Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1936. május (83. évfolyam, 100-125. szám)
1936-05-01 / 100. szám
1. Mai 1936 ten Spiel der demokratischen Kräfte ihrer Aufgabe gewachsen sein; sie werden schlecht und recht die Ministerien verwalten, Reden halten, Audienzen erteilen, Zeremonien präsidieren, an Kabinettsräten téítaehmen, solange sie noch nicht an der Regierung sind, die augenblicklichen Machthaber unterstützen oder sie wegzuintrigieren trachten, hernach, sich selbst, mit allen Kunststücken, am Ruider zu erhalten bemüht sein: Umwälzendes, Entscheidendes, wesenhaft Neues darf man von keinem erwarten, der bisher in den vordersten Reihen stand. Es ist keine überragende Persönlichkeit vorhanden, nicht in der Kammer und auch nicht im Senat. Caillaux war vor einem Menschenalter ein Mann der großen Pläne und er wäre vielleicht, hätte ihn das Glück begünstigt, auch einer der großen Leistungen geworden. Heute ist er, wie gern er. auch wieder an die Macht käme, nur mehr ein Schatten seiner selbst, der, kahl geworden', das unvermeidliche Monokel im Auge, zwar bei jeder Krise auf der Lauer ist, indes nur, um jenem Schicksal zu verfallen, das ihm bei seiner letzten ephemeren Ministerschaft blühte: er fiel zu Boden, noch ehe er das Trittbrett des Autos bestiegen hatte, das ihn zum ersten Male ins Amt bringen sollte. Pierre Laval ist gewiß der klügste und der wertvollste Politiker des französischen Parlaments. Er ist die letzte Reserve eines Systems, dlas selbst für die Rechtskonibinationen die Führer von links holen muß und das auch dann, wenn es autoritär regieren will, vor dein papiernen Popanz der. Paragraphen zuriickschreokt. Über den Verstand, über die Anständigkeit, über den Mut und über die Sachkenntnis Lavals kann man nicht genug Rühmendes sagen. Dieser Bauernsohn aus der Auvergne,mit seinen trotzig aufgeworfenen Lippen und dem ewig mißtrauisch-mißvergnügten Blick, mit der weißen Krawatte und der — sinnbildlich gesprochen — weißen Weste, mit dem snobbistischen Ehrgeiz des Emporkömmlings, der seine anmutige Tochter einem authentischen Hocharistokraten zur Gattin gegeben hat und der nicht ungern in der internationalen großen Welt verkehrt, dieser wendige und dennoch ehrliche Realpolitiker, der als Kommunist begann und als römischer Graf geendet hat,, vermag uns trotzdem nicht der Überwinder des Parlamentarismus zu scheinen. Er wird vielleicht in schweren Stunden Frankreichs europäische Stellung retten; er ist der Mann, dem die endgültige Verbündung mit Italien und der Ausgleich mit Deutschland gelingen mögen. Indes fehlt es ihm an jener überlegenen konstruktiven, künstlerischen und genialischen Begabung, die den brüchig gewordenen Mechanismus der Dritten Republik schöpferisch durch etwas Neues zu ersetzen verstünde. Diese Begabung hat, soweit wir sehen können, nur einer, Frankreichs bester Kopf und sein größter politischer Denker, nur einer, und dieser hat dröhnend die Tür hinter sich zugeschlagen, als er jetzt freiwillig das Parlament verließ: André Tardieu. Es zeigt den ganzen Jammer der französischen Zustände, daß dieses einzige, vielseitige und allseitige Genie heute, mit beinahe 60 Jahren, nach einer fast ein Menschenalter währenden parlamentarischen Tätigkeit, von außen her neu beginnen muß, um seine Ideen und sich seihst durohzusetzen. Diese Ideen — die hier darzulegen zu weit führen würde —, die uns als die Frankreich am meisten gemäße Neuordnung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Struktur einleuchten. Tardieu, der seit früher Jugend in jeder Hinsicht die Aufmerksamkeit auf sich lenkte — er hat