Pester Lloyd - esti kiadás, 1938. szeptember (85. évfolyam, 197-220. szám)

1938-09-02 / 197. szám

Freitag, 2. September 1938 PESTER LLOYD im Flug über Europe .* Budapest—Warschau—Wilno—Riga Von Emmerich Szalay Riga, T. September Hoffnungslos strömt der Regen. Der «türmische Nord­wind drückt die wirbelnden Wolken fast bis zum Boden. Die zerrissenen Wolkenfetzen wollen sich ihrer Last ent­ledigen und lassen kalte Tropfen in unseren Nacken fließen. Wahrhaftig, es ist höchste Zeit, zu türmen. Auf, fort aus Warschau! Hoffentlich ist es oben, mehr im Norden, besser. Der Bus der Polnischen Luftfahrtgesell­schaft (LOT) jagt auf der glitschigen Straße zum Flug­platz. Es war schade, sich so zu beeilen, die Maschine aus Budapest hat einige Minuten Verspätung. Die Wolken leg­ten sich über die Gipfel der Hohen Tátra. Der Pilot muß in solchen Fällen die größte Vorsicht walten lassen — macht weite Bogen um die gefährlichen Felsenriffe. Die wenigen Minuten Verspätung wiegen aber die Sicherheit auf, die dadurch gewährleistet wird. Die aus Budapest Kommenden und noch weiter nach Norden Strebenden müssen hier umsteigen. Auch die Post verschwindet bereits in dem Rachen des Luftungeheuers, ehern brausen die Motoren des Lockhead der LOT auf.,. Wenige Se­kunden ... Wir streben bereits den Wolken zu- Der spiegel­blanke Silberkörper der Maschine kommt nicht sehr hoch. Er wagt sich nicht in die Nebeldschungel hinein. Der Regen breitet einen grauen Schleier auf die Landschaft —• kaum ist der gelbe Strom der Wistel zu unterscheiden. Der Tauhe Wind spielt mit dem Flugzeug, die Luft­strömungen machen sich unangenehm bemerkbar und Werfen die Maschine auf und ab. Der Flugkapitän bemüht sich vergebens, einen Ausweg zu suchen. Er hat scheinbar wenig Hoffnung, sich durch die dicke Wolkenschicht ’durchzurackern. * Der niederträchtige Gegenwind wird doch' überwun­den und die Sturmzone, liegt bald hinter uns. Der Himmel hellt sich auf und für Sekunden wagt sich sogar die Sonne hervor — wir sehen wieder, wo wir fliegen. In einer Kurve des Njemen liegt Grodno verborgen. Parkanlagen, da­zwischen Häuser, wieder Parkanlagen: eine freundliche Stadt. Waldungen, Wiesen gleiten unter uns vorbei, aber nirgend ist eine Erhebung des Bodens zu sehen. Die trost­los eintönige Gegend wird nur in der Nähe der litauischen Grenze von einigen kleinen runden Teichen belebt. In der Ferne blitzen die Türme Wilnos auf. Ein ergreifendes Bild bietet aus der Höhe diese hübsche Stadt, die etwa eine Vjertelniillion Menschen beherbergt und seit anderthalb Jahrzehnten ständigen Anlaß zu den polnisch-litauischen Gegensätzen bot. Wir gleiten hinunter und nach dem stürmischen Wetter ist es wirklich angenehm, sich mal etwas zu recken. Es ist ein Genuß, sich von der Sonne wärmen zu lassen. Zoll- und Paßkontrolle sind rasch und schmerzlos überstanden und bald wird der Flug fortgesetzt. Wir pas­sieren den Wilija-Fluß und in kaum 20 Minuten landen wir in Kaunas. Zwei-Flüsse, die Wilija und 'der verschnör­kelte Niemunas, umklammern die Hauptstadt Litauens. Ein gegen den Himmel strebender Turm der mächtigen roten Kirche fesselt den Blick mit suggestiver Kraft und läßt kaum die großartige weiße russische Kathedrale und die übrigen Kirchen der alten Stadt zur Geltung kommen. Auf dem Flugplatz entfaltet sich bald eine angeregt« Unterhaltung. Der Flugkapitän Slawic un’d der Funker Piskos: sind im Erzählen. Die Polen sprechen für „s‘ gleichfalls wie im .Deutschen