Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. október (80. évfolyam, 223-248. szám)

1933-10-01 / 223. szám

PESTER LLOYD • 4 • Sonntag, i, Oktober 1933 PELZSANATORIUM L Rákóczl-út 80 3X8 Ausbesserungen und Umänderungon fachgemäss zu billigsten Preisen. Firmeninhaber Goldstein Sally, qualif. Kürschnermeister. der Ereignisse des 9. November 1923, des Münch­ner Putsches und dér darauffolgenden Reaktion. In nicht ganz zwei Jahren war die ganze „Episode“ von den großen Massen vergessen worden. Doch der Minorität prägte sie sich um so tiefer ein. Die­sem Häuflein war Ludendorff „die geniale solda­tische Persönlichkeit“, in der sich die Tradition der kaiserlichen Armee und ihr heroischer Kampf in vier Jahren des Großen Krieges verkörperte. Und jener Tribun (Hitler), der aus der grauen Armee der unbekannten Soldaten plötzlich emporgeschnellt war, erschien ihnen als der Schöpfer eines ^ neuen, den Lehren eines Krieges und einer Revolution an­gepaßten Nationalismus; In diesen Jahren war Wal­ter Frank noch Studierender der Geschichte. Und er hörte ein Kolleg an der Universität München über neueste Geschichte. Der Professor sprach über die Krise Frankreichs in den Jahren 1887 1889. Aus der Art, wie er den General Boulanger behan­delte, ließ sich ein leichter Hauch von Ironie ver­spüren. Er trachtete, den General lächerlich zu machen, und fand beim Auditorium lachenden Widerhall. „Meinte er Ludendorff? Meinte er Hitler?“ Der junge Student fühlte sich ergriffen und erschüttert. Und zugleich wurde ihm die Un­richtigkeit des Vergleichs zwischen Boulanger und Ludendorff oder zwischen Boulanger und Hitler klar. Boulanger war ein Spielball der Verhältnisse und der eigenen Leidenschaften; der deutsche Ge­neral und der deutsche Gefreite sind aber Willens­­menschen. Und so gelobte er, die Wahrheit über Boulanger zu schreiben und dadurch der Wahrheit über Hitler zu dienen! Ferner nahm er sich vor, sich zu einem Fachmann der Geschichtswissen­schaft heranzubilden, aber stets der politischen Leit­motive, die das heutige Deutschland bewegen, ein­gedenk zu bleiben. „Die Brücke zu schlagen vom Geist zur Macht und von der wissenschaftlichen Erkenntnis zum lebendigen Kampf unseres Volkes.“ Dergleichen hat auch einem Treitschke und in an­derem Sinne auch einem Mommsen vorgeschwebt. Die Idee ist also nicht neu. Auch der Historiker Macaulay hat sich als Engländer und Liberaler be­kannt. Warum sollte sich nicht Walter Frank als Nationalsozialist bekennen dürfen? Die Frage ist bloß, wie sich das Verhältnis zwischen Forscher und Politiker gestaltet? Ob sie sich gegenseitig die Waage halten? Ob sich der politische Freischärler nicht unerlaubte Einbrüche , in das Gebiet der rein­­wissenschaftlichen Forschung erlaubt? Denn wenn er auf frischer Tat ertappt wird, ist es um seinen Kredit geschehen. Dann mag er eine Lehrkanzel sein eigen nennen, dozieren, zum Dekan, ja zum Rektor gewählt werden: ein Historiker ist er nicht. • 'M Nun wollen wir das Werk mit-dem langen Titel und einem Umfang von mehr als vierzig Drückbogen näher betrachten. Hier soll es sich um die Geschichte des Nationalismus und der Demo­kratie im Frankreich der Dritten Republik handeln? Aber schon die Komposition des Buches, wie sie den Titeln der einzelnen Abschnitte zu entnehmen ist, zeigt bedenkliche Unebenheiten. Der Riesen­gestalt Léon Gambettas, dem Glücksritter Boulan­ger, den zwei großen „Affären“ Panama und Dreyfus werden große Kapitel eingeräumt (das größte der Affäre Dreyfus); die hier angewandten Maßstäbe entsprechen durchweg der Materie. Neben ihnen aber bekommen Edouard Drumont, Maurice Barrés und Charles Maurra.s ebenfalls besondere .Abschnitte, wobei zweierlei zu vermerken ist; ein­mal, daß auch der Verfasser diese zweitrangigen Figuren mit