Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1931. március (78. évfolyam, 49-73. szám)

1931-03-01 / 49. szám

PESTER LLOYD In wirtschaftlicher Hinsicht war Ungarn in die­­iser neuen Epoche seiner Geschichte ebenfalls auf den Westen angewiesen. Eigentümlicherweise wurde dies aber nicht gleich erkannt. Ungarn hatte in der ’ersten Zeit nach dem Zusammenbruch, der ihm mit der Auflösung des alten gemeinsamen österreichisch­­ungarischen Wirtschaftsgebietes die Möglichkeit feines Ausbaus seiner wirtschaftlichen Selbständig­keit brachte, eine Art Industrialisierungsfieber durchgemacht. Es herrschte die Ansicht vor, daß Ungarn durch eine Beschleunigung dieser Indu­strialisierung in naher Zukunft einen Zustand er­reichen werde, in dem die erstarkte Konsumfähigkeit der Industriebevölkerung Ungarns es ermöglichen ■würde, die früheren Überschüsse der landwirtschaft­lichen Erzeugung, die bis dahin im Ausland abge­setzt werden mußten, im Inlande zu verzehren. Vom Standpunkte der Anhänger dieser Idee einer raschen Industrialisierung Ungarns hatte der Osten eine größere Wichtigkeit als der Westen, denn für die ungarische Industrie waren die westlichen Staaten die eigentlichen Konkurrenten, der Osten dagegen kam als Absatzmarkt für die ungarische Industrie in Betracht. In dieser Zeit hörte man denn auch mit­unter die Behauptung, daß für Ungarn die Handels­verträge mit dem Osten weit wichtiger seien als jene mit den westlichen Staaten. Die Hoffnung auf eine rasche Industrialisierung erwies sich aber, wie vor­auszusehen war, als trügerisch. Die Warner vor die­ser Politik hatten recht behalten. Sobald die Land­wirtschaft Ungarns .Absatzsorgen zu verspüren be­gann, rang sich wieder die Einsicht durch, daß die westliche Orientierung auch für die ungarische Wirtschaftspolitik etwas Naturgegebenes ist, worüber man sich nicht straflos hinwegsetzen kann. Die Frage der wirtschaftlichen Orientierung nach dem Westen gestaltet sich verhältnismäßig ein­fach im Falle Österreichs. Dieses Land kommt als unmittelbarer Nachbar Ungarns, aber auch auf Grund der mehrhundertjährigen früheren Verbindungen — deren Wert uns jetzt, da diese Verbindungen der Vergangenheit angehören, mehr einleuchtet, als zur Zeit, da sie noch bestanden haben — bei einer jeden nach dem Westen gerichteten politischen Orientie­rung Ungarns in erster Reihe in Betracht. Gleich­zeitig ist aber dieses Österreich ein guter Abnehmer für die landwirtschaftlichen Überschüsse Ungarns. Hier deckt sich also die politische Tendenz mit der wirtschaftlichen. Aber Österreich ist in seiner heuti­gen Gestalt zu klein, um alle Überschüsse Ungarns aufnehmen zu können. Wir müssen uns also nach weiteren Abnehmern für unsere landwirlschaftlichen Produkte umsehen. Über Österreich hinaus ist die Lage leider weniger klar. In wirtschaftlicher Hin­sicht käme als Abnehmer für die ungarischen land­wirtschaftlichen Überschüsse nach Österreich haupt­sächlich die Tschecho-Slowakei in Betracht. Nun ist die Tschecho-Slowakei allerdings ein Staat, der dem westlichen Kulturkreis angehört. Leider aber ist dieses Land durch seine enge politische Verbindung mit Rumänien und Jugoslawien, den östlichen Nach­barn Ungarns, so eng verbunden, daß die ganze Kom­bination, der es angehört, vom Standpunkte Ungarns aus gesehen, nicht mit einer westlichen, sondern mit einer östlichen Orientierung der ungarischen Politik zusammenfiele. Solange die Tschecho-Slowakei an der von ihr zustande gebrachten Kleinen Entente festhält und jeden Gedanken einer Ersetzung dieser Kombination durch eine andere politische Idee zu­rückweist, würde für Ungarn die politische Annähe­rung an die Tschecho-Slowakei gleichbedeutend sein mit einer Abkehr von der westlichen politischen Orientierung und mit einer Schwenkung nach der östlichen