Pester Lloyd - esti kiadás, 1933. augusztus (80. évfolyam, 172-197. szám)

1933-08-01 / 172. szám

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Blau, Boros, Braun, Josef Erdős» Győri & Magy, Harsányi, Haasenstein & Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, Magy. hirdető« iroda, Mosse Rudolf A.-B., Julius Tenzer, Uray. Generalvertretung des Pester Lloyd iür Oesterreich: M. Dukes Naohf. A.-G., Wien, Wollzeile 16. Einzelnummer túr Budapest und tfli die Provinz: Morgenblatt an Wochentagen 16 Heller, an Sonntagen 32 Heller, Abendblatt 10 Heller. — Für Oesterreloh: Morgenblatt an Wochentagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblatt 20 Gr. Redaktion u.Adm.: V„ MáriaValóna-uooal2. Telephon der Administration: 849-08. 80. Jahrgang. Budapest, Dienstag, 1. August 1933. Nr. 172 Auslandschau. — 1, August. — Gandhis neuer „Sieg“. Der Apostel des gewaltlosen Widerstandes hat (sich wieder in der Widerstandslosigkeit geübt: um 1 Uhr 40 in der Nacht wurde er in Aohmedabad im Hause des reichen Mühlenbesitzers Ranchoddas, bei idem er die wenigen Tage seiner erst vor kurzem wiedererlangten Freiheit verbracht hat, verhaftet. Die Verhaftung ging wie eine feierliche Zeremonie .vor sich. Der Bezirksmagistrat und der Polizeichef von Achmedabad fuhren vor dem Hause Ranchod­­das’ in mehreren Kraftwagen vor, tun Gandhi, seine iFrau und die freiwilligen Gefährten seines neuen „Ungehorsamsfeldzuges“, 16 Männer und 16 Frauen, idie gerade um ihn versammelt waren, ins Gefäng­nis abzutransportieren. Dies ging natürlich nicht ohne längeres Beten und Absingung von Hymnen. Die Abfahrt ins Gefängnis ist ja für den Mahatma ein religiöser Akt, die einzige wirkungsvolle Geste, (durch die er seine eigene politische Lehre einpräg­sam gestalten kann. Es hätte für Gandhi kein größeres Unglück gehen können, als wenn die Engländer in diesem Falle auf die Verhaftung verzichtet hätten. Wo wäre ■dann das persönliche Opfer, Ahimsa, die Gewalt­losigkeit, und Satyagraha, der passive Widerstand? .Opfert man sich, so muß es offenbar einen geben, ■der das Opfer entgegennimmt. Die Politik Gandhis .würde keinen Sinn haben, wenn die Engländer von Zeit zu Zeit sich nicht dazu verstünden, ihn zum Märtyrer zu stempeln. (Obwohl das Leben im Ge­fängnis, wo der Mahatma mit ausgesuchter Höflich­keit behandelt wird, von diesem keine Änderung seiner gewohnten anspruchslosen Lebensweise for­dert.) Ist dem aber so, dann werfen sich zwei Fragen auf: wissen die Engländer, was sie tim? Und weiß ■der Mahatma selbst, um welcher Ziele willen er immer wieder neue Opfer seiner Person bringt? Die erste Frage ist leicht zu beantworten. Die Engländer müssen mit der primitiven Psyche der Orientalen rechnen. Gandhis Widerstandskampagne ist psycho­logisch außerordentlich geschickt angelegt. Sie ist nichts anderes, als ein symbolischer Akt, durch den die Unwirksamkeit, die Nichtexistenz der englischen Herrscher dargetan werden soll. „Schaut, ich miß­achte offen die Befehle des englischen Raj. Für mich existiert er nicht. Er kann befehlen; seine Be­fehle sind Luft.