Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. augusztus (80. évfolyam, 172-197. szám)

1933-08-01 / 172. szám

Einzelnummer an Wochentagen IC, an Sonntagen 32 Heller. Abonnement: luseratenauinahme: für Bmlapakt;. mit täglich zyguthger Budap«i, in der Administration des, ZnsteBong and Morgen- BrnHi ___ ran t». le9ter Lloyd und in den Annonce!? n FDVFIl ¥ ¥ A\7II ^sspksps Sa.« §ß|> I |> IJf 1 I II v II sssssas Jlatt“hrtChhl pZaf&m entrichten. B H l E S| ||j ■ ffljH ÍÍÍ ÍÉ JllÍÍ ^ Ä g||S ilr 0ester^- Wollzeile’ 1"aohf für tfa»nAueto«l liíít^rekter Kreuzband? JBl Jfti JBwj JHh uM JhÉUHH JL wBHSär Elnrelnnmmer für Budapest und für Sendung vierteljährlich: Für Oetterreloh BW ^ die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen und Polen ZO Pengő, für «Me Bbrloäa “Heller an Sonntagen 3 a Mer, Staaten so Pengő. Abonnements werden Abendblatt.10 Heller. — Fär Oeatsmlok: auch bei sfimtflohen aoetändUoben Post- __ _ __ _. __ __ __ . __ __ Morgenblatt an Wochentagen so Or., an astern entgegengenommen. TW A Ti TÄ pjlJD T 4 Et Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 30 Gr. Mannskripte weiden nicht zurfickgesteOt, *“■ " -“■* Redaktionn. Ad*.: V, M&rlaValéria-noca 13. Tetenhon der Redaktion: 848-20. Tahinkon der Administration: ssw-oo. 80. Jahrgang. Budapest, Dienstag, 1. August 1933. Nr. 172 Paradoxien der polítíschenZeítströmungen. Budapest, 3L Juli. '(—tL) Es wird nach und. nach unmöglich, unsere altgewohnten politischen Begriffe auf die neu entstehende Wirklichkeit anzuwenden. Was früher in der Politik „rechts“ oder „links“ bedeutet !hat, kann man heute nicht ohne weiteres mit diesen Worten bezeichnen. In der Terminologie der Vor­kriegszeit noch gehörten die politischen Charakter­zeichen „linksstehend“, „fortschrittlich“, „liberal“, „demokratisch“, „radikal“ selbstverständlich zu­sammen, es gab zwischen ihnen bloß einen Unter­schied der Stufe. Noch das Eigenschaftswort „sozia­listisch“ ergänzte die obige Reihe und gliederte sich ihr ohne Gegensätzlichkeit an. Die andere Reihe „rechtsstehend“, «konservativ“, „nationalistisch“, „reaktionär“ bildete ebenfalls eine kompakt zu­sammenhängende politische Begriffswelt. Es war für den Einzelnen ziemlich leicht, sich zwischen diesen beiden Lagern zurechtzufinden. Er gehörte nach „rechts“ oder nach „links“, wohin ihn eben seine materiellen Interessen, seine soziale Zugehörigkeit oder einfach sein Temperament stellen mochten. Es war nicht anstrengend, in politischen Systemen zu denken. WHl man dagegen heute politische Denk­­eysteme mit Kennworten bezeichnen, so stößt man auf lauter Paradoxien. „Fortschritt“ und „Demo­kratie“ und „Liberalismus“ sind keine eindeutigen Begriffe mehr. Sie bilden zur Begriffsreihe „Ord­nung“, „Hierarchie“, „Konservativismus“ kein symmetrisches Gegenbild. Es ist heute schlechter­dings nicht mehr möglich, sich Tein dem eigenen Temperament anzuvertrauen und sich dem einen «oder dem anderen politischen Lager, dem rechts­­oder dem linksstehenden, anzuschließen. Die Unter - ,Scheidungen müssen heute anders getroffen werden, als früher. Wir leben mitten in einem Prozeß der pimdeutung der Begriffe. „Rechts“ und „links“ sind ja rein schematische Ausdrücke; was ihnen früher einen Inhalt verlieh, war der grundlegende Gegen­satz zwischen „Freiheit“ und „Ordnung“. Wer sich politisch für Freiheit, für die Selbstbestimmung des Individuums entschied, votierte nach links, wer Ordnung, die feste Bindung durch Macht und Auto­rität als Ziel des Staates erkannte, votierte nach „rechts“. Was sehen wir dagegen heute? In Rußland herrscht ein sozialistisches, also ein „linksstehendes“ System, das die individuelle Freiheit noch viel gerin­ger achtet, als