Orientierung. In bezug auf die Tschecho­slowakei decken sich also politische und wirtschaft­liche Interessen nicht mehr in demselben Maße, in dem sie sich im Falle Österreichs decken. Politisch wieder würde Ungarn, wenn wir den Gedanken der westlichen Orientierung verfolgen, nächst Österreich das Deutsche Reich am nächsten stehen. In der Tat gibt es in Ungarn viele, für die der Gedanke der westlichen Orientierung und der Gedanke des dauernden Zusammengehens mit dem Deutschen Reich identische Begriffe sind. Leider aber fällt dieses politische Interesse — wenigstens heute — nicht mit einem ebenso starken wirtschaft­lichen Interesse zusammen. Deutschland gehört nicht zu jenen Staaten, die die landwirtschaftlichen Über­schüsse Ungarns in größerem Umfange bei sich auf­nehmen und verbrauchen. Auch in Artikeln, in denen ein deutscher Einfuhrbedarf besteht, wird dieser vorzugsweise von Übersee gedeckt; die ungarischen Produkte fallen dabei fast ganz unter den Tisch. Auch in bezug auf Deutschland decken sich also die politischen und wirtschaftlichen Interessen nicht in demselben Maße, wie das in bezug auf Österreich der Fall ist. An diesem Punkte stehen wir heute in Ungarn. Es ist schwer, vorauszusagen, in welcher Richtung sich die Dinge weiterentwickeln werden. Wenn die wirtschaftliche Not in Ungarn weiter zunimmt, wenn sie einen Grad erreicht, der ihre Beseitigung als allererste Notwendigkeit, als eine Forderung des Selbsterhaltungstriebes der ungarischen Nation er­scheinen läßt, dann kann man sich den Fall denken, daß alle politischen Bedenken über den Haufen ge­rannt werden, und dann könnte die Tschecho-Slo­wakei die Situation ausnützen, um Ungarn durch Eröffnung ihres Marktes für die Überschüsse der ungarischen Landwirtschaft auch politisch zu sich und seinen Bundesgenossen herüberzuzwingen, was dann auch mit einem Verlassen der politischen Orientierung nach dem Westen verbunden wäre. Es ist aber auch möglich, daß die bevorstehenden Han­­delsverlragsverhandlungen zwischen Ungarn und Deutschland den Weg eröffnen, um das in Ungarn bestehende Bedürfnis einer politischen Annäherung an Deutschland auch durch entsprechende wirt­schaftliche Abmachungen zu ergänzen. Wenn dieser Fall eintritt, dann würde diese Wendung gewiß in ganz Ungarn mit einem Gefühl der Erleichterung begrüßt werden, denn dadurch würde die Möglich­keit, die Jahrhunderte alten Traditionen einer west­lichen Orientierung in politischer und in wirtschaft­licher Hinsicht aufrechtzuerhalten, für die Zukunft gesichert erscheinen. • 4» Unsere 1.4mmsind eingetroffen wir veräussern sie billi» m Kristóf-tér e Weilchen wieder mit einem lackierten Kasten. Der Wagen stand gerade bespannt vor dem Tor. „Steigen Sie ein!“ sagt Mirkowitsch. — Und zum Kutscher: „Dahin, wo ich unlängst auf dem Anstand war!“ Sic fahren; keines hat ein Wort geredet. — Dem Mirkowitsch mag der Bauch gerodelt haben vor Zorn: über diesen blödsinnigen, aufsässigen, spindel­dürren Verwalter — wahrscheinlich noch mehr über die Frau, die mit den Augen verspricht und mit den Händen abwehrt. Im Wald beim liochstand hält der Kutscher; Mirkowitsch nimmt den Kasten unter den Arm und schickt den Kutscher weg. Spießt einen Zweig in den Boden und sagt zu iKechl judoit: „Da stellen Sic sich hin!“ Schreitet zwanzig Schritt ab und spießt wie­derum einen Zweig hin: „Das ist mein Platz.“ Dann öffnet er den Kasten, und es liegen zwei Pistolen drin. „Wählen Sie!“ sagt er zum Russen. Der Russe versteht nicht. „Eine Pistole sollen Sie wählen,“ befiehlt Mirko­­witsch. „Sie sind doch Kavalier — nicht wahr?“ Mit grimmiger Lache. „Wenn ein Kavalier beleidigt wird, so schießt er sich. Sic sind beleidigt. Sie haben den ersten Schuß.