Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1936. július (83. évfolyam, 148-174. szám)

1936-07-01 / 148. szám

PREIS 16 HELLER Abonnement: Für Budapest: mit täglich zweimaliger Zustellung und für das Inland Morgen­­und Abendblatt. Vierteljährlich 18 P, monatlich 6.40 P. Für das Morgenblatt allein vierteljährlich II P, monatlich 4 P. Für das Abendblatt allein vierteljährlich 8 P, monatlich 3 P. Für die separate Zusendung des Abend­blattes nach der Provinz ist viertel­jährlich 1 Pengő zu entrichten. FUr Wien auch durch Morawa 4. Co. I, Wollzeile 11. Für das Ausland mit direk­ter Kreuzbandsendung vierteljährlich: Für Österreich vierteljährlich ö. Sch. 30.—, für alle übrigen Staaten 30 Pengő. Abonne­ments werden auch bei sämtlichen aus­ländischen Postämtern entgegengenommen Nicht verlangte Manuskripte werden weder aufbewahrt noch zurückgestellt, Briefe ohne Rückporto nicht beantwortet. MOßCrENBLATT L Of 4c \j PESTER LLOYD Inseratenauinalime: in Budapest in der Administration de* Pester Lloyd und in den Annoncen- Bureaus: Baiogh Sándor, i. Blockner, J.BIau, Boros, Braun, Josef Erdős, Győri & Nagy, Harsányi, Haasenstein & Vogler, Cornel Leopold, Julius Leopold, Magy. hirdető­­iroda, Mosse Rudolf A.-G., Julius Tenzer. Einzelnummer für Budapest und für die Provinz: Morgenblatt anWochentagen 1« Heller, an Sonntagen 32 Heller, Abendblatt 10 Heller. Für Österreich: Morgenblatt an Wochen­tagen 30 Gr., an Sonntagen 40 Gr. und Abendblattd 20 Gr. Redaktion u. Administration: V., MÁRIA VALÉEIA-UCCA 1«. Telephone : Redaktion: 1-848-20. Nach Mitternach 1-848-26. Administration : 1-849-09 83, Jahrgang. Budapest, Mittwoch, 1. Juli 1936. Nr. 148 Der Völkerbund sucht seinen Weg. Budapest, 30. Juni. Alle Augen blicken nach Genf, wo heute eine der wichtigsten Tagungen in der Geschichte des Völkerbundes begonnen hat. Man hat das Gefühl, daß es diesmal um mehr geht, als um das Fallen­lassen einer Maßnahme, um die Ausarbeitung einer neuen Prozedur. Es geht um die Zukunft des Völ­kerbundes, um die Zukunft der europäischen Poll­­tik Am heutigen Tage hat die Spannung in der Abessinienfrage einen dramatischen Höhepunkt er­reicht, und die Sitzung, in der zuerst die ernste und friedfertige Denkschrift Italiens zur Verlesung ge­langte, und dann der landesflüchtige Negus unter dem zornigen Pfeifkonzert der italienischen Jour­nalisten die Tribüne betrat, war der Feder eines Carlyle würdig. Italien, gerechtfertigt durch die Ge­schichte, im ruhigen Besitze der Macht, konnte es sich erlauben, ohne Schmälerung seiner Autorität die Bereitschaft zu betonen, mit den übrigen euro­päischen Mächten und dem Völkerbünde zusammen­­zuwirkera. Der Negus dagegen sprach als Propagan­dist, und nur der pathetische Kontrast, der zwischen seiner einstigen Würde und seinem jetzigen Zu­stande besteht, konnte über das Unangemessene sei­nes Auftretens hinwegtauschen. Auf die großmütigen Gefühle der Staatsmänner rechnend, für die eine ge­fallene Größe unter allen Umständen eine Quelle des Mitleids ist, hat es Haile Selassie versucht, die Tat­sache zu leugnen, daß sein Volk sich bereits den neuen Machthabern unterworfen hat — und daß es unter der neuen Herrschaft keine Sehnsucht nach der Rückkehr der alten Sklavenhalter empfindet. Daß sein Auftreten trotz aller Gefühlsreaktionen an der vollendeten Tatsache der Aufhebung der Sank­tionen nichts mehr ändern konnte, und daß mithin auch das italienische Eioberurigswerk nicht mehr in Frage gestellt werden kann, ist aus den Ereignissen der letzten Tage hinlänglich klar geworden. Was