Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1937. december (84. évfolyam, 273-297. szám)

1937-12-01 / 273. szám

Mittwoch, 1. Dezember 1937 • 3 • FESTER LLOYD Die Kolonialfrage und das südosteuropäische Problem im Vordergründe der Londoner Beratungen. Veröffentlichung des SchlufiKommuniqués. — Aussprache über die Nichteinmischungs­frage und den Fernen Osten. — Heimreise der französischen Minister. Der Wortlaut des Schlußkommuniques. London, 30. November. Vor einem bis auf den letzten Platz besetzten Unterhaus und überfüllten Tribünen äußerte sich Ministerpräsident Chamberlain heute nachmittag über die englisch-französischen Ministerbesprechun­gen, wobei er sich im wesentlichen auf die Verlesung des in der Vormittagsitzung festgelegten Kommu­niques beschränkte und sich allen Versuchen der Opposition, eine Aussprache über die außenpolitische Lage zu erzwingen, energisch widersetzte. Dabei be­tonte Chamberlain auf eine Anfrage des Oppositions­führers Attlee erneut, daß er seinen früheren Er­klärungen über die Deutschlandreise des Lordpräsi­denten Halifax nichts hinzuzufügen habe und nichts hinzufügen werde. Das Kommuniqué, das der Mini­sterpräsident dann verlas, hat folgenden Wortlaut: „Der französische Ministerpräsident Chautemps, sowie der französische Außenminister Delbos hatten mehrere Unterredungen mit dem englischen Minister­präsidenten Chamberlain, dem englischen Außen­minister Eden, sowie anderen Mitgliedern des engli­schen Kabinetts. Im Verlaufe dieser Besprechungen, gab Lordpräsident Halifax den französischen Mini­stern einen Überblick über seine Besprechungen in Deutschland. Die französischen Minister stellten dabei mit Befriedigung fest, daß die Reise des Lordpräsi­denten, obgleich sie einen rein privaten und inoffiziö­sen Charakter hatte und daher keine unmittelbaren Ergebnisse haben konnte, nichtsdestoweniger dazu beigetragen hat, die Ursachen der internationalen Mißverständnisse zu beseitigen und die Atmosphäre erheblich zu verbessern. Die Besprechungen beschäf­tigten sich sodann mit den europäischen Gesamtpro­blemen und der zukünftigen Möglichkeiten der Ent­spannung und Abrüstung. Im Verlaufe dieser Erörte­rungen konnten die englischen und die französischen Minister die Gemeinsamkeit der Haltung und der An­sichten, die bisher die Beziehungen zwischen Eng­land und Frankreich charakterisiert hat, erneut fest­stellen. Dabei wurde auch eine vorläufige Erörterung des Kolonialproblems vorgenommen und eine ge­meinsame Feststellung gemacht1 daß diese Frage nicht für sich erörtert werden könne und zudem eine Anzahl anderer Mächte berühre. Man einigte sich dahin, daß die Frage noch weiterer eingehender Prüfung bedürfe. Weiter sprach der französische Außenminister Delbos von seinem bevorstehenden Besuch in den südosteuropäischen Län­dern, wobei mit Genugtuung festgestellt wurde, daß England und Frankreich ein gemeinsames Interesse an der Erhaltung friedlicher Zustände in diesem Teile Europas haben. Die sich aus dem Spanienkonflikt und den Mittelmeerfragen ergebende Lage wurde ebenfalls eingehend erörtert, wobei man sich darüber einig war, daß die Politik der Nichteinmischung sich trotz allen Schwierigkeiten als richtig erwiesen und schließlich dazu begetragen hat, die internationalen Auswirkungen des Konfliktes abzuschwächen. Weiter wurde beschlossen, die von den beiden Regierungen in dieser Richtung gemach­ten Bemühungen fortzusetzen, um der Politik der Nichteinmischung volle Wirkung zu verleihen. So­dann erörterten die englischen und die französischen Minister die Lage im Fernen Osten und waren sich dabei über deren kritischen Charakter einig. Die bei­den Mächte sind bereit, nach wie vor mit anderen Mächten, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, zusammenzuarbeiten, um ihre Rechte und Interessen zu schützen und die sich für sie aus den internatio­nalen Verträgen ergebenden Pflichten zu erfüllen. Abschließend wurden im Geiste gegenseitigen Ver­trauens alle die die Interessen beider Mächte berüh­renden internationalen Fragen erörtert. Ohne von den bisherigen Grundsätzen der internationalen Zu­sammenarbeit abzugehen, gaben die englischen und die französischen Minister erneut ihrem Wunsche Ausdruck, mit allen Mächten zusammenzuarbeiten und gemeinsam durch freie und friedliche Verhand­lungen eine internationale Entspannung herbeizu­­f ähren.