Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1926. január (73. évfolyam, 1-25. szám)

1926-01-01 / 1. szám

VLSIL» «I» 190«—1935. — Ein Vierte4jahrhundert Menschh«k1sg«^ich^te. — Von Dr. G. Erèuvi. Im AuMt 1900 stirbt in Wâ'mar umnachteten Geistes ein Stürmer aller Grenzen und Werte, der die Welt im Geiste umwälzen wollte. Friedrich Nietzsches schöpferisches Vermächtnis wurzelt in buddhistischen und evangelischen ParadiMen, aber 'ein ureigenstes Evan­gelium weist aus den Ueberliesemngen Les Christentums und des Humanismus, weist aus dem Miste des achtzehn­ten und neunzehnten Jahrhunderts mit Wucht hinaus. Auch er ist Evolutionist, wie die Leuchten seines tech­nisch beschwingten Zeitalters, aber von diesen trennt ihn eine lerden'chafliche Verneinung alles Bestehenden. Er baut — Philosoph, Dichter und Künder zugleich — ganz in phMtastisch^ Verschachtung sein vages KrastgebWe, den Uebermenschen, und bricht zulammen an der unübei'­­brückbaren Distanz zwischen Wunsch und Erleben. Im November des nämlichen Jahres gibt in einem Pariser Hotel dritten Ranges ein Herabgekomnrener den Geist aus, der noch vor kurzem geglänzt und geblendet hatte. Dieser Geist lchien in Samt gefaßt, hatte aber nichtsdestoweniger feine Stacheln. Auch Oskar Wilde war ein Leugner aller Zeitwerte, obschon er sich im Tändeln und Treiben mondäner Kreise zuhause fühlte. Aus dem Jargon dieser Gesellschaft und gegen sie zugleich schöpfte er den Stofs fiir seine boshaften Paradoxen. Gleich llüetzsche verhielt auch er sich „fenseits von Gut und Böse", aber das amoralische Problem, das Nietzsche in tiefsinnigen Aphorismen erfaßt, trachtet Wilde mit spöttischen Geistes­blitzen zu umgaukeln. Er strauchelt daran, wird, wie die meisten Ungläubigen, zum Büßer und fetzt mit seinem wehmütigen „Do prokunâis" ein Denkmal aberinaligen großen Scheiterns an der Jahrhundertwende. Zu jener Zeit scheint die europäische Mentalität von zlvei gegensätzlichen Strömungen durchfurcht. Aus der einen Äite Hochtriumphe der naturwissenschaftlichen Er­kenntnis und der technischen Vervollkommnung. Die Elek­trizität gelangt zur herrschenden Rolle, die Entdeckung des Radiurns weist abenteuerliche Möglichkeiten, Marconi beschert uns das Wunder der drahtlosen Telegraphie, während die Brüder Wright und Graf Zeppelin von ver­schiedenen Gesichtspunkren die Eroberung der Luft in An­griff nehmen. Gleichlaufend mit dieser gigantischen Ent­faltung offenbart sich ein schrankenloser Fortschrittsglaube, — es entsteht das optimistische Weltbild von Haeckel und Ostwald, das in späterer Folge zu einem sämtliche geistigen Gebiete umfassen und meistern wollenden nlonistischen Glaubensbekenntnis gerinnt. Aus der anderen Seite aber, itn Kreise von Aestheten und Kulturlritikern, regt sich ein Geist eigentümlichen Verzagens irnd Versagens, der nicht selten von Nietzsches Lebensweisheit durchtränkt ist,— fene charatteristisck>e Dämmerlichtstimmung, die sich „kin cko Lièolo" nennt. Eine tiefgreifende Spannung auch in der Wirtschaft. Dem tnächtigen Aufschwung der kapitalaufspeichernden Kräfte, dem überhandgreifender'. Anterikanisnius, dem Elnporkommen von Jndustriepotentaten und Trusts, der weltumspannenden Kolonialwirtschaft hält die los­wuchernde internationale Sozialdemokratie die Wagschale. Sie dringt in der Theorie auf die Welrrevolution nach marxistischen Regeln, in der Praxis aber auf die Ver­tiefung des Arbeiterrechts und auf die Einbuchtung des fteien Wettböwer-bs durch syndikalistische Maßnahmen. Im sozialistischen Lager ftlbst beginnt es zu gären, — Fortschrittler und Umstürzler befehden einander, und rrur dem Einfluß überragender Führer, wie Jaurès und Bebel ist es zu verdanken, wenn