Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. április (80. évfolyam, 74-97. szám)

1933-04-01 / 74. szám

PESTER LLOYD o 3 * Samstag, 1, April 1933 Quo vadis, Austria? T—dor») Die jüngsten Vorgänge in Österreich, die seit der Demission des Präsidiums des Natiohal­­rats die ganze Innenpolitik dieses friedlichen Landes in einem Zustand höchster Erregung versetzt haben, verdienen in hohem Maße die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung Ungarns, dessen wirtschaft­liche und politische Geschicke so eng mit denen un­seres westlichen Nachbarn verbunden sind. Und die österreichische Innenpolitik ist für uns um so inter­essanter, als sich darin heute mehr noch als in nor­malen Zeiten hochbedeutsame außenpolitische Züge und Gegenzüge widerspiegeln. Die Regierung Dollfuß war bekanntlich als ein ziemlich farbloses Geschäftskabinett ans Ruder ge­kommen, das zunächst keine andere Aufgabe hatte, als . unter den außerordentlich schwierigen parla­mentarischen Verhältnissen — 8t Christlichsoziale, Landbündler und Heimwehrleute gegen 80 Sozial­demokraten, Großdeutsche und Nationalsozialisten —, inmitten einer schweren Wirtschaftskrise, mit Hilfe der in Aussicht stehenden internationalen Anleihe für die Fortführung des Erwerbslebens und die Schaffung der Vorbedingungen der Sanierung zu sorgen. Trotz der labilen parlamentarischen Mehr­heit von einer einzigen Stimme hat sich Dollfuß mit großem Geschick zwischen den zahlreichen Fall­stricken der österreichischen Innen- und Wirtschafts­politik durchzuschlagen gewußt, bis er sich endlich durch die große Umwälzung im Deutschen Reiche vor eine vollkommen neue Lage gestellt sah. Konnte er bis. dahin sicher sein, daß der Balance der Stimmen der Regierungsparteien und der Opposi­tion auch eine Balance der hinter diesen Gruppen stehenden Wählergruppen entsprach, und konnte er ruhig annehmen, daß dieses Gleichgewicht der Klassenkräfte in Österreich auch durch keinerlei äußere Auswirkungen von elementarer Kraft bedroht sei, so tauch­ten nach der deutschen Umwälzung innenpolitische Leidenschaften und außenpolitische Strömungen auf, die mit der völligen Umwälzung dieses Macht­gleichgewichts drohten. Schon aus der Hirtenberger jVVafienaffäre, die noch vor den deutschen Ereig­nissen liquidiert wurde, mußte alle Welt ersehen, welch exponiertes Gebiet das zwischen Deutschland, Italien, Jugoslawien, Ungarn und der Tschecho­slowakei eingepferchte Österreich ist, von Frank­reich und England ganz zu schweigen, die ihren Einfluß trotz ihrer geographischen Ferne durch öko­nomische Machtmittel auszuüben wissen. Nach der „nationalen Erhebung * in Deutschland und vollends seit der „Gleichschaltung“ der süddeutschen Länder ergab sich für Österreich die natürliche Gefahr, einerseits von kommunistischen Emigranten, anderer­seits von nationalsozialistischen Emissären über­flutet zu werden. Die innenpolitische Lage wurde nur noch chaotischer, als inmitten dieser heiklen außenpolitischen Situation das Präsidium des Na­tionalrates aus formalistischen Gründen demissio­nierte, die Volksvertretung sich also einfach selbst von der Führung der Geschäfte ausschaltete, die Opposition aber — bemerkenswerterweise Sozial­demokraten ebenso wie Nationalsozialisten ^ Neu­wahlen förderten. Unter solchen Umständen schrieb dem Bundeskanzler Dollfuß sein Pflicht- und Verant­wortungsgefühl eine gebundene Marschroute vor. Er konnte nicht einfach die Zügel hinwerfen und dem Volke sagen: „Die parlamentarische Maschine hat ohne Verschulden der Regierung versagt, der Natio­nalrat hat durch sein selbstgewähltes Präsidium sich selbst zur Untätigkeit verurteilt, nun sehe das öster­reichische Volk selber zu, wie es aus dieser gefähr­lichen Sackgasse den Weg ins Freie linden wird.