Pester Lloyd - esti kiadás, 1939. január (86. évfolyam, 1-24. szám)
1939-01-02 / 1. szám
Wfontag, 2. 'Januar 1939 PESTER LLOYD Neujahrsempfänge beim Reirhsverweser MTI meldet: Bei Seiner Durchlaucht dem Herrn Reichsoeriveser erschienen zur Neu ja h rsa uf wartu ng Feldmarscihall Erzherzog Josef, sodann Ministerpräsident Dr. vitéz Béla v. Imrédy als Vertreter der Regierung, .Wirkl. Geheimer Rat Graf Bartholomäus Széchenyi, Präsident des Oberhauses, und der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses Dr. Eugen Szinyei Merse im Namen der beiden Häuser des Reichstages, Honvédminister FZM. Dr. Karl v. Bartha, Honvédoberkommandant G. d. I. vitéz Hugo Sónyi und Generalstabschef G. d. I. Heinrich Werth im Namen der Honvéd. Hierauf empfing Se. Durchlaucht der Reichsverweser eine vom Oberbürgermeister kön. ung. Geheimen Rat Dr. Eugen Karafiáth geführte vierzehngliedrige Abordnung der Hauptstadt, sodann gratulierten im Namen der Ritter des Maria Theresien- Ordens die Generale a. D. vitéz Baron Alexander v. Szurmay und vitéz Gotthard v. Jánky, im Namen des Heldenordenis G. d. A. a. D. vitéz Anton v. Hellebronth, im Namen der reformierten Landeskirche Bischof kön. ung. Geheimer Rat Ladislaus Ravasz, Justizminister Dr. Andreas Nagy v. Tasnád und Senior Emmerich Szabó, schließlich Kúriai Präsident kön. ung. Geheimer Rat Dr. Töreki] im Namen der Kurie. Massenhaft sind Glückwunschtelegramme eingetroffen. Eis depeschierten: die Herrscher von England, Italien, Norwegen, Griechenland, Rumänien und Albanien; der deutsche Kanzler und Führer, die Präsidenten der Republiken Polen, Finnland, Tschechoslowakei und Mexiko, das Oberhaupt des nationalistischen Spanien General Franco, ferner fürstliche Persönlichkeiten, ausländische Diplomaten. Außerdem sind in großer Zahl aus dem Inland Depeschen eingelangt, und zwar von staatlichen Würdenträgern, von den Munizipalbehörden, Korporationen, Privaten, namentlich aber in großen Massen aus dem rückgegliederten Oberland. Neujahrsrede des Abgeordneten Dr. Eckhardt In der Partei der Kleinlandwirte Die Mitglieder der Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte versammelten sich heute vormittags 11 Uhr in ihrem Klutolokal in der Mária Valéri-ucca, um den Führer der Partei, Abgeordneten kön. ung. Geheimen Rat Dr. Tibor V, Eckhardt, anläßlich des Jahreswechsels zu begrüßen. Abgeordneter Dr. Eckhardt, der um halb 12 Uhr im Klublokal eintraf, wurde vom geschäftsführenden Vizepräsidenten der Partei Abgeordneten Dr. Tildy mit einer längeren Ansprache begrüßt. Dr. Tildy wies mit Nachdruck darauf hin, daß die Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte Garantien für ein unabhängiges, freies Ungarn suche. Diese Garantien, sagte er, liegen in erster Reihe in der Erstarkung des ungarischen Dorfes, das namentlich auf kulturellem Gebiet der Stadt gegenüber stark zurückgeblieben ist. Wir müssen, fuhr Abgeordneter Tildy fort, all« unsere Kräfte aufbieten, um die Millionen von Ungarn in eine günstigere soziale Lage zu bringen. Ohne Lösung des Bodenproblems können die Garantien dafür nicht geschaffen werden. Wir suchen keinen überflüssigen Kampf, aber wir erklären: es war genug der Wortei Schließlich sprach Abg. Dr. Tildy dem Parteiführer kn eigenen, sowie im Namen der Partei seine Glückwünsche aus. Von allen Seiten stürmisch akklamiert, ergriff Dr. Eckhardt das Wort und führte u. a. folgendes aus: * Die Fesseln von Trianon gesprengt Das Jahr 1938 hat die Widerstandsfähigkeit unserer Partei auf eine harte Probe gestellt. Sind doch im verflossenen Jahre auf außen- und innenpolitischem Gebiet Ereignisse eingetreten, die nicht nur die ungarische, sondern auch die auswärtige Politik den stärksten Erschütterungen ausgesetzt haben. Wir danken allen Freunden, die sich uns sngeschlossen haben und die gleich uns zu der Überzeugung gekommen sind, daß die ungarische Bauernschaft zu den verläßlichsten Stützen der Nation gehört. (Stürmische Zustimmung.) Welche Ereignisse waren eigentlich