einer feierlichen Demonstration hervor­­zutreten. Geschähe das in einem Falle, dann müßte es allerdings auch in jedem folgenden Falle geschehen, und es wäre dann ganz dem Belieben der Opposition anheimgegeben, jeden Augenblick eine solche Szene hervorzurufen, was Schließlich weder dem Ansehen der Regierung, noch jenen der Partei förderlich sein und nur die Wirksamkeit von Bertrauenskundgebungen auch dort, wo sie wirklich am Plage sind, ebschwächen künnte. Am vorliegenden Falle hier es also vollkommen genügend, die gegen das Demnisterium gerichteten Ausfälle einfach als „tendenziölse und grundlose Berdächtigungen“ zu brandmarten und durch den Betfag, daß „dieselben die Würde des Hauses tief verlegen“, zugleich die entschiedene Mißbilligung derselben auszusprechen. Das war die Aufgabe bezüglich des Vergan­­genen. Wichtiger noch ist es jedoch, für die Zukunft einer Wiederholung so peinlicher Szenen vorzubeugen und namentlich Bestimmungen zu schaffen, fragt deren das Haus sofort an Ort und Stelle das Richteramt zu üben in der Lage ist. Daß dies nur duch­ Aenderung der Hausordnung erzielt werden kann, bedarf wohl seines Beweises und ist schon in den legten Wochen des vorigen Landtages lebhaft gefühlt worden. Die Entsendung einer Kommission behuft Nevision der Hausordnung ist somit das Nächste, was zu geschehen hat. Allein nach einer­ noch in Kraft bestehenden gejeglichen Verfügung aus dem X. 1848 kann die Revision der Hausordnung erst am Schluffe der Session vorgenom­­men und die revidirte Hausordnung erst in der nächsten Session wirksam werden. Es bedarf also einer eigenen G­ejeßesvorlage, um jenes ältere Gefeg abzuändern. Da­ die Partei eine solche Vorlage entschieden fordert, um die revidirte Hausordnung so­fort wirkam zu machen, beweiset, daß sie alles aufbietet, was in ihrer Macht steht, um das Ministerium nicht eine Stunde länger, als unbe­­dingt nothwendig, solchen Beleidigungen, wie die jüngst vorgefallenen, ausgefegt zu lassen. Die Partei ist aber n­och weiter gegangen. Es wäre ihr freigestanden, durch irgend­eines ihrer Mitglieder die erwähnte Öeiegesvorlage, die ja nur aus zwei Beilen zu bestehen hat, einbringen zu lassen, allein sie wollte direkt einen Ast der Lourtoisie gegenüber dem Ministerium begehen, sie wollte ihre volle ungetrübte Uebereinstimmung mit demselben erlatant dar­­thun, indem sie mit der Einbringung jener Gefäßesvorlage geradezu das Ministerium betraut. — — Das ist unserer Auffassung nach die Bedeutung der oben mitgetheilten Resolution, und wir glauben, daß die Negierung allen Grund habe, mit diesem Resultate zufrie­­den zu sein. Die Opposition freilig — darüber darf man si­­teiner Täuschung hingeben — wird den­ Antrag aufs Aeußerste bekämpfen und zwar aus all jenen Gesichts­­punkten,­­welche bei dessen Annahme Seitens der Dess­­partei maßgebend waren. Sie wird nicht zugeben wollen, daß Über das­­Verhalten eines ihrer Mitglieder ein so scharfer Tadel ausgesprochen werde, sie wird sich gegen eine Verfchärfung der Geschäftsordnung sträuben, obwohl ja die Vortheile derselben schließlich allen P­arteien zu Gute formen, und sie wird sich der, wenngleich nur ver­­deckten Vertrauens-Kundgebung an das Ministerium, welche im legten Absage liegt, nicht anschließen wollen. Allein die Desfpartei wird wie Ein Mann für die Resolution stimmen, und