Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. január (85. évfolyam, 1-24. szám)

1938-01-01 / 1. szám

PESTER LLOYD ® 2 • Samstag, 1. Januar 1938 \ Radiokauf — Vertrauenscache Telephon liílqS kfiniglloh ungarische und Hof-Musikinstrumentenfabrlk Ist-Tos lífl.y Rákóczi-ut 60. Der ailergrüaste und allersohSnste Radiosaal des Landes berechtigt und nicht vielmehr geeignet ist, als Steinwurf in ein Zimmer zu wirken, das für ihn finster ist. Der zweite: was am den diplomatischen Aktionen der eigenen Regierung in der Presse aus­gesetzt wird, das hat man auch dem Gegner — der morgen schon der Feind sein mag — gesagt. Wie steht es nun in der Innenpolitik? Dem Grundsätze nach muß hier die Freiheit der Kritik gewahrt sein. Dieser Grundsatz muß aber bei uns in seiner Anwendung mit Maß und Weisheit zur Gel­tung kommen. Dies nicht etwa ahs Liebedienerei für die eine oder die andere Regierung, sondern wegen des wohlverstandenen nationalen Interesses, ja auch vom Gesichtspunkte partikulärer Interessen gesehen. Das folgt für ein Organ, dessen Wort im In- und Auslande so ernst genommen wird, wie dies beim Pester Lloyd der Fall ist, in einem geschwächten Lande aus der Erwägung, daß ein vorhandenes na­tional brauchbares Gleichgewicht nach Tunlichkeit gestützt werden muß. Hiefür gibt es freilich gewisse Grenzen. Die erste ist die Verfassung. Der ungarische Genius hat sich von jeher, aber mindestens seit der Goldenen Bulle im ersten Viertel des dreizehn­ten Jahrhunderts aus sich seihst heraus eine staatliche Lebensform gegeben, die nicht nur seiner Art entspricht, sondern jeweils in kleinem Zeitabstand auf die entwickeltesten Konstitutio­nen des Westens gefolgt ist und sich stets ver­nünftig fortentwickelt hat. Es wäre abwegig, weil artfremd und daher verderblich, diesen Weg zu ver­lassen und statt der eigenen Verfassung irgendein fremdländ sches Gewächs in unseren Boden verpflan­zen zu wollen. Goethe sagt in seinen Gesprächen mit Eckermann: „Und wiederum ist für eine Nation nur das gut, was aus ihrem eigenen Kern und ihrem eige­nen allgemeinen Bedürfnis hervorgegangen, ohne Nachäffung einer anderen. Denn was dem einen Volk auf einer gewissen Altersstufe eine wohltätige Nahrung sein kann, erweist sich vielleicht für ein anderes als ein Gift. Alle Versuche, irgendeine aus­ländische Neuerung einzuführen, wozu das Bedürf­nis nicht im tiefen Kern der eigenen Nation wurzelt, sind daher töricht und alle beabsichtigten Revolutio­nen solcher Art ohne Erfolg; denn sie sind ohne Gott, der sich von solchen Pfuschereien zurückhält.“ Zum Glück denkt kein ernster Menschen in Ungarn an­ders. Die zweite Grenze liegt in der Grundüberzeu­gung, daß die persönliche und die politische Freiheit das kostbarste Gut des Menschen ist, und daß dieses Gut nur durch die Rechtssicherheit gewährleistet werden kann. Notwendige Beschränkungen dieser Freiheit können sich als bitteres Gebot böser Zeiten einstellen, müssen aber als das aufgefaßt und be­handelt werden, was sie sind, nämlich als — wenn, auch notwendiges — Übel, aus dem je eher je besser ein Ausweg gefunden werden soll. Als dritte Grenze ergibt sich aus der zweiten der Satz, daß es wohl jedem Menschen freistehen soll, nach seiner Fasson selig zn werden, daß aber niemand das Recht hat, seine Fasson — heiße sie nun Weltanschauung, poli­tische Einstellung oder anders — seinen Mitbürgern auf zudrängen, noch auch durch unwahre Demagogie aufzuschwatzen. Auch in diesem Belange kann mit Befriedigung festgestellt werden, daß alle maßgeben­den, Faktoren unseres Staates der gleichen Ansicht huldigen. Aus all dem ergibt sich meines Erachtens der Beruf des Pester Lloyd. Um ihn zu erfüllen —nicht etwa im eigenen Interesse oder im Interesse irgend­welcher Gruppen «der Stände, sondern im Interesse der ganzen Natioir—, muß er freimütig sein können und zu diesem Behufe unabhängig sein. D’.'es wieder nicht, um mit der Unabhängigkeit irgendeinen Miß­brauch zu treiben, oder der