Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1939. április (86. évfolyam, 75-98. szám)

1939-04-01 / 75. szám

Samstag, T. Apr!! 1939 PESTER LLOYD Rassentheorie stellte. Die Welt sei fieberkrank, das Übel müsse daher eine grundlegende Ursache haben. Diese Ursache liege darin, daß bei den Friedensschlüssen nicht die' Gerechtigkeit, sondern die Rachsucht Oberhand ge­wonnen hatte. Staaten seien zerrissen, neue Nationen ge­schaffen und Gewalt zum Recht erhoben worden. Nicht 'die Assimilation, sondern eben die Dissimilation müsse verhindert werden und wir dürfen aus dem öffentlichen Leben solche Elemente nicht aussohalten, die zu guten Ungarn wurden und uns großen moralischen Nutzen ver­schafft haben. Die einzige Grundlage einer kleinen Nation sei das Recht. In dem Augenblick, da wir das Recht als Machtfaktor nicht mehr in Betracht ziehen und gegen unser Verfassungsrecht verstoßen, sobald wir Recht von Macht und Größe abhängig machen, setzen wir an Stelle des Rechts die Gewalt ein, was nicht zulässig sei. Wir müssen in die Fußstapfen unserer Ahnen treten, die nichts außer ihrem Schwert und ihrem Recht gehabt haben. Gott habe uns das Schwert wiedergeschenkt, doch zu unserem Rechte werden wir nur gelangen, wenn wir an der Ge­rechtigkeit festhalten und Ungerechtigkeiten weder dulden, noch selber begehen. Man müsse auch dafür sorgen, daß die Durchführung des Gesetzes auf eine Art erfolge, die keinen Schaden anrichtet und keine Leiden verursacht. Die Durchführung müsse daher von Billigkeit und christ­lichem Mitgefühl durchdrungen sein. Die Verjagung des wertvollen Judentums würde uns nichts nützen. Auch unter den Mitgliedern der Ausschüsse gebe es hervor­ragende Männer von Namen, die Stützen des ungarischen öffentlichen Lebens seien, obwohl sie nicht alle als Arier bezeichnet werden können. Wenn es imbedingt notwendig sei, die Vorlage zum Gesetz zu erheben, so mögen wir wenigstens in der Durchführung vorsichtig sein. Zum Schluß stellte er folgenden Antrag: „Mit der Durch­führung des Judengesetzes wird ein Regierungskommissär beauftragt, dem eine Kontrollkommission zugeteilt wird. Die Mitglieder dieses Ausschusses werden aus den Mit­gliedern des Abgeordnetenhauses juryartig ausgelost und im Oberhause vom Präsidenten kandidiert.“ Qberhausmitglied Dr. Ludwig Szilágyi gab den Vor­gängern des gegenwärtigen Ministerpräsidenten die Schuld, daß dieser jetzt in der gegenwärtigen Form die Vorlage vertreten müsse. Bei der Beurteilung des Problems müsse man vor Augen hatten, daß die Juden auch schöpferische Kraft besitzen, gleichzeitig aber auch von einem zersetzenden Geist erfüllt seiten. Die Vorlage erfülle ihn mit schweren Bedenken, weil sie die bisherige Auffassung von der Rechtsgleichheit und von der Rechts­sicherheit erschüttere und zum Teil auch gegen die Re­ligionsfreiheit verstoße. Im ganzen Lande spreche man davon, daß--die Vorlage unter einem nicht zuständigen ausländischen Einfluß geschaffen worden sei. Er habe nicht die Absicht, eine diesbezügliche Äußerung des Mi­nisterpräsidenten zu provozieren und setze nicht einmal von seinem größten politischen Gegner voraus, daß eine Gesetzesvorlage auf ausländischen Druck zustandekomme. Ministerpräsildenit Graf Paul Teleki: Ich habe in mei­ner Antrittsrede im Abgeordnetenhause bereits erklärt und sage es auch hier, daß wir auf eigenen Füßen stehen. Solange ich diese Stelle bekleide, stehen wir auf eigenen Füßen. (Laniganhaltende stürmische Eljenrufe und Bei­fall.) Ich weiß wirklich nádht, warum ich ernstgemeinte Erklärungen auch Mitgliedern des Oberhauses gegenüber Tag für Tag wiederholen muß. (Lebhafte Zustimmung.) OberhausmitSglied Dr. Szilágyi gab seinem Bedauern darüber Ausdruck, daß der Ministerpräsident seine ganze Rede nicht mit Aufmerksamkeit verfolgt habe und des­halb »ei et notwendig, daß der Ministerpräsident eich abermals äußere. Ministerpräsident Graf Paul Teleki: Ich halte das nicht für notwendig, denn was ich einmal