bleibt unter solchen Umständen dem Völkerbunde zu tun übrig? Was kann die heute zu­sammengetretene Assemblée beschließen? Der pein­liche Skandal um das persönliche Auftreten des Negus zeigt am besten, daß endlich einmal mit dem langen Hin und Her der Abessinienpolitik Schluß gemacht werden muß. Es wäre nicht zu den heu­tigen Auftritten gekommen (die das Ansehen des Völkerbundes unter keinen Umständen erhöhten), wenn man früher der wirklichen Lage Rechnung getragen und die nötigen Konsequenzen gezogen hätte. Und diese Konsequenzen werden gezogen, daran zweifelt niemand; und niemand ist bereit, Krieg zu führen, um dem Negus sein Reich zurück­zuerobern. Es ist allen Freunden der Genfer Insti­tution außerordentlich peinlich, zu sehen, wie man sich immer tiefer in eine theoretische Stellung­nahme verwickelt, der keine Praxis entspricht. Ein­mal muß aber die komplizierte Rechnung zu Ende geführt und die Summe gezogen werden. Heute sieht man bereits, daß in dieser Rechnung die kol­lektive wirtschaftliche und finanzielle Aktion gegen Italien eine runde Null ergeben wird. Aber bevor man dies feststellt, glaubt man noch ein Schauspiel veranstalten zu müssen, in dem der Negus als agie­rende Person und Vertreter eines Mitgliedstaates auftritt. Der Skandal, der um diese Szene entstan­den ist, drückt nur in greller Form das Unangemes­sene der ganzen Situation aus. Wenn mit dem Auf­tritt des Negus einen Tag oder zwei Tage vor der offiziellen Beendigung der Sanktionen eine „mora­lische“ Stellungnahme gegen Italien gemeint war, so muß dies gerade im Namen der Moral aufs tiefste bedauern. Denn nicht nur wäre es moralischer ge­wesen, die Situation nicht einseitig zu prüfen, son­dern auch den Feststellungen Italiens einige Auf­merksamkeit zu schenken —- auch muß es als Tod jeder Moral bezeichnet werden, wenn moralische Theorie vom praktischen Handeln getrennt wird. Wenn die Sache des Negus gerecht wäre, dann dürfte man ihn erst recht nicht in die schiefe Lage bringen, in der er sich befand, indem er unter der moralischen Zustimmung einer Anzahl von Dele­gierten um eine Unterstützung bat, die schon die gleichen Delegierten fest beschlossen haben, ihm nicht zu gewähren. Auch der Sinn der Intervention des argentinischen Vertreters ist nicht ganz klar. Er tritt für die Nichtanerkennung einer gewaltsa­men Eroberung und die „Wiederherstellung der Gerechtigkeit“ ein. Aber wie soll im konkreten Falle die „Gerechtigkeit“ wieder hergestellt werden? Durch einen Krieg? Diese Katastrophe will niemand in der Welt oder in Genf, auch Argentinien nicht, dessen Vertreter sich auf eine bloße theoretische Erklärung beschränkte. Man weiß nur das eine, daß die abessinische Frage via facti gelöst ist. In einer völlig verfahrenen Situation wurde die Sitzung der Assemblée auf morgen vertagt, ohne daß die Delegierten der führenden Völkerbund­mächte, Leon Blum und Eden, das Wort ergriffen hätten. Erst wenn England und Frankreich1 spricht, wird man vielleicht den Weg aus der jetzigen Sack­gasse sehen. Denn in den Besprechungen zwischen den Regierungsveribretem der Großmächte war in den letzten Tagen von etwas anderem die Rede als von der Zukunft Abessiniens, die hinreichend ge-< klärt ist. Über diese konkrete Frage muß man mit irgendwelcher Formel hinwegkommen, uni die Lö­sung der prinzipiellen Fragen in Angriff nehmen zu können. Gestern und heute schrieben einige Blätter, daß zwischen England und Frankreich eine voll­kommene Einigung, eine entente cordiale besiegelt worden sei. Diese Feststellung greift der tatsäch­lichen