“ Da greift sich Nechljudoff an den Kopf und sagt ganz aufgeregt: „Herr Baron, was fällt Ihnen ein? Ich werde doch ... ich werde doch nicht auf Sie schießen? Auf einen Menschen? — wegen eines Wortes?“ „Ah?“ brüllt Mirkowitsch. „Nicht schießen? So ein Kavalier sind Sie? Dann .. Und Mirkowitsch fällt über den armen kleinen Russen her — außer sich vor Enttäuschung und Wut — vor Wut über Saubohnen, Sonnenblumen — über Mann raid Frau — hauptsächlich über die schöne, unnahbare Frau — knallt er dem Russen rechts und links zwei Maulschellen hinein, daß ein Grobschmied davon wäre weich geworden. Der Russe steht. Nein, er ist nicht umgefallen — er steht. Steht totenbleich, gtickt in die Luft und... weint. Dann beginnt er zu sprechen: „Herr Baron, was soll ich nur mit Ihnen an­fangen? Sie sind ja wahnsinnig. Sie sind bewußtlos. — Ich wiederhole Ihnen: Ich bin Landwirt von Beruf — ich habe in England, in Amerika studiert. Ich war Besitzer eines zehnmal größeren Gutes, als Sie es haben — und mein Gut war berühmt in halb Rußland als Musterwirtschaft. Man hat die Studenten der Hochschule für Bodenkultur zu mir gebracht, damit sie bei mir lernen. -— Dann bin ich verjagt worden aus politischen Gründen und mußte aller­hand treiben: ich bin Tänzer gewesen und ... Boxer. Haben Sie niemals Sportblätter gelesen? Ich war Professional, Weltmeister, Fliegengewicht. Baron, glauben Sie mir und lassen Sie es auf eine Probe nicht ankommen: ich könnte Sie binnen einer Se­kunde so zurichten, daß nicht einmal Ihre Mutter Sie wiedererkennt. — Jetzt sagen Sic selbst: Was, was soll ich mit Ihnen anfangen — als Kavalier? — und Menschenfreund?“ Dabei sind dem Russen die Tränen nur so ge­ronnen. Mirkowitsch hat ihm stummhelreten die Hand gereicht. Mirkowitsch hat auch nie mehr den Verwalter gewechselt. Nechljudoff' herrscht heute noch auf Nowo Selo — baut Saubohnen, Sonnenblumen — Tabak, Esparsette, Tobinambur — weiß Gott, was noch für Frucht, die kein Auge je hier vorher ge­sehen hat — und Mirkowitsch ist durch Nechljudoff, nur durch Nechljudoff, binnen zwei Jahren aus seiner ewigen Verschuldung herausgekommen. Sonntag, 1. März 1931 Der Bankrott des Nationatitätenprinzps. Von Dr. FRANZ KÁSZONYI. Nach den Ausführungen Dr. Ladislaus Domokos’ sei es auch mir gestattet, ein Wort mitzureden in der Debatte, die in den Spalten des Pester Lloyd über das Minderheitenproblem geführt worden ist. Dr. Ladislaus Domokos hat in der Endkonklu­sion seines Buches recht. Der Staat der Zukunft muß derart aufgebaut werden, daß darin keine nationale Unterdrückung mehr möglich sei. Jeder menschlich Denkende muß gegen die Unmenschlichkeit Protest erheben, die den einzelnen Staatsbürgern je nach der Sprache Vorteile oder Verfolgung zuteil werden läßt. Dieser moderne Barbarismus ließ tierische Instinkte erwachen, deren Vertilgung eine wichtigere Aufgabe der Menschheit darstellt, als die nützlichsten sozialen Reformen der internationalen Abkommen. Auch darin hat Domokos recht, daß er zugibt, es sei im alten Ungarn eine Politik der Magyarisierung betrieben worden, ja daß ein Teil der ungarischen öffentlichen Meinung die liberale Nationalitätenpolitik der Regie­rung noch heute mißbilligt. Ferner hat er auch darin recht, daß es überflüssig ist, alldics vor der öffent­lichen Meinung des Auslandes zu verheimlichen, da man dort über alle diese Dinge gut informiert ist. Wir erschüttern bloß das Vertrauen in unseren guten Glauben, wenn wir das zu verbergen suchen. Und doch hat Dr. Albert Berzeviczy recht, wenn er es unbegreiflich findet, daß man gerade von ungarischer Seite dem gestrigen Ungarn seine Na­tionalitätenpolitik vorwirft. Er hat recht, weil wir nichts zu bereuen, nichts abzubüßen haben. Diese Auffassung stellt Ungarn als Angeklagten vor den Richterstuhl der Welt, obwohl Ungarn sich nicht zu verteidigen, sondern vielmehr Anklage zu erheben hat. Diese