“' Nach Beendigung der Erklärung des Minister­präsidenten fragte der Führer der Opposition Attlee, ob geplant sei, den Meinungsaustausch zwischen England und Deutschland einerseits und England und Frankreich andererseits auch auf andere europäische Länder auszudehnen, um die Voraussetzungen für eine allgemeine Befriedung (General settlement) zu schaffen. Chamberlain antwortete, daß dieses General sett­lement das Ziel der Bemühungen der englischen Re­gierung sei. Es sei auch ganz klar, daß eine solche allgemeine Befriedung nicht durch einen Meinungs­austausch zwischen zwei oder drei Nationen herbei­geführt werden könne, und die Einbeziehung ande­rer Länder in den Meinungsaustausch sei daher zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Dieser Zeit­punkt, fügte der Ministerpräsident hinzu, sei jedoch nach seiner Auffassung noch nicht gekommen. Frühstück im Buckingham-Palast. — Abreise der französischen Minister. London, 30. November. (Inf.) Während Chamberlain die englisch-fran­zösische Erklärung im Unterhaus verlas, gab Mini­sterpräsident Chautemps ihren Wortlaut in der fran­zösischen Botschaft bekannt. Er lehnte es aber wie Chamberlain im Unterhaus ab, auf die Erklärung be­zügliche Fragen zu beantworten. Die Erklärung, sagte er, sei sehr ausführlich und behandle sämtliche im Laufe der Gespräche aufgeworfenen Fragen. Er sei sehr erfreut darüber, daß eine völlige Einigung zwischen England und Frankreich erreicht worden sei. Er nehme die allerbesten Erinnerungen an seinen Londoner Aufenthalt nach Paris zurück und sei überzeugt, daß die Londoner Reise sich als äußerst nützlich erweisen werde. Der französische Ministerbesuch erreichte am Nachmittag sein Ende. Um 17 Uhr MEZ. verließen die beiden französischen Minister mit ihrer Beglei­tung den Victoria-Bahnhof, auf dem sich zum Ab­schied von englischer Seite Außenminister Eden, Sir Robert Vansittart und mehrere Beamte des Foreign Office einigefunden hatten. Der französische Bot­schafter Corbin begleitete die französischen Minister bis Folkestone. Auf dem Wege zu ihrem Wagen waren die Gäste wieder dem Kreuzfeuer zahlreicher Photographen und Filmoperateure ausgesetzt und äußerten sich wieder in sehr warmen Worten über die Ergebnisse ihres Besuches und die bei den Be­sprechungen zutage getretene Harmonie zwischen England und Frankreich. die Uhr fürs Leben 1079 in Metallgehäuse P 40.— Am Vormittag waren die Gespräche etwa zwei Stunden lang fortgesetzt worden, wobei man sich in erster Linie um die Festlegung des Ergebnisses der Erörterungen bemühte. Dabei wurde auch die am Nachmittag von Chamberlain abgegebene Erklärung besprochen. Nach dem Abschluß der Beratungen begaben sich die französischen Minister in den Buckingham-Palast zu einem zu ihren Ehren vom englischen Königspaar gegebenen Frühstück, zu dem auch Chamberlain, Lord Halifax, Außenminister Eden und andere Mitglieder des englischen Kabinetts mit ihren Damen geladen waren. Wie dazu verlautet, zeigte der König dabei großes Interesse an dem Er­gebnis der englisch-französischen Beziehungen und ließ sich von Chamberlain darüber eingehend Be­richt erstatten. In der Presse lösen die ganzen Ereignisse nach wie vor ein ungewöhnlich starkes Echo aus. Die Abendblätter veröffentlichen wieder ausführliche Meldungen über die äußeren Umstände der Minister­zusammenkunft, sowie Vermutungen über ihr Ergeb­nis. Diese können dahin zusammengefaßt werden, daß England und Frankreich bereit sind, eine für Deutschland befriedigende Lösung der Kolonialfrage zu ermöglichen, falls Deutschland seinerseits bereit ist, an der Untermauerung des Friedens in Europa durch Verträge und andere Maßnahmen mitzuar­beiten. Ein Temps-Kommentar. Paris, 30. November. Die Kommentare der Nachmittagspresse zu den Londoner Verhandlungen, die noch vor dem Be­kanntwerden des Schlu ßkommun iqués der Londoner Besprechungen geschrieben worden sind, bringen erneut die Genugtuung über das zwischen England und Frankreich iherrschende Einvernehmen zum Ausdruck. Le Temps sagt in seinem Leitartikel, der fran­zösisch-englische Block habe sich mehr denn je als eine Realität bestätigt, die mindestens ebenso sicher sei wie die Achse Berlin—Rom. Das Blatt spricht in diesem Zusammenrang weiter von dem Beginn einer Evolution, die, wenn sie sich einmal entwickle, zu großen Änderungen führen und günstige Bedin- Ihren englischen, französischen, deutschen, holländischen, österreichischen, schwedischen, italienischen, belgischen, schweizerischen usw. Verwandten und Geschäft sfreun­d.„ ,.