Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1938. február (85. évfolyam, 25-47. szám)

1938-02-01 / 25. szám

J vDienstag, 1. Februar 1938 • Ő • PESTER LLOYD Die Wekerle-Pokalrede des Geheimen Rats Dr. Béla Imrédy in der General­versammlung des Landeskasinos. „Dieses Land war stets das Land der Gentlemen und muß es auch bleiben.“ In der diesjährigen Generalversammlung des Landeskasinos am Sonntag hielt Geheimer Rat Prä­sident der Ungarischen Nationalbank Dr- Béla Imrédy die Wekerle-Pokalrede, die kraft ihrer voll­endeten Form und der darin enthaltenen tief­schürfenden und ernsten Gedanken einen starken Widerhall in der öffentlichen Meinung Ungarns er­wecken dürfte. Den Gedankengang der großen Rede geben wir in folgendem wieder: — Zwei Fragen harren der Beantwortung, wenn wir das Zeitalter und die Persönlichkeit des Grün­ders des Kasinos heraufbeschwören. Die erste ist, ob in der stürmischen Spannung der nationalen und gesellschaftlichen Probleme Alexander Wekerle, der Held des Zeitalters des bürgerlichen Wohlstandes, sein Lebenswerk und der darin enthaltene Geist noch eine Inspiration zu geben vermögen. Die zweite Frage ist, ob heute, da das Problem der sozialen Gerechtig­keit die Seelen beschäftigt und s"hreiende Mauer­­ansfihläge das Gesamt- und das Einzel gewissen er­schüttern, da von einer Seite die Gedanken der De­mokratie, -von der andern die der völkischen Ge­meinschaft die noch bestehenden Scheidemauem der gesellschaftlichen Schichten . ahbrö"keln, eine ge­schlossene Gesellschaft wie dieses Kasino noch das Anrecht besitzt, einen Platz in den neuen Lebens­formen der Gesellschaft für sich zu fordern. Wekerle war ein liberaler Politiker und obwohl der Liberalis­mus auf dem Markt der politischen Ideen heute nicht besonders hoch notiert, muß man anerkennen, daß die liberale Richtung in dieser Zeit eine so herr­schende Stellung einnahm, daß ein Staatsmann schöpferisch nur mit ihrer Hilfe sich betätigen konnte. Wekerle aber war ein schöpferisches Genie, das Leitmotiv seines Werkes, der Ideeninhalt seiner Arbeit war, die nationale Seele mit einem materiel­len Rückgrat zu stärken. Und heute, da die Saat Sfefan Széchenyis in die Halme geschossen ist und die christliche Gesellschaft den Wert der wirtschaft­lichen Arbeit immer mehr erkennt, ist es nur billig, festzustellen, daß für die praktische Betätigung der Ideen Széchenyis niemand mehr geleistet hat als Alexander Wekerle. Ein weiterer herrschender Zug des Lebens Werkes Wekerles war die immer wieder­kehrende Verkündung der Solidarität der verschie­denen Berufszweige und Gesellschaftsschichten der Nation. Dr. Imrédy führte dann die großen sozialpoliti­schen Schöpfungen Wekerles und seiner Mitarbeiter Ignaz Darányi und Johann Teleszky an: die land­wirtschaftlichen Gesetze, die Arbeiterversicherung, den Bau der Arbeiterwohnungen, die progressive Be­steuerung, lauter Meilensteine auf dem Wege, der vom bis aufs Mark liberalen Zeitgeist zur modernen Auffassung führte. Nun war es mit Byrons Widerstandskraft zu Ende. Langsam brach er zusammen. Am 22. Januar 1824 war er in sein 37. Jahr getreten: laut einer eli­stigen Prophezeiung sollte dieses Jahr verhängnis­voll für ihn werden ... Eine düstere Melancholie be­mächtigte sich seiner; das elende, ungesunde Klima, die vielen Aufregungen untergruben allmählich- seine schwache Konstitution. Hätte er damals das ganze mißglückte Abenteuhr, an das er ja selber nie ge­glaubt, aufgegeben; hätte er sich nach freundliche­ren Gestaden begeben, sich einer Kur unterworfen, so hätte er vielleicht noch gerettet werden können. Doch wies er solche Zumutung empört von s ch: nie und nimmermehr würde ein Byron fahnenflüchtig werden! Dann, am 9. April, ritt er aus, — wie ge­wöhnlich, wenn er sich nur halbwegs wohl fühlte — und wurde von e'nem kalten Regen überrascht, bis auf die Haut durchnäßt... Bald setzten Schüttel­frost und heftige Schmerzen e'n, hohes Fieber, das nicht naehlassen wollte. Nach zehntägigem Leiden entschlief er sanft am späten Nachmittag des 19. April 1824. Wie immer er gelebt: er starb wie e’n Mann, wie ein englischer „gentleman“ — sah dem Tode un­erschrocken ins Antlitz, zeigte wahre Größe im Er­tragen seiner Leiden. Daß er aber auch seelisch grau­sam gel'tten, dafür zeugen seine wirren Worte, die im halb bewußtlosen Zustand den erstarrenden Lip­pen entströmten. „England ... mein Weib ... meine Ada ... die Heimkehr...