sichtbarer Geringschätzung behandelt; zweitens, daß infolge der gleichen oder doch pa-, rallelen sozialen und politischen Bestrebungen die­ser drei' Episodisten lästige Wiederholungen unver­meidlich wurden. Und ein Historiker hat nicht mit Refrains zu arbeiten. Das soll er den Lyrikern über­lassen. Das sind aber Äußerlichkeiten, wenn man will: Schönheitsfehler, Verirrungen eines jungen Anfän­gers, der in seinem Eifer alles, was er weiß, gelesen, erfahren, beobachtet hat, in einem Atem heraus­­holen riiöchte. Versuchen wir indes in die Arbeits­methode des geschichtsschreibenden Neutöners einen Blick zu werfen. Sein erster Held ist Léon Gambetta, der gewaltige Redner, der glänzende Staatsmann und Diplomat, der ebenbürtige Widerpart Bismarcks, ' der das meiste dazu beitrug, die Dritte Republik den stürmischen Wellen verschiedentlicher monarchisti­scher Bewegungen zu entreißen und in den sicheren Hafen zu geleiten. Gambettas Vater war ein kleiner Krämer, Italiener und' aus Genua eingewandert. „Das Gerücht, daß dieser Genueser jüdischer Rasse gewesen sei, ist unbeglaubigt.“ Sehr beruhigend aller­dings. Aber hiexnit wird schon die hauptsächlichste Problematik des Walter Frank offenkundig. Daß er im großen und ganzen mit Gambetta glimpflich um­geht, ist auf die negative Beantwortung der Rassen­frage zurückzuführen. Jedem, der iö diesem Sinne einwandfrei ist, sei er Panamist, Schwindler, Spion, Vaterlandsverräter, wird er Gnade oder wenigstens schonungsvolle Nachsicht angedeihen lassen. Hin­gegen vae hebraeis! Nicht das Kind im Mutterleib bleibt geschont, wenn es nach seiner Geburt in jüdi­schem Matrikel verbucht wurde.*. Eines muß aber dem jungen Autor ohne Vor­behalt zugegeben werden: das Spiel und Gegenspiel der inneren und äußeren Politik in den stets krisen­haften Jahren zwischen 1871 und 1882 erfaßt er so klar, wie nur wenige vor ihm. Und um in diesem heillosen Dschungel bis zur Wahrheit vorzudringen, scheut er keine Mühe. Er benützt erste Quellen, ver­öffentlicht eine Reihe unbekannter Briefe und amt­licher Mitteilungen, benützt reichlich die Archive und versteht es glänzend, die trockenen Daten mit Leben zu erfüllen. Gambetta erscheint da im Anfang als Verkörperung der Revanche-Idee und biemit als ständige Gefahr für den Frieden Europas. Wie er an Macht und Ansehen wächst, wie er ans Ruder kommt und die Geschicke seines Landes in die Hand nimmt, tritt zusehends sein Verantwortungs­gefühl in den Vordergrund. Aus dem Stürmer wird ein glatter Diplomat. Aus dem Erbfeind Bismarcks ein höflicher Kollege, der um die Anerkennung des genialen Reichsgründers buhlt und lange Zeit auf ein persönliches Zusammentreffen mit ihm drängt. Es ist höchst interessant, auf welch verwickeltem Wege diese „Entrevue“ vorbereitet wurde. Am 20. August 1879 schreibt der deutsche Botschafter in Paris Fürst Hohenlohe an Bismarck: „Durchlauchtigster, Fürst, bei der Unterredung Ew. Durchlaucht mit dem Times-Korrespondenten Biowitz kant auch die Rede auf Gambetta, und Ew. Durchlaucht sagten, wenn ich mich recht erinnere, daß Sie Gambetta gern kennenlernen würden. Herr v. Biowitz hat jene Unterredung Gambetta mitgeteilt, und dieser hat den Gedanken einer Begegnung mit Ew. Durchlaucht lebhaft aufgegriffen. Blowitz meint, Gambetta wisse woihl, daß eine solche Begegnung für ihn vorteilhaft sei. Danach würde es nur eines geringen Anstoßes bedürfen, die Sache zur Ausführung zu bringen. Sollten Ew. Durchlaucht Wert darauf legen, den Gedanken weiter zu verfolgen, so würde ich um hochgeneigte Weisung bitten.“ Bismarck antwortete: „loh werde gern mit Herrn Gambetta Zusammen­treffen, wenn sich eine unverfängliche Gelegenheit hiefür bietet. Schon früher war eine solche vorbe­reitet, und nur durch meine Krankheit während der Osterzeit wurde die Ausführung des damals geheg­ten Planes verhindert. Noch heute ist es aber mir erwünscht, Herrn Gambetta kénnenzülámen und mich mit ihm politisch zu verständigen.