“ Der Bundeskanzler mußte sich vielmehr auf den Stand­punkt stellen: Wenn Österreich nicht parlamen­tarisch regiert werden kajin, so muß es eben ohne Parlament regiert werden, weil sonst die Anarchie einreißt und die Folgen davon nicht abzusehen wären. So ist Dollfuß zu einem Diktator „malgré lui“ geworden, und hat ein Regime der Notverord­nungen ins Leben gerufen. Unterdessen verschärfte sich noch die Wirt­schaftskrise durch die Wiederaufrollung des Ban­­kenproblems, eine Folge der Hilfsbedürftigkeit der Niederösterreichischen Eskoniptegesellsohaft, ferner durch die Verzögerung . der C.reditanstajtsverhand­­lurigen und der Anleihefrage,, wie auch durch die Auswirkungen der SchiUmgdevalvation. All das machte für die Regierung eine erhöhte Bewegungs­freiheit erforderlich, die sich der Bundeskanzler eben mit den Mitteln verschaffte, die ihm zur Ver­fügung standen. Nach der Selbstausschaltung des Parlaments und Einschränkung der Pressefreiheit mußte sich der Gegensatz zur Sozialdemokratie, diese Konstante der österreichischen Innenpolitik, verschärfen und im gleichen Maße auch das Macht­gewicht der Heim wehren zunehmen. Aber auch von einem anderen Gesichtspunkt her bedurfte Dollfuß einer tatkräftigen Unterstützung durch die Heim­wehren, nämlich mit Hinblick auf die wachsende Anziehungskraft des Nationalsozialismus, der na­mentlich durch das Überschwenken des Polizei­präsidenten Brandt in das Nazilager einen starken I agitatorischen Auftrieb erhalten hatte. Dollfuß ist solcherart zwischen zwei Mühlsteine geraten und wird von zwei straff organisierten Mächten bedroht, denen er nur Widerstand leisten kaim, wenn er sich auf noch straffer organisierte Kräfte stützt Deshalb muß er die Kampforgankation der Sozialdemokratie, den Republikanischen Schutzbund, auflösen, aber aus dem gleichen Grunde kann er nicht dulden, daß Österreich von nationalsozialistischen SA-Putschen überflutet wird. All diese inneren Probleme. Österreichs erschei­nen für den oberflächlichen Blick recht chaotisch. Aber bei näheren! Zusehen ist ersichtlich, daß den Ereignissen der österreichischen Politik eine imma­nente historische Logik. innewöhn t, die auch das Gesetz des Handelns für, die Regierung vorschreibt. Im Hintergründe aller positiven und negativen Ent­schlüsse der Regierung, ebenso wie der Parteien wirkt nämlich unablässig das große Problem un­seres westlichen Nachbarn: das Anschlußproblem. Durch die deutsche Umwälzung ist für Österreich die Gefahr erwachsen, daß diese Frage nicht durch den freien Entschluß des österreichischen Volkes April die Erde dem neuen Gedeihen öffnet. Aus április entstand das mittelhochdeutsche Wort abc­­rcllc, dann abrille, auch abrulle und aprille. Die übrigen deutschen Benennungen des April, wie Gras-, Wiesen-, Knospen-, Wandel- und Ostermonat, haben immer nur eine übliche Anerkennung erlangt, mögen sie durch die Naturereignisse auch eine all­gemeine Legalisierung verdient haben. Denn in diese Zeit fällt die üppigste Obstbaumblüte, und der starke Grasschub beginnt. Die Zugvögel kehren aus ihrer fernen Überw inter angiss tation zurück, und das heimische Federwild hebt bereits mit dem Gelege an. In den Auer- und Birkhahnrevieren treten die Hähne in die Balz. Indessen der April bietet demgegenüber auch wieder ein Bild der Unbeständigkeit und des vergeb­lichen Tuns. Ein rasches Wechseln des Regens mit dem Schnee, des Sonnenscheins mit rauhem Winter­­sturm ist unter dem' Regime des Kobolds der Monate nicht selten. Von ailtersher gilt der Í. April als Unglückstag, weil an ihm der Erzverräter Judas Ischariot geboren wurde. Dieses Ereignis hat dem ganzen Monat sei­nen Stempel aufgedrückt und ihn der Lüge und Schelmerei geweiht. Unter der Einwirkung dieses Termins sind die Menschen bestrebt, ihre lieben Nächsten anzuführen; weshalb der erste Tag zum ausgesprochenen Narrentag wurde, an dem man auf der Hut sein soll. Einer anderen Sage nach ist der Tag nicht geheuer, weil an ihm der Teufel aus dem Himmel geschleudert wurde. Und wieder eine mel­det, daß der Tag, an dem Noah seine Taube zum ersten Mal aus der Arche fliegen ließ, ein erster April war. Darum habe die Taube kein trockenes Plätzchen finden können, sich darauf niederzulas­sen, Auch hierin erscheint der Tag als Sinnbild der Unbeständigkeit. c:;;?