“ Würde die englische Regierung da nicht einschreiten, so würden die politisch inter­essierten Massen Indiens den Eindruck gewinnen, idaß die Autorität des englischen Raj wirklich er­schüttert ist. Und das könnte schlimme Folgen (halben in einem Lande, wo 360 Millionen Farbige ,von 150.000 Weißen regiert werden. So wird das Spiel mit geteilten Rollen weiter geführt: Gandhi entfaltet einen gewaltlosen Scheinwiderstand, und die Engländer sperren ihn in ein gewaltloses Schedngefängnis. Die Massen aber schauen zu und sehen, daß alles beim alten geblieben ist. Schwieriger ist es, zu verstehen, warum Gandhi Immer wieder bereit ist, dieses nicht mehr ganz saubere Spiel weiterzuspielen. Der heilige und schlaue Mann muß ja sehen, daß seine sogenannte „individuelle Widerstandskampagne“, im Lichte der aktuellen Tagespolitik gesehen, eine überflüssige Spiegelfechterei ist. Die politische Wirklichkeit, die hinter der Widerstandsbewegung der letzten Jahre stand, ist der Nafcionalistenkongreß, und die Mehr­heit des Kongresses beschloß vor kurzem den Ab­bruch der Widerstandsbewegung. Die Nationalisten wollen jetzt schon abwarten, welche Unabhängig­keit aus den nunmehr spruchreif gewordenen engli­schen Verfassungsplänen für Indien herauskommt. Für Gandhi existieren diese Verfassungspläne nicht. Er denkt nicht politisch, sondern religiös. Für ihn zählen nur die metaphysischen Kräfte der indischen Seele mit. Ob Indien mit mehr oder weniger politi­schen Rechten nach westlichem Muster ausgestattet wird, ist ihm gleichgültig. Er will etwas ganz an­deres: die wiedererwachte indische Seele, die mysti­sche neue Gemeinschaft, die eigenen Gesetzen ge­horcht. Zweifellos eine große, achtunggebietende Konzeption. Sie beruht aber auf dem Gedanken der radikalen Unzulänglichkeit Indiens für alles, was westliche Zivilisation heißt. Parlamentarische Ver­fassung, verantwortliche Zentralregierung: das sind für Gandhi ebenso sündhafte Gedanken wie die mi­litärische Unterdrückung selbst. Darum muß er seinen Protest aufrechterhalten. Seine Tragik be­steht darin, daß das politische Indien in diesem Pro­test nicht mehr hinter ihm steht. Das politische In­dien lehnt die okzidentale Idee der parlamentari­schen Verfassung nicht mehr ab. Je greifbarer diese Idee in den Vordergrund gerückt wird, desto mehr schrumpft Gandhis religiöse Reformbewegung zur isolierten Aktion einer Handvoll „Erleuchteten“ zu­sammen. Ob diese Aktion sich zu einer neuen Massenreligion ausbreiten, die Seele Indiens erobern wird, oder ob im Gegenteil Indien unter englischer Führung den Weg des politischen Fortschrittes und der Zivilisation betreten wird: das ist die eigentliche Grundfrage der Zukunft. Gandhis Weg ins Gefäng­nis von Achmedabad ist eine notwendige Station dieser Entwicklung. Konferenzende — und was weiter? Unser Londoner Korrespondent schreibt uns unterm 30. Juli: Die Schlußsitzung der Weltwirtsohafiskonferenz fand am heißesten Tage statt, den England seit vielen Jahren gekannt hat. Das Thermometer stand auf 93 Grad Fahrenheit im Schatten. Im großen Sitzungssaale des Geologischen Museums herrschte eine drückend feuchte Treibhausatmosphäre. Die Riesenfenster standen alle weit offen. Doch kein kühlender Windhauch regte sich. Gelamgweilt leier­ten die Berichterstatter der verschiedenen Kommis­sionen ihre Berichte ab. Ebenso gelangwedlt und indolent hörten die Delegierten, die Journalisten und das Publikum zu. „Wenn es doch bald vorüber sein möge,“ stand deutlich auf allen Gesichtern zu lesen ... Doch mit einem Male kommt Leben in diese trübe Beerdigungszeremonie der sterbenden Konferenz. Der Präsident Ramsay Macdonald hat einen Namen genannt, der alle Anwesenden elektri­siert: Dt. Hjalmar Schacht, der Vertreter des Deut­schen Reiches! Schläfer i-rwachen, Hälse recken sich, Federn kritzeln wieder geschäftig. Man hat Dt. Schacht hier seit Wochen nicht gesehen. Den Engländern gilt er als der „Mystery Man of German Finance“. Der Vertreter