subversive Strömungen nicht die Oberhand gâinnen. Als giftiger Niederschlag der sozialen Vevvirrung betätigt sich eine Rotte von Anar­chisten durch Mordanschläge auf gekrönte Häupter. Kaum , zwei Jahre nach dem ruchlosen Attentat auf Kaiserin- > Königin Elisabeth fällt im Juli 1900 der italienische s König Umberto durch Mörderhand. Als rührender Gegensatz zu solchen unterivühlenden Mächten regt sich ein leichtgläubiger Pazifismus. Die vom Zaren Nikolaus angeregte Haager Konifermz ist sem schwächliches internÄtonales Jnstrunrent, die Wienerin Bertha Suttner seine preisgekrönte Kündcrin. Außer ihr ivird die Stiftung Nobels, d^es humanistisch angehauchten Erfinders des Dynamits, noch zwei weiteren Frauen zu­­erkaMt: der kühnen Entdeckerin Madame Cm'ie und der phantastebegabten schwedischen Spätromantikerin Selma Lagerlöf. Dies ist das Zeitalter des Weibes, das auf allen Linien nach Gleichberechtigung UNd öffentlicher Tätigkeit strâ Für seine Rechte kämpft an vorderster Stelle Ellen Key, die auch für die individuellen Rechte des Kindes eine Lanze bricht. Im Verein mit Rußland bewährt sich um diese Zeit vor allem der Norden als Heiinatsboden einer tieffchürf-enden Poesie. Auf west- und mitteleuropäischem Terrain dagegen bricht eine 'Woche der Epigonen- und Versuchskunst' an. Es schwindet die Stileinheit, flüchtige Stimmungen gelangen im Spätimpressionismus zur vor­übergehenden Herrschaft, durch veristische Dramen und sezessionistische Kunstausstellungen pflanzt sich der poli­tische Tagesstreit auf äschetisches Gebiet hinüber. Denn Politik ist das Leitinotiv dieser Epoche. Monarchistische f^milieNbande, diplomatische Ränke, koloniale Streft­­sragen, nationalistische Eigertbrötelei, militärische und maritime Rüstungen verdichten sich im Wege einer weit­ausgreifenden Bündnispolitik allmählich zu einer poten­tiellen Hochspannung, und ahnungslos schreitet die Menschheit einer katastrophalen Entladung entgegen, wo­bei die imperialistischen Tendenzen der letzten Jahrzehnte in tollem Wirbel zusammerrbrechen. An der Jahrhundertwende gärt es wohl von Staat zu Staat, aber noch, ist keine endgültige Konstellation ge­schaffen. Die Veretnigtcn Staiaten von Amerika, hat der kurze Krieg mtt Spanien um die kostbarsten rnittelameri­­kanischen Inseln bereichert. Solvohl was Bevölkerungs­zuwachs als auch was urbanc und iirdustridlle Entwicke­lung betrifft, führen die Vereinigten Staaten in schwin­delhaftem Tempo und sehen unbegrenzte Ntöglichkeiten vor sich, ohne der gediegenen Kultur d^es alten Kontinents einstweilen nah« zu kommen. Auf europäischem Boden stellt sich dem Dreibund feit geraumer Zeit eirre rusfisck)­­franzöfische Militärallianz entgegen, doch sorgt England vorläufig noch durch seine Neutralität für die Wahrung des kontinentalen Gleichgewichts. Nach, dem langen opfer­vollen Burenkrieg, der ihnr wenig Sympathien einbrachte, erwachsen Großbritannien auf kolonialem Gebiete em­pfindliche Konkurrenten in Frankreich, das nach Beile­gung der Drcyfusaffäve an den aftikanischen Küsten zu ftischem Tatendrang erwacht.'und urehr noch in. Deutsch­land, das durch gcwalftgen Ausbau seiner Flotte'und ehr­geizige Neuerwerbungen sich, anschickt, in allen Himmels­richtungen festen Fuß zu fassen. Im Fernen Osten fühlt sich England durch russische Aspirationen bedroht. Jn­­mitten expansiver Strömungen von drei kontinentalen Mächten wird deur britischen Weltreich die selbstgewählte spltznckick isolution zu einem QÄll wachsender Unbehaglich­keit. Zur Sicherung seiner ostasiatischen Interessen geht es bereits 1902 mit Japan ein Bündnis ein, trachtet sich in weiterer Folge durch Orientierung nach der einen oder anderen Seite Luft