Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1936. április (83. évfolyam, 76-99. szám)

1936-04-01 / 76. szám

PREIS 16 HELLER Abonnement! - Inseratenanfnabme: nr Budapest t mit täglich zweimalig« m Budapest, in der Administration de« Zmteflnng und iür das Inland Morgen- Pester Lloyd und in den Annoncen* und Abendblatt: dH»! Bflflfll^fl BHIHBI HIMBh B|l l(M|tr Bureaus: J. Blookner, J. Blau, Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. gHSHÄ IrBäjH HH ' |1 |p,S Bpi HB MMa Boros, Braun, Josef Erdäs, Üyärl k Nagy, FOr das Morgenblstt allein vierteljährlich g£H B&k SH| ® KL li H RS] fl KSj |l cif Hfl] SK WB fl® M 11 M nfl PSä Harsány:, Haasenstein k Vogler. Comal II P, monatlich 4P. Filr das Abendblatt HM Im! BK» H» ** «fl? Eis Hfl iff «fli imŰt wgR 'yfi&MW «9 Hfl Leopold, Julius Leopold, Many, hlrdetö­alleln vierteljährlich 8 P, monatlich 3 P. «b| ywKBln. HH IsSM i li Hi föSS Dü tfwK' M Kfigj iroda, Mosse Rudolf A.-Q., Julius Tenser. Für die separate Zusendung des Abend- B ||P> 11WÜ. Hl B RH B Hl Bfl H Ulnselnummer iür Budapest und iür Mattes nach der Provinz ist viertel- HMl HM _ _ ^H B |H ü Hl _ H( B B B Köä dicProvinz: Morgenblatt an Wochentagen jählich 1 Pengő zu entrichten. |H Hfl ■ R tjj RS «g [fl H 511 R B HB B B H Hfl <« Heller, an Sonntagen 32 Heller, Für Wien auch durch Kornwa k Cd., RI Hfl M H H BW i«M ifl 2(1 »s jfs I H Hi fl VB Hfl BR! WM MS Abendblatt 10 Heller. Wollzeile 11 Für das Ausland mit dtrek- Hflgf flflfli ■Hflfff HIH W IBE WHS I pBtlW* Wf flHi Für Oesterreich: Morgenblatt an Wochen­ter Kreuzband Sendung vierteljährlich: Für tagen 80 Qr. an Sonntagen 40 Or. nod Österreich vierteljährlich 6.Sch.30.—,fUr s Abendblatt 20 Qr. alle Übrigen Staaten 30 Pengő. Abonne- __ _ ___ _, ___________ ___ ___ n .»win. ,, MORGrENBLATT B käbia vÄi-isria-uoca i«, Nicht verlangte Manuskripte werden r • ■ ,. Telephone: weder aufbewahrt noch zurückgesteilt, \ '—f ! fl Redaktion: 84»— 20. Naoh Mtttemeolib Briete ohne Rückporto nicht beantwortet v. \ ‘ , 848—26. Administration 840—00 S3« Jahrgang. Budapest« Mittwoch, 1. April 1936. Nr. 76 Wie lange noch Krieg? Budapest, 34. Mwz. i Ivein Zweifel, der astafrikamische Krieg hat für die europäische Öffentlichkeit stark an Interesse ver­loren. Das liegt gewiß nicht an der militärischen Seite des Feldzuges. Sie bietet dem Freund der Sen­sationen nicht weniger Stoff wie früher. Im Gegen­teil: der Krieg ist bewegter und aufregender gewor­den, dem monatelangen Stillstand ist ein schnelles Vorrücken der siegreichen italienischen Truppen ge­folgt, die Fähnchen auf der Karte können täglich versetzt werden, die Zeitungen melden von vernich­tenden Bombardements, die nicht mehr die Außen­bereiche Abessiniens, sondern seine größeren Städte im Innern verwüsten. Wenn das alles nicht aus­­reidht, um den Bück des Zeitungslesers so wie früher zu den Kriegsberichten zu lenken, so hat das offen­bar zwei Gründe. Der erste ist die Überzeugung, daß der Krieg entschieden ist und daß keine künftigen Ereignisse den Sieg Italiens zweifelhaft machen kön­nen. Der zweite und entscheidende ist der Ausbruch des Konflikts um die Rheinzone. Der friedliche Ein­marsch deutscher Truppen in Köln und Karlsruhe hat das kriegerische Vorriioken der Italiener zu einem politischen Gegenstand zweiter Ordnung ge­macht. Die Schauplätze der beiden Konflikte sind weit voneinander entfernt und doch hängen sie 'beide mit­einander unentwirrbar zusammen. Die Haupt­akteure sind in beiden Fällen die gleichen: Frank­reich, England und Italien, und zu ihnen gesellt sich einmal Deutschland als Gegenspieler, das andere Mal der Völkerbund mit der langen Reihe seiner kleine­ren Mitgliedstaiaten als einflußreiche