Hitler-Deutschlands ist noch immer die Sensation. Man erwartet von ihm, daß er etwas Außerordentliches, etwas Erfrischen­des sagen wird. Und er trügt nicht die in ihn gesetz­ten Erwartungen. Selbst die Elemente scheinen mit ihm im Bunde zu sein: wie Dr. Schacht die Redner­tribüne besteigt, bricht draußen plötzlich ein Wir­belwind, eine Art Taifun los; die Vorhänge an den Riesenfenstem reißen sich los und flattern wie große Fahnen in der Luft; allerhand Dokumente und Papiere auf den Tischen der Delegierten wer­den ebenfalls vom Winde erfaßt und fliegen lustig durch den Saal. Und inmitten dieses symbolischen, erfrischenden Wirbelsturmes und allgemeinen Er­wachens ertönt die laute, klare Stimme Dr. Schachts, der zu guter Letzt der auseinandergehenden Konfe­renz noch einige unverblümte Wahrheiten sagt und die Ursachen des Scheitems der Konferenz kurz präzisiert. Nach sechs Wochen angestrengter Arbeit erweist es sich in der Tat, wie Dr. Schacht das mit erfreu­licher Offenheit feststellt, daß so gut wie keine ein­zige der ursprünglichen Aufgaben und Programm­punkte der Konferenz erreicht worden ist. Es ist der Konferenz nicht gelungen, die Währungen zu stabili­sieren. Es ist ihr nicht gelungen, die Warenpreise zu heben. Es ist ihr nicht gelungen» die Zollschranken herabzusetzen. Es ist ihr nicht gelungen, die Waren­produktion zu regulieren. Die von den verschiedenen Kommissionen ausgearbeiteten Resolutionen und Be­richte stellen nichts als unverbindliche Ansichten und Empfehlungen dar. Die Schuld an diesem kläglichen Fiasko trägt natürlich niemand im besonderen, es sei denn die Einberufer der Konferenz. Der Fehler liegt vielmehr im System einer derartigen Weltkonferenz. Der Gedanke, durch generelle Empfehlungen und Be­schlüsse gleichzeitig die Wirtschaft sämtlicher Län­der der Welt zu regulieren, ohne Berücksichtigung der Tatsache, daß jedes dieser 64 Länder völlig an­dere Interessen und interne Bedingungen besitzt, hat sich als ein Ding der Unmöglichkeit erwiesen. Die von der Konferenz an der Wirtschaftspolitik dieses oder jenes Landes geübte Kritik prallte jedesmal prompt an den realen Lebensinteressen des betreffen­den Landes ab. „Solange also,“ schloß Dr. Schacht seine kurze Rede, „die einzelnen Staaten nicht seihst und mit eigenen Kräften hei sich zu Hause ein ge­wisses wirtschaftliches Gleichgewicht wiederherge­stellt haben, wird auch der Erfolg einer zweiten Weltwirtschaftskonferenz ein höchst zweifelhafter sein.“ Und — möchten wir hinzufügen — hat es kaum einen Sinn, eine solche vorderhand in Aussicht zu nehmen. ■ ' ■ Daher wäre es auch ratsam, sich keinerlei Dlnsionen darüber hinzugeben, daß die Weltwirt­schaftskonferenz nicht, wie der Vorsitzende Mac­donald es möchte, „lediglich vertagt“, sondern in der Tat eines natürlichen und endgültigen Todes gestorben ist. Die Welt hat aber kaum Ursachen, über diesen Todesfall besonders deprimiert zu sein. Der Zweck der Lodoner Konferenz bestand schließ­lich und endlich nur darin, der Welt aus der gegen­wärtigen Wirtschaftsmisere herauszuhelfen. Läßt sich dieses Ziel aber auch anderswie erreichen, um so besser. Daher kann die Tatsache, daß die Lon­doner Konferenz so klar die Unmöglichkeit gene­reller Beschlüsse erwiesen und die Staaten mit so großem Nachdruck auf die Notwendigkeit bilateraler Abmachungen und Gruppenverständigungen hinge­wiesen hat, immerhin als ein gewisses Verdienst betrachtet werden. Die Vertreter von 64 Staaten der Welt haben schließlich nicht sechs volle Wochen lang miteinander