“ Und immer wieder, schmerzlich bewegt: „zu spät —- jetzt ist es zu spät...“ Der Angstruf eines verfehlten, vergeude­ten, schwindenden Lebens! Nach tagelangem Ringen schien Friede in seine gemarterte Seele einzuziehen. „Nun will ich schlafen“ — waren seine letzten Worte und ruhig lag er nun da bis zum letzten Atemzug. Wonach er sich in den letzten Jahren so glühend gesehnt, ward ihm dann im Tode zuteil: England empfing den verlorenen Sohn mit gebührenden Ehren und der sechste Lord Byron durfte sich end­lich. nach all den Irrfahrten seines bewegten Le­bens, auf heimatlichem Boden, in der kühlen Gruft zu Hucknall Torkard zur Ruhe legen ... Im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen cha- j rakterisierte der Redner in plastischen Sätzen die Persönlichkeit des großen Staatsmannes, seine Bon- i homie, sein psychologisches Fingerspitzengefühl, j seine Abneigung gegen Spiegelfechterei, seinen Fleiß, sein Wissen und seine Arbeitskraft. Den tiefen Emst, | mit dem Wekerle die großen wirtschaftspolitischen . Fragen des Landes behandelte, charakterisierte Dr. Imrédy mit folgendem Zitat aus einer Studie We­kerles: „Ich warne jeden davor, die Kampfmittel leichtsinnig zu führen und mit Schlagworten von der Straße Wirtschaftspolitik betreiben zu wollen. Die Politik der Nichtstuerei ist gewöhnlich die Po­litik der Verzweiflung, die dann von" der Politik der guten Hoffnungen abgelöst ku werden pflegt, da man von einzelnen Maßnahmen als Panazeen alles er­wartet. Auf Grund kurzer, sagen wir sechswöchiger ' volkswirtschaftlicher Studien, vereint mit der Politik ! der Kühnheit, pflegen diese Wirtschaftspanazeen am j Horizont zu erscheinen.“ — Wekerle war wirklich und wahrhaftig kein ! Mann der Panazeen, fuhr Dr. Imrédy fort, er hat niemals die Nation in die von Weindunst erfüllte Atmosphäre der guten Hoffnungen eingehüllt, er hát | die zu lösenden Fragen intuitiv erfaßt und so lange nicht aus der Hand gelassen, bis er aus der formlosen Masse die monumentalen Lösungen herausgemcißelt hat. Die Beantwortung der zweiten von ihm gestellten j Frage leitete Dr. Imrédy mit einem anderen Leit­motiv des Oeuvres Wekerles ein, mit dein Postulat j das ethisch gereinigten öffentlichen Geistes. Dieses Postulat verknüpfte der Redner mit dem so oft ge­hörten und stets wiederholten Charakterzug der ungarischen Nation, der Ritterlichkeit. — Ritterlich ist, erklärte Dr. Imrédy, der mit , offenem Visier den Kampf aufnimmt, dem das ge- j gebene Wort heilig ist, der mit dem gleichen Maße sieh und andere mißt. Diese Ritterlichkeit ist gleich- j zeitig ein tiefempfundenes Christentum, die Trans­ponierung des großen Gebots der Nächstenliebe in das kampfvolle Lehen. Meine Herren! Diese Cliä­­rakterzüge der Ritterlichkeit wurzeln nicht bloß in den gebildeten Schichten dieser Nation, sondern auch in den Kindern dieses Volkes. Dieses Land war im- \ mer das Land der Gentlemen und muß es auch blei­ben. Wie es außer dem Karpathenbecken auf dem Erdenrund für uns keinen anderen Platz gibt, so kann auch auf der Landkarte der Moralität nur die Stelle ungarisch sein, wo alle Blumen der publica honestas blühen. Und heute, da „neue Horizonte vor ; uns flimmern“, da — die Terminologie überlasse ich dem persönlichen Geschmack — der Prozeß der De- j mokratiisderung oder der Verschmelzung mit der j Volksgemeinschaft das Angesicht unseres Landes unimodelt, müssen wir mit doppelter