ein „s“, für „sz‘‘ aber „sch'1 — somit heißt unser Mann „Piskosch“. Eine elegante blendende Erscheinung, ein berühmter Mann. Im Frühjahr begleitete er den großen Piloten Polens Makourski. Ihr Flug umkreiste den halben Erdball. In 13 Tagen legten sie 30.000 Kilometer zurück. — Wir starteten aus Los Angeles — erzählt. Piskosl: —, wo wir die bestellte große Maschine übernommen haben. Unser Weg führte über Mittelamerika, wir überquerten den Panama-Kanal, wir sahen Südamerika. Unterwegs über den Anden haben wir fast den Hals gebrochen. Wir waren etwa 6000 Meter hoch. Ein fürchterlicher Sturm wütete in dieser Höhe. Der Wind erfaßte uns und schleuderte die Maschine in die Tiefe... — Hundert,,. zweihundert... dreihundert... Meter sind wir gefallen. Die scharfen Felsenriffe fletschten uns entgegen und ich dachte bereits, wir würden in Trüm­mer geschlagen. Makowski stellte plötzlich den Motor ab. Er brachte die Maschine in Gleichgewicht. Wir glitten etwa hundert Meter weiter in 'die Tiefe, da jauchzten schon wieder die Motoren auf und rissen die Maschine in die Höhe. Wir (waren gerettet. —- Auch Buenos Aires haben wir berührt. Über dem Ozean, im Verlaufe unseres weiteren Weges, drohten uns neue Gefahren. In etwa 4000 Meter Höhe legte sich eine schwere Eiskruste auf unsere Flügel, Kommen wir nicht rechtzeitig in di« Tiefe, um eine wärmere Luftströmung zu schnappen, so ruhen wir längst am Meeresboden. Wir kamen aber heit in Natal an, überquertem Afrika, guckten nach Rom un,i eines schönen Tages kamen wir in War­schau an. Der Funker faßt mich jetzt, am Arm undl heißt mich Platz nehmen. Wir starten. Ich bekomme zwei neue Mit­reisende. Mutter und Kind. Beim Abflug schlägt die Mutter das Kreuz, und sorgenvoll winkt sie ihrem Gatten zu. Das kaum fünfjährige, fast ziigeunerartig anmutende Knäblein zeigt aber keine Furcht. Es springt lebhaft herum — das Fliegen scheint ihm keine Neuheit zu sein. Seine großen Nußaugein haften am Boden, dbch bald wird ihm die Sache zu eintönig und er begehrt Einlaß in die Pilotenkoje. Der Flugkapitän ist aber streng und hat jetzt keine Zeit, zu spielen. Der Kleine legt sich fest in einen bequemen Stuhl und schlummert sanft ein. Bald sind wir wieder im öden, grauen Nebelmeer fein­geschlossen. Nur das dumpfe Brüllen des Motors ist zu hören. Man spürt nichts. Wir schweben im Nebel. Das eintönig Graue macht midi müde. Auch ich schlafe ein. Als ich erwache, habe ich- das Gefühl, von einer zarten, sanften samtartig anmutenden Damenhand gestreichelt worden zu sein. Die Sonne.scheint. Ihre Strah­len unigaukeln mein Gesicht. Doch wo sind wir? Über uns der pastellblaue Him­mel und unter uns eim unendliches, wallendes Mlilchmeer. Während ich schlief, bohrten wir uns über di« Wol­ken und genießen die Sonn«, während es unten jn Strö­men regnet. „Gut, gut. Wenn du nichts von mir willst, so willst du eiben nichts. Mein Kaffee ist nicht schlecht, freilich nicht so gut, wie der im eleganten Kaffee­haus, aber mir genügt er.“ Sie schien ermüdet und setzte sich. „Gehn kann ich auch nicht mehr. Ich bin eben fündundsiebzig Jahre. Deine Schwester Anna kann meinen Tod nicht mehr erwarten. Sie trägt schon jetzt alles vom Hause fort. Gestern hat sie sich den großen Topf ausgeliehen. Den Einkochtopf für Mar­melade.“ „Sie wird ihn doch wieder zurückbringen.“ „Die? Niemals! Am liebsten würde sie mir den Polster unter dem Kopf wegziehen. Sie hat kein Herz. Meinen Tod könntet ihr doch wirklich noch abwarten. Ins Grab kann ich nichts mitnehmen!