konferiert, verhandelt und ge­speist, ohne Nützliches über die gegenseitige Wirt­schaftslage und ihre besonderen Verhältnisse er­fahren und ohne Übereinkommen eingeleitet zu ha­ben, die vielleicht bald wertvolle Ereignisse zeitigen und die Krise in den einzelnen Ländern wesentlich mildern dürften. Besonders kann dieses von den Agrarländern Zentraleuropas gesagt werden. Durch die Lösung der europäischen Agrarprobleme würde das Schwungrad der gesamten Weltwirtschaft sofort wieder in kräftigere Bewegung kommen und sämt­liche anderen Fragen, wie Hebung des Preisniveaus, Stabiliserung der Währungen, Abbau der Zoll­schranken usw., sich ebenfalls wesentlich leichter verwirklichen lassen. Roosevelts Zehn Gebote. Präsident Roosevelt hat seine wirtschaftliche Lebensphilosophie in folgenden 10 Geboten nieder­gelegt: 1. Du sollst dich nach der Decke strecken! 2. Du sollst dein Selbstvertrauen nie verlieren! 3. Mammon soll nicht dein Gott sein, und sei dir über das Geldsystem klar, damit es dich nicht ruiniere! 4. Wenn du das richtige Preisniveau erreicht hast, sei eingedenk, daß die zweite Schicht, mit der der Weg nach der Prosperität gepflastert ist, die Währungsstabili­sierung ist! 5. Das Gold soll nicht dein Abgott, sondern dein Diener sein! 6. Du sollst dein geliebtes Volk vor der Arbeits­losigkeit schützen! 7. Vergesse nicht, deine Industrie richtig anizu­­leiten, zu rationalisieren und zu festigen! 8. Dulde keine Not inmitten in der Fülle! 9. Lasse dich durch Irrlehren nicht zur Vernach­lässigung deiner heimischen Wirtschaft verleiten, was aber nicht bedeuten soll, daß du das Leben eines Ein­siedlers leben sollst! 10. Deine Probleme sollst du weder allzusehr ver­einfachen, noch allzusehr komplizieren! Die im Stil moralischer Traktätchen gehaltenen Empfehlungen Roosevelts an die amerikanische Na­tion wären ganz uninteressant, wenn sie nicht in einigen Punkten eine gewisse Wendung der Roose­­veltschen Haltung in der Wirtschaftspolitik ver­raten würden. Manche seiner Sätze sind so dunkel, wie eben prinzipielle Auslassungen verantwortlicher Staatsmänner über die Wirtschaft manchmal zu sein pflegen. Bei anderen hat man den Eindruck, daß sie die amerikanische Öffentlichkeit darauf vorbereiten sollen, daß eine neue Etappe der Wirt­schaftspolitik beginnt. Die Ermahnung, an die Wäh­rungsstabilisierung zu denken, wenn das richtige Preisniveau erreicht ist, kann nicht anders als ein Hinweis auf die bevorstehende Stabilisierung aufge­faßt werden. Zum ersten Male seit längerer Zeit spricht der Präsident von der Stabilisierung als einer aktuellen und erstrebenswerten Aufgabe. Und ihre Erwähnung im Zusammenhang mit einem erreich­ten „richtigen Preisniveau“ soll wohl eine Warnung an die Spekulation sein, die die Vergänglichkeit des Prozesses der Dollarentwertung vergessen hat, und ein Wink für die immer noch Unzufriedenen, denen eine Fortsetzung der Politik der Geldwertsenkung genehm wäre. Die gleiche psychologische Schwen­kung enthält das „5. Gebot“. Gold soll zwar nicht ein Abgott sein, aber der Präsident der Vereinigten Staaten hält es immerhin für notwendig, darauf hin­zuweisen, daß es ein nützlicher Diener sein kann. Die amerikanische Regierung, die monatelang von einem geordneten Geldwesen nichts wissen wollte, scheint seine Wiedereinführung zunächst einmal propagandistisch vorzubereiten. Wie weit ihre Ent­schlüsse gediehen sind, ob sie vorläufig nur prin­zipiellen Charakter haben, oder sich bald schon in

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