Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1918. november (65. évfolyam, 256-281. szám)

1918-11-01 / 256. szám

Wir Werden alles zur Sicherung und Organisierung der vW uns erkämpftm Macht Erforderliche tun. Wir stellen sofort die dem Lande gerauRen Freiheits­rechte: die Preßfreiheit, das Geschwornengericht. das Ver­­samnrlungs- und Koalitionsrecht, wieder her. Wir veickün­­den eine militärische und bürgerliche Anmestie. Sämtliche Jntemierten lassen wir in ihre Heimat zurü-ckkehren. Wir unt^erbreiten schleunigst das allgemeitte. gleiche, gcheime, gemeindeweise Wahlrecht für Abgeordnetelchaus, Munizipien und Gemeinden, ein Wahlrecht, das sich auf die Frauen erstreckt; ferner einen Gesetzentwurf über die gerechte und gleiche Einteilung der Wahlkreise. Wir werden auf jtde mögliche Art für Msere l-eim­­kehrenden Soldaten und die ungküMchen Opfer-deS Krie­ges sorgen. Wir beginnen sofort die Arbeit auf dem Gebiete der Sozialpolitik und des Arbeiterschutzes und die Verwirk­lichung einer kräftigen Bodenbefitzpolifik, die den großen Volksmassen zu Bodenbesitz verhilft. Wenn das gegenwärtige Wgeordnetenhaus welchen Punkt unseres Programms imnrer nicht annimmt, lösen wir es sofort auf und appellierm an die Nation. Mitbürger! Wir sind der Meinung, daß. obgleich das Land infolge der Sünden der früheren Regierungen heute in einer so fürchterlichen und verzweifelten Lage ist. wie es das seit Mohács nicht war, die befreite Lebenskraft des Volkes unserem geqMten armen Vaterlande dennoch eine schönere, bessere und glücklichere Zánst bringen wird. Es hängt in erster Reihe von der Bevölkerung Buda­pests ab, daß dem so werde, denn die Voraussetzung muß erMt sein, daß vor allem die gesetzliche Ordnung in der Hauptstadt nnd auch in der Provinz schnell hergestellt werden Mitbürger! Arbeiter! Soldaten! Wir haben gesiegt und alles erreicht, was wir erreichen wollten, onr haben keinen Grund, jetzt den Kampf fortzusetzen. Seit vierein­halb Jahren hat man uns zur fluchvollen Arbeit des Todes angehakten, möge jetzt die neuschaffende Arbeit des Lebens kommen. Ruhe, Geduld und Vertrauen verlangt von dem Volke Ungarns die erste ungarische Volks­regierung. Budapest, 31. Oktober 1918. Graf Michael K ä r o I y i, Ministerpräsidmt und Finanzminister. Graf Theodor Batthyány, Minister des Innern. Martin Loväßy, Kultus- und Unterrichtsminister. Bèla L i n-d e r, Kriegsminister. Ernst Garami, Handelsminister. Barna Buza> Ackerbauminister. Franz Nagy, Volksernâhnmgsminister. Oskar Jäßi, Minister. Sigmund K u n f i, Minister für Volkswohlfahu. (Oberst des Generalstabes Bèla Linder, über iicy'en Ernennung zum Honvèdminister wir be­richtet haben, erscheint unter dem ersten Dokument der neuen Regierung als Krt'-gsminister. Seit 1849 bat es keinen ungarischen Kriegsminister gegeben.) Ermordung des Grafen Stefan Tißa. Budapest. S1. Oktober. In den Abendstunden ging die erschütternde Kunde durch die Stadt, Graf Stefan Titza sei ermordet ,vorden. Die Bestätigung der Nachricht ließ nicht lange auf sich warten, lieber den tragischen Vorfall wurden bald die folgenden Einzelheiten bekannt: Graf. Stefan Tißa blieb heute, obgleich er sich sonst in den Abendstunden in die Stadt zu begeben pflegte, in seiner Stadtwäldchen gelegenen Wohnung auf der HerminL«ut. Vor dem Hause des Grafen Tißa hatte eine Gen-' barmert-abteilung von acht Mann die Wache. Wenige Minute/ nach einviertel 6 Uhr öffneten drei Soldaten, die mit aufgepflanztem Bajonett vor dem Hause erschie­nen. dak automatisch schließende Schloß des Tores. Dann drangeö sie durch den Vorraum und die Hall in den Salom Hier trat ihnen Graf Stefan