“ Den Tod Gambettas begrüßte man in Frank­reich und in Europa mit einem Aufatmen. Er war der gefährliche Mann, vor dem sich Freund und Feind fürchten mußten. Der alte Kaiser Wilhelm I. strahlte beim Neujahrsempfang vor Glück über die Todesnachricht, Bismarck aber meinte, das Scheiden Gambettas fördere die Desorganisation in Frank­reich und erschwere die Gründung eines stabilen Elementes, #* Gern hätte Walter Frank, der begeisterte Ver­ehrer Ludendorffs, aus Boulanger einen National­helden granacht. Mit sichtbarer Sympathie vertritt er die Sache des schönen Generals, dem es fast ge­lungen wäre, die Republik zu stürzen und auf deren Ruinen die eigene Diktatur aufzubauen. Aber vor der inneren Hohlheit, vor der Trivialität und der moralischen Unbedenklichkeit das Mannes schrickt er zurück, wird sogar von einer leichten Übelkeit befallen. „Der Ruf nach dem Soldaten, der den Staat und das Volk von den geschwätzigen Berufs­politikern und Advokaten befreien soll, erschallt im ganzen Land; gelangt nur nicht an den richtigen Mann. Denn Boulanger ist ein Schwächling, ein Frauenjäger, ein Sybarite,: alles eher, denn der Retter in der Not. Man suchte ihn für die Rolle eines nationalen Sozialisten (!) umzuformen. Man drängte ihn, da« Komitee der Parlamentarier auszu­schalten und ohne Vermittler, mit einem Programm sozialer Reform vór dié Massen des armen Volkes zu treten. Der General antwortete „freundlich und müde“ und — ausweichend. Auch die Antisemiten wollten sich ihm anhängen, er wehrte ab und be­kam vom Baron Rothschild beträchtliche Wahl­gelder dafür. Boulanger schied schließlich aus der Politik Frankreichs. Die parlamentarische Demo­kratie blieb sieghaft und verstand es, ihren Sieg auch in der äußeren Politik auszuschroten, Sie näherte sich dem Vatikan und verbündete sich mit Rußland. Im Frühjahr 1890 war Bismarck gestürzt worden. An die Stelle einer überlegenen, kunstvollen Außenpolitik traf nun in Berlin das schwankende, nervöse Spiel einer Epigonengeneration. Die Ent­wicklung begann, die im Jahre 1914 das Deutsche Reich im Schlepptau der Donaumonarchie in einen Krieg gegen die ganze Welt hineingleiten lassen sollte.“ (fl!)- So ganz vereinfacht sieht der junge Geschichtschreiber die Entstehung des großen Welt­krieges. Und so einfach ist diese dennoch nicht. Wie bekannt, endete Boulanger im Exil durch einen Selbstmord, begangen am 30. September 1891 am Grabe seiner Geliebten. ‘Bisher war nur von reinen Ariern die Rede und so mußte sich der temperamentvolle junge Histori­ker Zwang auferlegen. Aber jetzt kommt er an ein Thema heran, das ihm und seiner politischen Gesin­nung „liegt“, zum Panama-Skandal. Lesseps sah sein Lebenswerk, den Bau des Panama-Kanals, durch den Bankrott gefährdet. Er dachte an Mittel, das Werk zu retten, vorerst an die Bewilligung einer Lotterie-Anleihe. Die Regierung verweigerte die Er­laubnis. Nun mußte es zu einem verzweifelten Schritt kommen; wenn die Regierung nicht willig ist, mußt« man ’ die Parlamentsmehrheit kaufen. Zu diesem Zweck wandte sich Lesseps an den Doktor Cornelius Herz. Frank muß zugeben, daß dieser Jude Corne­lius Herz-ein sehr begabter Mann war, „Ehrenpräsi­dent zahlreicher amerikanischer, englischer und französischer Gesellschaften für Wissenschaft und Technik“, mit Staatsmännern, Ministern, ja mit Kö­nigen befreundet, auch in Italien, Österreich, Eng­land von großem Einfluß. Lesseps schloß mit Herz einen Vertrag. Danach hatte Herz an dem Tage, an dem die Kammer das Gesetz über die Ausgabe von Losen annahm, von der Panama-Gesellschaft zehn Millionen Francs zu erhalten. An der Bestechung waren