Komparserie. Das engl isch-f ranzösisch- ital ionische Dreieck wird letzten Endes die Entscheidung beider Konflikte be­stimmen, aber was die Entscheidung selbst so un­sicher und schleppend macht, ist der ganz verschie­dene Inhalt der gegenseitigen Beziehungen der drei westlichen Großmächte in dean einen und in dem anderen Fall. Im ostafrikanischen Konflikt steher sieh England und Italien schroff gegenüber, . mit Frankreich als einem deutlich nach England hin­neigendem Vermittler. Im Locarno-Streit tritt Frank reich fordernd und verletzt gegenüber den beider Ganantiemächten auf und verlangt von ihnen Wieder gutmachung des ihm zugefiigten Schadens. Gäbe ö nicht den Fall Abessiniens, so bestünde so etwas wk eme beschwichtigende englisch-italienische Einheits front gegen Frankreich, gäbe es in Paris kein Miß­trauen gegen Deutschland, so hätte sich wahrschein­lich schon längst eine Völkerbundfront gegen Italien unter einheitlicher französisch-englischer Führung gebildet. Heute beeinflußt die Lage in Ostafrika die Lösung der europäischen Spannung, aber die Span­nung um dien Rliein bestimmt gleichzeitig in ent­scheidendem Maße das Schicksal des abessinischen Konflikts Eines ist klar: am 7. März hat nicht nur die Bedeutung, sondern auch der Inhalt des abessimi­­schen Problems eine plötzliche Wendung erfahren. Der Kampf des Völkerbundes gegen den italienischen Feldzug hat in dem gleichen Augenbück seine poli­tischen Grundlagen verloren, als Deutschland den Vertrag von Locarno prdisgab. Das ist die Folge des einfachen Tatbestandes, daß die diplomatischen Kräfte der Welt nicht gleichzeitig zwei so große Be­lastungen ertragen können, wie sie die Aufrecht­er haltung der Sanktionspolitik und der Versuch der Lösung der Rheinkrise darstellen. Europa konnte nicht auf beiden Fronten zugleich kämpfen, es hätte dies auch dann nicht vermocht, wenn die politischen Ziele auf der einen und auf der anderen nicht im Widerspruch miteinander gestanden hätten. Am sicht barsten ist dieser Widerspruch für Frankreich. Man kann ohne Übertreibung behaup­ten, daß der Verzicht der französischen Diplomatie, die an der Kooperation mit Italien so stark inter­essiert ist, auf die Teilnahme am Sanktionsmecha­nismus. schon längst erfolgt wäre, wenn sie nicht gleichzeitig auf den anderen Garanten des Locarno­paktes, auf England, hätte Rücksicht nehmen müs­sen. Nicht allein der Wunsch, die Sympathie und die tätige Mitarbeit Italiens in Europa wiiederzu­­gewinnen. hätte Frankreich dazu verleiten müssen, sondern ebenso das Schwinden der psychologischen Grundlagen, auf denen sich die Völkerbundaktion bisher gehalten hatte. Nach der Preisgabe des Ver­trages von Locarno und erbittert über die man­gelnde Unterstützung, die sein starrer Rechtsstand­punkt in England gefunden hat, fängt Frankreich -selbst an, sich einem völkerrechtlichen Libertinis­mus hinzugeben, für dessen Entstehung es allerdings die anderen verantwortlich macht. Fiandin hat bereits mit dem türkischen Außenminister über dlie Aufhebung der EntmilitarisierungsbeStimmungen für die Dardanellen freundschaftlich verhandelt, warum soll Frankreich sich dann für Afrika auf den Standpunkt der Vertragstreue stellen, wenn England ihn in Europa nur allzu elastisch auslegt, warum soll es für Sanktionen gegen Italien cintre­­ten, wenn England Sanktionen gegen Deutschland rundweg ablehnte? Viele der kleinen Länder, die bisher treu bei der Völkerbundpolitik aushieHen, stehen im Zeichen der gleichen Sanktionsmüdigkeit. Das gilt vor allem für die Kleine Entente, deren Haltung gegenüber dem afrikanischen Konflikt im Augenblick eine Funktion der Lage ihres großen militärischen Bundesgenossen geworden