Pester Lloyd - esti kiadás, 1938. január (85. évfolyam, 1-24. szám)

1938-01-03 / 1. szám

Montag, 3. Januar 1938 • 8» PESTER LLOYD Bedeutende innenpolitische Erklärungen am Jahresbeginn. Zwei große Reden der Abgeordneten Eckhardt und Rassay. Die Neujahrsrede des Abgeordneten Dr. Eckhardt. Abgeordneter Dr. Eckhardt hielt heute im Kreise seiner Parteimitglieder eine Rede, in der er in um­fassender Form die politische Lage skizzierte und ohne sich in Einzelheiten zu vertiefen, den prin­zipiellen Standpunkt seiner Partei in der Wahl­rechtsvorlage festlegte. Vor seiner Rede beglückwünschte ihn unter be­geisterten Eljenrufen der anwesenden Parteimitglie­der der Vizepräsident der Fraktion Abg. Dr. Tildij zum Neuen Jahr, wünschte ihm für die bevorstehen­den schweren politischen Kämnfe Kraft und Gesund­heit und wies darauf hin, daß die Partei der Kleinlandwirte ein Lager der Freiheit bilden werde und nie feig und mit ver­schränkten Armen dulden werde, daß die Freiheits­rechte dieser Nation angetastet werden. Abg. Tildy hob mit Genugtuung hervor, daß heute schon alle maß­gebenden Faktoren des ungarischen öffentlichen Le­bens manche Auffassungen teilen, die Eckhardt seit Jahren verkündet. Als evangelischer Geistlicher un­terstrich er in dieser Hinsicht mit besonderer Genug­tuung die Weihnachtsbotschaft der katholischen Bischöfe, als oppositioneller Politiker aber die Radio­botschaft des Ministerpräsidenten. Schließlich warf er die Frage auf, ob heute, an der Schwelle der Er­weiterung der Freiheitsrechte, es nicht erwägenswert sei, die Ausübung dieser Freiheitsrechte denjenigen zu verweigern, die bewußt und in zynischer Weise die Vernichtung aller Freiheitsrechte verkünden. Abg. Dr. Eckhardt dankte zunächst für die Glückwünsche der Partei und für die Treue und An­hänglichkeit ihrer Mitglieder, mit der sie inmitten schwerer Kämpfe allein und auf sich verlassen, sich für die Ziele der Pariei eingesetzt hatten. Dieses Ziel sei keineswegs die Eroberung der Macht, sondern die Eroberung der vollen politischen und sozialen Rechte für die ungarische Dorfbevölkerung. Dr. Eckhardt sprach sodann darüber, daß die männliche und patriotische Disziplin, die die Partei in den vergangenen Jahren an den Tag gelegt und die mäßige und ernste Kritik, die sie an der Politik der gegenwärtigen Regierung und der ihrer Vorgän­gerin geübt hatte, durch die Ereignisse gerechtfertigt worden sei. Obwohl die Partei auf die Vorteile der oppositionellen Haltung verzichtend, das Odium des Kampfes gegen die extremen Richtungen auf sich ge­nommen hatte, ohne irgendwelche Früchte der Zu­vorkommenheit gegenüber der Regierung zu genießen, wurde ihr Vorgehen vom ungarischen Volke vollauf verstanden. Kritik an der Wahlrechtsvorlagc. Die Wahlrechtsvorlage, fuhr Dr. Eckhardt fort, wenn auch nicht die Tatsache der geheimen Abstim­mung allein, bedeutet unserer Meinung nach einen Wendepunkt in der politischen Geschichte des Landes, denn fortab wird jeder, der in dem öffent­lichen Leben eine Rolle zu spielen wünscht, wird jede Regierung und vor allem die ungarische Verwaltung die Freundschaft des Volkes suchen und die Kluft überbrücken müssen, die heute noch zwischen Ver­waltung und Volk besteht. Was die Vorlage selbst anbelangt, so wollen wir diese Vorlage verbessern, aber nicht zu Fall bringen. Die Vorlage ist in ihrer heutigen Form unannehm­bar, ihre wichtigen Bestimmungen müssen abge­ändert werden, doch werden wir trachten, ebenso wie wir bei den früheren staatsrechtlichen Vorlagen vor­gegangen sind, mit fachgemäßer ernster Kritik den Gesetzentwurf soweit abzuändem, daß er für die politischen Interessen des Volkes annehmbar werde. Obwohl nun diese Vorlage in ihrer heutigen Form unannehmbar ist, so will ich dennoch meine Aner­kennung für ihre Einreichung