„en Weihnacht*­TOKAJER WEINtÄis lliyrn TOKAJER WEINGESCHÄFT WINGM Dorottya ucca 12. Telephon 182-698 gumgen für eine dauerhafte und wirksame Zusam­menarbeit der hauptsächlichsten Mächte schaffen könne. Kein Weg, der zu einem Übereinkommen führen könne, sei verschlossen, kein Mittel, das ge­eignet sei, eine Klärung in den Weltproblemen berbeizuführen, sei vernachlässigt. Bei dem Kolooal­­prdblem handle es sich darum, den deutschen Wünschen nach Gleichberechtigung, die durch die Note der Alliierten und Assoziierten vom 16. Juni 1919 beseitigt worden sei, Rechnung zu tragen. Aber das Kolonialproblem müsse mit größter Sorgfalt und im Einvernehmen mit allen interessierten Mächten geprüft werden. Was Mitteleuropa betreffe, so könnten Frankreich und England sich nicht an der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität aller Länder dieser Gegend des Kontinents desinter­essieren. Abschließend sagt das Blatt, die Tür bleibe für etwaige Verhandlungen geöffnet, aber man werde verstehen, daß diese eine eingehende Vor­bereitung auf dem üblichen diplomatischen Wege erforderten. Das werde die Aufgabe der nädbsten Wochen sein. Paris-soir bezeichnet als Hauptergebnis der Londoner Konferenzen, daß man Phantome be­seitigt und Mißverständnisse verhindert habe, nach­dem der Besuch Lord Halifax’ in Deutschland, der durch gewisse Kommentare entstellt worden sei, phantastische Schatten auf die Karte Europas ge­worfen habe. Reuter berichtet: Rückkehr Deutschlands ln den Völkerbund unter den Londoner Gesprächsthemen. London, 30. November. (MTI) Wie der diplomatische Korrespondent des Reuter-Bureaus erfährt, können nach der Überzeu­gung englischer Kreise der Besuch der französischen Minister und die hierauf bezügliche Mitteilung den Ausstreuungen ein Ende bereiten, als ob zwischen der englischen und der französischen Regierung eine Meinungsverschiedenheit bestünde. Das volle Einver­nehmen könne aber nicht so ausgelegt werden, als ob sich eine Front gegen irgendeine andere Macht gebildet hätte. Die Erklärung der Mitteilung, daß man sich mit der Kolonialfrage nicht isoliert beschäf­tigen könne, bedeute, daß diese Frage vön anderen Fragen nicht zu trennen und nicht unabhängig von den übrigen Ländern zu verhandeln sei, die in dieser Angelegenheit interessiert seien. Die Regierungen der Dominien wurden bereits orientiert, und Belgien werde als Kolonialmacht über das Ergebnis der eng­lisch-französischen Besprechungen informiert wer­den. Die Besprechungen bedeuten nur einen ersten Schritt, dem noch längere Besprechungen auf diplo­matischem Wege folgen sollen. Erst nach dem Fort­schreiten dieser Arbeit könne man sich an Deutsch­land wenden. Die Erledigung der Kolonialfrage könne nur einen Teil der viel weiter reichenden all­gemeinen Erledigung bilden. Deutschland wünsche Kolonien, England und Frankreich aber eine Verein­barung, die sich auf die Rüstung beziehe. Die Besprechungen berührtem auch die Rück­kehr Deutschlands in den Völkerbund, aber von der Anerkennung des abessinisch-italienischen Reiches war nicht unmittelbar die Rede. Das Resultat der Be­sprechungen habe die neuestens in London herr­schende Ansicht bekräftigt, daß keine unmittelbare Kriegsgefahr drohe. Es herrsche der Eindruck vor, daß England und Frankreich bewiesen haben, daß sie den Frieden wünschen und geneigt seien, das Er­reichen dieses Zieles durch ihre Zustimmung zu för­dern. Ihr Standpunkt sei fest und immer fried­fertiger. Gemäßigte deutsche Kommentare. Berlin, 30. November. (DNB) Zum Besuch französischer Staatsmänner in London schreibt die Deutsche Diplomatisch-Poli­tische Korrespondenzu. a.: Auf deutscher Seite hat man ebenso, wie eine ständige enge Fühlung zwischen Deutschland und Italien eine Selbstverständlichkeit ist, auch die Tat­sache entsprechender aufklärender und beratender Besprechungen Englands und Frankreichs durchaus ohne Vorbehalt zur Kenntnis genommen. Es ist heute selbstverständlich noch zu früh, bereits festzustellen, welche Richtung Frankreich und England in ihrer Politik im einzelnen einscblagen werden. Soviel darf aber schon jetzt festgestellt werden, daß, wenn eine Förderung der internationalen Befriedung in Angriff genommen werden soll, die verschiedenen Probleme um ihre: selbst willen und in sich selbst eine Lösung finden sollten. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Kolonialfrage, die eine grundsätzliche ist und darum auch eine grundsätzliche Behandlung beanspruchen darf. Man wird darum in Deutschland zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten ha­ben. Auf jeden Fall wird es als ein Fortschritt be­zeichnet werden können, wenn im Kreise der Mächte, die für Versailles verantwortlich sind, sich die Er­kenntnis Bahn bricht, daß ?s im Sinne einer wahren

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