die bedeutungsvollsten des verflossenen Jahres, das im Zeichen des Chaos gestanden war. Das verflossene Jahr hatte der Partei der Unabhängigen Kleinlandwirte einen großen Sieg gebracht, im Grunde genommen nicht der Partei selber, sondern vielmehr ihren Zielsetzungen, denn der völkische Gedanke hat auf der ganzen Linie einen überragenden Sieg davongetragen. Zu den wichtigsten und bedeutungsvollsten Ereignissen das Jahres gehört es, daß es gelungen ist, die Fesseln von Trianon zu sprengen und daß die Kleine Entente, die ins Leben gerufen wurde, um Ungarn nled erzub rechen, nunmehr selbst für immerwährende Zeiten gebrochen wurde. (Stürmische Zustimmung.) Ungarn ist frei und nicht mehr gefesselt. Die Opposition gegen Dr. Imrédy Die Zukunft des Ungartutns hängt aber ausschließlich davon ab, auf welche Weise die Nation ihren Willen zur Geltung bringen kann. (Stürmische Zustimmung.) Das gilt auch für die Innenpolitik. Die politische Konstruktion, die viele Jahre hindurch durch offene Abstimmung jede freie politische Entwicklung unmöglich gemacht hat, ist ebenfalls zu Fall gebrächt worden. Was nun folgen wird, das wissen wir noch nicht, aber wir müssen die gleichen Konsequenzen ableiten, wie in der auswärtigen Politik. Es erübrigt sich wohl, die Gründe darzulegen, die uns veranlassen, zum Kabinett Imrédy eine oppositionelle Haltung einzunehmen, denn für eine oppositionelle Partei ist es doch selbstverständlich, daß sie gegen die Regierung Stellung nimmt und die Möglichkeit sucht, ihre eigenen Gedanken in der inneren Politik zu verwirklichen. So sehr ich auch die Fähigkeiten des Herrn Ministerpräsidenten anerkenne und an der Aufrichtigkeit seiner Absichten nicht zweifle, muß ich dennoch betonen, daß der Herr Ministerpräsident in dieser völkischen Politik noch ein Neuling, noch ein An* fänger ist, wohlgemerkt, nicht in der allgemeinen Landespolitik, sondern nur auf dem Gebiete der völkischen Politik und so können wir ihn von heute auf morgen nicht als unseren politischen Führer anerkennen- Wie gesagt, es Liegt mir ferne, an der Aufrichtigkeit der politischen Konzeption des Herrn Ministerpräsidenten zu zweifeln, aber wenn dem Grafen Stefan Bethlen gegenüber der Schuldpunkt ei-hoben daß er zu konservativ sei, daß er sich während seiner Ministerpräsidentenschaft nicht entschließen konnte, eine Reformpolitik zu befolgen und wenn man auch behauptet, daß das zehnjährige Regime des Grafen Bethlen unproduktiv war, seinen Patriotismus darf man aber unter keinen Umständen in Zweifel ziehen. (Stürmische Zustimmung.) Nach dem Grafen Bethlen folgte ein Zeitalter der Reformpolitik und da drängt sich unbedingt die Frage auf, wer eigentlich die Durchführung dieser Reformen verhindert hat5* Diese Reformen wurden mit allen Mitteln der Technik von keinem anderen verhindert, als von dem derzeitigen Ministerpräsidenten selber. Und wenn man den Grafen Bethlen jetzt zur Verantwortung zieht, dann muß man zehnmal eher den Herrn Ministerpräsidenten dafür verantwortlich machen, daß sich die Reformpolitik nicht durchzusetzen vermochte. Ich war glücklich, als ich die Programmrede des Herrn Ministerpräsidenten anhören konnte und einen Moment lang glaubte ich einen neuen Imrédy zu vernehmen. Mit Freude stellte ich damals fest, daß der Herr Ministerpräsident selbst zur Ansicht gelangt war, daß sich seine frühere Politik auf falschen Bahnen bewegte. Seither haben wir ganz andere Erfahrungen machen müssen. Der Politik des Herrn Ministerpräsidenten scheint die Kraft der inneren Überzeugung noch immer zu fehlen und mit Bedauern müssen wir feststellen, daß im ganzen Lande eine gewisse Unsicherheit herrscht. Das ganze ungarische Leben — ich denke da nicht nur an die Juden, sondern auch an die Christen — ist von Befürchtungen, Besorgnissen und von Angst um die Zukunft erfüllt! Abg. Dr. Eckhardt wandte sich im weiteren Verlaufe seiner Rede außenpolitischen Problemen zu. Über die weiteren Ausführungen des Abg. Dr. Eckhardt berichten wir im