gesagt habe, das trifft zu. (Stürmische Eljenrufe und Beifall.) Oberhausmitglied Szilágyi erklärte schließlich noch, daß er diesem Gerücht niemals Glauben geschenkt habe und von der Regierung auch nicht voraussetze, daß sie sich beeinflussen lasse. Er gab ’der Hoffnung Ansdruck, daß die Regierung die Ausnahmen in der Weise durch­führen werde, daß keine Ungerechtigkeiten verübt werden. Oberhausmitglied Dr. Wekerle meinte, daß bei ent­sprechender Durchführung des ersten Judengesetzes die zweite Judenvorlage überflüssig gewesen wäre, bei deren Schaffung die Regierung unter dem Druck der öffentlichen Meinung gestanden sei. Er stimme den Ausführungen des Kardinal-Fürstprimas und ’der übrigen ungarischen Kirchenfürsten vollinhaltlich bei, unfd trat für eine ent­sprechende Abänderung des Paragraphen 1 der Vorlage ein, der auch in dem Falle unannehmbar wäre, wenn im Sinne des Paragraphen 2 keine Ausnahmen enthalten wären. Er stimmte ‘der Einberufung einer Jury zu, die zu bestimmen hätte, welche Juden gleichberechtigte Mit­glieder der Gesellschaft sein können und deren die Nation auch weiterhin bedarf. Er unterbreitete einen Beschlußantrag, wonach die vereinigten Ausschüsse die Vorlage in der Hoffnung an­nehmen sollen, daß im Laufe der Spezialtdebatte die auf­getauchten Bedenken zerstreut werden können, unld daß bezüglich der Vorschläge für die einzelnen Abänderungen ein Unterausschuß eingesetzt werde, dem die Präsidenten und Referenten der vereinigten Ausschüsse, sowie der Kardinal-Fürstprimas, als Präsident des einen Ausschusses, ferner in Vertretung der christlichen Kirchen ’die Bischöfe Glattfelder, Ravasz und Raffay angeboren. Die vereinigten Ausschüsse hätten nach Schluß der Generaldebatte ihre Sitzungen bis zur Unterbreitung der auf 'die Einzelheiten bezüglichen Anträge zu vertagen. IT Glück Ton Tibor Székely I. Dr. Elemér Kiss trat acht Uhr abends den In­spektionsdienst in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses an. Er war befangen, obschon er nicht zum ersten Male diese verantwortungsreiche Aufgabe übernehmen mußte — aber auch nicht zum hundertsten Male, denn er war erst vor zwei Monaten zum Assistenzarzt ernannt worden. Dies war die achte Nacht, die er in dem Bewußtsein verbringen jnußte, daß eine höhere Macht ihn zum Gebieter über Leben und Tod bestimmt hatte; — daß, wenn in der düstern Nacht an irgendeinem Punkte der Stadt der gewalttätige Tod sich meldete, er nieman­den um Beistand ersuchen konnte, sondern ganz allein die Zauberformel finden mußte, mit deren Hilfe es vielleicht doch noch möglich würde, den Tod zu vertreiben. Ganz allein war er ja nicht: er mußte bloß auf einen Knopf drücken, um Pflegerin­nen und Gehilfen herbeizuschaffen und ein Medizi­ner, der bereits knapp vor seinem Doktorat stand, war ihm auch noch zur Verfügung gestellt; doch all’ dies betonte seine Isoliertheit nur noch mehr. Wirklich einsam ist man nicht inmitten einer Wüste — fuhr es ihm durch den Kopf —, sondern vielmehr in der Zirkusmanege, wo die gaffende Menge von einem irgendeine Produktion erwartet, die sie selbst unfähig ist, zu vollführen. Zeitweise, wenn das Rattern eines vorüberfah­renden Autobus die Mauern des Krankenhauses erbeben ließ, schreckte er auf und versuchte auf die Frage zu antworten, was wohl geschehen würde, wenn etwa zwei Schnellzüge in der Finsternis ineinan­­derliefen, oder wenn ein Miethaus zusammenstürzte und er aus einem Blutstrom fünfzig Leben erretten sollte? Bisher hatte er im Laufe seiner .Nachtinspek­tionen allerdings bloß drei ernstere Fälle zu verse­hen gehabt: einen Armbruch, eine Knöchelverren­­kung und eine Brandwunde zweiten Grades. Am heu­tigen Abend gab es recht viel zu tun. Draußen fiel mit Eis vermengter Regen, die Bürgersteige waren schlüpfrig und die Rettungsleute hatten ihm bereits vier Menschen mit Quetschwunden ins Krankenhaus gebracht. Gegen zehn Uhr setzte dann ein starker Frost ein und der Arzt hoffte, daß er nunmehr den Rest