das reaktionäre Zarentum; in vielen Ländern wird im Namen des Fortschritts eine neue Bindung, eine feste Ordnung gefordert. Fortschritt bedeutet also nicht eindeutig die zunehmende Eman­zipierung des Individuums. Wo sind die Zeiten, wo das extreme Fortschrittlertum noch darin bestand, politische Rechte für die Arbeiterklasse, die Frauen, die unterdrückten Nationen zu fordern'. Der poli­tische Kampf wird heute um andere Dinge geführt, als um politische Rechte, die die eine Partei erobern, und die Gegenpartei möglichst lange vorenthalten will. Um ein konkretes Beispiel zu nennen, wollen wir auf eines der wichtigsten politischen Phänomene der Gegenwart, auf den italienischen Faszismus, hinweisen. Es ist eine längst beobachtete Tatsache, daß sich der Faszismus kaum zwanglos in das Schema „rechts-Iinks“, eingliedem läßt. In seinem wirtschaftlichen und sozialen Gefüge kapitalistisch, ist der faszistische Staat doch nicht miit „bürgerli­cher Herrschaft“ zu identifizieren. In seinem korpo­rativen System in die Aktionssphäre des Einzelnen, ob er Arbeiter oder Arbeitgeber sei, tief hineingrei­fend, ist dieser Staat doch nicht „kollektivistisch“, seine Absicht ist nicht die Auslöschung des Indivi­duums, sondern vielmehr die Zusammenfassung individueller Kräfte. Der zehnjährige Werdegang des italienischen Faszismus war eine Reihe von Überraschungen für diejenigen, die dieses Regime einfach mit „Reaktion“ gleichsetzen wollten. Das Regime, das aus dem Nationalismus einen wahren Kult macht, fand sich dennoch bereit, eine aufrich­tige und vorbehaltlose Friedenspolitik zu machen. Das Regime, das den Fortschritt im liberalistischen Sinne, d. h. als zunehmende Beseitigung von Bin­dungen aufs heftigste verpönt, huldigt kühnen und dem Gemeinwohl dienenden Fortsohrittswerken. Littoria, die Stadt, yie aus dem entsumpften Boden Italiens entstand, der neue Eroberungszug der euro­päischen Zivilisation nach den Sandwüsten Nord­afrikas über die „vierte Küste“ Italiens, die kolo­niale, die gewaltigen öffentlichen Arbeiten, durch die die Leistungsfähigkeit des italienischen Bodens vervielfacht wurde: all diese Friedenswerke, diese zivilisatorischen Werke entspringen unverkennbar einem fortschrittlichen Denken. Und die Auswirkun­gen dieser großen Leistungen sind zweifellos demo- ‘ kratisch. Dabei verhält sich Italien dem Auslande gegenüber nicht bloß friedlich, sondern sogar als eine der Hauptstützen des Friedens. Fortschritt, demokratische Ausbreitung der Lebensmöglichkei­ten, sogar aktive Friedenspolitik wurden erkauft^ scheint es, durch den Verzicht auf „individuelle Frei­heit“, auf „Liberalismus“. Wer in alten Begriffsfor­men denkt, kann den Sinn dieser Entwicklung kaum erfassen. Wir haben es (hier mit einer Paradoxie zu tim, die sich jedoch leicht auflösen läßt. Wenn wir uns die Entstehung und den Sieg des Faszismus ver­gegenwärtigen, so bemerken wir, daß die ganze Paradoxie seiner Zielsetzungen auf die grundlegende Paradoxie des Liberalismus zurückgeht. Der Libera­lismus beruht als bürgerliche Weltanschauung auf dem Geltenlassen der Meinung der Gegenpartei.. Der konsequente Liberalismus ist liberal auch dem Feinde gegenüber. Diese Haltung förderte ihn, solange es nur galt, die Reste der aristokratischen Feudalherrschaft in Europa zu beseitigen. Die liberale Weltanschauung durchsetzte einfach die privilegierten Stände und machte sie zu gefügigen Mitteln einer im wesentlichen bürgerlichen Staats­ordnung. Sogar die Sozialdemokratie konnte sich dieser Ordnung einfügen: dem Liberalismus der fortschrittlich-bürgerlichen Gesellschaft, die ihr parlamentarische Freiheiten eimräumte, wußte sie nicht anders zu begegnen, als indem sie ihre eigenen