die Deskpartei it die Majorität; sie wü­rde der Macht, welche sie als solche besigt, geradezu unwürdig erscheinen, wenn sie nach Allem , was vorge­fallen, davon selbst in so bescheidenem Maße, wie dies in der Resolution geschieht, Gebrauch zu machen Anstand nehmen würde. Veit, 20 November. DI Sp wären denn die Tage der präsentirten und ernannten Mitglieder des preußischen Herrenhauses gezählt! Mit seinem Worte hatte die Thronrede, welche den preußi­­gen Landtag eröffnete, einer Reform der ersten Kammer gedacht. Nur das feierliche Versprechen hatte sie gegeben, die Kreisordnung mit Hilfe aller jener Meister durchzufüh­­ren, welche der Regierung durch die Berfaffung geboten werden. Aber mit seltener Einhelligkeit — das Organ der eingefleischtesten Zunfer etwa ausgenommen — inter­pretirt die ganze öffentliche Meinung Preußens das könig­­liche Versprechen dahin, die von der „Verfassung gebotenen Mittel” in der völligen Umgestaltung des Herrenhauses zu suchen. Ob diese Efsemptirung der politischen Nothwen­­digkeit, der innigsten Wünsche des preußischen Volkes und der von der modernen SZeitströmung als unaufschiebbar hingestellten Forderungen nach einer radikalen Verbesserung des in Preußen herrschenden parlamentarischen Systems von der Negierung auch verstomptirt werden wird?! Wer vermöchte dies vorauszusagen? Ung genügt die Thatsache, daß sich in einem der mächtigsten und tonangebendsten Staaten Europas die öffentliche Meinung des Gedankens bemächtigte, die Erste Kammer in ihrer gegenwärtigen Zusammenlegung stehe in völligem Widerspruche mit den Bestrebungen des modernen Staatslebens, und daß es nicht erst in Trage gestellt werden dürfe, welches bei beiden einander feindlichen Elemente aus der politischen Arena verdrängt werden müsse. Wie der gichtbehaftete Krante jede Veränderung in den­­ Temperaturverhältnissen, jede Verän­­derung in der Windrichtung selbst entfernter Regionen in seinen Gliedern schmerzlich empfindet, so zitiert und schwanket der mächtige Bau des kontinentalen Parlamentarismus, wenn irgendwo in einem konstitutionellen Staate die Reform des Oberhauses auf die Tagesordnung der politischen Dis­­tussion gelegt wird. Wir fühlen ez Ale, daß dies Die Stelle ist, an der unser parlamentarisches System seine ärgsten Ver­­wundungen erleiden kann, wir werden auf die Unordnung in unserem eigenen Hause desto lebhafter aufmerksam gemacht, je mehr wir Gelegenheit haben, sie in den Verhältnissen diesen feudalen Ueberresten und den Errungenschaften­ der Neuzeit die Reform des Oberhauses in Preußen als eine der natü­rlichsten, also eben nicht besonders bemerkens­­werthen Zorderungen erscheinen läßt; andererseits aber darf nicht außer Acht gelassen werden, daß gerade in­­­reußen das Herrenhaus noch tief in den gegebenen Ver­hältnissen wurzelt, aus bestehenden lebenden Institutionen, aus unversümmert fortwuchernden Rechten seine Nahrung zieht. Beweist dies nicht gerade diejenige Zurage am besten, an welche sich die ganze Agitation in erster Reihe an­­knüpft? Ist die „Kreisordnung” hierfür nicht das beredteste Zeugnis? Sind sie nicht da, die Stifter, die Rittergikter, die alten Familienbefigungen mit ihren patrimonialen und feudalen Vorrechten ?