Tißa entgegen. An seiner Seite standen Gräfin Stefan Tißa und Gräfin Denise A l N ä s s y. Graf Tißa richtete an die Eintretenden die Frage, was sie wünschten. — Sagen Si» rst, was Sie in der Hand haben, antwortete ...ner der Soldaten. Graf Stefan Tißa erwiderte hierauf, daß er einen Revolver in der Hand habe. — Legen Sie den Revolver weg! — er­ging die Aufforderimg an den Grafen Tißa von den Sol­daten. — Ich lege den Revolver nicht weg, denn auch Ihr legt das Gewehr nichtwegt^ — antwortete der Graf. Nunmehr richteten die Soldaten M die Gräfinnen Tißa und Almâsiy die Aufforderung, zm Seite zu treten. Gräfin Stefan Tißa antwortet'e.^daß sie nicht zur Seite treten werde und an der Seite ihres Gatten zu bleiben wünsche. - Auch Gräfin Denise Almässy lehnte die Erfüllung der Aufforderung der Sol­dat en ab. Hierauf sagte einer der Soldaten zu dem Grafen St^an Tißa gewendet: — Sie tragen schuld daran, daß Millionen Menschen zugrunde gegangen sind, denn Sie haben den 5drieg ge­macht! Graf Stefan Tißa antwortete: — Ich beklage es aus ganzer Seele, daß Millionen Menschen in diesem Kriege zugrunde gegangen sind. Aber es ist nicht wahr, daß ich den Krieg gemacht, oder ihn ver­schuldet habe. Nunmehr richtete wieder einer der Soldaten an die Damen^ die Aufforderung, zur Seite zu treten, was diese ablehnten. Der Soldat rief abermals dem Grafen Stefan Tißa zu, er möge den Revolver weglegen. Graf Stefarr Tißa wandte sich um und legte den Revolver, ohne ein â Wort zu sprechen, auf. einen hinter ihm stehenden Tisch. Kaum wandte er sich wieder zu den Soldaten, als diese auf ihn anlegten. Graf Tißa streckte die Hand aus, um die Bajonette beiseite zu schieben. Da rief der eine Soldat: — Die Stunde der Abrechnung hat geschlagen! Drei Schüsse krachten und drei Ge­schosse durchbohrten den Grafen, der zwi­schen ftiner F-rau und der Gäfin Almässy auf den Teppich niedersank. Beim Austritt verletzten zwei Geschosie leicht auch die Gräfin Denise Almässy. Graf Stefan Tißa war tödlich getroffen und starb nach wenigen Minuten. Seine letzten Worte waren: . — Ich bin getroffen, ich sterbe, das m u ß t e s o g e s ch e h e n. Die drei Soldaten verließen das Haus und auch die Gendarnlen. die vor dem Hause die Wache hatten, ver­ließen den Posten, ohne ihre Gewehre mitzuNehmen, Eine halbe Stunde später erschien Oberstadthauptmannstell­vertreter Szentkirályi am Tatorte, wohin er sich sofort nach Einlaygen der Nachricht über hie Ermordung des Grafen Tißa begeben hatte. Ec farM den Grasen Tißa tot auf hem. Fußboden liegen. An seiner Seite saß in stummer Trauer, in einen Lehnstuhl zusammengesunken, die Gattin des Ermordeten. Graf Stefan Tißa war gestern abend iwch im Klub der Achtundvierziger Verfasiungspartei erschienen und nahm an den Gesprächen lebhaft teil. Als er dann in einem Fauteuil Platz nahm, fragte ihn ein Mitglied der Partei, ob er miU>e sei. Er antwortete lächelnd: »Meine arme Frau sagte mir heute, es sei an der Zeit, daß auch ich einmal raste. Sie ftagte, waM ich eigent­lich selbst einmal ausruhen werde. Ich sagte: Wenn Ihr mich zur Gruft tragen werdet. Dann werde ich ausruhen." Graf^ Michael Károlyi hat an Gräfin - Stefan Tißa folgendes Telegramm gesandt: Ich halte es für meine menschliche Pflicht, ange­sichts des tragischen Todes meines größten politischen Gegners meiner aufrichtigen und tiefgefühlten Teil­nahme Ausdnlck zu geben. d <ö » Das «rar Ungarn. Das Kal»me11 Kärolyr. ' BüdaPest, 31. OktobeL. „Politikai Lrtchtö" berichtet: Der neuexnannte Mi-! nisterpräsldent stellt sein Kabinett folgendermaßen I zusammen: Ministerpräsident: Graf Michael Károlyi. Minister des Jnnem: Graf Theodor Batthyány, Handelsminister: Ernst Garami. Kultus- und Unterrichtsminister: Martin L o v á ß y, Ackerbauminister: Barna Buza, Minister für Volkswohlsahrt: Sigmund Kunfi. Minister für VoUsernährung: Franz Nagy. Kriegsminister: Oberst des Generalstabes Biila Linder. Minister ohne Portefeuille: Oskar Iäßi. Das Finanzportefeuille wird vorläufig nicht besetzt, sondern der Leitung des Ministerpräsidenten unterstehen. Als Staatssekretär wird Paul Szendein dieses Mini­sterium eintreten.