Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1933. december (80. évfolyam, 273-296. szám)

1933-12-01 / 273. szám

SCHWABENBERGER GRAND-HOTEL das ganze Jahr geöffnet. Zimmer mit ffiessendem kalten u. warmen Wasser, vier Mahlzeiten 8 Pengő pro Tag. Diätküche. Spezielle Weekendpreise. Telephon 65-0-97 Vom Tage,t Rückkehr Gömbös’ und Dr. Kállays von ihrem österreichischen Jagdausflug. Ministerpräsident Gömbön und Ackerbauminister Dr. Kállai/ sind nach einem längeren Aufenthalt auf dem Semmering gegen halb 4 Uhr nachmittags von ihrem Jagdausflug in Wien eingetroffen und um 5 Uhr 20 Min. mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug nach Budapest weitergereist. Zur Abschiedsbegrüßung hatten sich am Bahnhof Bundeskanzler Dr. Dollfuß, Handels­­mini'Ster Stockinger, der Generalsekretär des auswärtigen Amtes Peter, Gesandter Nelky mit den Herren der un­garischen Gesandtschaft und der österreichische Gesandte in Budapest Hennet eingefunden. Ministerpräsident Göm­bös unterhielt sich vor Besteigen des Zuges hu Warte­­salon mit den erschienenen Persönlichkeiten. Der Bun­deskanzler begleitete an der Spitze der Gesellschaft seine Gäste zum Zug und verabschiedete sich vom Minister­präsidenten Gömbös und Aokenbauminister Dr, Kállay mit einem herzlichen „Aläsizolgäja“. Um 9 Uhr 55 sind Ministerpräsident Gömbös und Ackerbauminister Dr. Kállay mit dem fahrplanmäßigen Wiener Schnellzug in Budapest cingetroffen. Zu ihrem Empfang waren auf dem Bahnhof erschienen: stellver­tretenden Direktionspräsident der Staatsbahnen Dr. Senn, Betriebsdirektor Dr. Bogyós, Ministerialrat Dr. Antal, Chef des Preßdepartements im Ministerpräsidium, und Legalionsrat Kunz mit mehreren Beamten von der öster­reichischen Gesandtschaft. Die Journalisten, die den Ministerpräsidenten auf dem Bahnhof erwartet batten, 'bestürmten ihn mit Fra­gen, doch wehrte der Ministerpräsident ab. — Es ist sehr lieb von Ihnen, daß Sic sich hierher bemüht haben, ich war jedoch als Privatmann und nicht als Politiker in Österreich. Ich bin sehr zufrieden, daß ich wiederum Gelegenheit hatte, mit dem Herrn Bundes­kanzler die beide Staaten berührenden Fragen zu be­sprechen. Der Ministerpräsident verabschiedete sich sehr herz­­liich von den Journalisten und begab sich in Gesellschaft des Ministerialrats Dr. Antal in die Festung. Ackerbau minister Dr. Kállay erklärte gleichfalls, daß in Österreich keine Verhandlungen gepflogen wurden. Wir haben uns, sagte er, sehr gut gefühlt, unsere österreichi­schen Gastgeber waren sehr liebenswürdig, Graf Bethlens letzter Londoner Vortrag. Seinen Londoner Vortragszyklus beendete heute •Graf Stefan Bethlen im dortigen Balkankomitee mit einem Vortrage über die Revision des Friedensver­trages vom Standpunkte der übrigen Kultur­probleme Europas. Der Vorsitzende Sir Edward Boyle begrüßte in seiner Eröffnungsansprache in warmen Worten den hervorragenden Gast des Komitees und hob hervor, es sei unge­wöhnlich, daß der Ausschuß sich auch mit einem Nichtbalkanstaat befaßt, allein der Londoner Be­such des Grafen Stefan Bethlen hat die exzeptionelle. und unversäumbare Gelegenheit geboten, daß der Balkanausschuß den Vortrag dieses Staatsmannes von europäischem Ruf entgegennehmen kann, der über Ungarn nicht bloß in beispiellos gründlicher Kenntnis des Gegenstandes, sondern auch von der Höhe eines unparteiischen objektiven europäischen Standpunktes zu sprechen vermag. Eben deshalb hat es der Ausschuß als seine Pflicht erachtet, aus­nahmsweise die Pforten seiner heutigen Versamm­lung auch solchen zu öffnen, die dem Ausschuß nicht angehören, auf das solcherart tunlichst breite Schichten der öffentlichen Meinung Englands Ge­legenheit finden, sich