noch zwei Juden beteiligt, Baron Josef Reinach und ein gewisser Arton, ursprünglich Aaron. Die drei mischten die Karten. Alle anderen waren lediglich Opfer der teuflischen Machinationen dieser drei Juden. Als der Skandal ausbrach, und eine Untersuchungskommission eingesetzt wurde, da traten die Freimaurer dazwischen und erzwangen zugunsten des Logenbruders Lesseps ein mildes Ur­teil. Unter den Angeklagten befanden sich Männer wie Rouvier (der später Ministerpräsident wurde), auch Georges Clemenceau wurde von Paul Dérouléde beschuldigt, von Dr. Herz 400.000 Francs angenommen zu haben. „Der Ostrakismus der De­mokratie, den er selbst einst gegen Gambetta ver­breitet hatte, vollzog sich nun an ihm.“ Dieser teuflische Cornelius Herz brachte es so­gar zuwege, den Antisemitenführer und Demagogen Eduard Drumont zu einem Besuch bei ihm zu be­wegen. Drumont berichtet darüber: „Ich ging also zu Cornelius Herz und ich muß sagen, er war sehr nett!“ Welche Überwindung muß es dem naiven Drumont gekostet haben, sich dieses Geständnis zu entwinden! Drumont, der Rufer im Streite gegen das Judentum, endete kläglich, mit sich selbst entzweit, seines Vermögens verlustig und ohne von seinen einstigen Getreuen beweint zu werden. Er war ein Geist, der sich im bloßen Verneinen erschöpfte. Das Hauptstück des Fränkischen Geschichts­werkes ist der Affäre Dreyfus gewidmet. Es ist ihm offensichtlich darum zu tun, klarzustellen, was für. eine gewaltige und gefährliche Macht das Juden­tum darstdlt; mit welch zäher Ausdauer es an der, Freisprechung des Kapitäns Dreyfus gearbeitet hat; wie sehr diese berüchtigte Angelegenheit das An­sehen der französischen Armee schädigte. Daß er sich bestrebt, den Helden des Prozesses, dessen Bruder, Gattin, Kinder, Freunde, Verteidiger in un­günstigem Licht erscheinen zu lassen, braucht nicht betont zu wierden. Wie weit er zu diesem Zweck sich von der Wahrheit und Wahrhaftigkeit verirrt, möge dahingestellt bleiben. Eines muß aber festgestellt werden: mit keinem einzigen Wort tritt er für die Schuld des Hauptmanns Dreyfus ein. Er enthüllt schonungslos die dunklen Machen­schaften eines Esterházy, die Fälschungen des Obersten Henry (der ihm sonst sehr sympathisch ist, was wir ihm nicht verargen dürfen); aber er ver­­steigt sich nirgend zu einer konkreten Beschuldi­gung des Märtyrers der Teufelsinsel. Und das soll zu seinem Lobe vermerkt werden. * Die Bedeutung des hochbegabten Literaten Maurice Barrés als Politiker hat er ebenso über­trieben, wie die Wichtigkeit der Rolle, die Charles Maürras und die „Action Franyaisc“ im öffent­lichen Leben Frankreichs gespielt haben. Aber das sind bloß Irrtümer der Maßstäbe, die sich aus der vorgefaßten Einstellung des Verfassers zu Demo­kratie und Nationalismus ergeben. Mit der Nutz­anwendung, mit der Moral des dicken Bandes wird wohl auch der Verfasser kaum sehr zufrieden sein. Boulanger war kein Ludendorff, Gambetta war kein Hitler. Die Vergleiche tun dasselbe, was sie sonst zu tun pflegen: sie hinken. Sie versagen vollauf. Man befrage einen französischen Historiker, der aus der klassischen Schule der französischen Geschichts­schreibung hervorgegangen ist, ob er in der franzö­sischen Gesichichte der letzten 60 Jahre irgendeine Begründung für die Grundprinzipien, die Staats- Philosophie, die Verwaltungsmethoden und die Machtausübung des Dritten Reiches findet, und er wird mit einem entschiedenen, kräftigen „Nein!“ antworten. Set. Lukasbad und Kurhotel hundertjähriger Kurort, für Rheumakranke. Tel,; Aut,560r8Q KOVÁCS MÖBELHALLE Moderne Kunstmöbel und kombinierte Zimmer. Reiche Auswahl. Meisterstücke des Kunstgewerbes. Zahlungsbegünstigung. In die Provinz Gratispackung. Budapesti Vili., UllőUut 30. isoi

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