mehrere Preise beim Concours général der Mittelschüler errungen —, Tardieu, der, kaum dreißigjährig, als Leitartikler des Temps und als Diplomat, als Schriftsteller und als Historiker Weltruf genoß, der glänzende Redner und der geborene Führer, gerade einer Nation, die, wie die französische, nicht nur Willen, sondern auch Wissen und künstlerisches Fühlen fordert, wird durch das System von der Macht femgehalten. Nicht etwa nur durch den bösen Vorsatz der zahlreichen persönlichen Feinde, die den Herrenmenschen verabscheuen, sondern ganz einfach, weil für einen wirklichen Führer in Frank-., reich kein Platz ist, es sei denn in Zeiten der ärgsten Landesnot, als Ciemenceau den Staat vor dem Untergang rettete. Tandieüs Zeit ist — leider oder glücklicherweise — noch nicht da. Zuvor muß mindestens noch das Experiment einer parlamentarischen Regierung der Volksfront, eines ihr folgenden sozialistischen Echecs und eines unzureichenden Versuchs der parlamentarischen Mitte vorüberstreichen ... So sind wir denn, am Ende unserer Wahlbetracihtung, dabei angelangt, daß wir die schier unbegreifliche Ruhe und Gleichgültigkeit des französischen Volkes gegenüber der Erneuerung d'er Kammer auf die richtige, mehr instinktiv erfühlte Überzeugung zurückführen, daß Regierung und Parlament nur die bisherige Entwicklung fortsetzen werden, wogegen sich das eigentlich Neue außerhalb der Volksvertretungen ausbilden und durchringen müsse. Deshalb hat es auch keinen Zweck, die Programme und die Wahlplakate zu studieren. Wer etwa die Artikelreihe im Paris Soir gelesen hat, darin die Matadoré jeder seine Parteiziele dariegten, wer die Manifeste aller Gruppen miteinander verglich, der wird diesen ,,Je-m’ enfichismus“ des souveränen Volkes noch besser verstehen und ihn billigen. Gefahren, daß eine Kirchenverfolgung anhebe oder daß es den Kapitalisten an den Kragen ginge, daß die demokratische Gleichheit beseitigt werde oder daß man im täglichen Leben unerhörte Wandlungen verspüren werde; sind vom Parlament nicht zu besorgen. Zwar gingen die Freimaurer und andere „Freidenker“ der Kirche gern zu Leibe, doch nicht einmal die antiklerikalen Parteien sind ernstlich für einen vom Zaun gebrochenen Kulturkampf zu haben. Zwar hat die Volksfront Gräßliches wider die Großbanken und die Großindustrien im Schilde und auf dem Aushängeschild, indes sobald die Sozialisten beider Couleuren wirklich an diese Dinge schreiten werden — und sie werden es —, wird die Volksfront aus den Fugen gehen und es wird mit dem Krieg gegen den Geldsack Essig sein. Das vergnügliche Leben aber in der douce France, frei von Meldepflicht der Eingeborenen, mit dem guten vin ordinaire zu 2 Francs und der unvergleichlichen Küche, mit der unbeschränkten Freiheit zu schimpfen und zu kaufen, zu schreiben und zu schreien, zu glauben und zu mißtrauen, das Leben, dessen durch Präfekturerfaß oder Muniz'ipalitätsbescbluß bestimmte Regeln jedermann aufs eifrigste zu übertreten ungestraft sieb bemüht, das Leben, zu dem das Rauchen im Kino ebenso gehört, wie der Spaziergang auf verbotenem Wege, und das Bewußtsein, in seinem Hause ein unverletzbares Castle zu besitzen: diesem Lehen wird kein Parlament ans Lehen zu gehen wagen. Man stimmt also für oder gegen Herrn Soundso; weil man eben dieser oder jener Partei angehört, weil Papa, ein Freund, der „Patron“, ein Kamerad es so wollen (oder zum Trotz, weil sie es so nicht wollen), weil — im Dorf —chateau“ (das Schloß), „la eure“, der Herr Pfarrer, der Herr Lehrer, weil — in der Stadt — die Loge, die Präfektur, die Mairie, die Gewerkschaft es wünschen. Weil Herr X meine Frau