Staatsmacht selbst-zwecklioh unangenehm zu werden, sondern aus der Erkenntnis heraus, daß dieser Freimut und diese Unabhängigkeit aus nationalen Gründen allerhöch­ster Ordnung als Garantie für den Fall zu bewahren ist, daß ein späteres Regime etwa die Ideale anzu­tasten versuchte, die dem heutigen verfassungsmäßi­gen Regime gle'chfalls als solche vorschweben,. Geschichte und Voraussicht drängen jeder Regie­rung allezeit die Erkenntnis auf, daß Zeiten kommen können, in denen ein Regime ent­gegengesetzter Auffassung zur Macht oder auf den Weg zur Macht kommen könnte, und daß für solche Zeiten die Freiheit und Unabhängigkeit der loyalen Presse eine Notwendigkeit von unschätz­barem Wert ist. Auf diesem Grundgedanken beruht ja jede Verfassung, die letztlich immer aus einschrän­kenden Normen für die jeweilige Gewalt zusammen­gesetzt ist. Unzutreffend ist auch das oft gehörte Gegenargument, daß in einem solchen Falle diese Schranken ohnehin wertlos seien, weil die Gewalt mit ihnen flufräumt. Die Erfahrung lehrt, daß die Gewalt in der Mehrzahl der Fälle zunächst die ver­fassungsmäßigen Formen benützt oder mißbraucht, hiedurch die große Masse viel leichter einfängt und daß hemmungslose Maßnahmen, die von einem früheren Regime mit bestem Willen, aber oft aus einer immerhin kurzsichtigen Art von Bequemlich­keit eingeführt wurden, von dem mit einem durch­aus entgegengesetzten Vorzeichen versehenen nach­folgenden Regime als höchstwillkommenes Inventar übernommen werden. SILBER-er^f Ugg KE PPS 2MÜrg°,rdant,ich BlAüTUVlI^E Kürschner gchmideg 3 Bildungsreisende wird immer mehr durch den Ver­gnügungsreisenden, zunächst durch dessen ersten Vertreter: den romantischen Reisenden zurückge­drängt. Im 18. Jahrhundert reisten hauptsächlich Studenten und Aristokraten, jetzt beginnen auch die Schönen Seelen des aufsteigenden Bürgertums sich auf den Weg zu machen. Ihr Führer ist aber nicht mehr das Geschäftsinteresse, sondern die Dichtung, sie wählen als Leitstern nicht mehr die bildende Er­fahrung, sondern das neue romantische Naturerleb­nis. Dieser wachsende Erlebnishunger entdeckt nun auch das „romantische Ungarn“. Die Schüler Rousseaus suchten die reine und ungefälschte Natur, den noch nicht verdorbenen, guten Menschen, die unverzerrten Idealformen der freien menschlichen Gesellschaft. Die Gefolgschaft Byrons verlangte nach Einsamkeit, in der die Seele mit dem gewaltigen All eins werden konnte; sie entdeckte die Alpen, die Steppen und das Meer, die von Gottes Worten trächtige Stille, und den über­menschlich erhabenen Pathos der Natur. Die Indien lagen indessen weit entfernt, die Alpenmode flaute allmählich ab, und als der Romantiker auch Ameri­kas „Krämergeist“ aus eigener Erfahrung kennen lernte, mußten der Sehnsucht nach exotischen Er­lebnissen neue Wege gewiesen werden. So wandte sich das Interesse dem vorhin noch sehr vernach­lässigten, für uninteressant und bestenfalls für un­heimlich gehaltenen Karpathenbecken zu. Hier fand man alles, was man ersehnte. Gleich auf der Donau­reise die Kontrastwirkung zwischen der glorreichen, abbröckelnden Vergangenheit Pozsonys, Eszter­­goms und des rätselhaften, melancholischen Natur­schweigens der Flußmündungen und der Weidenge­büsche der Schüttinseln. Von Pest aus konnte man sich kopfüber in die ergreifendste Naturromantik stürzen: da war die Puszta, das Land der unendli­chen Einsamkeit und der unendlichen Freiheit, der schrankenlosen Leidenschaften und der andächtig­sten Innerlichkeit der Seele. Lenau fand nun für die sich stumm regenden Empfindungen und Erlebnisse das erlösende Wort. In der Begegnung des Zeit­geistes und des Genies entstanden auf diese JVeise jene wunderbaren Dichtungen, mit denen der große Deutsch-Ungar sich selbst und auch einen wesentlichen Aspekt des „romantischen Ungarns“ unsterblich machte. Aber auch schon in diesen Dichtungen kann man das Emportauchen jener anderen Schicht der zeitgenössischen ungarischen Wirklichkeit beobach­ten, die dann