sowohl der Regierung wie auch der Regierungspartei ausdrücken. Beide verzichteten auf die bisherige bequeme Regierungs­methode, namentlich die Mehrheitspartei verzichtete auf die bisherige politische Geschütztheit, die bedeu­tend wirksamer war als- die wirtschaftliche Ge­schütztheit. (Lebhafter Beifall.) Die politische Rolle der ungarischen Intelligenz. Dr. Eckhardt befaßte sich sodann mit zwei Ar­gumenten, die seiner Ansicht nach in der bevor­stehenden großen öffentlichen Diskussion im Vor­dergrund slehen werden. Das erste dieser Argumente besagt, daß die Herrschaft der intellektuellen Mittel­klasse unbedingt gesichert werden müsse. Hierüber sagte Dr. Eckhardt folgendes: — In den verflossenen zwei Jahrzehnten hat die ungarische Intelligenz niemals geführt, sie hat sich bloß immer angepaßt. Ihre Rolle bestand nur darin, die eigenen Positionen, unter welchem politischen Re­gime immer, zu sichern, und sie hat damit die größte Enttäuschung den breiten Massen der Bevölkerung bereitet. (Langanhaltender Beifall und Zustimmung.) Die größte Enttäuschung in dieser Hinsicht mußte Graf Stefan Bethlen erleben, denn solange er an der Macht war, wurde er von der Intelligenz, die ihm mehr als irgend jemand andern zu verdanken hatte, angeschwärmt, und sobald er zurücktrat, in schnö­dester Weise im Stich gelassen und sogar angegriffen. Die Elite der ungarischen intellektuellen Mittel­klasse, die kraft ihrer Arbeit und ihres Charakters das Vertrauen des Volkes gewonnen hat, wird auch in der Zukunft ihre wichtige Rolle beibehalten. In den Städten und den Industriebezirken, unter dem Druck der geheimen Abstimmung hat die Intelligenz ihre sozialen Pflichten erfüllt und auch ihren wich­tigen Einfluß bewahrt. Die Basis der künftigen Po­litik Ungarns muß die ungarische Bauernschicht werden, die stets und immer — im Kriege, unter dem Kommunismus, unter dem härtesten Druck der Verwaltung — bei ihren Prinzipien ausgeharrt hat, und auf die wir die politische Zukunft dieses Lan­des mit ruhigem Gewissen bauen können-Die Vertretung der Arbeiterschaft. Das zweite Argument, das in ernster Form uind von maßgebender Seite zum Ausdruck gebracht wurde, lautet dahin, daß eine Proletarierherrschaft in Ungarn unter keinen Umständen zugelassen wer­den könne. Das Argument ist richtig. Die Herrschaft keiner einzigen Klasse darf geduldet werden, da­gegen müssen wir dafür sorgen, daß jede Klasse, jede Schicht, jeder Beruf im Verhältnis zu seinem politischen und wirtschaftlichen Gewicht eine Ver-, tretung in der Gesetzgebung erhalte. Wer da glaubt, daß die Frage des ungarischen Proletariats durch politische Mittel gelöst werden kann, indem man die Vertreter des Proletariats aus der Gesetzgebung aus­­sohließt, öffnet die Tür neuen umstürzlerisChen Be­wegungen. Ist es denn ein Nachteil für die rechts­gerichtete und christlichnationale Politik, daß die Beglückwünschung des Reichsverwesers. Am Neujahrstage hat der Reichsverweser zur Entgegennahme der Neujahrsgratulationen die fol­genden Persönlichkeiten empfangen: Ministerpräsi­denten Koloman Darányi, in Vertretung des Ober­hauses den Vizepräsidenten Ladislaus Beöthy, in Ver­tretung des Abgeordnetenhauses Präsidenten Alexan­der Sztranyavszky, die Abordnung der Hauptstadt unter Führung des Oberbürgermeisters Eugen Kara­­fiáth, Honvédminister Wilhelm Röder, den Ober­kommandanten der Honvéd G. d. I. Hugo Sónyi und Feldmarschalleutnant Eugen Ratz in Vertretung der Armee, den General der Infanterie i. R. vitéz Baron Alexander Szurmay und den General der Infanterie i. R. vitéz Koesárd Janky in Vertretung des Mili­tärischen Maria-Theresien-Ordens, den General der Artillerie i. R. vitéz Anton Hellebronth in Vertretung des Heldenordens, schließlich eine Abordnung des reformierten Kirchendistrikts. industrielle