Methoden dem liberalen Staate anpaßte: sie forderte nicht die Alleinherrschaft, sondern sozialpolitische Begünstigung, wirtschaftspolitischen Einfluß, inter­essenpolitischen Ausgleich auf Grund des „suurn cuique“-Prinzips. Bis zu diesem Punkte barg die liberalistische Methode keine Gefahren in sich. Doch die russische Revolution brachte eine neue Staatslehre hervor, eine Doktrin, die auf der Ausschließlichkeit der Ansprüche einer Partei, einer Interessensohioht, be­ruhte. Die Tragödie des Liberalismus begann dort, wo er sich auch dem Bolschewismus gegenüber, der in seinem tiefsten Wesen illiberal ist, liberal verhielt. Das geschah im Italien der ersten Nadhkriegsjahre, bevor der Faszismus kam. Ein liberalistisch-bÜTger­­liches Regime wußte der sozialen Umsturz welle nicht auf dem Boden der Tatsachen zu begegnen. Jener revolutionären Streikbewegung gegenüber konnte sich die Erfahrung mit der durah den l Parlamentarismus „gezähmten“ Sozialdemokratie Feuilleton. Rilkes Briefe an die Fürstin Marie. An dieser Stelle wurde das schöne Buch der Fürstin Marie von Thum und Taxis-Hohenlohe über Rainer Marie Rilke besprochen und gerühmt und das ideale Freundschaftsverhältnis beleuchtet, das zwischen der großen Dame und dem großen Dichter bestand. Die Briefe Rilkes an die Fürstin Marie er­scheinen jetzt im Leipziger Insel-Verlag, und aus der Fülle tiefsinniger, poetischer Betrachtungen und Bemerkungen heben wir einige Stellen heraus, die aus der Zeit des Krieges stammen. Die Fürstin ver­lor in diesem Krieg ihre italienischen Besitzungen, der Diohter, der als „Infanterist“ einrücken mußte, verlor noch mehr: den Glauben an die Menschheit. Einige Fragmente aus den erwähnten Briefen, die im nachstehenden reproduziert werden, ver­mögen besser als alle Lobesworte die Aufmerksam­keit auf den interessanten und ergreifenden Brief­wechsel zu lenken. Im Juli 1915 schreibt der Poet an die Fürstin: „Solang die Zerstörung in der Welt ist, wer darf aufatmen, wer etwas für gesichert, für geschont, für gerettet halten,? Im Persönlichen sowohl, wie im . allgemeinen ist’s ein Aufgeben, ein Hinhalten allen Besitzes, um weichen Preis? Um welchen Preis, wenn nur diese Frage nicht wäre, wer würfe das .Seine nicht bin und sich dazu, begriffe er nur, ahnte er nur, daß ein rein überlebendes diese Unter­lagen braucht, um weiter hinauf zuragen. Wir, einige von uns, fühlen längst Kontinuitäten, die nichts mit dem Ablauf der Geschichte gemein haben; auch über dieses Schicksal hinüber wird sich das Ein­stigste und das Künftigste verständigen, aber wir, eingezwängt zwischen Gestern und Morgen, wir, werden wir je wieder am Schweben der großen Be­ziehungen arglos, still, gelassen beteiligt sein? Oder verschreckt unten bleiben mit dem Stempel einer Zelt auf den Schultern, Mitwisser unvergeßlicher Einzelheiten, mitschuldig am Großen wie am Nur- Furchtbaren, aufgebraucht von diesem Ertragen und Leisten und Ausstehn —; werden wir nicht auch später, für immer, wie wir’s jetzt lernen, alles Verstehen aufschdeben, das Menschliche für unent­wirrbar halten, die Geschichte für einen Urwald, dessen Boden wir nie erreichen, weil er unendlich, Schicht über Schicht, auf Gestürztem steht, eine Er­scheinung auf dem Rücken des Untergangs?