ist. Was die strategische Stärke Frank­reichs schwächt, ist für sie von vornherein von Nachteil. Darum unterscheiden sie sich in ihrem Verhalten gegenüber Italien so gründlich von den neutralen Kleinstaaten, insbesondere den skandina­vischen Ländern, die heute noch hei den Prinzipien ausharren möchten, in deren Namen der Völker­bund in den Wirtschaftskrieg gegen Italien gezogen ist. Dort, wo das Ansehen und die Idee des Völker­bundes am meisten gilt, will man sich nicht ge­schlagen geben, dort macht die öffentliche Meinung aufrichtig die Unterscheidung zwischen Vertrags­verletzung und Krieg, die auch die Verschiedenheit des Verhaltens Englands gegenüber Deutschland und Italien bestimmt. Trotz dieser Treue eines großen Teils von Europa zu den Genfer Grundsätzen ist die Sank­­tionspolitik heute in Wirklichkeit schon gefallen. Sie hat — obwohl sie noch durchgeführt wird und nach wie vor der italienischen Wirtschaft ebenso wie der Wirtschaft der Sanktionsländer schwere Einbußen bereitete — ihre politische Bedeutung ver­loren. Das ist die Konsequenz der gleichen beiden Tatsachen, die den Krieg selbst weniger interessant machen: der Unerschütterlichkeit des italienischen Sieges und der Reokkupation Europas mit dem Rheinproblem. Nur hütet man sich, das offen aus­zusprechen. Was heute um die Sanktionen herum stattfmdet, ist nur ein Rückzugsgefecht zur Rettung des Prestiges des Völkerbundes. Während man diesem Ziele nachstrebt, in dem man den ganzen Komplex der Genfer Italienpolitik so selten wie möglich erwähnt, geht in Ostafrika der Krieg weiter, fallen täglich Hunderte, haben sich die Greuel, gegen die der Völkerbund loszog, eher ver­schlimmert als gemildert. Die alte Politik gegen den Krieg kann nicht mehr bestehen bleiben, weil sie ge­schlagen ist, und eine neue kommt nicht vom Flecke, obwohl die Aussichten für den Frieden niemals so günstig waren wie jetzt. In Italien besteht Neigung. Frieden zu schließen und über die Friedfertigkeit des Feuilleton. Die Generalswitwe. Russisches Pastell. Von FRANZ DÄMEL. Ich sehe midh veranlaßt, Ihnen mitzuteilen, daß diese Genera 1 switwe, für gewöhnlich Madame ge­nannt, einst eine wirkliche und wahrhaftige Madame aus Fleisch und Blut war. Heute gehört sie bloß zu meinen Erinnerungen. Als ich zum erstenmal den Vorzug genoß, sie zu erblicken, konnte ich sofort feststellen, daß besagtes Fleisch und Blut, durch­weg respektable Antiquitäten, insgesamt fünfund­sechzig bis siebzig Jahre denunzierten. Madame saß am Fenster, erhaben und unnah­bar, und blickte hie und da auf den großen Kirch­­platz hinaus, der den rechtmäßigen Namen Sobornij Plostsohad führte. Richtig, damit ichs nicht vergesse: zu jener Zeit weilte ich in einer mittelasiatischen russischen Stadt. Mit einem Wort, wieder bloß lang­weilige Reminiszenzen an meine Kriegsgefangen­schaft; aber ich bitte um ein klein wenig Geduld, — ioh werde mich ganz kurz fassen. Ich war damals in der russischen Kriegs­gefangenschaft Laufbursche bei einer gewissen Unternehmung, deren lehmbeworfene Scheunen sich neben dem Palast von Madame bescheiden drückten. Beiläufig gesagt, es waren schöne Zeiten. Der Kut­scher Tichon befahl mir, nach dem benachbarten Basar zu laufen, indem er sagte: „Paß auf, Doktor, bring mir ein halbes Pfund Wurst, aber nimm deine Beine unter die Arme, Doktorcben, Batjuschka“; oder Oberst Tschemajow, der betagte Leiter des Unter­nehmens, lächelte nachsichtig: „Excusez, Gospodin Redaktor, haben Sie die Gefälligkeit und schaffen Sie diesen Laib Brot und diese zwei prachtvollen Häuptel Kraut nach meiner Wohnung ..Es war ein Hochgenuß. Jedoch, ioh fahre fort. Madame saß nicht nur damals am Fenster, als ich sie zum