Morgenblatt. In memóriám Karl Capelc Von Eugen K. Iljin Heute habe ich wieder einmal die Seiten meines Notiizbüchleins durcliblätlert. Wieder ein Dichtername, der mit schwarzem Rand umkreist ist: Karl Capek. Ich erlebte in meinen langen Wanderjahren durch die Welt, schon vor ihm und nach ihm, mit vielen Freunden, die ich auf meinem Wege getroffen habe, solch ein trauriges Wiedersehen, mit dem schwarzen Rand umrändert. Eine Reihe Namen von Menschen, die ihr ganzes Leben der wahren Kunst gewidmet haben, von großen Menschen, die den Höhepunkt des Lebens erreichten, und auch von anderen, die zwar diesen Zenith nie erreicht haben, aber wie treue Soldaten, ihr Leben dem Dienste der Kunst opferten. Die Namen sind ohne Reihenfolge, im wirren Durcheinander eingetragen. Wie in einem Kaleidoskop. Begegnung, Gespräche, große und kleine Freundschaften, Augenblicke, die im Herzen verewigt sind. Gedanken, wie Perlen, Aphorismen, wie buntes Feuerwerk, Sentenzen, Späße. Anekdoten. Mit sorgfältiger Hand habe ich alles in dieses kleine Büchlein notiert. Und in diesem Büchlein ist alles, was ich besitze. Viele Länder sind hier versammelt, viele Nationen leben hier nebeneinander in geistigem Frieden. Ein Werk, um das ich mich selbst manchmal beneide, solange ich nicht immer wieder meine Füllfeder ziehen muß, um einen neuen schwarzen Rand damit auf eines meiner Blätter zu ziehen und ein stilles Requiem in meinem erschütterten Herzen zu lesen ... Ich kannte Karl Capek seit vielen Jahren. Gott weiß wo, im Norden las ich zum ersten Male in einer Zeitung eine Novelle von ihm und ich verliebte mich auf den ersten Blick in diesen Dichter. Dann kam ich wieder mit ihm in London, bei einem Theaterstück zusammen: „Weiße Krankheit“ hat es geheißen. Dazwischen kam ein K'SSian, dann noch Novellen in verschiedenen Sprachen und jedesmal wuchs in meinen Augen die Gestalt des Dichters höher und höher, größer und größer in der maßlosen Liebe zum Menschen, in der Ergebenheit des Leidens und in dem unerschütterlichen Glauben an das Göttliche, das in jedem Menschen lebt und nie sterbe^ •«ird. Und- im Sommer heuer wurde ich mit * Menschen, mit diesem großen Dichter auch pe bekannt. Ich stand ganz überrascht einem Mann mit stark gebeugtem Rücken gegenüber (man konnte glauben, daß di© schwere Last von übermenschlichen Gedanken ihn niederdrückt), das Gesicht wie das eines Kindes, mit einem Läaheln, das man nie vergessen kann. loh konnte es nicht glauben, daß dieser Mann der Verfasser der „Weißen Krankheit“ sei, in der so viel menschliche Leidenschaften aufeinander gehäuft sind, in der so viel Tragik glühte und solch eine endlose Verzweiflung loderte. Und ich fragte, als ob ich mich nochmals überzeugen wollte: „Karl Capek?“ Der Mann lächelte mich noch einmal an und sagte: „Ja, ich bin Karl Capek.“ Und nun folgte ein Gespräch, das stundenlang dauerte. Wovon haben wir denn gesprochen? Es wäre jetzt schwer, den Stoff wiederzugeben. Ich weiß nur eins: daß mir gegenüber ein Mensch saß, der mit ausgestreckten Händen die ganze Weit umarmen wollte, der keinen Unterschied zwischen Menschen machte, der alle Wesen in der Welt liebte und sich wie ein kleines Kind freute, wenn er mir beweisen konnte, daß er recht hat, wenn er an die kommende und blühende Zukunft glaubt. Er erzählte mir, wie er auf den Straßen, in der Straßenbahn, in Kaffeehäusern, Restaurants, Werkstätten von Paris, London, Madrid und Rom Menschen, wirkliche blutvolle Menschen getroffen und sie dann als Träger der menschlichen Güte in seine Werke eingefügt hat. Ohne übertriebene Bescheidenheit erzählte er, wie er dem einen oder dem anderen geholfen hat. Und Capek hat fürwahr jedem geholfen, der zu ihm kam und Hilfe benötigte. c Nie werde ich aber einen Satz vergessen, den er mir sagte: „Wissen Sie, ich habe noch nie in meinem Leben das Haßgefühl verspürt. Manchmal habe ich mich nach solch einem Gefühl sogar gesehnt, um alles im Leben auszukosten. Denn als Denker kann ich es verstehen, daß der Haß existiert, aber wie er in der Wirklichkeit aussieht, das -würde mich interessieren. Und doch kann ich es nicht erreichen. Wahrscheinlich bin ich dazu noch viel zu jung ...