­ft etwa die Verfassung abge­­schafft, die ihnen das Präsentationsrecht für die Mitglie­­der der Ersten Kammer gibt? Nein, sie emistiren und be­stehen, mehl wie im Verfalle begriffene Nam­en, die aus alten Zügen in den baren Himmel der Rechtsgleichheit hineinragen, aber gefrüßt von den reten Ballen einer bergworenen Verfassung und auf der Basis rechtskräftiger Verhältnisse fußend. Nicht aus dem Arsenale der Phrase, die machtlos gegen den Donnerruf der staatsbürgerlichen Freiheit ankrämpft, holt das preußische Herrenhaus seine Waffen; nicht im verzweifelnder Ohnmacht braucht es krampfhaft seine Faust zu ballen: es kümpft mit der Waffe des ihm zutgesicherten Nechtes, ist auch die Waffe etwas altmodisch und verenftet; es besteht aus feinem „Sceine“, dessen Giftigkeit wohl sehr gefunden ist, der aber angesichts der noch bestehenden, feudalen Verhältnisse noch nicht seinen ganzen Werth, seine Beweiskraft einge­­büßt hat. Tritt nun aber das Begehren nach einer radikalen Reform der Ersten Kammer selbst dort in so imponirender Weise auf, wo dieser Faktor des Parlamentarismus eine nicht zu verwerfende Art der Existenzberechtigung für sich hat, so ist diese Reform in solchen Ländern noch dringen­­der geboten, wo die Trümmer der feudalen Numnen von dem mächtigen Sturme moderner Staatsideen hinnwegge­­fegt wurden, wo der Bruch mit den Traditionen aus der vormärzlichen Zeit ein völliger gewesen, wo — mie bei uns — alle Verbindungspunkte abgeschnitten wurden. Die das Leben der Nation an den Einfluß einer bevorzugten Kaffe knüp­ften, wo also dem Herrenhause in seiner alten Form jede berechtigende Grundlage entzogen ward, von wo aus es seine Position zu vertheidigen im Stande wäre. Und nit nur, daß die Erste Kammer jede Berechtigung verloren, als überflüssiger, unmaßgebender Faktor macht sie noch den Eindruck eines allgemein verhaßten Individuums, das, ewig hin- und hergestoßen, der Gesellschaft zur Last fällt, selber aber ohne sichern Halt, in stetem Schwanfen und Schaufeln begriffen, auch die wenige, ihm noch inne­­wohnende Kraft nicht zur Geltung bringen kann. Ducht die Erste Kammer sich unter das Joch der Zweiten Kammer, riet sie pagodenmäßig „Ja“ und wagt es nicht, gegen­­über den Beschlüssen der Abgeordneten auch ihre Stimme zu erheben, auch ihren Einfluß zu bethätigen, dann heißt es, das Herrenhaus sei überflüssig, ein fünftes Mad am Staatswagen, das nur hindert, statt zu fordern. Hat aber das Oberhaus einmal auch­ seine besondere Meinung, wagt es sogar, seiner Anshauung gegenüber dem Deputirtenhause Ausdruck zu verleihen, ja, ist es einmal sogar so hart:­nädig, nicht nachgeben zu wollen und in störriger Oppo­­sition zu verharren, dann erst geht das Zeter und Mordio recht 108 ; das Oberhaus — heißt es dann — habe seine Existenzbereitigung und die Vertilgung desselben wird der Schlachtenruf in dem Lager der „Liberalen”. . Die Erste Kammer muß aber aufhören, die Rolle dieser Zwittergestalt zum­ spielen ; sie darf sein Fangball sein, den man bald hierhin, bald dorthin wirft ; sie muß an Fertigkeit gewinnen, sie mu­ß soll dies auch erreicht werden — auf das Riedertal eines neuen Prinzipes gestellt werden, der Bevölkerung. Im allen ihren Schichten ist konservativ, im edlen Sinne des Wortes. Hat doch selbst den­ der ersten und mächtigsten Republis in Fortbestehen derselben konservativen Charakters geknüpft! servativen Elemente Genüge vertreten sind. Konfervative Liberalismus in