“ „Weshalb sprichst du immer von uns allen, Mama? Ich habe dich noch nie um etwas gebeten “ „Nein, du bist wirklich nicht so. Du wirst es auch im Leben nie zu etwas bringen. Dein letztes Hemd würdest du den anderen geben. Du bist eben so verrückt.“ „Ob wir dich um etwas bitten öder nicht bitten, wir können es dir nie recht machen, Mama!“ ..Ihr macht eben alles verkehrt. Gott hat mich mit euch gestraft.“ Die junge Frau mußte das Lachen verhalten Doch ihrer Mutter war es nicht entgangen, Das hatte eben noch gefehlt. Eine Flut von Vorwürfen ergoß sich nun über sie: „Natürlich, jetzt lachst du mich aus. Rede nur, aller Narr, denkst du dir. Doch du irrst dich sehr, ich habe noch so viel Verstand wie irgend eine von euch, wenn ich auch nicht so viel gelernt habe wie ihr. Mit euren Studien seid ihr allerdings weit ge­kommen das sieht man bei Anna. Nach zwanzig­jähriger Hausfrauenpraxis leiht sie sich von mir den Topf zum Marmeladeeinkochen aus Na. den seh ich nie wieder. Es war mein bester Topf. Ich Di« Zeit gleitet Jn rasendem Tempo. Wir sind schon über Riga. Nochmals bohren wir uns über den Nebel: diesmal nach unten. Bald ist -die Erde in Sicht — eine große Stadt am Ufer eines mächtigen Stromes. Auf dem sandigen Gestade zerschellen schaumig die Wellen des nahen Meeres. Wir kreisen über <jem Flugplatz. Die Moto­ren liegen still, wir sind in Riga. Idh verabschiede mich von der liebenswürdigen Be­satzung der Maschine- Sie Riegen weiter nach Helsinki. Der Himmel ist bewölkt, traurig. Die Sonne, die lustige Sonne haben wir jenseits der Wolken vergessen ... Der Topf Von Boris Szegedi ,,Lieber Gott, wie oft hab’ ich läuten müssen, wenigstens viermal.“ Mit diesen Worten trat die junge Frau bei ihrer Mutter ein. „Ja, ich bin nicht mehr zwanzig Jahre alt und höre das Geklingel nicht. Außerdem halte ich die Radiomuschel am Ohr.“ „Ich freue mich, daß du dich unterhältst, Mama.“ Nie gingen ins Zimmer. „Für euch ist alles Unterhaltung, was ich tue. Setz dich doch!“ — die alte Frau deutete auf einen’ Lehnstuhl. Sic seihst spazierte im Zimmer auf und ab und machte sich da und dort zu schaffen, wobei sie vor sich hin sprach: „Ihr aber geht fortwährend ins Kaffeehaus, Theater oder Kino.“ Ihr: das waren die öicbs verheirateten Töchter. „Du ward doch auch einmal jung, Mama!“ „Na, eitle schöne Jugend, das muß ich sagen. Wehrend ich das eine Kind nährte, war das andere schon auf dem Weg. Eines hatte ich am Arm, zwei andere bängten sich an meinen Rock. Meine ganze Jugend hab’ ich euch geopfert und dafür höre ich jetzt nichts anderes als: das braucht one alte Frau nicht mehr und jenes braucht sic nicht mehr. Für mich ist schon aFes eine Unterhaltung.' „Aber Mama, niemand *sgt doch, dal) ein nicht Radio hören sollst.“ „Noch gut, daß ihr mir das nicht auch verbie­tet. Trinkst du eine Schale Kaffee?“ „Danke, ich komme eben von der Jause.“ „Oder möchtest du eine Tasse ree? „Ich sagte doch schon, daß ich keinen Ihm-aT habe.