Pester Lloyd - esti kiadás, 1938. október (85. évfolyam, 221-246. szám)

1938-10-01 / 221. szám

PESTER LLOYD Samstag, 1, Oktober 1938 zösische Innenpolitik die Konsequenzen ziehen und ihrer selber würdig werden. Es ist dies nieht die einzige Meinung dieser Art, 'daß nämlich eine starke innenpolitische Reaktion gegen den bisherigen Linkskurs kommen wird, da er das Land so gefährlich und jetzt schon offensichtlich geschwächt hat. Jedenfalls steht man heute wieder vor einer Krise der Staatsfinanzen, und einige Zei­tungen deuten bereits an, daß man die Höchstgrenze der Staatskredite bei der Bank von Frankreich er­höhen müsse. Schließlich verdient noch ein Artikel von Adré Guérin im Oeuvre Erwähnung, der in der englisch-deutschen Annäherung keinen Anlaß zu Be­sorgnissen für Frankreich sieht, sondern die Mög­lichkeit einer allgemeinen Verständigung. Ansebliche neue Pläne Chamberlains Übergabe von britischen und französischen Kolonien an Deutschland, Luftrüstungs­beschränkung, Weltwirtschaftskonferenz ? Paris, 1. Oktober (MTI) Wie die hiesige Ausgabe des Neiu York Herald erfährt, bereitet Ministerpräsident Cham­berlain auf Grund der englisch-deutschen Verein­barung die Einberufung einer neuen Konferenz vor, die in Bälde zusammentreten soll und in deren Ver­lauf England bestrebt sein wird, die kolonialen For­derungen Deutschlands durch Überlassung von ein, zwei afrikanischen Kolonien zufriedenzustellen. England werde angeblich Frankreich ersuchen, seinem Beispiel zu folgen und im Interesse der Ver­söhnung ein ähnliches Opfer zu bringen. Matin erfährt aus englischen politischen Kreisen, daß Chamberlain sich auf seinen Lorbeeren nicht auszurufhien gedenke, sondern an der Zustandebrin­gung einer Konvention über die Beschränkung der Iniftrüstungcn arbeite. Diesem Übereinkommen würde später eine Vereinbarung bezüglich der generellen Verringerung der Rüstungen folgen. Ferner sei von der Einberufung einer internationalen Wirtschaftskonferenz die Rede. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Vereinigten Staaten das Zusam­mentreten einer solchen Konferenz lebhaft wünschen, die möglicherweise noch in, Laufe dieses Jahres zustande käme, und zwar unter Leitung des Staats­sekretärs Hull. Oppositionelle Kritik am Premier Londoti, 1, Oktober (MTI) Ministerpräsident Chamberlain wird am Montag im Unterhaus über sämtliche Einzelheiten, sowie die Hintergründe des Münchener Abkommens Bericht erstatten. Darauf folgt wahrscheinlich eine dreitägige außenpolitische Debatte, in deren Verlauf von seiten der Opposition scharfe Kritiken zu ge­­wärtigen sind, worauf schon aus der gestrigen Er­klärung des Führers der liberalen Opposition Sinclair — „die Diktatoren haben gesiegt“ — ge­folgert werden kann. Vernon Bartlett schreibt in der radikalen Zeitung New6 Chronicle: „Es kann sein, daß Cham­berlain einen neuen Krieg vorbereitet hat, für den England zahlreiche Bundesgenossen unter den kleinen Mächten verloren hat.