mächtige Majorität erlangt. gefaßt, Gefege, ften Kammern, Hr die hier ift Reaction entgegen. Das ift die eg nicht. neuen Herrenhaufes terefjen des jozialen Lebens, die Bedingung ihres der Zweiten Kammer zur den Abgeordnetenhäusern eine gebracht werden, mü­ffen. Ob, und in welcher Form num Preußen Europa das Sepublif und Tonfers­vativ ! Wer Hätte diese beiden Begriffe vor fünfundzwan­­zig Jahren nicht für kontradiktorisch gehalten !? Unter fol­chen Verhältnissen aber nur dann Schaffen, wenn fein, eg nur zu Har, daß Ja der That hat auch überall der die hier tragen unver­­kennbar einen konservativen Stempel­­ an der Stiie. Ueber diese Grenze hinaus darf werden, und ein ee das noch konservativer als Die Exste Kammer sein will, geht mit Nierenschritten tirche zwischen des Kontinentalen Europa Kurse begünstigt , der ilfiberalen Ursache, warum die Er des SKonservatis- Haltung der Ersten Kammer vornehmen wird, erscheinen der­ Zusammenlegung des poli Aus die mächtigen‘ Unterschiede dem Staate und seinen Gliedern berücsichtigt. Dann wird die neue Schöpfung nicht nur auf den Par­lamentarismus Preußens, sondern auch auf alle jene Staa­­ten von mächtigstem Einflusse als historisch ent­­wickelte und liebgewordene Institution besteht. Bert, 20 November. " „Sie ist groß in ihrem Genre, doch ihr Genre ist Hein!" Wie oft fühlt man si versucht, dies bekannte Wort der Catalani über die Sonntag auf Thiers und namentlich auf sein Verhältniß zur Nationalversammlung in Bersailles anzuwenden. In allen jenen Lebensfragen, deren Lösung für die moralische, intellektuelle, wirthschaft­­tige, staatliche, ja auch militärische Wiedergeburt Frank­­reichs entscheidend­­ ist, tritt ung ein greifenhaft-mumien­­artiger Zug entgegen, dem gegenüber wir uns nun einmal nicht erwehren können, selbst für Die modernen, zeitgemäßen Ansichten eines Rouher Partei zu ergreifen. Schritt für Schritt ist es der Thiers von 1830, dem wir begegnen, und wenn man die ungeheuer geistige Srrfche des 7-jähri­­gen Präsidenten rühmt, so sind wir manchmal fast ver­­sucht, daß diese Eigenschaft seine Kunst ist für Semanden, der im Stande, nahezu ein halbes Jahrhundert wie ein Murmelthier zu verschlafen. Auch in den einbalsamirten Zeichen der Pharaonen hat man ja in den Pyramiden vertrocnete Getreidehalme gefunden, die, wieder­ ins Erde reich versenft und in die entsprechende Lage verlegt, genau dieselben Aöhren und Körner trieben, wie vor jenen vierzig Jahrhunderten, die von der Höhe der Pyramiden auf Napoleons Grenadiere hinabschauten. Nicht anders geht es mit Thiers! Im einem Mo­mente, wo Frankreich zu seiner wahren Negeneration vor allen Dingen die sittliche Umkehr und Einkehr in sich selbst Noth thäte, die zur Belehrung des Landes von dem alten Shhauvinismus und zur Erwerbung soliderer Existenzgrunde lagen führen müßten, als sie das rein äußerliche Streben nach Cloire und dem Nimbus der Präponderanz bieten konnte, erhebt Thies mehr denn je­den Chaupinismus zum alleinigen Regulator seiner Politik. Das ist zwischen je zwei Zeilen seiner Botschaft so deutlich zu lesen, daß es feiner eingehenderen Auseinanderlegung bedarf. Auch ändert es daran nichts, daß der Chauvinismus diesmal in der Form des Nevanchegedankens auftritt. Nicht als ob es Frankreich verargt werden sollte, daß man in Ber­sailles die Nacheroberung