“ Am 2. August 1915 schreibt Rilke: „loh habe äußerlich die gleichmäßigsten Tage, aber innerlich ist’s ein Abgrund, man lebt am Rande, und unten liegen, vielleicht zerschlagen, wer weiß es, die Dinge des früheren Lebens. War’s das? sag ich mir hundert­mal, war’s das, was die letzten Jahre als ungeheurer Druqk über uns lag, diese furchtbare Zukunft, die nun unsere grausame Gegenwart ausmacht? ... Jetzt erst begreife ich, so gingen die paar gewaltigen alten Männer herum, Tolstoi und Cézanne, und stießen Warnungen und Drohungen aus, wie die Propheten eines Alten Bundes, der nächstens wird gebrochen werden —, und sie wollten diesen Bruch nicht mehr erleben. Was auch kommt, das Ärgste ist, daß eine gewisse Unschuld des Lebens, in der wir doch aufge­­wachsen sind, für keinen von uns je wieder da sein wird. Die Jahre vor uns, so viele es sind, was wird’s sein, als, mit zitternden Knien, ein Abstieg von diesem Schmerz-Gebirg, auf das man uns noch immer weiter hinaufschleppt...“ Ein vom September 1915 datierter Brief Rilkes enthält folgende Sätze: „Was such ich mehr, als den einen Punkt, den alttestamentarischen, an dem das Schreckliche mit dem Größten zusammenfällt, und ihn jetzt aufzuzeigen —, das wäre wie das Aufheben einer Monstranz gewesen über allen den Gestürzten und wieder und wieder Aufstehenden. Denn ob es gleich keiner laut zugeben mag, Tröstungen täten not, die großen unerschöpflichen Tröstungen, deren Mög­lichkeit ich oft auf dem Grunde meines Herzens empfunden habe, fast erschrocken, sie, die grenzen­losen, in so eingeschränktem Gefäße zu enthalten. Es ist ja sicher, daß der göttliche Trost im Mensch­lichen selbst enthalten ist, mit dem Tröste eines Gottes wüßten wir wenig anzufangen, sondern es müßte nur unser Auge eine Spur schauender, unser Ohr empfan­gender sein, der Geschmack einer Frucht müßte uns vollständiger eingehen, wir müßten mehr Geruch aus­halten, und im Berühren und Angerührtsein geistes­gegenwärtiger und weniger vergeßlich sein —: uni sofort aus unseren nächsten Erfahrungen Tröstungen aufzunehmen, die überzeugender wären, die über­zeugender, überwiegender, wahrer wären, als alles Leid, das uns je erschüttern kann. Nicht im Sinne der „Unbekannten“ wahrscheinlich, aber in einem noch viel freieren, weniger abgesonderten Verstände, leben wir, hineingehörig, in den ungeheuersten Flu­tungen, ich muß mich oft umwenden, fragend, welche Kraft da vielleicht jetzt hinter mir vorüber­­geht, an ihr Werk, jede an ihr Werk, und der Weg so mancher führt uns mitten durch’s Herz (qui n’est pás une auberge, mais un fameux carrefour quand­­méme —). Liebe Fürstin, was hab ich nur mit die­sem Herzen, meinem, für Mißbrauch getrieben, daß es jetzt nicht Zeugnis gibt von unserer Tröstbarkeit! Ich hab Ihnen die letzten Jahre so oft anklagend von diesem Herzen gesprochen, schmähend, es herab­setzend unter die mindesten —, aber immer noch zu gut, immer noch zu hoffnungsvoll. Könnt ich sagen von ihm, daß es von Bitternis überfließt, daß es starr ist vor Schmerz, aber nein, als Ob sein Inhalt einfach zu unförmigen Klumpen geballt sei, so trag ich’s herum. ... Fürstin, ich rätselte im Stillen wie alle Welt über die gemeinsame Zukunft unser aller, ob ich gleich da auf weniger Voraussetzungen ange­wiesen bin als irgendein Eckensteher, denn die Ge­schichte ist mir dunkel, auch vermute ich, es ist gar nicht die Geschichte, was man wissen und woraus man schließen könnte, sondern eine wunderliche Aus­wahl aus Zufälligem und Gesetzmäßigem, in der der Mensch sich erkennt, weil das fortwährende Durch­einander von beiden ihm das vertrauteste Gefühl ist Aber nun wird es so plötzlich, überholend, Herbst, wenigstens hier, ich sehe von fremden Fenstern aus die Baumufer an der Isar gilben und die Gelb, unter dem kalten Regen, nehmen nicht der Reihe nach zu, sondern es sind schon gleich vorletzte Töne da, dann kommt der Blätterfall. Diese Regennächte und diese Winter vor der Tür —, da schießt mir die ausge­breitete Not zur eigensten zusammen, zur Ratlosig­keit vor meinem eigenen Morgen und Übermorgen, — wohin, wohin?“

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