Arbeiterschaft nicht mehr elektrische Straßenbahnwagen umstürzt und Straßenkrawalle veranstaltet, sondern ihre Wünsche und Beschwer­den durch 14 wohlerzogene und freundliche Herren im Abgeordnetenhause zum Ausdruck bringen kann? Wenn die Vertreter des landwirtschaftlichen Prole­tariats im Abgeordnetenhause Sitze erhalten werden, so dürften wir einige Male höchst unangenehme Dinge zu hören bekommen, wir würden aber ein richtiges Bild über die Wünsche und Beschwerden dieser großen Schicht erhalten. Aus diesem Grunde bin ich dafür, daß die Vertreter des landwirtschaft­lichen Proletariats unter allen Umständen Eingang in das Abgeordnetenhaus gewinnen sollen. Die Kritik an den Einzelbestimmungen der Wahlrechtsvorlage. Über die Bedingungen des aktiven Wahlrechts, wie sie die Vorlage enthält, führte Dr. Eckhardt fol­gendes aus: — Die Bedingungen des aktiven Wahlrechts sind teilweise unerfüllbar. Es gibt in Ungarn bloß seit 21 Jahren sechsklassige Mittelschulen. In den meisten Provinzstädten und Dörfern gab es nur vierklassige Volksschulen. Die Männer und Frauen, die heute in ihrem 26. Lebensjahre stehen, waren also nicht in der Lage, diese Bedingung zu erfüllen. Man kann demnach die Ausübung des Wahlrechts nicht an eine unerfüllbare Bedingung knüpfen. Das Aushilfs­postulat des Lesens und Schreibens ist aber unan­nehmbar, weil seine Feststellung von den Verwal­tungsbehörden abhängt. Die grundlegende Bedingung muß demnach die Absolvierung der vierklassigen Volksschule bleiben. Nach gründlicher Erwägung muß ich festsiellen, daß die Vorlage im großen und ganzen gegen die Dorfbevölkerung gerichtet ist. Land­wirte mit einem Besitz von weniger als 60 Kronen Katastralertrag geraten in eine ungünstigere Lage als das landwirtschaftliche Gesinde. Die Erhöhung der Kinderzahl für weibliche Wähler von drei auf vier ist ein Mißgriff. Eine hohe Kinderzahl ist heute nur bei Proletariern zu finden, diese Verschär­fung dient also keineswegs zur Stärkung des Ein­flusses der bürgerlichen Elemente. Aber auch das Wahlverfahren enthält schwere Fehler, denn man trachtet, in den Dörfern das gleiche Wahlverfahren einzufühlen, wie in der Hauptstadt. Man vergißt, daß Bestimmungen, die in der Haupt­stadt nützlich sind, in einer kleinen Ortschaft nur schaden. Bei der Zusammenstellung des Zentral­wahlausschusses werden die Interessen des Dorfes außer acht gelassen, wodurch Mißbräuche entstehen können, gegen die wir entschieden Stellung nehmen müssen. Was sagt man zum Beispiel dazu, daß vor einigen Wochen bei einer Wahl der ganze Wahlstab an Ort und Stelle blieb, während die Wahlurne nach einem Orte gebracht wurde, der 30 oder 40 Kilometer weit entfernt war und wo dann die Zählung der Stimmen erfolgte! Vor kurzem hat sich sogar der Fall ereignet, daß das Wahlergebnis in der Privat­wohnung eines Obergespans verkündet wurde. Ein solches System ist völlig unhaltbar. Nach der Lektüre des Wahlrechtsentwurfes halte ich Gelegenheit, mit dem Herrn Ministerpräsi­denten und seinen engeren Mitarbeitern über diese Fragen eingehend zu sprechen. Es gereicht mir zur besonderen Freude, ihnen, meine verehrten Freunde, die Mitteilung machen zu können, daß ich gewisse beruhigende Aufklärungen erhielt und ich mich da­von überzeugen konnte, daß die Regierung bereit ist, an der Wahlrechtsvorlage eine Reihe von Abände­rungen und Modifizierungen vorzunehmen, und daß der Herr Ministerpräsident erklärt hat, er wolle alle Abänderungsanträge, die ein reines und ehrliches Wahlrecht bedingen, auch seinerseits akzeptieren. (Stürmische Zustimmung.) — Ich bitte darum meine Freunde und Mit­arbeiter, die Wahlrechtsvorlage im Abgeordneten­­hauise nüchtern und objektiv zu beurteilen, ebenso, wie dies bei der Verhandlung der beiden voran­­gegamgenen staatsrechtlichen Vorlagen