erstenmal er­blickte, sondern so oft ich sie audh erblickte, saß sie stets am Fenster, thronte dort gewissermaßen. Gera­dezu andächtig blickte ich zu ihrem schwarzen Spi­tzenhäubchen empor, zu ihrer dunklen Bluse, zu ihrem weißen Jabot. Madame trug starre Züge zur Schau, ihr Blick war streng, ihr Lächeln schon seit langer Zeit erstorben, daß es aussah, wie ein unbestatteter Toter, der, gleichsam eimbalsamiert, auf der dunklen Bahre eines geschlossenen Mundes ruht. Es war ein unheimliches und höchst interessantes Phänomen. Ein antikes Gemälde aus den ersten Jahrzehnten der Frührenaissance. Ich beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Wer war eigentlich diese Madame? Woher war sie gekannten, wohin ging sie, oder was hatte sie während dieses nunmehr das vierte Jahr dauernden Krieges verloren, daß sie ihr petrifiziertes Leid, ihre Weltverachtung und ihre geringschätzende Gleich­gültigkeit Tag für Tag so ostentativ ins Schaufenster stellte? Ich trug mich mit dem Gedanken, hieraus könnte später woliil ''5hr---ik>man entstehen, eine niederschmetternde, leidvolle rifSopöe, das soziale Zeitbild der Tragödie, der heldenmütigen Abwehr, des verzweifelten Ringens und schließlich 'im Ab­gründe Versinkens einer großen Gesellschaftsklasse. (Wenn ich bedenke, daß ich damals um achtzehn Jahre jünger war und nicht voraussehen konnte, was sich seither an Möglichkeiten und in der Litera­tur begeben hat, ist es wohl verzeihlich, daß ich mich inmitten meiner literarischen Trance so weit verstieg ...) Ich konnte indes über Madanle nichts in Er­fahrung bringen. Nicht einen einzigen Blick konnte ich hinter ihre Erscheinung, ihre Lebensgeschichte werfen. Nun ja, daß sie die Witwe eines Generals war, und daß ihr Sohn als Oberst in den ersten Kriegsmonaten in den Karpathen gefallen war, und daß sie systematisch hungerte.. .? Gott, das ist doch, nicht wahr, kein ausgiebiges Material, kein außerordentlicher Erzäfilungsstoff? Was fängt man mit so etwas an? Ein großer Teil Asiens, ganz Europa war damals von Witwen, trauernden. 'Müt­tern, hungernden Millionen bevölkert. Ich habe eines Nachmittags Madame gesehen, einen eilig voriiberhuschenden Augenblick lang bloß: keine Wimper ihrer Augen zuckte, keine ihrer Mienen änderte sich auch nur im geringsten, als eine Gewehrkugel über ihrem Kopf die Fensterscheibe durchlochte. Madame blieb so reglos, verharrte als so rätselhafte steinerne Statue, wie immer schon. Natürlich muß ich bemerken, daß sich die Gewehr­kugeln nicht b?oß uni Madame zu schaffen machten. Es war bereits der vierte Tag des Treffens, das in jener Stadt um die Macht geliefert wurde, Russen gegen Russen, gemeine Soldaten gegen Offiziere. Klasse gegen Klasse führte den blutigen Bruder­krieg.. . Es waren die Tage, da sich die erste Etappe des russischen Umsturzes schloß, das soge­genannte „Kapitel Kerenskij“ ein Ende nahm, und die neue, die blutige und erbarmungslose politische und soziale Sintflut einsetzte, das große Sterben eines alten Systems, die fürchterliche Selbstzerflei­­schung eines Riesenreiches und großer Gesellschafts­schichten. Ein andermal, wenn man mehr Zeit übrig haben wind, mir zuzuhönen (ich leider habe Zeit im Über­fluß), werde ich die Gewogenheit haben, ausein­­aniderzusetzen, was es heißt, in den Staubwolken solch ungeheurer Schicksalswende, in Granat­gedröhn und verrückt machendem Umsturz Zeit­genosse zu sein. Denn man mag sich denken, daß ich Augen und Ohren stets offen hielt und die kritischen und fiebrigen Minuten nicht verschlief. Mir ging es nicht, wie es jenem namhaften russischen Diplomaten passierte, als er am neunten Thermidor mit Mühe

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