“ London, 1. September (MTI) Über die Zusammenstöße im indischen Staate• _ Travancore werden folgende, Einzelheiten gemeldet: In Nayatinhara demonstrierte eine große Menge gegen das Versamlungsverbot, das wegen der passiven Resistent­bewegung erlassen wurde. Zwischen der Menge und den cinschrcitendfen Polizisten kam es zu einem Handgemenge; es -wurde schließlich Militär herangezogen und dieses er­öffnet e. das Feuer auf die Menge. Acht Demonstranten wurden getötet, fünf schwer verletzt. Die Polizei hat 35. Verletzte, .unter. ihnen..18 Schwerverletzte, zu beklagen^, 100 palästinensische Araber fahren zum Nürnberger Reichsparteitag Telegramm des Pester Lloyd London, 2. September Wie verschiedene Blätter aus Jerusalem erfahren, sol­len hundert Araber aus allen Zweigen des öffentlichen Lebens am Donnerstag ihr Land verlassen haben, um sieh zur Teilnahme am Reichsparteitag nach Nürnberg zu he­geben. — DER MINISTERPRÄSIDENT VON AUSTRALIEN LYONS hat erklärt, di« australische Bundesregierung habe der englischen Regierung mitgeteilf, daß sie ihren auf die fried­liche Lösung der schwierigen europäischen Lage abzieUnden Bestrebungen uoli und ganz beipflichtd weiß nicht mehr, wieviel er gekostet hat, aber er war teuer.“ „Ich werde Anna sagen, sie möge ihn dir zu­rückbringen.“ „Bitte, menge dich nicht in meine Angelegen­heiten! Ich kann selbst reden, wenn ich es für nötig finde. Ich habe auch keine Angst vor euch. Gottlob, ich habe niemand zu scheuen. Ich kann auch nOch arbeiten wie ihr, vielleicht sogar besser. Sieh dir einmal diese Häckelarbeit an.“ Sie stand rasch auf, trippelte zum Kasten und nahm eine Handarbeit aus der Schublade. „Mit zwanzig Jahren kann man nicht schöner häükeln!“ Sie breitete die angefangene Arbeit aus und zeigte sie stolz ihrer Tochter. Der Topf, Anna und die anderen bösen Töchter waren vergessen. Die junge Frau freute sich über den schnellen Stimmungswechsel, stand auf und verabschiedete sich. Sie eilte, denn sie wollte noch ihre älteste Schwester besuchen. Anna wohnte in der Nähe. Auf der Straße be­gegneten sie sich. „Warum bist du nicht zu Mama hcraufgekoin­­nien? Sie sagte wohl nichts, hat dich aber sicher erwartet.“ Da begann Anna voll Bitterkeit ihr Herz aus­zuschütten: „So bald sieht mich Mama nicht wieder,“ sagte sie. „Denke dir, gestern bat ich sie, mir den Topf zum Einkochen der Marmelade zu leihen und sie gab ihn mir nicht. Du weißt doch, daß sie ihn nie benützt, da ja ich sie mit Marmeladen versorge. Und wie aufgebracht sie war! Nach meinem Tod gehört doch alles euch, hat sie geschrien. So lange ich lebe, gebe ich nichts her. Ich gebe den Topf nicht her, wiederholte sie immer wieder, als ich schon gar nicht mehr darum bat. Und überdies habe doch ich ihr den Topf gekauft!“ Roosevelt preist die Tätigkeit der amerikanischen Juden ,,Sle haben wesentlich zur Förderung und Erhaltung des guten Rufes der Vereinigten Staaten und der demokratischen Regierungsform beigetragen“ Detroit, 1. September (MTI) Präsident Roosevelt sandte dem hier ta­genden jüdischen Frontkämpferverband ein Tele­gramm und preist darin die Tätigkeit der Juden in Amerika. Er betont, daß die Juden während des Weltkrieges im Dienste de$ , Amerikanismus und auch schon bei den früheren amerikanischen Krie­gen „eine große und lobenswerte Rolle“ gespielt, im Frieden aber wesentlich zur Förderung und Erhal­ten des guten Rufes der Vereinigten Staaten and der demokratischen Regierungsform beigetragen haben.________________________ ■ ■ Personen, denen die nötige körperliche Bewegung ver­sagt ist und an Hartleibigkeit leiden, leistet eine mehr­wöchige Kur mit dem natürlichen „Franz Josei“-Bitterwasscr — täglich morgens auf nüchternen Magen ein Glas davon genommen — oft geradezu unschätzbare Dienste. Fragen Sie Ihren Arzt. ! J ' ____ BRITISCHES REICH Militär schießt in Travancore auf Demonstranten: 8 Tote 3

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