Elsaß-Lothringens im Auge be­hält. Aber viel, viel tiefer Liegt der Fehler. Er besteht darin, daß man zur Erreichung dieses Brieles nicht den Weg einer gründlichen Reform, sondern denselben einsei­­tigen Pfad einschlägt, der einst nac Waterloo und dann nach Sedan geführt. Das ist der Grund, weshalb Thiers, an der obsoleten Theorie von dem europäischen Gleichge­­wichte hängend, den nationalen Beziebungen der Nachbar­­länder mit der ganzen zopfigen Verbissenheit eines Diplo­­maten der Wiener Kongreßzeit gegenübersteht, weil er auf die Zerrissenheit derselben die Suprematie Frankreichs basiren möchte. Dies ist der Grund, weshalb er nament­­lic Italien in derselben kleinlichen Weise reizt, wie es einst unsere Schwarzenberg, Buol und Nechberg gethan! Mit der auswärtigen Bolitis geht die innere Hand in Hand. Nicht blos Viktor Emanuel gegenüber wird die aug zu Hause läßt man den Sejuiten aufgebaut Element, die Dauerndes erst jüngst schon auf dem sind, als Prinzipe bhödst und es nicht in bei sondern auch an der Präsi­­Die Umge- Die Beischlüffe also, aber nicht nur das gegangen überflüssig Lebenskräftiges die in denen das Zmweifammer-System wir aber fann die fün» FTonservative vielgestaltigen wissen eg A se­re Sabbas Bukovics Tr So hältst du also kein Bersprechen, du böser guter Freund ? Mit einem Wortbrudte gehst du aus dem Leben, du, der nie im Leben sein Wort gebrochen hat? 68 war vor etwa vier Monaten, an einem glühendheißen Augustmorgen, als ich mit den Meinen — vom Nassery und Bandur hinweg — jene steile Straße hinan­­fuhr, die nach dem Kiffinger Bahnhofe führt. Als wir oben an­­langten, mwarst du schon da, dort fakest du, wie gewöhnlich, den Kopf tief vorgebeugt und gedankenvoll in den Sand ftierend und haurtest unser, um uns zum Abschiede noch einmal die Hand zu drücken. Du tratest dann mit uns auf den Perron und ala wir di fragten: „Also es bleibt dabei, am ersten Sonntage, nachdem wir alle — die Heine ungarische Kolonie, die sich in Kiffingen zusammengefunden — wieder und des glücklichen Misdersehens in der Heimat“ — da erhofst du das gesenkte Haupt, aus deinen driffen Augen bliste es freudig, ein Lächeln flog über ich jedenfalls von London zurück“. erinnerst du dich deffen? Ach nein, für dich gibt es ja keine Er­­innerung mehr; du schläfft den Schlaf der Glüklichen sein du du „& wir leeren durchfurchtes Antlik, „ja, Grdenleben, fein ditterer, der dir die ewige Ruhe trüben würde. Mir aber, wir gedachten deiner oft und oft und als der 20. Ok­­tober vorlibher war, da barsten mir deiner jeden Tag, jede Stunde , du ungetreuer Mann, du famst nit uns ein’ Glas zur Feier ja, ganz gewiß” — sagtest du — „ich werde nicht fehlen“. Und als wir dich fragten, wann das beiläufig sein werde, da meintest du: „Spätestens am 20. Oktober­, bis dahin Lieber bin deine geschloffenen Augen umspielt sein Widerschein aus diesem irdischen Dasein, freudiger, der présent­lich zurückkehnen machte nach dem die furchtbare Botschaft, mit der sich der französise Soldat nach heldenmüthigem Kampfe aus der Schlacht­­linie zurückzog: permettes went, fein Körperliches Beiden Schenfhen. In den Korridor, die Temperatur Verkehrs, den im Hause zu drühend ward — fast immer allein auf und nieder und wenn er an seinem Blate tat, blütete er flumm vor sich hin und pflegte Faum hie und da mit einem