^ Die auserschene Regierung hielt heute um 4 Uhr nachmfttags eine Konferenz im Zentralstadt­hause. Von den Mitgliedern des Kabinetts gehören Graf Michael Károlyi, Martin Lovaßy, Graf Theodor Batthyány und Barnabas Buza zur Achtundvierziger Unabhängigkeitspartei, Dr. Sigmund Kunfi und Ernst Garami zur Sozialdemokratie, Dr. Franz Nagy, Oberst Linder haben bisher keiner Partei an­gehört. Minister Jäßi uM> Staatssekretär Dr. Paul Szende sind Radikale. Ferner hatte Graf Michael Károlyi das Kultus­­ünd Un.texri.chtsportefeuille zuerst dem Ab­geordneten Johann Hock angeboten, der aber ab­­lehnte, da er keinerlei Ministerportefeuillc -Ut.-unehmen geneigt sei. Mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Justi^minlsters ist provisorisch Ackerbauminister i Barna Buza betrautr ... ' e Die Wnigliche Ernennung des MinisterpräsiderrtL- r Grafen Michael Kârolyis und seiner Mimsteüollegen er fcl§te heute nacht. e Die neuen Minister. - Unter den Mitgliedern des Kabinetts haben der Han delsminister Ernst G a r a m i, der Minister für Volks Wohlfahrt Dr. SigmMö Kunfi und Ackerbauministei Bamabas Buza> sowie Honvèdminister Linder den ungarischen Parlament nicht angehört. Dasselbe gilt vor c Staatssekretür irir Finarrzministerium Paü -Szende.^ Die beiden Vertreter, die die ungarläirdische sozial demokratische Partei im Kabinett hat, Ernst Garam und Sigmund Kunfi, gehören seit langem zur Partei leitung der politischen Organisation der ungarischen Ar ' > beiterschaft. Ernst Garami steht heute im bester ' Mannesalter. Er ist aus den Reihen der Arbeiterschaf hervsrgegangen. Sohn eines Budapester Cafètiers, er lernte er in Budapest das Mechanikergewerbe und vervoü^ kommnete sich auf diesem Gebiete durch eine mehrjährig« Tätigkeit in deutschen Bürieben. In Deutschland lerur, er auch die -damals unter der Ftihrung Lieb> kirechts, Bebels uird Jgrmz Auers ihrer größeren Entwicklung entgegengehenLe deutsihe Arbeitev bchregung kennem Die theoretische Grundlage, auf der silZ^ diese Bewegung aufbaute, die Lehre des Marxismus Nlihm er ganz in sich auf und heimgekehrt trat er gerüstet mit dem in Deutschland erworbenen Wissen, das übrigens weit hinausging^ über die Erkenntnisie der rein politischen Disziplin, in dre ungarische Arbeiterbewegung ein, die dainals allerdings noih sehr in ihren Anfängen stak. Das sozialderyokratische Organ Nèpßava war damals noch ein schwächliches Pflänzcher«, das sich nur mühevoll er« halten konnte und keinesfalls noih täglich erschiem Ernst. G ara m i, der heimgekehrt den Entwurf des heute geltenden Parteiprogramms der ungarländischen Sozial­demokratie schuf, übernahm die Leitung des Blattes, das er in einer zwanzigjährigen Tätigkeit zu seiner heutige« Entfaltung gebracht hat. Als Verbreiter der marxistisihen Lehre in Ungar« war er auch durch Uebersetzungen wirk­­sclm. Das Werk, in dem Kautskh die Lehren des historischeil Materialismus popularisiert batte, ist in Un­garn in einer Uebersetzung â'nst Garamis erschienen unL auch an der Herausgabe der arrsgewählten Werke von Karl Marx und Friedrilh Engels, die von dem vor kurzem ver­blichenen Erwin Szabö und von Alexander Szabas dos besorgt wurde, nahm er tätigm Anteil. Seine Leitartikels die er in der Nèpßava veröffentlicht batte, waren stets unter den intelligenten Kreisen der Partei bekannt durch ihre Ruhe, Klarheit und theore­tische Folgerichtiakeit. Das galt auch für. seine Beiträge, .mit denen er erst als Redakteur, dmm als Mitarbeiter die chisienschaftliche Zeitschrift der Sozialdemokratie .