durch die Ausführungen des Grafen Stefan Bethlen belehren zu lassen. Im schwierigsten Jahrzehnt der Geschichte seines Lan­des hat Graf Stefan Bethlen die Geschicke Ungarns gelenkt, und nicht bloß durch die lange Dauer seiner Amtsführung, sondern auch durch seine staatsmännische Fähigkeit, seine Umsicht und seinen Mut ist er an die oberste Stelle unter den europäischen Regierungschefs eerückt. Sodann erhob sich zum Wort Lord Nocl-Buxton, der Begründer des Ausschusses, Ackerbauminister im verflossenen Arbeitskabinett. Er sagte: — Viele hervorragende und große Staatsmänner haben bereits in unserem Kreise gesprochen, aber keiner von ihnen war hervorragender, als Graf Stefan Bethlen, dessen Vortrag wir alle mit der leb­haftesten Aufmerksamkeit und der größten Span­nung erwarten. Der Gegenstand des Vortrages findet in den Kreisen des englischen Publikums allgemeine Sympathien, denn wer je in Budapest weilte, ist aus­nahmslos als begeisterter Freund Ungarns von dort ziirückgekehrt. Nun hielt Graf Stefan Bethlen seinen Vortrag, Worin er folgendes ausführte: — Das europäische Gebiet, auf dem in den politi­schen Hoheitsverhältnissen und Staatsgrenzen sich als Fodgewirkungen des Weltkrieges die stärksten Wandlun­gen vollzogen halben, können als das politische Erdbeben­gebiet des europäischen Festlandes angesproehen werden. Es äst dies eigentlich eine breite Zone, die sieh vom Finnischen Meerbusen bis zur Save—Donau-Linie, der Basislinle der Balky nhatbinsel, zwischen Territorien von germanischer und russischer Besiedlung, sich in südlicher Richtung ausbrciltend, erstreckt. Vor dein Kriege befan­den sich diese Gebiete im Besitze von drei Großmächten: Rußland, Deutschland und Österreich-Ungarn. Heute teilen sich in dieses Gebiet Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Tschecho-Slowakei, Österreich, Ungarn, Jugo­slawien und Rumänien, also neun Ixinder, die jedoch nichit von neun, sondern von dreizehn zum nationalen Sebstbewaßtsein erwachten Völkern besiedelt sind, von Esten, Letten, Litauen, • Polen, Tschechen, Slowaken, Ruthenen, Deutschösterreichern, Ungarn, Slowenen, Kroaten, Serben und Rumänen. Seil dem 16, Jahrhunderte versuchten die Germanen und die Russen sich in diese kleinen Völker izu teilen. Im Weltkriege sind diese beiden Partner verblutet, und nicht eine Neuteilung war das Er­gebnis des Ringens, sondern die Tatsache, daß die drei­­hundertjährigen Positionen den Händen beider entglitten un die kleinen Völker sich wieder auf die eigenen Beine gestellt haben. — Das größte Interesse Europas knüpft sich daran, daß. innerhalb dieses politischen Erdbebengebiets nach fünfzehn Jahren endlich, die definitive Ruhe wieder her­­gestellt ward und die hier lebenden dreizehn kleineren Völker im Wege einer gerechteren Teilung miteinander versöhnt werden. Denn entweder gelingt es, zwischen diesen kleinen Völkern den wirklichen Frieden zu schaffen, oder aber sie werden aiufs neue unter deutsche, beziehungsweise russische Führung gelangen. Alber, daß dies nicht immer auf friedlichem Wege sich vollziehen wird, ist über jeden Zweifel erhaben. Jetzt ist der geeig­nete Zeitpunkt zur Durchführung der neuen Regelung gegeben, solange wenigstens die Russen und die Deut­schen nicht mit dem früheren ent scheidende in Gewicht in die Entwicklung eingreif eh können. Heute ist es möglich, mit Zustimmung des deutschen und des russischen Volkes die Verhältnisse der hier in Rede stehenden Gebiete end­gültig zu regeln, ehe neuere Allianizibildungen und Blöcke Zustandekommen, die einer solchen friedlichen Regelung eventuell sich wieder in den Weg stellen könnten. — Dieses Gebiet Europas gliedert sieh eigentlich in drei Teile, und