freundlich begrüßt bat und weil Herr Y, der Gegenkandidat, nicht bei mir seine Pneus besorgt. Höchstens noch, weil der Abgeordnete Z eine Straße verspricht, die unserer Stadt von Nutzen ist, oder weil Abgeordneter N den Kriegsminister bitten wird, ein Bataillon Chasseurs alpins in unsern Ort zu legen. Denn an die Phrasen der Innenpolitik glaubt niemand, und von der Außenpolitik wollen die Wähler in ihrer ungeheuren Mehrheit noch weniger wissen, als sie zu wissen imstande sind (und schon das ist herzlich wenig). So kommt es, daß ich in einem Städtchen 120 Kilometer von Paris, wo jeden Sonntag die Kirchen von einer andächtigen Menge gefüllt waren, dem antiklerikalen radikalen Abgeordneten einen sicheren Erfolg prophezeien mußte, weil man eben seit Jahrzehnten radikal wählt, daß Paris gerade in jenen Bezirken, die nicht gerade der Sitz der Tugend sind, Kandidaten von rechts erküren wird, die durch Frömmigkeit glänzen. So kommt es, daß im Verlaufe des verflossenen Wahlkampfes in einem Kreis 111, in einem änderen ein einziger Kandidat auftreten, und niemand regt sich darüber auf. So kommt es, daß einer in die Kammer kandidiert, weil ihn seine Frau mit dem Generalsekretär der sozialistischen Partei betrogen hat und daß er wirklich auf Grund dieser Berühmtheit Tausende von Wahlzetteln erntet. So wird ein Bauernkandidat durchs Los aus einer Liste von Tausenden bezeichnet, so wie man ein Los in der Lotterie gewinnt; die Gattin des Auserlesenen jagt die Deputation mit der Heugabel fort, da sie für derlei kein Verständnis hat und, schwerhörig, zuerst an etwas Solides geglaubt hatte, daß ihr Mann in der Lotterie 60.000 Francs ergattert habe. So tritt ein Kandidat auf, der als Programm die Verlängerung der Landstraße rings um den Meridian verspricht, ein anderer, der die Prohibition, ein dritter, der den obligatorischen Weintrunk für alle verheißt. Immer mehr wird das parlamentarische Treiben zur blague. In einem Land, wo die Lächerlichkeit tötet, klingt das bedenklich für die Dauer der verspotteten Institutionen. Allein sie löben und sie werden noch eine Zeitlang existieren, weil nichts Besseres da ist, um an die Stelle des Alten zu treten. Darüber, von den außerparlamentarischen und widerparlamentarischen Bestrebungen der Ligen und der Kommunisten, wie von der vermutlichen Entwicklung der Lage soll in einem nächsten Artikel gesprochen werden. • 3 • PESTEK ULOYD Sitzung des Abgeordnetenhauses. Allgemein halte man in der gestrigen Sitzung angenommen, daß dlas Abgeordnetenhaus heute die Investi- Honsvorlage nach einer sehr kurzen Debatte verabschieden und dann sofort in die Budgetdebatte eintreten werde. Die Opposition hat jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht und zur Investitionsvorlage eine Reihe von Rednern gestellt, so daß die Vorlage du der heutigen Sitzung nicht verabschiedet werden konnte und auch mit der Möglichkeit gerechnet wenden muß, daß die Debatte über diese Vorlage auch noch den größten Teil der morgigen Sitzung in, Anspruch nehmen wird. In diesem Falle dürfte die Budgetdebatte erst in der ersten Sitzung der kommenden Woche, am Dienstag, einsetzen. Wie sich die Debatte morgen gestalten wird, ist vorläufig noch ungewiß. Heute kam es noch nicht zur Abstimmung über die In vestitions Vorlage. , Die Sitzung nahm folgenden Verlauf: Punkt 4 Uhr eröffnete Vizepräsident Dr. Komis die Sitzung des Abgeordnetenhauses in Anwesenheit von fünf oppositionellen Abgeordneten. Die Bänke der Mehrheitspar lei waren vollständig leer. IV., Kecskeméti-ucca 19. IV., Kossuth Lajos-ucca 2. VII., Erzsébet-körut 36. VI., Andrássy-ut 37.