“ Dem Blatt der Labour Party Daily Herald Sprachphilosophie Von Friedrich Schreyvogl (Wien) Unsere Sprache ist nicht nur tief, sondern auch breit. Das eine macht gewichtig, was wir sagen, das andere mühsam. Jeder Begriff führt in unserem Kampf die Worte, die ihm zngehören, mit sich wie ein Flußbett sein Wasser. Nun denke man sich aber einmal in einem Fluß­bett alle Wasserfarben, das tiefe Grün, d3s trübe Grau, das helle Blau, die man nie zugleich sieht, nebeneinander hinfließen. Wenn man da lange hineinsähe? Man wüßte hald nicht mehr aus noch ein. Zwei sitzen nebeneinander und wundem sich über die Mühe, die uns das Reden macht. Er ist fünfundzwan­zig, hat eben seinen Doktor der Philosophie gemacht und freut sich darüber, daß er das Leben nicht nur lebt, son­dern auch sagen kann, was es bedeutet: erstens vom phi­losophischen, zweitens vom menschlichen Standpunkte aus. Wenn er nur wüßte, mit welchem man, wenn main, ihn männlich behauptet, den besseren Eindruck macht? Und er will Eindruck machen. Sie ist zwanzig Jahre und sitzt mit ihm aut der Bank am Ufer eines kleinen Sees. Man hat sich beim Baden kennengelernt. Man hat sich vor einiger Zeit verlobt. Der künftige Galle ist erfolgreich, er steckt über den Kopf in Geschäften und so hat sie noch den ihren frei, um sich die Welt anzusehen. Auch einen Doktor der Philosophie, dem einstweilen nur das junge Herz das Leben schwer macht, nicht schon die Geschäfte Herzbeschwerden. „Reden nur die verschiedenen Völker verschiedene Sprachen?“ Der Doktor spricht mit Eifer. „Nein, nicht nur das Deutsche, das Französische, das Italienische 1 ihre gesonderte Welt. Auch im selben Volk gibt es n verschiedene Sprachen. Denken Sie doch an die Bücher, die überall in den Auslagen zu sehen sind. Da sind „Tausend Worte englisch“ angepriesen, „Tausend Worte italienisch“ und in Mailand und Paris gewiß auch „Tausend Worte deutsch“. Wieviele finden nicht ihr ganzes Leben mit. solchen tausend Worten das Auslangen? Andere gebrauchen einen Schatz von vier­tausend, andere von zehntausend Worten. Mit wie wenig Worten findet der Amerikaner im Kontor von der Wiege bis zum Grab sein Auslangen, und über wieviele Worte gebieten Shakespeares Lear, Hamlet, sein Romeo und seine Julia. Sind das nicht zwei verschiedene Sprachen?“ „Hamlet!“ seufzt die Zuhörerin und sieht den Philo­sophen prüfend von der Seife am „Romeo und Julia“. Ja, warum sind wir Heutigen nur so mundfaul geworden? Es ist nicht nur Faulheit!“ verteidigt nun der Philo­soph seine Zeitgenossen. „Es fehlt uns Heutigen auch die Muße. Unsere Not kommt aus einer Tugend unserer Sprache, der Mangel an Worten, die wir in der Eile finden, ist eine Folge der Fülle, die unsere Sprache besitzt. Wer hat die Geistesgegenwart, sich aus den . vielen Worten, die sich für jeden Begriff anbieten, just das zu wählen, das sich am besten in den Augenblick fügt? Er nimmt das, das er am meisten gewohnt ist: das gewöhnlichste!“ „So-ist 'die Welt also nie so schön als sie sein könnte?“ sagt das Mädchen. Es ist ein wenig traurig. „Schön!“; nimmt ihr Nachbar das Wort auf. „Was ist das für ein Begriff! Wie viele Worte verstecken sich nicht in ihm: schön, vollkommen, anmutig, anziehend, reizend. Wer hält das auseinander? Alles fließt wie in einen einzigen Strom.“ ..Wohin fließt dieser Strom denn? fragt das junge Mädchen und sieht den Doktor mit strahlenden Augen an. „Meist uns in das Herz,“ sagt der junge Mann und wird rot. Schön, vollkommen, anmutig, anziehend, rei­zend, ist das wirklich nur ein Begriff? Manchmal sitzt, auch alles zusammen, lebendig geworden auf einer Bank. „Sie irren, die Unterschiede fallen deutlich auf,“ sögt sie nun ganz entschieden. Sie engreift die Gelegen­heit, mich etwas von ihrer Klugheit zu zeigen. „Schön und reizend ist doch etwas Grund verschiedenes. Was schöin. ist, das ist selten auch reizend und das Reizende wird nicht jeder schön finden.