etwas später von der gebändigten und verbürgerlichten Romantik angeeignet und gehörig ausgeheutet wurde: die Biedermeier-Idylle und das volkstümliche Genrebild. Diente der echten Roman­tik die Wirklichkeit nur als Sprungbrett des Tem­peraments, als Damm oder Sturmbock der schönen, großen Leidenschaften, so wendet sich die Auf­merksamkeit und die Hingabe des Biedermeier dem intimen, aber doch poetischen Alltag zu. Die erha­bene Stille und Größe der Puszta weicht allmählich der freundlichen, menschennahen Innerlichkeit des Dorfes. Der Zigeuner — früher noch Sinnbild des unstillbaren Freiheits- und Wanderdranges, des „Bohementums“ des Dichters — spielt jetzt zum Zechen im Wirtshaus oder zum Hochzeitsfest im Bauernhof auf; die Einöde bevölkert sich mit Her­den, Hirten, Heideschenken; die Fata Morgana schaukelt auf Ihren sanften Wellen die Bilder fer­ner Kirchen, Dörfer und Städte: Schauplätze fried­lichen ländlichen Lebens. Auch der Betyár erscheint friedlicher und bésanftigter, eher Beschützer der Armen, als Mörder und Wegelagerer. (Bald wird er natürlich zum „Opfer der Gesellschaft“.) So taucht inmitten der romantischen ungarischen Landschaft das genrehaft-idyllisch gestaltete ungarische Volks­leben auf. Karl Becks „Jankó, der ungarische Roß­hirt“ erscheint in den Reisebüchern, Erzählungen und Romanen in hundertfachen Abwandlungen und aus der langen Reihe weniger bedeutender Land­schafts- und Genremaler tritt allmählich der Meister und Spezialist dieser Gattung: Pettenkofen hervor. Die pathetische Naturschilderung und die in­time Genremalerei bedeuten indessen nur zwei Schichten des romantischen Ungarnbildes. Die dritte, außerordentlich wichtige Schicht liefern das politische Schrifttum des Vormärz und die Frei* heitsbewegungen. Schon Karl Beck verdankt einen wesentlichen Teil seines Erfolges dem Umstand, daß er im Kreise der Vertreter des „Jungen Deutsch­land“, in Leipzig, als verfolgter geistiger Kämpfer der ungarischen Freiheitsbewegung gefeiert wird. Das revolutionäre „Jungeuropa“ beobachtet die un­garischen Ereignisse mit reger Aufmerksamkeit, und als diese immer stärker der Revolution zutrei­­hen, ertönt überall der freundschaftliche Jubel der Gleichgesinnten. Schon die Geste des ungarischen Adels, mit der er seine Vorrechte zugunsten des ihm hörigen Volkes eingeschränkt hatte, beeindruckte diese europäische Öffentlichkeit aufs stärkste, als aber dann das neue, revolutionäre Ungarn gezwun­gen war, seine neue Verfassung und seine Freiheit gegen die Habsburg-Reaktion auch mit Waffen zu verteidigen, wurde es wieder als Träger eines großen europäischen Gedankens, als Vorkämpfer der Frei­heit der Völker in das Bewußtsein des Westens ein­geprägt. Die Vorstellung von der freien, unend­lichen Puszta-Landschaft und von den freien, un­verbildeten ungarischen „Eingeborenen“ ließ sich leicht durch die Vorstellung vom unerschrockenen Freiheitshelden ergänzen. Die farbenreichen, oft stark romantisierten Nachrichten vom Freiheits­krieg lieferten zur These ein reiches Beweismate­rial: die Ungarn erschienen als das Volk der Frei­heit. Es ist also nicht verwunderlich, daß die neue Ungarn-Begeisterung vor allem zwei Gestalten mit dem Glanz auserwählter Repräsentanten ihres Vol­kes umgab: Petőfi und Kossuth, die romantischsten und romantisiertesten Persönlichkeiten vielleicht der gesamten ungarischen Geschichte. In der Dich­tung des ersteren wurden alle Motive des euro­päisch bekannten und beliebten romantischen Un­garnbildes mit der Kraft, Frische und Klarheit eines außergewöhnlichen Genies endgültig zusammenge­faßt, die Laufbahn des letzteren vermochte den Weg des Ungartums vom beengten Lokalpatrio­­lismus zur gewaltigen Inspiration einer alle Völker umfassenden, freien Humanität zu symbolisieren. Emerson konnte in ihm mit Recht den wahren Hel­den seiner Zeit, den größten Demokraten feiern. Der Ring Kar damit geschlossen, das Bild voll«

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