-:: Der Brauch des ’Aprilsebickens wird verschieden erklärt. k Manche leiten ihn von derr mittelalterlichen Passionsspielen ab. Der erste April fällt nämlich häufig in die stille Woche, die letzte Woche vor Ostern, in der man die Verurteilung Christi drama­tisch darstellte. Aus dem Hin- und Herschicken des Heilands vom Gerichte der Juden zu jenem der Rö­mer, das noch in der Redensart „von Pontius zu entschieden, sondern von außen her, entweder durch eine langsame „friedliche Durchdringung“ parteipolitischer Art, oder durch Überrumpelung machtpolitischer Natur aufgezwungen wird. Dollfuß und die Christlichsozialen, also die Seipel-Schule, machten niemals einen Hehl daraus, daß sie den Interessen des Gesamtdeutschtums besser zu dienen vermögen,'wenn sie die staatliche Vereinigung mit Deutschland bis zu einem Zeitpunkt aufsc'hieben, in dem eine Neuregelung des gesamteuropäischen Statuts erfolgt. In diesem Kurse wurden sie nicht allein durch Frankreich und England, sondern wohl auch durch Italien unterstützt. Jüngst erst schrieb der Chefredakteur der offiziösen Deutschen Allgemei­nen Zeitung, Dr. Klein, mit Hinblick auf die Stellung Italiens zu Deutschland und Österreich, die bemer­kenswerten Worte: „Die einigermaßen verworrenen Dinge in Österreich zeigen möglicherweise einen ge­fährlichen Riß in dem Gedankengebäude der italie­nischen Diplomatie auf.“ Und er riet Dollfuß und den Heimwehren, dringend einen ehrenvollen Frie­den mit den österreichischen Nationalsozialisten zu schließen, ehe es zu spät sein würde. Nun sieht Dollfuß noch keinen Zwang dafür, sich durch den Nationalsozialismus ins Schlepptau nehmen zu las­sen. Er will eine selbständige österreichische Politik machen,, deren .oberste Maxime die Wahrung des Sfelbstbestimmungsreehts ist Die Frage wäre indessen berechtigt, weshalb er sich nicht durch eine Koalition mit der Sozialdemo­kratie, also durch einen innerpolitischen Burgfrieden, Rückendeckung nach den breiten Massen hin zu schaffen versucht. Die Gründe liegen teils im inner­politischen Machtgleichgewicht, teils in außenpoliti­schen Erwägungen. Eine Koalition mit der Sozial­demokratie würde Dollfuß in einen Konflikt zu den Heimwehren hineintreiben, die ihm sicherlich näher­stehen, als die Sozialdemokratie. Aber was noch wichtiger ist: die Sozialdemokratie befindet sich in der Anschlußfrage in einer geradezu tragischen Lage. In einem Augenblick, in dem der Anschluß vielleicht ni achtpolitisch in den Bereich der Möglichkeiten rücken könnte, muß die Partei, die diese Forderung seit fünfzehn Jahren am schärfsten und folgerichtig­sten vertreten hat, verstummen, weil ihre ganzen Interessen gegen eine Vereinigung mit dem heutigen Deutschland sprechen. Wohl gab es nach der ersten Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten eine ideologische Extratour Otto Bauers, der damals in der sozialistischen Monatsschrift „Kampf“ die An­sicht vertrat, Österreich wolle sich wohl an ein demo­kratisches und freiheitliches, keineswegs aber an ein militaristisches und imperialistisches Deutschland an­schließen, aber diese Stimme blieb in der Partei ver­einzelt, der Anschluß blieb ein Dogma der Partei, das tun so unantastbarer wurde, je mein* der größte . Anschlußgegner, Seipel, sich auch innerpolitisch nach rechts entwickelte. Nun befindet sich die Sozialdemo­kratische Partei in der Anschlußfrage in einer pein­lichen Sackgasse. Sie kann unmöglich wünschen, daß die österreichische Arbeiterschaft dem Hitler- Regime in Deutschland ausgeliefert wird, ja sie müßte sich heute einer zielbewußten Anschlußaktron widersetzen. Eine solche Politik kann sie Indessen 1—i— i ■■ ..r.rTi;.1 „..vjj.....