Entwicklung vor. Heute sieht man schon ziemlich klar, daß die zweifellos feststellbare An­näherung zwischen England und Frankreich sich eher auf die Vermeidung gewisser Methoden, als auf bestimmte positive Lösungen bezieht. Man ist über­ein gekommen, daß man von einer de jure-Anerken­­nung der Annexion Abessiniens Abstand nehmen wird (das ivar auch zu erwarten), und daß die Frage der Völkerbundreform jetzt nicht auf gerollt wird. Statt dessen soll den umstrittenen Bestimmun­gen der Völkerbundsatzung über die Verhütung be­waffneter Angriffe eine neue Deutung gegeben wer­den. Das Ziel ist offenbar die Stärkung der Sank­­tionsbeüiinmungen für die Zukunft. In der letzten Zeit sprach man oft vom Plan, daß neben der all­gemeinen Verpflichtung der wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionsmaßnahmen gegen den An­greifer, die auch heute besteht, eine neue, regionale Verpflichtung der bewaffneten Hilfeleistung an An­gegriffene eingeführt werden soll. Ob zwischen Eng­land und Frankreich über diese Formel tatsächlich eine Einigung erzielt worden ist, und daß hierin die vielbesprochene neue „Entente cordiale“ von Annecy besteht, kann nicht mit aller Bestimmtheit behauptet werden. Auch diese Frage ist nicht derart beschaffen, um im Handumdrehen gelöst werden zu können. Was bedeuten „regionale“ SicherheitsVer­pflichtungen? Bedeuten sie die Aufgabe der These von der „unteilbaren“ Sicherheit? Ein solcher Ver­zicht wäre von französischer Seite kaum glaubhaft — andererseits weiß man aber wohl, daß offizielle englische Erklärungen in der letzten Zeit immer deutlicher die Absicht Englands verraten haben, die westeuropäische und die mittelländische Sicherheit von der mittel- und osteuropäischen zu trennen. So­lange man in diesen Fragen von einer klaren Eini­gung zwischen England und Frankreich nichts weiß, kann von einer fertigen „Entente cordiale“ nichts Bestimmtes gesagt werden. Aber die Welt ist nervös und für kühne Vor­wegnahmen besonders empfänglich. Auch um Öster­reich wurden Sensationsmeldungen ausgesprengt im Zusammenhang mit der französischen Anregung, ^Bundeskanzler Schuschnigg möge persönlich nach Genf kommen, um dort gewisse sein Land an­gehende Fragen mit den übrigen Delegationsführern sonst, ja sogar die übrigen Hausinsassen mit einer Art allerdings bescheidenem,Hochmut grüße. Der Blonde wurde täglicher Besucher bei der Maus. Er hatte sogar schon einen eigenen Schlüssel zu ihrer Wohnung, er bewegte sich ganz heimisch im Hof umher, er und die Maus aßen gemeinsam zu Mitlag und es kam oft vor, daß sie sich gegen Abend miteinander entfernten. Der Recke Fräulein Trudies wirkte im Hause, geradezu als Sensation. Mit Hochgenuß lauerten die Kinder dem seltsamen Paar auf, und die alte Haus­­hesiteerin sagte ganz skandaUsiert: «— Na, aber sowas! Wer hätte das vorausge­setzt? Mittlerweile verschönte, ja verjüngte sich Maus zusehends. Während des Reinemachens band sie sich oft ein rotes Tuch um den Kopf, sie kleidete sich weiß, wenn sie spazieren ging, und zog hell­farbene Strümpfe an. Oft hörte ich durchs Fenster, daß sie vor sich hinsang; ihre Stimme klang, als spielte man auf einem alten Spinéit. Einmal saß ich allein im Garten. Maus kam des Weges, grüßte mich lächelnd, gleichsam als wolle» sie mich zu einem kleinen Gespräch einladen. Esr hatte ganz den Anschein, sie empfinde die gebiete­rische Pflicht, dem Hause Aufschluß zu geben. Sie führte mich mit anmutiger Geste in ihre Wohnung, deren Schwelle außer ihr — und natürlich dem Blonden — noch keiner von den Hausbewohnern“ überschritten