Sorgfalt darauf achten, daß dieses Land auch künftighin seine in­neren und äußeren Kämpfe vom Gentleman-Ideal durchdrungen austrage. Dieses Ideal, das aus der Legierung der Offenheit, der Treue, der Billigkeit und der Edelherzigkeit entstanden ist, duldet aber nicht mehr das Zierat des „Ichkults“. Der Gentleman muß heute in jedem Blutstropfen die Überzeugung haben, daß die Flucht in das Dickicht der Para­graphen vor den öffentlichen Pflichten, mag diese ; Pflichterfüllung Opfer an Zeit, Mühe, materielle ; Mittel, die Unterstützung der Gebrochenen betreffen, j das Beiwort des Gentlemanlike nicht mehr verdient, j Der Gentleman von heute muß es als seine Pflicht j erachten, diejenigen zu sich zu erheben, die das i stiefmütterliche Geschick auf einer niedrigeren Stufe j der Bildung oder der Lebenshaltung gelassen hat, er ; muß sie zu sich erheben, ohne sie fühlen zu lassen, 1 daß er sich gebückt hát. | Im folgenden Abschnitt seiner Rede kam Dr. Imrédy zu der Konklusion, daß die institutive Gel- i tung des geläuterten öffentlichen Geistes, der mo-j deinen publica bonos las, eine der Aufgaben ist, die j die höheren Schichten der Gesellschaft, also auch das ! Landeskasino, mit zu lösen haben. — Die Gerissenhe f, der Tanz zwischen den Paragraphen werden stets Früchte tragen, obwohl \ das Barometer der öffentlichen Auffassung über- ■ zeugend darauf hinweist, daß etwas nicht in Ord- j nung ist. Die Stunde hat geschlagen, da nicht bloß ! der einzelne gegen die Willkür des Staates, sondern | die Gesellschaft gegen die zersetzenden Bestrebun­gen des individuellen bösen Willens geschützt wer­den muß. und zwar durch selbständige und von der Tagespolitik unabhängige Elemente der Gesellschaft in Form von juryartigen Körperschaften. Die wach­samen Beschützer vermögen nicht diejenigen zu er­tappen, die ihre Pflichten als Staatsbürger und Steuerzahler nicht erfüllen. Aber im engen Kre'se einer Klasse oder eines Berufes kann man die For­derungen der Ehre und der Ehrlichkeit gegen die heimtückischen Feinde der Gesellschaft zur Geltung bringen. Um ein Lichtbündel auf die Dschungel der Saboteure und Brunnenvergifter, der Nutznießer, die sich auf die bre'ten Straßen der großen Ideen drän­gen, und der sonstigen Parasiten zu werfen, benöti­gen wir neue, auf den Boden der Alltágsarheit ge­stellte Scheinwerfer, die aber die Richtung den weit leuchtenden großen Feuern entlehnen müssen, de in den Wachtürmen der alten Feste der publica ho­­nestais unseres Kasinos und seiner Sehwesterinstitu­tionen lodern. — Meine Herren! Dies ist die heutige Variat'on des Leitmotivs Alexander Wekerles, der moralisch gereinigten öffentlichen Auffasung. Dese geläuterte öffentliche Auffassung muß in das ganze Land aus­strömen und unserem hiefür instinkiv befähigten Volke bewußt werden. Und wessen harrt in diesem Prozeß des Bewußtwerdens, in dieser nationalen Er­ziehung, in der Verkündung und Vertiefung dieses besonderen ungarischen Wertes der Ritterlichkeit eine größere Rolle als der Institutionen, die stets be­rufene Hüter des geläuterten öffentlchen Geistes und Pfleger des Ideals des vir probus, des „ordent- 1 eben Mannes“, waren? Möge diese Institution mit der edlen Vergangenheit die Strahlen des reinen öffentlichen Geistes ausströmen, jeden Ungar, der guten Willens st. beleben und wärmen, aber den Gemeinen zu Tode sengen. Dies wird das Recht unseres Kasinos zum Leben unanfechtbar machen, aber dies bestimmt auch seine Pflichten. Es ist zu­gleich auch der heutige Sun • der Idee der Gründer, auf deren Erfüllung ich diesen Pokal erhebe. Diskussion über den Sankfions- Paragraphen im Reformausschuß des Völkerbundes. Die Schweiz wi*l zur integralen Neutralität zurfickkehren. Genf, 31. Jsnuar. Im 25er Ausschuß für die Reform des Völker­bundes begann heute vormittag unter dem Vorsitze des Schweizer Professors Burckhnrdt die mit Span­nung erwartete große Aussprache über das weitere