“ Jetzt wird sie mich gleich fragen, ob sie schön oder reizend ist? denkt der Doktor und bekommt es mit der Angst zu tun. Er will von der schwierigen Entscheidung ablenken. „Sie haben recht. Ich habe zu Verschiedenes in einen Begriff gespannt,“ gibt er zu. „Jetzt sehe ich es selbst. Schön ist die Göttin Hera, die neben dem Gemahl Zerns thront, reizend ist Artemis, die Jägerin der Hirsch­kuh, di® kühl die Männer verwirrt. Schön sind die ewi­gen Bauten der Deutschen in Nürnberg, Frankfurt oder Wien, reizend ist das kleine neue Wochenendhaus, das ich mir an diesem See gebaut habe. Schön ist...“ Der Doktor wüßte noch hundert kluge Beispiele. Auf einmal merkt er, daß das junge Mädchen müde wird. Welche Frau fesselt es, wenn man in ihrer Gegenwart an­dere Gestalten und Dinge für schön oder reizend hält? Sie hat den Kopf zurückgelehnt und die Augen ge­schlossen, als höre sie, so besser. In Wirklichkeit denkt sie alles andere, nur nicht daran, was Hera von Artemis un­terscheidet. Der junge Mann will lebendiger vergleichen.’ Er siebt sich sorgsam um. „Es ist jetzt Mittag“', sagt er, „alle Leulc sitzen schon bei der Mahlzeit oder liegen faul im Gras. Wir-beide sind hier ganz allein. Ich könnte Sie jetzt um den Hals nehmen und küssen und Sie könnten sich gar nicht wehren.“ Er schluckt hastig. Der vielbeschäftigte Bräutigam steht plötzlich wie ein mahnender Schatten ne­ben der schönen Nachbarin. „Aber ich tu es nicht. Das ist schön von mir.“ Das Mädchen steht auf und lacht. „Ja, Herr Doktor", sagt sie, „das ist wirklich schön von Ihnen.“ Dann geht sie mit einem-kurzen Nicken ihrem .Hotel zu. Der junge Mann blickt ihr verdutzt nach. Das Herz schlägt ihm, so anmutig geht das junge Mädchen über den Weg, auf dem der Kies glänzt. Frauen wissen genau, wenn man ihnen nachsieht. Es ist, als hätten sie unsichtbare Augen auf dem Rücken. Sie dreht sich plötzlich um und bleibt stehen. Sie lacht dem Doktor zu, dann läuft sie schnell zu ihm zurück, und ehe er sich's versehen kann, hat sie ihn.schön um den Hals genommen und küßt ihn. Rasch und gut. Ehe er noch richtig weiß, was geschehen ist, ist sie auch schon wieder fort. Der junge .Mann springt auf, Das Herz klopft ihm. Nun weiß er's. Was. er wollte, war schön von ihm, ach ja. Und was sie getan hat? Das ist eben der Unterschied. Es war reizend. zufolge könne die Chambcrluin-Hitler-Erklärung als Ausdruck von Gefühlen nicht beanstandet werden, aber an tűid für sich vermöge sie nicht das Fun­­dajnent des europäischen Friedens zu bilden, wozu das Zusammenwirken alter Mächte erforderlich sei. Unterhaussitzuns am Montag Nach einem kurzen Ministerrat wieder einmal Weekend für alle englischen Minister Telegramm des Pester Lloyd , 7 , London, 1. Oktober Kurz nach der Rückkehr Chamberlains vom Buckingham-Palast in die Downingstreet ist das Ka­­binett zu einer Sondersitzung zusammengetreten. Die Sitzung dauerte nur 35 Minuten. Wie verlautet, gab der Premier wegen seiner Müdigkeit nur einen kur­zen Bericht über die Ergebnisse