hatte. Die Wohnung war, wie ich sie mir vorgestellt hatte: Biedermeier-Schrank, ein schmales Bettchen, eine Schublade, hinter dem ovalen Tisch ein liebes, grünes Sofa, mit weißen Porzellannägeln gespickte Stühle, an der Wand ein Spiegel in Goldrahmen, vergilbte Photographien, Nippsachen, gehäkelte Handarbeiten, — alles Miniatur und winzig, wie Mäuschen selber. Feuilleton« Maus. Novelle. Von JENNY VÁRNAI. Maus wohnte in der sogenannten Dependance der alten Villa auf dem Schiwabeeiberg, in einer selt­samen, kleinen Wohnung, die von außen vollständig von Schlinggewächs umsponnen war, wie eine Waldhöhle, nur eben daß die wilde Sommervege­tation für Tür und Fenster je eine Öffnung freige­lassen batte und sich die Laubkrone eines riesigen Holamderbaumes darüber wölbte. Das winzige Fenster war mit weißem Tüll verhängt. Auf dem Sims standen Pelargonientöpfchen und lächelten, wenn Maus in der Tür erschien, als wäre sie aus einer alten, romantischen Novelle von Tieck oder Novalis getreten. Maus hieß eigentlich Fräulein Trude und be­faßte sich in Ofen mit der Beibringung des germani­schen Idioms an deutsche Sprachbeflissene. Auf der lärmenden Pester Seite nahm sie keine Schüler an; dies wäre nicht passend zu ihrer Persönlichkeit und nicht stilvoll gewesen. Fräulein Trude war klein von-Statur, rundlich und von ein wenig angegrauter Blondheit. Sie hatte blaue Augen, kleine, trippelnde Füßchen und ihre Stimme war ganz unwahrscheinlich dünn. Erschien sie im Hof, so flackerte ihr Blick erschrocken nach rechts und links: man merkte, sie habe Angst vor den Leuten. Ihr Mund war klein und spite zu­laufend, wie der eines Mäuschens;* sie trug graue Kleider mit weißen Spitzen, einen altmodischen Hut mit Bändern und einem Schleierchen, und zu all­dem einen spiteen&eseteten schwarzen Schirm. Sie verbreitete ordentlich einen feinen Biedermeier- Duft und es lat wohl, sie zu betrachten, — es war wie eine Botschaft längst begrabener friedlicher Zeiten an die bis ins Innerste aufgewühlte, Mensch­heit. Mai's ging fast unmerklich und jedenfalls un­bemerkt im allen Hause umher, schien ordentlich um Nachsicht zu bitten, daß sie lebe, daß sie auf die Grashalme trete. Ihr Graß glich im Tone einem er­schrockenen Mausgewisper, wenn sie uns, die wir ebenfalls Bewohner der alten Villa waren, be­gegnete. Es waren wir Kinder, die Fräulein Trude den Spitznamen „Maus“ gegeben hatten, — über­mütige und unbändige Rangen, mit denen sie sich hie und- da in ein Gespräch einließ und in rade­brechendem Ungarisch, furchtsam und beinahe demütig, ihnen allerhand liebenswürdige Dinge sagte. Denn Maus empfand nur zu gut die barba­rische Kraft und die spottende Überlegenheit, mit der der Blick der ausgelassenen Jugend ihr zu­­bhtzte. Eines schönen Sommertages ereignete sich nun etwas ganz ungewöhnliches. An der Tür pochte ein hochgewachsener, blonder Mann. Maus steckte den Kopf furchtsam durch den Türs-palt; a,ls sie aber den großen Blonden erblickte, stieß sie einen Freudenschrei aus: — Ah, ah, Hellmut! Der Hellmut genannte blonde Hüne duckte sich, trat durch die niedrige Tür und verblieb den ganzen Nachmittag über bei der Maus. Es dunkelte schon, ein kühles Windchen schlüpfte im Garten timber, als die beiden aus der Tür traten. Voran der blonde Riese, hinter ihm in Gala, schwarzseidenem Spitzenkleid, eine Federnboa lim den Hals, Mäuschen. Sie trippelte ordentlich stolz hinter ihm her und es hatte den Anschein, als sei sie diesmal nicht so scheu und schüchtern, wie h. * . *

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