zu maclM, doch schreitet es in Ver­folgung seiner europäischen Pläne vorerst klug sondierend ans Werk. In diesen Jahren, in denen sich die Grundrisse ' des späteren, kriegenfflammten Europas vorzeichnen, I stcht das Verhältnis zwischen EugssM-^ uifd Deutschland im Vordergrund des. öffentlichen JnleÈsi . Nach einer Regierungszcit von mehr als fünfzig Jahren stirbt Januar 1901 Königin Viktoria in den Armen ihres Enkels, des Kaisers Wilhelm II., und es scheint, als wenn hier, am Sterbebette 'dcr greisen Köm­­gin, die viktorianische Epoche unversehens in di.e wilhelmi­nische hinübergleiten würde. Viktorias Herrscherzeit toar sür England 'und mit kleinereir Unterbrechungen für den ganzen Kontinent ein halbes Jahrhundert der Plan­mäßigen Bevölkerung und Bereicherung, der zunehmen­den Wohlfahrt auf technischem und sanitärem Gebiete. Die stark ausgeprägte, aber keilwswegs ausgeglichene per­sönliche Note des sungen deutschen Herrschers bringt in die europäische Struktur das aufwirbelnde Element, und konz-entriert die Aufmerksamkeit der Welt augenfälliger auf Deutschland, als d'iesem zuträglich gelvesen wäre. Ehr­geizig und repräsentationsfreudig, aber Stiminungen unterworfen, rasch fertig rnit dercr Wort und scharfen Ztedc­­wendungen nicht abgeneigt, eriveist sich der Kaiser von der Depesche an Präsident Krüger bis zu dem berüchtigten Interview an den Daily Telegraph zu wiederholten Malen als voreiliger Anwalt seines Volkes. Die Diacht­fülle, mit der Bismarcks Reichsverfassung den Träger der Krone weitherzig ausgestattet hat, befähigt Lear Kaiser, sich der bewährten eisernen Faust des Altkanzlers bald zu e'ntledigen, um d^rnn, von einem Kreis epigonenhafter Staatsmärrner umgeben, oft an unrichtigster Stelle seine Selbstständigkeit zu betätigen. So sucht dir aufstrebende deutsche Wirtschaft naturgemäß den Weg über das Welt­­lneer; die offensive Unterstreichung ihrer nüchternen Ten­­denzen durch ein anspruchsvolles Flottenprogramm war das. ureigenste Werk des Kaisers und feiner engeren Um­gebung, Im Laufe.der «unzigcr Jähre bieten die euro­päischen Mächte Len Kraftgcbävden Les Kaisers keinen nennenswerten Widerstand. Trotz des russisch-sranzösischsn! Zweiöundes unterhält das Deutsche Reich mit Rußland ein auskömmliches Verhältnis, un'd England tritt aus seiner Reserve noch nicht heraus. MA dem Tode der Köni­gin Viktoria aber scheint die Situatton von Grund auf ' geändert. Eduard VU. teilt mit Wilhelm II. den hyper­­' trophifchen Ehrgeiz, Loch trennt ihn von diesem ein Geist ' erwägender Staatsklugheit. Daß Zusammenkünfte zwr­­' scheu den Leiden Herrschevn iiicht ohne peinliche Ztvischeü». I fälle verliefen, erfahren wir aus den Memoirerr Les lang­­' jährigen deutschen Gesandffchaftsattachès in London». . Freiherrn von Eckardtftein. Das Scheitern diplomatischer ' Verhandlungen zwischen Berlin und London an. der ' Starrheit der 'deuffchen Flottenpolitik titt ein übriges. I. In aller Stille werden die ersten Fäden mit Frankreich - geknüpft, als deren Folge König Eduard bei seiner Än> - knnft in Paris, Llpril 1903, rnit Hellem Jubel empfangey! - wird. Das nächste Jahr, in dem ein Geheimäbkommeü i zwischen Frankreich und England mit besonderer Berück­- stchttffung französischer Kolonialansprüche zuftandekommt,j c ist das Geburtsjahr der Dntonto oorckialo, ungeachtet ! dessen, daß Englands Verhältnis zum Zarenreich ernsk - weilen noch als wenig günstig, während des russifch-japük­hält sich sogar beide Oehrchen affektiert zu, als wieder eiir­­nial daneben gesungen wird. Aus dieser Kleinen kann eine seriöse Operndiva werden. Hübsch ist sie, amnaßend ist sie und einfältig ist sie wohl auch. Sie scheint überdies Gehör zu