Nachbar ein Wort zu mehleln; allein troß bey geringen ihn Ledermann und wenn er sich zum Sprechen erhob, hörte man ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu, denn man mußte, daß hinter dieser faltenreichen hohen Stirne ein starker Geist, eine Fülle von Wissen wohne und daß jedes seiner Worte — was er sagte, moßte richtig sein oder nu­ — der Ausfluß einer tiefen ehrlichen Ueberzeugung sei. Seine Rede war nicht brillant und auch seine ganze politische Laufbahn war es nicht, allein wohin ihn das Vaterland stellte, da diente er ihm mit voller Energie und Hingebung, ehrlich, treu und mit einer Gelbstaufopferung, die seine Grenzen fannte. Die unwichtigsten Momente seiner politis seren Karriere sind unseren Lesern bekannt. Im Jahre 1843 trat er zum ersten Male als Ablegat des Temeser Komitates im P­reß­­burger Landtage vor die Deffentlichkeit ; im Jahre 1848 leistete er als königl. Kommissär im Banate unfhäsbare Dienste­, im Jahre 1849 nach der Unabhängigkeitserklärung wurde er­­ Justizminister in dem neuen Kabinett; ald­folcher hielt er aus bis zum legten Momente; dann rettete er sich, während ein Theil der Flüchtlinge mit KRoffuth nach dem Oriente zog, unter tausenderlei Gefahren mitten durch die österreichischen Provinzen nach dem Westen und am 21. September 1851 prangte sein Name am Galgen neben — wir nennen nur diejenigen, die noch am Leben sind — neben Paul Almaffy, Graf Julius Andraffy, Czern­tond, ®orove, Hazm­an, Mid. Horváth, Iranyi, Kofsuth, Radislaus Madaras, Moriz Berczel, Buty, Syontagh, Táncsics und Better Welch’ eine sonderbare Zusammen­­stellung, namentlich wenn man ihr die Gegenwart gegenüberhält ! Nach kurzem Wandern nahm Bufovics seinen bleibenden Aufent­­halt in England und wurde dort ganz und gar Engländer, nicht auf Kosten seiner Liebe zum Vaterland­ , denn Diese bemahrte er treu bis zum rechten Athenzuge, sondern in seinem ganzen äußeren Wesen und in seiner Geistesrichtung. Der englische National- Charakter harmonirte volständig mit seiner eigenen Individualität und er nahm davon so viel in sich auf, daß er Schließlich fast zum Sonderling wurde und si in seinem Wesen mancerlei Wider­­sprüche zeigten, die sie psychologisch allerdings unschmer erklä­­ren lassen. Bufovics ward in der Schule des Tablabristhums — wir nehmen das Wort hier in seiner edelsten Bedeutung — groß­­gezogen und al er nach England kam, war er niel mehr jung genug (er zählte bereits 40 Jahre), um diesen Grundzug durch neue äußere Eindrüde völlig verwischen oder auch nur erheblich ummodeln zu lassen ; er war aber als noch nicht so alt, um für jene Eindrüde ganz unempfänglic zu sein, ihnen jede Einwirkung auf seinen lebhaften Geist völlig vermehren zu können. Als er dann mit diesem sonderbaren Gemiüse von Ideen und Anschauun­­gen heimkehrte, mußten wir nicht recht, wie wir den Mann eigent­­li­caffifiziren sollten ; seine der landläufigen Parteibenennungen wollte so recht auf ihn passen. Aeußerlich schloß er si dem linken Zentrum an und doch gehörte er nicht ganz dahin, denn es gab Fragen, in denen er mit der äußersten Linken stimmte, und wieder andere, bezüglich deren seine Ansichten jenen der äußersten Rechten Herz gemachhen ; für diese und die Unabhängigkeit Ungarns hatte er seine volle Kraft eingefegt, so lange er hier in der Heimath praktische Politik getrieben