Behauptungen scheinen mit den vorher­gehenden im Widerspruch zu stehen; in Wirklichkeit ist dies nicht der Fall. Man könnte Ungarn beschuldigen, wenn es einen Staat gäbe, der unter ähnlichen Verhältnissen eine liberalere Nationalitätenpolitik befolgen oder befolgt haben würde, ohne Selbstmord zu begehen. Diesen 1 Selbstmord beging Österreich. Die Schweiz soll hier nicht als Beispiel erwähnt werden. Es kann in | Europa bloß eine Schweiz gehen, deren Unabhängig­keit gerade durch ihren nationalen Mischcharakter aufrechterhalten wird. Auch auf das Beispiel Est­lands soll man sich nicht beziehen; denn da wirft die russische Zukunft ihren Schatten voraus, und die Furcht wirkt als Antrieb zur größten Nachgiebigkeit. Die Vereinigten Staaten haben von ihrer Viel­sprachigkeit nichts zu befürchten und dulden den­noch bloß Sprachen, aber keine Nationen. Und sind sie etwa liberal den Chinesen und Japanern gegen­über, von denen her eine Gefahr möglich ist? Éng­­; land räumte Irland erst nach schweren Innenkriegen, wie sie in Ungarn nie vorgekommen sind, eine Ver­fassung ein, obwohl diese Verfassung die Einheit des britischen Staates nicht gefährdet. Auch der franzö­sische Staat wird durch die bretonische Nationalität ! nicht gefährdet, und doch besitzt die bretonische Sprache kein Bürgerrecht in den Lehranstalten. In Ungarn war der Siedlungskampf unbekannt, den Deutschland in Posen gegen die Polen führte, obwohl j man da eine historische Nation zu unterdrücken j suchte. Und hat sich das Ungartum je von solchen sadistischen Menschenverfolgungen träumen lassen, wie solche heute die Ungarn der abgetrennten Ge­biete erleiden müssen? ln der ungarischen Nationalitätenpolitik ist die Sachlage kurz die folgende: Hier lebten keine histo­rischen Nationen, sondern — mit wenigen Ausnah­men — durch Ansiedlung heimisch gewordene und in der Notlage geschichtlicher Katastrophen er­starkte Sprachen. Deshalb wirkten die Nationali­tätenbewegungen nicht mit elementarer Kraft und erfaßten bloß einen geringen Bruchteil der nicht­­j ungarisch Sprechenden. Andererseits waren sie aber I keine gutmütigen Rechtsbestrebungen, sondern aus- i drücklich staatsfeindliche Umtriebe; ihr Zweck war, einmal zur Herrschaft gelangt, Ungarn die wahre Unterdrückung zu lehren, wie cs auch eingelroffen . ist. Hätte sich Ungarn nicht bemüht, diese Bestre- i bungen zu lokalisieren, so würde es bloß erreicht haben, daß die Auflösung von Trianon noch im Frie­den eingetreten wäre. Nicht Ungarn ist schuld an der Magyarisic­­rungspolitik der Vergangenheit, nicht Rumänien ist schuld an der heutigen Verfolgung, sondern schuld ! ist allein die auf sprachlicher Grundlage gedeutete nationale Idee. Schuld sind diejenigen, die durch die zähe Propaganda mehrerer Jahrzehnte dem Donau­tal ein staatenbildendes Prinzip aufzwangen, das an dieser besonderen Stelle unangebracht ist. Diejeni­gen sollen vor den Richterstuhl der Welt gestellt werden, die in dünkelhaftem Fanatismus noch heute krampfhaft an einer Idee festhalten, die bloß unver­söhnlichen Haß, nicht aber die Glut der Völkerver­einigung verbreitet. Sie sind die Schuldigen, weil infolge ihrer Propaganda das Nationalitätenprinzip zur Religion wurde, die keine Religion der Liebe ist. Sie ist haßerfüllt, unduldsam, verständnislos gegen andere und unersättlich imperialistisch. Die Lage wird dadurch erschwert, daß dieses Prinzip natur­gemäß polytheistisch ist, also nicht das Prinzip selbst, sondern die einzelnen Sprachen vergöttlicht. Selbst die idealistischen Theoretiker des Nationali­tätenprinzips geben zu, daß der nationale Liberalis­mus in der Praxis undurchführbar ist. Solange diese Idee herrscht, glaubt und fordert jede Nation im Namen der „Gerechtigkeit“, daß jede zerstreute

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