dementsprechend gibt es eine baltische Frage, eine polnische Frage und eine 1' rage der Donau­staaten. Graf Bethlen erklärte, sicli lediglich mit dem letzteren Teilproiblem befassen zu wollen. Innerhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie hat sich ungeachtet aller Schwierigkeiten und Hemmun­gen die innere Entwicklung nach der .stufenweisen na­tionalen Emanzipation der hier lebende kleinen Aölker hin vollzogen. Der Weltkrieg unterbrach jedoch diese Entwicklung, und der Friedensvertrag griff mit stümpe­­rischer Hand in die Neuordnung der Verhältnisse ein. Er begann sein Werk damit, daß er ohne jede Rück­sicht auf die historische Entwicklung die Völker der früheren Monarchie in drei Rangklassen und Vornehm­heitsstufen einreihte. Ein Teil wurde als Verbündeter anerkannt, und diesen Protegierten wurde alles gewährt, was sie verlangten, ja sogar mehr noch, wonach síé eigentlich gar nicht so sehr Verlangen trugen. In diese Gruppe gehörten. die Tisyberthenndie Serben und die Ru­mänen. In die zweite Kategorie gelaugten jene kleine Völker, die kn Urteil der ‘ujrhejjer, der Friedensverträge »war nicht Hauptschuldige waren, wie die Ungarn und die Deutschösterreieher, die aber bis Kriegsende all der Seite des Hauptschuldigen atisgeharrt, oder wenigstens nicht in erforderlicher Weise dokumentiert haben, daß sie bereit wären; ah »taten VeTrat zu begehen. Diese wur­den ohne jegliche Befragung einfach entweder an die Tschechen ausgeliefert, wie die .Nordslawen, oder aber an die Serben, wie die Südslawen. Das also war das Schicksal der Slowake» und der Ruthenen im Norden, der Serben, Kroaten uhfl tuenden im . Süden. Ihre Dagé im neuen tselieclio-slowakisclien und jugoslawischen Staat ist v’öltig unhaltbar, denn obzwar sie eine beson­dere Nation sind, werden sie noch nicht einmal als na­tionale Minderheit? geteilt#, Sondern als eine nationale Kategorie behandelt, die eigentlich mit der Benennung „unterdrückte Mehrheit' am richtigsten angesprochen werden kann. Der dritten Kategorie endlich wurden die besiegten Ungarn und-' Beütsehösterreicher eingereiht, denen gegenüber der leitende Grundsatz darin bestand, daß ihnen alle. Gebiete abgenommen werden müssen, in denen eine zahlenmäßig noch so geringe nationale Minderheit iilhrig bleiben würde. Die Folgewirkiing einer solchen Behandlung tear dann eine derartige Verstüm­melung des ungarischen Sprachgebiets, das 3.5 Millionen Ungarn, also ein Drittel des ungarischen Volkes, unter fremde Staatshoheit geriet. Wohin dieses Vorgehen führte, das sieht jetzt mit. Bestürzung schon die ganze Welf. Es wurden zwei, Ländersbümpfe geschaffen, die von den elementarsten Bedingungen ihrer Bebensmög­­lichkeif abgeschnitten sind, und überdies wurden drei lebensunfähige Länder geschaffen, deren Dasein die in­neren nationalen Gegensätze jeden Augenblick mit der Gefahr der Explosion bedrohen, ln Jugoslawien mußten die Serben eine offene Diktatur, in der Tseheeho-,Slo­wakei die Tschechen eine verhüllte ins Deben rulen, und sie beide stampfen mit Gewalt über die Rechte der unter ihre Herschaft gebeugten selbständigen Völker, über die ungarischen und deutschsprachigen Minderheiten, hin­weg. Die Ubheber der Friedens ver träge waren sich über­haupt nicht klar über die Bedeutung, noch auch über die gegenseitigen Beziehungen der im Donaubecken le­ibenden Völker. Sie waren nicht Tausendkünstler, die uns Uhr aus der Tasche holen, sie unter unseren Augen in einem Mörser zerschlagen und sie dann als wieder richtiggehende Uhr zurückgeben, sondern Stümper waren sie, denen bloß der erste Teil des Zauberkunststückes glänzend gelang, die aber dann Fersengeld gaben, weil sie unfähig waren, die in hundert