■---------------- —. -J '—» seinen Calandrino hat. einige mit einer besonderen Erfindungsgabe ausgestattete Aprilpasser den Vogei abgeschossen. Dort wurde eben die Geschichte Ca­­nellas, des „Mannes, der im Kriege seinen Namen verloren, hatte“, per longuin et latum behandelt. Von dem Mann wußte eigentlich Frau Canella, obwohl sie seit seinem sonderbaren Zustande schon zwei Kinder von ihm hatte, selbst auch nicht bestimmt, ob es ihr rechter Gatte war oder nicht. Da rückte ein Römer in die Spalten der Zeitung Tevere die Nachricht, daß Frau Canella, von den Behörden und medizinischen Fachleuten über die Echtheit ihres Mannes im völligen Dunkel belassen, nun mit dem Pisaner Zug nach Rom kommen und sich vom Papst die Aufklärung erbitten werde. Zur fest­gesetzten Stunde drängten sich die Menschen in un­absetzbaren Massen vor dem Bahnhof. Und sic war­teten stundenlang auf das Ereignis. Bis es in einem klareren Kopf aufdänimerte — vielleicht war es so­gar der Kopf des Urhebens dieses Massenandrangs —, daß sie alle der 1. April zusammengeführt hatte. Ein zweiter Italiener, der sich die mysteriöse Canella-Affärc als Anlaß zum Aprilschicken dienen ließ, war in Perugia daheim. Er mobilisierte die ganze Stadt für einen Vortragsabend, hei dem die hervorragendsten Nervenärzte Italiens über den Fall sprechen sollten. Erst vor dem geschlossenen Vor­tragssaale ging den Leuten der Knopf über den Apriljux auf. Ein weiterer. Landsmann der beiden versandte Prospekte über Wohnungen in einem ntu­­zuerrichtenden Stadtviertel von San Jacopino. Das Angebot war so verlockend, daß am Termintag in der bezeichneten Gasse Tausende die Kanzlei der ;Baugesellschaft suchten, — freilich ergebnislos, weil die ganze Inszenierung in der Regie des 1. April er­folgt war. Besser fuhren die Genueser Mädchen, denen der Aprilnarr einen Bräutigam verschaffte, in­dem er den Junggesellen bei der Vorweisung des Ältestes, den. die Braut ausgefertigt hatte, einen fin­gierten Junggeseilensteuemachla ß versprach. Es wäre schwer nachzuweisen, wie weit der April für diese Erfindungen eigentlich verantwort­lich ist. Seinen Namen hat der Monat von den alten Römern, die das Hauptwort „április“ aus dem Zeitworte „aperire“ (öffnen) bildeten, weil sich im Pilatus“ fortlebt, wie auch aus manchen derbkomi­schen Szenen, die man ins Spiel flocht, sei der Cha­rakter des „tollen Tages“ entstanden. Andere mei­nen, der Aprilbrauch sei eine Abzweigung der Quiri­nalien, des römischen Schalksfestes. Und wieder welche glauben, ihn auf das indische Hulifest zu­rückführen zu dürfen, das Fest der Göttin Maja, der Quelle des einer ewigen Täuschung unterworfe­nen Seins. Man feiert das Fest der großen „Täu­schenden“, indem man das Leben, das uns narrt, durch täuschende Aufträge versinnbildlicht, die den Ausführenden zum „Huluarren“ machen. Ein An­klang an diesen Zug ergibt sich aus dem Aphrodite­­und Venuskult des klassischen Altertums. Die Liebes­göttin der alten Römer führte auch den Beinamen „Apatura“ (Täuscherin), und das Apaturienfest der Römer wurde zu allerlei Streichen und Schelmereien benützt. Danach würde also in dem Brauch des Aprilsebickens auch heute noch der Geist der Lie­besgöttin fortleben, der den Menschen so viele Ent­täuschungen bereitet. Auf diesen Ursprung sollen auch die Aprilfische der Franzosen deuten, weil die Fische das Zeichen der Venus waren. Allerdings führte der französische Brauch noch zu einer anderen Auslegung, die manches für sich haben mag. König Karl IX. verlegte das Neujahr vom 1. April auf den 1. Januar. Da man sich aber schon damals am ersten Tage des Jahres Geschenke sandte, so erhielt man jetzt die Hauptgaben am 1. Januar, wohingegen man des bisherigen Hauptgeschenktages, des 1. April, nur in wertlosen Geschenken, Fischen (die um diese Zeit, während des Laichens, äußerst wohlfeil sind) oder gar in leeren Paketen gedachte. Nicht mehr als Deutung, sondern als bloße An­wendungsform des Brauches sei noch eine mittel­alterliche Nan'cngepflogenhei t angeführt. An den Höfen der Fürsten herrschte das ganze Jahr über das Narrenrecht, das heißt die Hof­narren durften jedermann, sogar die höchsten Herrschaften, verulken, ohne dafür eine andere Vergeltung zu. empfangen als klingenden Lohn. An einem einzigen Tag im Jahre wandte sich das Spiel, und.es durfte sich die Vergeltung auswirken, die man vielerorts auch heute noch für ergötzlich hält Am ersten April Schickt man den Narren, wohin man will.

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