besitzen. (Tas könnte ihr immerhin schaden.) Neben ihr sitzt ein schwarzbrauncs Mäderl, das den Vor­gängen auf den Brettern rnit fieberhafter Spannung folgt. Tie Kleine verschlingt die Mimen mit den Blicken, und iyr korallenrotes Mündchen flüstert: „Wunderbar!... Entzückend!... Himmlisch!..." Das ist der Teig, aus dem die Theaternärrinnen gemodelt werden: die jungen Dèädchen, die vor der Garderobe stchen und ein Auto­­gramin des Heldenliebhabers erbetteln (oft noch mehr be­­kornmen als ein Stammbuchblaft, nämlich einen Denk­zettel fürs ganze Leben), und die jungen Frauen, die heißentbrannt mit dem lyrischen Tenor 'durchbrennen. !)> icht weit von diesem begeisterten Dirnderl macht sich ein dicker Bub breit, und zwar ziemlich breit. Es ist ein gut oufgefiittcrter Knirps, ein kugelrundes Kerlchen, schon oin wenig blasiert, da.ftir aber reckt gefräßig. Er verspeist in holdem Durcheinander Butterbrot und Schokolade­bonbons. Die Vorgänge auf 'der B'ühne lassen ihn jedoch kalt. Ihm ist, wie schon Busch sang, die „ganze 'Sache tulmemschos". Schon jetzt läßt er erraten, daß aus ihm der üppige Theaterhabitue werden wird, 'der in der ersten Reihe der Theater <herumlungert, dort ein bißchen schllift, und zwar laut, und ein bißchen an Zuckerwerk lutscht, und zwar ebenfalls laut, und dennoch ein gern gesehener Gast ist, weil er stets Geschenke fiir die Damen des Theaters bereit hält. Nicht weit von diesem kleinen Fettwanst er­blickt nmn eine rothaarige Maid, die fortwährend an ihrem Kleidchen zu^t, ihre Löckchen zurlickstreift, ein kleines Armband ins hellste Licht rückt, die Augen verdroht und die Lippen spitzt, um dann kühl und förmlich ein klein wenig zu applaudieren. Aus ihr wird die sattsam be­kannte Kokette sich entwickeln, die nicht ins Theater geht, um zu sehen, sondern um gesehen zu werden. Ein Schau­­sttlck in der Loge zum Schaustück auf der Bühne. Ohne zu sprechen, geben die meisten Kleinen ihrem Beifat^ oder ihrem Mißfallen Ausdruck. Freilich gibt es auch manche, die sich kein Blatt vor Len Kindermund nehmen. Da ist ein kaum zweijähriger Knabe. Er hört eine Weile oern Gesang einer älteren Primadonna zu und fragt dann laut die nicht wenig, überraschte Mama: „Wcirum schreit denn die AerMste gar so sehr?" Es ist schwer, diese Frage zu 'beanttvorten. Gewiß scheint nur zu sein, daß aus diesem Kleinen mit der Zeit ein Kritiker werden wird. Jetzt hat er bloß Milchzähne. Geduld, es werden ihm mit Gottes Hilfe noch Giftzähne wachsen. Der innigste Kontakt zivischen Bühne und Zuschauer­raum entwickelt sich in dem Moment, wo ein Kasperl­theater auf den Brettern sichtbar wird. Da gibt es förm­­lick)e Dialoge zwischen den Puppen Men und den Puppen unten. Ein Jubel Lurchbvaust den Zuschauerraum, wenn der brave Kasperle, der tapfere Paprika Jancsi ein Tüch­tiges auf den Kopf bekomint oder seinen lltächsten ebenso tüchtig aufs .Haupt schlägt. (Macht es doch auch den Alten Vergnügen, wenn in der Türkei „die Völker aufeinander­schlagen".) Auch das heranwackelnde Krokodil ruft Ent­zücken hervor, insbesondere wenn es Kasperle und Ge­nossen verspeist. (Sa<st Loch schon der .Klassiker, daß cs süß sei. vom sicheren Port die Schiffbrüchigen zu beobachten, auf die Gefahr hin. Laß sic von den Haifischen gofresien werden.) Als das Krokodil des Kasperltheaters alles ver­schlang, was nicht niet- und nagelfest war, rief ein kleiner Junge, offenbar von Erinnerungen an den antisemitisch angehauchten Paprika Jancsi des StaLtwäldchens heim­gesucht: „Wo bleibt der Jude, der Zsido bácsi!" Sicherlich wollte der Kleine dem Krokodil noch was zunr Schmaus schenken. (Aus dem Kerlchen ivird wohl ein tüchtiger Rassenschützler werden.) Wie dem Kabarett