und folds alte Liebe roftet nit; im Erile hatte er dann die großen freiheitlichen Probleme studirt, aber zur meist aus Büchern studirt oder an der Praxis folcher Völker, die uns an Kultur weit voran, und deren Verhältnisse von den unfrigen wesentlich verschieden sind. Den bei uns im Laufe zweier Jahrzehnte allmälig vor sich gegangenen Umgestaltungs­­prozeß, die Daraus entsprungenen neuen Verhältnisse kannte er, wie alle Emigranten, nicht aus unmittelbarer Anfhauung und sein in sich geführtes Wesen ließ ihn selbst nach seiner Rückkehr wenig Gelegenheit finden, seine Anschauungen durch häufigen Kontakt mit den verschiedenen Gesellscaftskreisen zu Forrigiren. So bestand in ihm ein eigenthümliches Gemisch von Konservatismus und Naditalismus, welches dahin führte, daß er der gegen­­­wärtigen Regierung gegenüber jedenfalls am entschiedensten oppositionell war, denn er war es doppelt: nach rückwärts und nah vorwärts; in inneren s­taatsrechtlien Fragen, namentlich wo es sich um die alten Diunizipien handelte, miß­­‚billigte er die nivellirenden Tendenzen dieser Regierung ; hier war er konservativ bis an die äußerste Grenze, während er in freiheit­lichen Fragen einem Naditalismus huldigte, der häufig an Soealismus streifte. — — Ob diese wenigen flüchtigen Striche hinreichen, um den P­olitiker Burovics zu charakterisiren? Ich weiß es nicht. Leichter wird es sein, ein Bild des Menschen zu entwerfen, denn das MWerentlichste ist hier bald gesagt: er gehörte zu den Beten, Edelsten, die je unter und gewandelt. Seine Ehrlichkeit fand nicht leicht ihresgleichen und dabei war er von einer Kindlich­­keit des Gemüthes, an der nicht die leiseste Spur von den reichen, mitunter wohl auch sehr bitteren Erfahrungen eines langen viel­ bewegten Lebens wahrzunehmen war. Wenn er von jemandem einen unbonetten Zug erfuhr, war er nicht erzürnt oder ent­­rüstet ,­ sondern­­ verblüfft, er vermochte schlechterdings nicht zu begreifen, wie jemand eine unehrenhafte Handlung begehen könne, und wenn er schließlich die Welterzeugung gewann, daß dies denn doch verflomme, da war es eher ein Ge­­fühl des Schmerzes als des Hafses, das er feiner bes mächtigte. Den Haß scheint er überhaupt nur dem Namen nach gekannt zu haben; politischen Gegnern gegenüber fand er denselben geradezu unbegreiflich. Das war es, was den Verkehr mit ihm aug für Andersdeukende so angenehm machte. Der Zufall fügte es, daß die bereits erwähnte kleine ungarische Kolonie, die sich im Sommer dieses Jahres in Biffingen zusam­­­menfand, ausschließlich aus Deakisten bestand. Butovics war der einzige Oppositionelle, und bem­og — obwohl mir den größten Theil des Tages miteinander verlebten, erinnere ich mich nicht eines einzigen Mißtones, der die Harmonie unter uns ge­­stört hätte. Dabei gingen mit der Politik Teinesmegg üängstli­ch aus dem­ Wege; wenn das Gespräch sich diesem Thema zu­wandte, sprach Jedermann seine Meinung eben so unverhohlen, aber auch eben so ruhig aus, wie über jeden andern Gegenstand und wenn wir uns dann trennten, waren wir dennoch nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich eben so gute Freunde wie zu­vor. reilich hatte es einige Arbeit gefoftet, ihn in unseren Kreis zu ziehen; er mied jede Gesellschaft, namentlich jene von Damen, da er sich, wie er selbst zu sagen pflegte, durch seinen