“ Capek beherrschte viele Sprachen. Er sprach alle mit einem starken slawischen Akzent. Und wenn er französisch sprach, verwendete er dabei englische, manchmal auch deutsche Wörter — und umgekehrt. Aber main konnte alle«. was er sprach, verstehen, denn in jedem Wort, in heses Dichters lag so viel Menschliches, so -o viel Überzeugung, daß seine Worte sige Bibliothek, In der der Geist der Wie alljährlich, wurden auch heuer dem Oberbürgermeister und dem Bürgermeister von allen Seiten herzliche Neujahrsgratulatiomen dargebracht. Oberbürgermeister Geheimer Rat Dr. Eugen Karafiáth empfing zunächst Abordnungen des Beamtenkorps und der Kommunalbetriebe, worauf eine Abordnung dér Christlichen Kommunalpartei und der Hauptstädtischen Einheitspartei bei ihm ihre Aufwartung machte. Im Namen der aus zahlreichen Stadtrepräsentanten der beiden Parteien bestehenden Abordnung begrüßte Karl Béngi den Oberbürgermeister, der in seiner Antwort u. a. betonte, er h,abe schon vor dem Kriege mit einem großen Teil der Erschienenen zusammen für die Geltendmachung der Ideen des Nationalismus und gegen die 133tägige Nation und Glauben schmähende kommunistische Schreckensherrschaft gekämpft. „Diese Kämpfe haben uns zusammiengeschweißt, die Kraft einer gemeinsamen großen Idee hat ums für dais ganze Leben vereint.“ (Leibhafte Eljenrufe.) Beim Bürgermeister Karl Szendg erschien als erster Obernotär Dr. Tibor Keil, um ihn im Namen des Personals des Bürgermeisteramtes zu begrüßen; die Glückganzen Welt versammelt war. Puschkin stand neben Balzac, Shakespeare neben Petőfi, Tolstoi neben Verhaeren, Tagore neben Nietzsche. Wie absichtlich gemischt, hat er sie nebeneinander gereiht, Um die Brüderschaft der Träger der Unsterblichkeit damit zu beweisen. Dieser Bilbliotheksraum war sein Schlachtfeld, wo im Zusammenstoß der verschiedensten Gedanken die Wahrheit geboren wurde. Dein höchsten Punkt menschlichen Schaffens erreichte aber Capek in seinem letzten Bühnenwerk: „Die Mutter.“ In diesem Stück flammt ein unlöschbares Feuer der Mutterliebe auf, das auch denen vergeben mag, die ihre Kinder in den Tod getrieben haben. Ich beobachtete Capek bei der Premiere. Sein Gesicht mit den kindlichen Zügen wanderte durch alle Kreise der Danteschen Hölle. Nur dort, bei den Worten der alleingebliebenen Mutter, als sie auch den letzten Sohn opfern muß, nur da ging über sein Antlitz ein Strahl der unendlichen Liebe zu der Frau, die „Mutter“ heißt. Capek war ein unruhiger Geist. Er arbeitete Tag und Nacht. Man konnte glauben, er eilte, schneller und immer schneller, um alles auszusprechen, was ihn erfüllte. Ahnte er vielleicht, daß er bald diese Arbeit für immer aufgeben muß? ... ... Die Erde, auf der wir alle lebep, der wir alle gehören, und die uns, wie eine Mutter, große Menschen schenkt, nimmt sie wieder in ihre Arma. Das ist das Gesetz der Natur. Ein hartes Gesetz, wenn wir sehen, daß ein Mann, wie Capek, in der Blüte seiner Jahre aus deni Leben scheiden muß. In diesen Tagen, wo jedes Stückchen Geist dieser unruhigen Welt so sehr not tut, dieser Welt, die keine Nachkommen mehr schaffen kann... ... Ich durchblättere mein kleines Büchlein ... Viele umränderte Namen: Schaljapin ... Stanislawskij... Jushnij... und noch Namen nach Namen, die ich zum ewigen Schlaf begleitet habe. Und nun nehme ich den Hut vor einem frischen Grabe ab und denke: „Was wird aus der Welt, wenn alle, die uns das Leben in den schrecklichsten Zeiten verschönert haben, die uns Kraft zum Glauben an den Sieg des Göttlichen geschenkt haben, sterben? Ist denn unser Schicksal besiegelt? Nein... Jene, die gestorben sind, leben weiter, denn unsterblich ist der Geist des Menschen, er steht über allem Bösen und keiner kann ihn töten... Er wächst in die Zeit hinein und wird nie sterben!“ 3 Neujahrsbegrüßungen bei der Hauptstadt