Stücke zerschlagene Uhr wieder zusammernzusetzen. Voltaire glaubte nicht an Gott, dennoch sagte er, wenn es keinen Gott gäbe, müßte er geradezu erfunden werden, weil die Welt einen alles regulierenden Willen ibnötigt. Die Urheber der Friedensbediugungen erkannten nicht die Sendung der österreichisch-ungarischen Mon­archie im Donauibeclken, sie glaubten auch nicht an diese Sendung, ersannen aber an deren statt auch nichts an­deres, sie setzte an deren Stelle nicht einen anderen Wil­len, der alles regelt, sondern sie glaubten, es genüge die Nachfolger zur Welt zu bringen, das übrige werde sich dann schon von selbst ergeben, Das Kind kam aber als Mißgeburt zur Welt, und heute is Cs bereits,ganz unzwei­felhaft, daß sie allesamt lebensunfähig sind. Die Frtedensverträge haben hei der Zertrümmerung der geographischen, geschichtlichen und wirtschaftlichen Einheit der österreichisch-ungarischen Monarchie nicht dafür gesorgt, daß die Mission der Monarchie von einer anderen Organisation übernommen werde, und daß den Donauvölikern die Zusammenfassung in irgendeine Ein­heit die Sicherheit, das wirtschaftliche Gedeihen im inter­nationalen Leiben den Schutz ihrer Interessen und die Immunität gegen die Rivalitäten der größeren Mächte gewährleistet. Die Folge davon war, daß dieses Gebiet mehr und .mehr unter den Einfluß der Rivalität der Großmächte geriet und dies eine Zuspitzung der Gegen­sätze nach sich ziehen mußte. Diesen Prozeß hat die Bündnispolitik Frankreichs ins Rollen gebracht, die im Gegensätze, zu dein Gedanken der modernen Organisie­rung des Friedens steht und durch die Frankreich, ohne daß es in seinem politischen Kampfe gegen Deutschland irgendeinen ernsten Nutzen daraus ziehen könnte, sieh an dem orthodoxen Statusquo der Friedensiverträge im Dor.aulale knüpfte. Gewollt oder ungewollt, wurde da­mit Frankreich zuin Hindernis der einzig möglichen Ge­sundung, die lediglich durch eine gerechtere Teilung »wischen den Völkern, insbesonders durch eine gründ­liche Revision des Trianonfriedens erzielt werden kann. Niemand in Ungarn glaubt, daß eine neue kriegerische Verwicklung die ersehnte Schicksalswende bringen kennte; im Gegenteil halben wir das Gefühl, daß ein neuer Krieg das größte Unglück wäre, das uns treffen könnte, denn durch ihn würde auch das iii Gefahr ge­raten können, was un« noch verhlieben ist. Bei aller Hochschälzung, die wir dem Völkerbund entgegenbrin­gen, sind wir uns klar darüber, daß er in seiner heutigen Zusammensetzung das große und schwere Problem der Revision kaum zu meistern vermöchte. Noch weniger könnte gehofft werden, daß eine unmittelbare Verhand­lung zwischen den Staaten des Donauraums irgendein greifbares Resultat ergeben würde. Die „beati possiden­tes“, die überdies über alle diplomatischen, militärischen und Machtmittel verfügen, um ihre Kriegsbeute zu ver­teidigen, sind heute noch sehr entfernt von der Erkennt­nis, in der Stunde des Sieges die Saiten überspannt, mit der Gunst des Augenblicks auf Kosten der berechtigten Lebensinteressen anderer Völker Mißbrauch getrieben zu haben. Rascher und früher könnte die Erkenntnis der be­gangenen Fehler von den nicht unmittelbar interessier­ten Faktoren erwartet werden, die nicht Nutznießer des begangenen Unrechts sind, denen 'der Frieden und die Ruhe Europa« das Wichtigste sind, — das aber sind die Großmächte. Unter den fünf Großmächten Europas ist bei vieren diese Erkenntnis teils kaum mehr zweifelhaft, teils ist sie eben im Begriffe, sich durchzusetzen. Aber auch Frankreich kann unmöglich für immerwährende Zeiten im Interesse der Aufrechterhaltung eines par­teiischen und ungerechten Rechtszustandes die Rolle des Gendarmen im Donaubecken