leidenden Zustand und seine außerordentliche Kurzsichtigkeit (er trug die schärfsten Gläser und mußte vor diese noch ein zweites, eben­so scharfes Glas nehmen, um sesen zu können) zum guten Gesellsigafter durchaus nicht qualifizirt erachte. Damit b­at er, nebenbei gejagt, sich selber Unrecht, denn er war eben Damen gegenüber, ohne den entferntesten Schein von Gedenhaftigkeit, der ja sein ganzes Wesen widersprach, doch vor jener ritterlichen Artigkeit, für melche England eine so treffliche Schule bietet. Als aber einmal das Ei gebrochen war; als er sah, wie rückk­­ichtsvoll und mohlmollend ihn namentlich der weibliche Theil unseres kleinen Zirkels behandelte, schloß er sich uns herzlich und innig an und konnte und nicht oft genug für die heiteren Stun­­den danken, die er mit uns zubrachte — sowweit es seine Spar­­samkeit gestattete. Denn sparsam war er, trogdem er in sehr wehlgeordneten materiellen Verhältnissen lebte. Als uns die Kost im Kurhause zu schlecht wurde und wir andern als Separate Diners für ung­em­iichten Tiefen, nahm er etwa zweimal daran Theil, dann blieb er aus; — zwei Thaler für ein Rouwert zu zahlen, das konnte er nicht über’s Herz bringen ; nur am Tage vor unserer Abreise erschien er wieder an unserem Tische und trat sogar, unter slüchternem Erröthen, mit dem liederlichen Antrage hervor, Champagner zu trinfen — nicht ohne zuvor zu versichern, daß der Champagner nach Ausspruch des Dr. Balling nicht für« midrig sei. Auf die Aussprüche dieses Dr. Balling (eines biederen Deutschen, dessen Namen Butovics Konsequent Balling aus­sprach, so wie er uns erzählte, daß man auch ihn in London viel« ja Mr. Butovei­z nenne), hielt er unendli viel und die oft ganz überflüssigen Kurporschriften befolgte er pedantisc­h — der Arme, er flammerte sich an jeden Strohhalm, um nicht die Hoffnung auf Besserung seines Zustandes völlig aufgeben zu müsse! Des Morgens war er der erste Kurgast, der sich am Brunnen einfand, lange ehe das Orchester, das von 6—8 Uhr spielte, e­rschien; dann trank er mit pedantischer Genauigkeit seine vier Becher Nalsczy, promenirte, badete, Alles, wie er im Bunde des „Dr. Balling” stand., Nach 2—3 Wochen schien er, als ob er sich besser fühlte; er ward gesprächiger und konnte herzlich lade­n, nein, das konnte er überhaupt nicht, aber er hatte mindestens ein unwehmüthiges Lächeln zu jedem Spaffe, auch wenn derselbe — was bei seiner Kurzsichtigkeit öfter geschah — auf seine Kosten ging. Wenn er zum Beispiel eine über die Stuhlsehne ge­­hängte Serviette erfaßte, um sie beim Fortgehen der neben ihm figenden Dame statt der Mantille umzuhängen, oder menn alle bei ung dein bleiches, tief aber, deiner fendest je, me meurs", — — — es bekannt ist, was er in Pest beisar­men find, speifet hr 68 wird mit Ausnahme nicht viele Menschen im Lande geben, Nation dur den Tod Sabbas Butfovics würdigen müßten, und noch enger so verschloffen, wenn ihm er mit seinen Kollegen unterhielt, achtete und schagte so der als Mensch in fi moi, que je me retire, car eigentlichen politischen Kreise welche den Berlust, den die erlitten, vollständig zu ist der Kreis derjenigen, denen gemeten. Er mar­tete so gelehrt, ja im festerer Zeit, ala immermehr überhand nahm, des Abgeordnetenhauses fast men ging er — und und statt

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