Schicksal der Sanktionier und des Artikels 16 der Völkerbundsatzungen. Der schwedische Vertreter Vndén ging von dein Bericht Lord Cranbornes über die Beteiligung ver­schiedener Staaten an den Arbeiten des Völkerbun­des aus, der den äußeren Anlaß für die Aussprache gegeben hat, und' nahm auf die jetzigen drei Arten Bezug, wie man 'nadh Cranborne-s Auffassung die kollektive Arbeit zur Aufrechterhaltung des Friedens organisieren könne, nämlich auf den Unterschied zwischen einem erzwingbaren, einem nicht erzwing­baren Vertrag und einem Mittelding, einer Vereini­gung, die zwar nicht gáraz auf die Anwendung von Zwangsmaßnahmen verzichten wolle, aber solche Maßnahmen nicht von vornherein pflichtgemäß ins Auge fasse. Undén betonte, daß die Gedanken, die der Völkerbundsatzung zugrunde . liegen, an sich richtig seien, und zwar schon deshalb, weil wenn man auf die Verletzung des Rechtes nicht reagiere, diese weitere Verletzungcin nach sich ziehen könne. Bei einer mangelhaften Universalität der Einrich­tung, sowie aus sonstigen Gründen könnten indessen irgendwelche Zwangsmaßnahmen unwirksam, bzw. unanwendbar werden. Außerdem sei der Artikel der Völkerbundsatzungen nicht in die Praxis umge­setzt worden. Es habe viele Angriffe und Kriegsfälle gegeben, aber Artikel 16 sei nur einmal angewendet worden, wobei man übrigens die kleinen Staaten nicht für das Versagen des Völkerbundes verantwort­lich machen könne. Die Auffassung der schwedi­schen Regierung lasse sich dahin zusammenfasseii, daß auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre und infolge der Schwäche des Völkerbundes ein großer Teil der Mitgliedstaaten zu der Feststellung gelangt sei, daß Artikel 16 nicht automatisch und obligatorisch funktioniere, d. h. der Bund nicht fähig sei, das Programm des Paktes in seiner Ge­samtheit durchzuführen. Er stelle somit nicht einen erzwingbaren Grund, sondern ein Mittelding im Sinne des Berichtes Lord Cranbornes dar. Worauf es ankomme, sei, daß diese Auslegung als loyal und berechtigt anerkannt werde. Dies bedeute keinen Verzicht auf den Grundsatz der kollektiven Sicher­heit oder auf die Möglichkeit irgendwelcher Inter­vention von selten des Völkerbundes.„Auch bedeute es nicht eine Schwäche, wenn man feststelle, daß die Doktrinen mit der Praxis nicht übereinstimmen. Nach der Auffassung des schweizerischen De­legierten Gorge findet die Aussprache über den Cranbome-Bericht viel zu spät statt. W äre dieser Bericht sofort erörtert worden, so wäre es vielleicht möglich gewesen, gewisse unangenehme Entwick­lungen in der Zwischenzeit zu vermeiden. In der Zwischenzeit habe aber die Universalität des Völker­bundes einen neuen Schlag erhalten. Die Schweiz wolle nichts tun, was die Schwierigkeiten des Völker­bundes noch vergrößern könnte, der Reformausschuß habe aber nicht die Befugnis, sich mit der Frage der besonderen Statuten der Schweiz zu beschäftigen. Diese Frage werde vielmehr vor dem Rat oder der V ölkerbundver&ammlung aufgerollt werden, zu welchem Zwecke die Schweiz eine Denkschrift über ihre Rückkehr zur integralen Neutralität überreichen werde. Bis jetzt habe es für die Schweiz Verpflich­tungen gegeben, die es zu erfüllen gewillt sei, soweit nicht ihre Neutralität dadurch in Frage gestellt sei. Heute sei aber die Erfüllung derartiger Verpflich­tungen nicht mehr möglich, ohne die Neutralität ernst zu gefährden. Die differenzierte Neutralität habe ihre Grundlagen verloren und Artikel 16 sei für die Schweiz unannehmbar geworden. Zwischen der tatsächlichen und der rechtlichen Lage dürften nie Zweifel bestehen. Es sei wichtig, aus der jetzigen Un­sicherheit herauszukommen. Wenn der Völkerbund den fakultativen Charakter des Artikels 16 feststelle, habe er größere Aussicht, sein Werk zu festigen. Die Anhänglichkeit der Schweiz am Völkerbund bleibe nichtsdestoweniger nach wie uor bestehen.

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