„Sozialismüs" bereicherte. Ernst Garami ist eine stille, durlbaus zurückhaltendes Natur. In seiner Umgebung wat die Schweigsamkeit Garamis als ein wesentlicher Cha­rakterzug. des neuen .tzandelsminifters bekannt. Auch als Redner war formvollendete Klarheit der Ausführungen» Knavvheit und enaste Geschlossenheit seiner DarleMNgen ein Charakterzug Garamis. Eine Zeitlang, solange Max Großmann, der ftüh verstorbene f^ührer der ungarischen Arbeiterschaft, der auch aus den Reiben des Proletariats bervorgegangën war, in d-r ungarischen SozialdemokraUe tätia war, teilte er mit diesem die eigentliche f^ührung der Partei. Seit dem Hingange Mar Großmanns ist er sozusagen ununterbrochen als erster Führer der ungarischen Sozialdenrokratie tätig und anerkannt gewesen. Dr. Paul Szende, der im Finanzministerium, das^ ptovisorisch von dem Ministerpräsidenten geleitet werden wird, den Posten eines Staatssekretärs einnimmt, ist noch nicht Vierzig Jahre alt. Er wurde in Nyirbâtor geboren und betrat nach gründlicher wisienschaftlichen Vorberei­tung die öffentliche Laufbahn. Zistorisihe, juristische und soziologische Studien, nmnentliih ein Essay über Wer - böczi, sicherten ihm einen wissenschaftlichen Ruf, und dieser Ruf wurde durch eine Studie über die Reform des bürgerlichen Gesetzbuches noch befestigt. Seit zehn Jahren stand Dr. Szerrde im Dienste des Landesverbandes Unga­rischer Kaukleute, in dem er erst als Generalsekretär, dann als Vizepräsident auch auf organisatorischem Gebiete eifrig tätig wär. In.kongenialer Kooperation mit dem Reichs­­iagsab geordneten Paul Sandor schuf er in Ungarn einen commoroium milituns, dessen Selbstbewußtsein er durch eine fortlaufende Kritik der Verwaltung und der Legislative hob und nährte. Sein Kampf, den er gegen die Steuerreformen des Kabinetts Wekerle führte, ist wohl allgemein noch erinnerlich. Er ist ein führendes Mitglied der Sozialwissenschaftlichen Gesellschaft urrd seine Beiträge in der Zeitslhrift Hußadik Század haben einen, große« Leserkreis. Als scharfsinniger Schriftsteller und guter Red­ner hat er in den breitesten Kreisen der Gesellschaft eine ausgedehnte Anhängerschaft. Der neue Ackerbauminister Barna Buza gehört Wohl gegenwärtig nicht dem Abgeordnetenhause an. dennoch ist er eines der bekanntesten und streitbarsten Mitglieder der Kârolyipartei. Er wurde im Jahre 1873 in T o l c s v a (Komitat. Zemplén) geboren und widmete sich nach Absolvierung seiner Studien der Advokatenlauf­bahn. Auch war er Redakteur eines in Sátoraljaújhely erscheinenden Blattes. Im Jahre 1905 wurde er mit dem Programm der Unabhängigkeitspartei durch den Wahl­bezirk Sátoraljaújhely ins Abgeordnetenhaus entsendet. Der von Statur überaus kleine Abgeordnete. vermochte siiH bald durch seine Beredsamkeit und umfassende Bildung eine angesehene Stellung innerhalb seiner Partei zu er­ringen. Bei der Trennung der Unabhängigkeitspartei schloß er sich der J'ffthgruppe an. Bei den Neuwahlen im Jahre 1910 blieb Buza gegen den Staats etär Baron Karl Kazy in Minderheit. Buza entfaltete oann in den oppositionellen Blättern eine umfassende journalistische Tätigkeit und begleitete im Jahre 1914 den .Grafen k^sitax, I. Rovomlbsr 1913

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