seiner Reise nach München, worarif ihm die übrigen Minister ihre G lü c k w ü ns eh e a usdr ü ck t en, Eine neue Kabinettsitzung ist nicht vorgesehen und wird auch nicht vor Anfang nächster Woche er­wartet Zum ersten Male seit vielen Wochen werden die Minister und die übrigen KabinetLsmitglieder ihr Wochenend außerhalb Londons auf dem Lande verbringen. Chamberlain im Sternecker Bräu München, 1. Oktober. (DNB) Wie die Münchner .Morgenblätter berichten, erschien am Freitag mittag 1 Uhr Chamberlain völlig überraschend im Stcrneckcr Bräu und besichtigte dort zusammen mit Sir Horace Wilson das Zimmer, in dem Adolf Hitler die ersten Versammlungen abgehalten hat und in etem die Nationalsozialistische Partei gegründet wurde. Als der Premier das Haus verließ, bereitete ihm die Bevölkerung begeisterte Ovationen. Geheimer Besuch Lord Londonderrys in München . London, 1. Oktober (MTI) Erst jetzt wird bekannt, daß zur Zeit der Münchener Besprechungen auch der frühere Luft­fahrtminister Lord Londonderry sich in München aufhielt. Londonderry, der eine führende Persönlich­keit'der äußersten Rechten der konservativen Partei ist, begab sich insgeheim mit einem Sonderflugzeug nach München, wo er seine vertrauten Freunde, HEW»YOBK étterme és márványszobáia október 1-én m egnyílt. Helyiségeinkben délután és este MIKULAY «3 hires zenekara játszik Generalfeldmarschall Göring und Reichsaußenmini­­sler v. Ribbentrop traf, Freitag kehrte Londonderry nach der englischen Hauptstadt zurück und erklärte folgendes: — Sobald ich erfuhr, über welch wichtige Fragen die Viermächtekonferenz berät, begab ich mich eiligst, nach München, Ich stehe mit den Sachen in engster Verbindung, und wollte während der Beratungen an Ort und Stelle sein. England entsendet etwa eine Brigade nach der Tschechoslowakei * London, 1. Oktober (MTI) Wie die englische Presse berichtet, wird etwa eine Brigade, bestehend aus Gardeinfanterie und Linieninfanterie, insgesamt etwa 5000—6000 Gewehre, nach der Tschechoslowakei entsandt, um die Ordnung in den Volksabstimmungsgebieten auf­­reebtzuerhaiten. Mit der Führung der Brigade wird der Kommandant der 1. Infanteriebrigade General Thorne betraut. 3 Äußerste Spannung zwischen Warschau und Prag Zahlreiche Tote im polnisch-tschechischen Grenzgebiet Um 145 Uhr: Prag verzichtet auf Tesdien-S(h!esien Prag, 1. Oktober (Havas.) Die tschechische Regierung hat auf die gestern abend überreichte polnische Note, die die Räumung des Teschencr Gebiets forderte, eine zu­­stimmende Antwort erteilt. Die Übergabe dieses Ter­ritoriums an Polen wird zu einem späteren Zeit­punkt erfolgen. Warschau, 1. Oktober . (PAT) An der polnisch-tschechischen Grenze sind blutige Kämpfe zu verzeichnen. Die polnische Bevölkerung entwaffnete die tschechische Gendar­merie in Lomna Górna und nahm die Gemeinde in Besitz. Freitag nachmittag traf eine starke tschechi­sche Gendarmerieabteilung ein, die mit Maschinen­gewehren die kleine polnische Besatzung vertrieb. Die Tschechen haben elf Gendarmen verloren. Nach dem. Kampf haben die Tschechen die Gemeinde aus Rache in Brand gesteckt. Bei Stanawa Darkowo hat die polnische Bevöl­kerung drei Gendarmen erschossen, zwanzig ver­wundet. In der Umgebung vpn Racinow haben die

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