der Fall ge­wesen ist, damit die ungarische Nation ein ehrliches, annehmbares Wahlrecht erhalte. (Lebhafte Zustim­mung.) Soziale und wirtschaftliche Reform­politik. — Der politischen Wandlung, die in den letzten Monaten eingetreten ist, muß auch eine soziale und wirtschaftliche Wendung folgen. Noch vor der Ein­führung der geheimen Abstimmung, bezw. vor dem Inkrafttreten des Wahlreohtsentwurfs hat die unter meiner Führung stehende Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte die Pflicht, ein soziales, wirtschaft­liches und politisches Programm zu verkünden. Wir müssen eine entsprechende nationale und völkische Politik befolgen (Stüjjpische Zustimmung) und aus der Proletarisierung Lmaarns die weitestgehenden Konsequenzen ableiten Wir müssen alles aufbieten, um diesen Prozeß aufzuhalten und die Verbürger­lichung breiter Schichten der Bevölkerung zu ermög­lichen. Wir müssen die Arbeitslosigkeit mit Arbeits­gelegenheit bekämpfen. (Allgemeine lebhafte Zu­stimmung.) Dies ist meiner Ansicht nach der ver­­naohlässigtste Teil des ungarischen Lebens und auf diesem Gebiete traben wir die geringsten Ergebnisse erzielt. Alle Diktatoren — unabhängig davon, zu wel­cher Weltanschauung sie sich bekennen — haben das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst und keine einzige Nation kann sich heute den mörderischen Luxus gestatten, einen Teil der Bevölkerung der Vernichtung preiszugeben. — Worin besteht das größte Verdienst eines Hitler, eines Mussolini? Meiner Ansicht nach darin, daß sie das Problem der Arbeitslosigkeit gelöst haben. Dieses Problem wurde auch in Frankreich und in England in Angriff genommen, und noch vor dem Ausbruch des Weltkrieges hat Lloyd George die progressive Erbschaftssteuer eingeführt. In die­sen Ländern wurden alle revolutionären Strömun­gen durch soziale Maßnahmen verhindert, in erster Reihe wohl in England. Die Lösung des Arbeits­­losenprofolems ist meines Erachtens eine der wich­tigsten Aufgaben des Staates, denn von der Lösung dieser Frage hängt das Wohl und Wehe von etwa 2 bis 3 Millionen Ungarn ab. Judenfrage und christliche Politik. In den letzten Monaten ist viel über die christ­liche Politik und Weltanschauung gesprochen und gesclirieben worden. Aber zu gleicher Zeit hat sich die Verteilung des Volkseinkommens geradezu katastrophal gestaltet, und — ich will es ganz offen lieraussagen — ein Teil dieses Einkommens ist in jüdische Hände übergeglitten. Wir müssen also die Ursachen aus der Welt schaffen, durch die die anti­semitische Strömung hervorgerufen wurde und im­mer neue Nahrung erhält. Und wenn wir sehen, daß die Pfeilkreuzlergrafen die öffentliche Meinung gegen das jüdische Kapital in Bewegung setzen, dann ergibt sich die gebieterische Notwendigkeit, daß wir diesen ganzen Fragenkomplex vom Gesichtspunkt der Re­vision des Friedensvertrages von Trianon beurteilen. Es wird nicht gelingen, uns in eine antisemitische Richtung hineinzutreiben. Wir wollen Ungarn nicht balkanisieren, wir wollen vielmehr einen ungarischen nationalen und1 völkischen Staat schaffen, in dem die Verteilung des Einkommens auf Grund der ge­leisteten Arbeit erfolgen soll. (Stürmische Zustim­mung und Applaus.) Wenn wir die Revolution oder Diktatur verhindern wollen, dann müssen wir den goldenen Mittelweg betreten und ihn dürfen wir nie­mals verlassen. — Die Regierung hat im neuen Jahre bedeut­same und wichtige Aufgaben zu erfüllen, von wei­chen vielleicht die Ruhe und der Frieden des Landes abhängen. Die Regierung muß dafür sorgen, daß das gegenwärtige Preisniveau unserer Landwirtschaft auf der derzeitigen Höhe erhalten bleibe, und daß sich der Taglohn für die landwirtschaftlichen Arbeit­nehmer diesen Preisen anpasse. (Stürmischer Applaus.)

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