auf sich nehmen, und -so dämmert auch dort nach und nach das Bewußtsein auf, daß die Völker des .Donauraumes zuverlässigere Stützen des europäischen Friedens sein wrerden, wenn im Wege einer gerechteren Erbteilung das Einvernehmen zwischen ihnen zustande kommt. An dem Tage, ein dem diese Er­kenntnis sich bei sämtlichen Großmächten durchgcsetzl haben wird, werden auch die Zügenglöcklein des Trianon­­vertrages zu läuten beginnen und dann wird es eine bloße Formfrage sein, oh die Revision im Wege des Völker­bundes oder in direkten Verhandlungen oder aber mit Hilfe beider Methoden abgewiokelt wird. Denn dem ein­mütigen Willen der größten Nationen Europas werden kleine Länder, die ihnen ihr Dasein und ihre Grenzen danken, sich nicht widersetzen können. Wenn die Ver­söhnung im Wege einer neuen gerechten Teilung zur, Möglichkeit wird, daran wird auch die erwünschte Zu­sammenarbeit von selber zustande kommen. Der Tardieu­­plan, der Plan einer Donaukonföderafion und die ganze Reibe anderer möglicher Varianten leiden allesamt unter einem und demselben Gebrechen: es sind wirtschaftliche Konzeptionen, die aber die wirtschaftlichen Übclstände nicht lösen, weil sie aus politischen Hintergedanken heraus entstanden sind. Man könnte ihnen auch nach­sagen, daß sie in wirtschaftliche Mäntel gehüllte poli­tische Pläme sind, allesamt mehr oder weniger zu dem Zwecke ersonnen, um Ungarn durch scheitnwirlschaft­­liclie Begünstigungen in die Interessensphäre der Mächte­gruppe der Kleinen Entente zu locken, ohne daß es im Bereiche der Revision zu einer vorhergängigen Satisfak­tion gelang! wäre. Deshalb zielen alle Experimente darauf ab, die politisch von einander getrennten Völker durch Anwendung wirtschaftlicher Mittel einander näher zu führen. In Wirklichkeit aber sind es eben die politi­schen Fragen, die einer nüchternen wirtschaftlichen Rege­lung das stärkste Hindernis in den Weg legen. Über kurz oder lang muß es aller Welt klar werden, daß das große Zentrafprabkm Europas, die Revision der Friederasverträge, weder beiseite geschoben, noch auf an­dere Weise ausgeschaltel, noch auch umgangen werden kann. So lange die Führer Europa« sich nicht zu einer solchen Lösung entschließen, wird jede Arbeit bloß FTiok­­wenk bleiben können. Die Friedensverlräige- stellen einen deratigen Giftherd auf dem Körper Europas dar, daß im Wege des iBlutumlaufs der Eiter sich im ganze« Organis­mus ausbreitet. Jeder lokale Heilversuch, der bloß die Krankheitssymptome behandelt, muß sich als erfolglos erweisen. Die politische Methode, die zur Niederringung der Wirtschal tsüibei, zur Fertigung der Friedensbürg­­schaften, zur Verwirklichung der Abrüstung, zur Lösung der Probleme des Donauraum s Tag für Tag das freund­schaftliche Zusammenwirken der Völker verkündet, zu­gleich aber alles aufbietet, damit die schreienden Un­gerechtigkeiten der Friederasverträge, die in einem Teile der Völker das Gefühl der tiefsten Erniedrigung Erbitte­rung wachhallen, um jeden Preis aufrechlterhallen blei­ben sollen, diese Methode wird nie und nimmer auch nur einer einzigen Frage eine Lösung linden können, die die einander gegenüibersteilenden beiden Lager zu be­friedigen vermöchte. Seit 15 Jahren stapft die Welt immer all derselben Stelle, die radikale Revision aber kann nicht umgangen werden, insbesondere nicht im Donauibeokeu, wo es in erster Reihe die territorialen Be­stimmungen der Friedensiverträge sind, die in allen Belangen eine katastrophale Lage geschaffen haben. Neiuestens ist ein irreführendes Schlagwort ausge­geben worden, demgemäß nicht eine Revision der Grenzen • 4 • PESTER LLOYD Freitag, 1. Dezember 1933

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