überhaupt, kann man auch dem Kinderkaibarett manchen Vortourf machen. Was das Kabarett der Großen berrifft, erscheint es — alle Ehre den Ausnahmen — zu prätenziös. Schon der Name Dubnrot bedeutet Teebrett oder .Kompott­­schüsiel. In Frankreich hat Salis und nach ihm Wolzogen in Deutschland Len Besuchern ihrer Unter- und Ueberbrettel in der Tat nicht mehr als ein theatralisches Sandwich oder ein literarischesBonbon dargehoten, höchstcns ein niedlichcs Giardinetto, bestehend aus LÜklamatiönchen, Gesängchen, Lustspielchen und Tänzchen. Bei uns währt eine Kabarett­­vorstellig oft von acht Uhr abeirsi'bis Mitternacht und wird überdies noch durch einen Conferencier verschärft. Diese Conferenciers sind nachgerade eine Städt-, ja, Land­plage geworden. Weil der witzigste unter ihnen ein wenig stottert — schließlich kann man anstößige Dinge leichter sagen, wenn man mit der Zunge anstößt —glauben all'S stottern zu müssen. So reden sie denn glerchsam mit ehernen Zungen. Die Stotterer führen das große Wort, und nicht die Geläufigkeit, sondern die Ungeläufigkeit der Zunge triumphiert. Bewegt sich aber Lie Zunge noch so schwer, sie ist leichtfertig genug, oft Lie hehrsten Traditionen zu ver­spotten, häufig die edelsten Persönlichkeiten zu verhöhnen, nach der berüchtigten Devise: „Alles muß verungeniert werden." Denn alles was besteht, ist nach solcher Kabarett­­moral eigentlich nur wert, daß cs zugrunde geht. Auch das .Kabarett der Kinder, wie es am Silvesteräbend der Kleinen sich präsentierte, ließ zu wünschen übrig. Trotzdem ver­dient es Anerkennung, denn es brachte neben ivenig ge­schmackvollen Scherzen internationaler Faktur auch natio­nale Tänze und Gesänge, darunter reizende Volkslieder!, Emanationen eines tiefen patriotischen Gefühls. Dia Frage ontstcht nun von selbst, und sie gibt sich au'ch selbst Antwort, ob Las ungarische Kabarett, statt Wiener Possen und 'Lpäßen nachzueifern, nicht lieber das Vorüld der altungarischeu Spielleute sich vor Augen halten sollte, die, 'wie die französischen Trouvères, die cnglisckten Minstrels und dis deutschen Minnesänger aus der Poesie des Volkes schöpfend, dein Volke tvieder eine Poesie schenkten. Das Kabarett der Kleinen könnte da das Kabarett der Großen lehren. Als die von heißer Vaterlandsliebe durchglühten Lieder der Ahnen erklangen, erhoben sich die Kinder, und mit brennenden Wangen und glühenden Augen lauschten sie der Verkündung des Ruhmes unserer Vergangenheit und denr erhebenden Silvesterwunsch, der in Ungarns WieLergeburt, Wiodergenesung, Wiedererstarkung und Wiedererhöhung ausklang. Diese Kleinen, so verschieden sie waren, so differenziert sie sich zeigten, so viele Gegen­sätze jw aufwiesen, wurden, als der Ton der Vaterlands­liebe erklang, instinktiv ein .Herz und eine Seele. Sollten' die Alten zum neuen Jahr nicht von den Jungen, die Eltern nicht von den Kindern lernen? Sollten nicht uu­­scre gemeinsamen Feinde, die reich und mächtig scheinen» uns, die wir arm. und schwach geworden, ein doppelter Ansporn zur Einigkeit und BrüLerlichkoit sein? Das Kabarett der Kinder, so klein Und kleinlich es sein mag. verleiht dennoch ein wenig Hoffnung und Trost für das neue Jahr, und man wagt an Petöfis Silvestergedicht zu denken, das mit den herrlichen Worten schließt: „Sie^ haben volle Truhen, wir haben volle Herzen, Wie arm ist all ihr Reichtum und wie reich Loch unsr« Armut!" r'â§, 1. ^r^nu-u-1928 ' _ — ,-. -------------------------....................................................................................................................................................... ,_. , —._. ---------------------

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