der Nacht in Ruhe verbringen würde. Er ging in sein Zimmer und schrieb einen Brief an seinen Vater nach Kőszeg, schrieb, was er auch sonst zu schreiben pflegte: daß es ihm gut ginge, daß er hier in der Hauptstadt gewiß bessere Aussichten für die Zukunft habe, als in der Provinz. Dann setzte er aber doch, fast ohne es zu wollen, hinzu, daß er dennoch froh wäre, auf dem Lande leben zu kön­nen. Er verschloß den Umschlag, legte sich aufs Sofa und nahm einen englischen Familienroman zur Hand. Seit bereits einer Woche las er in dem Buche und schlief gewöhnlich nach zwei Seiten ein. Nun war er bereits zur zweiten Seite gelangt, als ihn schrilles höhnisches Geklingel in das Ordinationszim­mer hinunterrief. Auf dem Tragbett der Rettungsgesellschaft lag ein hübscher, kräftiger Mann mit wächsernem Ge­sicht, bewegungslos. Unter der linken Brustwarze er­blickte der Arzt inmitten einer kraterähnlichen kleinen Öffnung einen < Fremdkörper. Schaudernd ward er sich bewußt, daß dies wohl die abgebrochene Spitze eines Taschenmessers sein mochte. Inzwischen erzählte der Rettungsarzt leise und schnell, daß man den Ungiicklichem im Stadtwäld­chen auf gelesen habe. Laut der Aussage einiger Augenzeugen batte der Sieger des edlen Wettstreites sein Taschenmesser mit aller Gewalt in das Herz seines Opfers gestoßen und wollte es dann schnell wieder herausziehen, um zu verhindern, daß man an dem Griff des Mordinstruments den Täter entdecken könne. Das Messer aber saß so fest, daß er cs nicht herausziehen konnte. In seiner Verzweiflung packte er den Stiel — er war ein kräftiger, rotier Bursche —- und drehte so lange an ihm herum, bis es gelang, die Spitze abzubrechen, die dann in der Wunde stecken geblieben war. Der Rettungsarzt erzählte dies alles und lächelte nervös dabei. Wahrhaftig, dieser menschliche Körper da war in solch einem hoffnungslosen Zustand, daß der zaghafte Dr. Kiss den grausamen Hohn eines unerbittlichen Schicksals zu verspüren meinte. „Es ist ganz unglaublich, aber sein Puls schlägt roch immer“ — schloß der Rettungsarzt seinen Vor­trag und übergab mit einer höflichen Geste den Kranken seinem Kollegen, als wäre er glücklich, ihm eine würdige Aufgabe verschafft zu haben, indem er ihm einen gründlich verdorbenen menschlichen Kör­per zur Verfügung stellte. Da, bitte, bringen Sie alles wieder hübsch in Ordnung... Dr. Kiss blickte den Rettungsleuten verständnis­los nach. Die Aufgabe schien picht bloß sein Können, sondern selbst seine Einbildungskraft zu übersteigen. Er fühlte, wie eine eisige Kälte sich seines Körpers bemächtigte. Beinahe gleichgültig und etwas verwun­dert sah er zu, wie das Tragbett nun in den Aufzug geschoben wurde. Dann stieg auch er ein. Der Medi­ziner war auch da und sagte stolz, als habe er etwas ganz Besonderes entdeckt: „Der Mann muß ein Herz haben wie ein Rhinozeros! Ja, das nenne ich ein 1-Ierz!“ Später war es dem Arzt, als wäre er gar nicht anwesend — und doch teilte er Befehle aus, wusch sich die Hände... Die Instrumente wurden sterili­siert. Dann kam es ihm vor, als tue er gar nichts, als spräche er mit qualvoller Langsamkeit einen Mo­nolog, als würde von diesen paar Worten eine halbe Stunde ausgefüllt: „Das Messer ist in die Wand der linken Kammer eingedrungen. Die Gefahr einer Verblutung liegt nicht vor. Den Kranken kann aber eine Herzlähmung sofort Jtuttfülftttiu TT ^ 3zövir TfluHáftági cp»Hvneio.1 Magyarország őskeresztény kézben levő egyetlen posztógyára, üzemben 1922 óta. Szövetboltjai i IV., Probászka Ottokár-u. 8. — VI., Teráz­­k&rot 8. — II.. Margit-kőrut 50. — VIL, Ba­­ross-tér 15. - V., Berlini-tér 6. Die Nachmittagssitzung Oberhausmitglied Baron Prönay betonte, daß er ebenso wie alle Mitglieder des Oberhauses in eine Waag­schale sein Gewissen, seine christliche, patriotische Ge­sinnung und die Interessen der Nation lege, in die andere Waagschale aber alle Argumenle für unldi wider die Vor­lage. Wenn sein Gewissen ihm befehle, die Vorlage ohne Änderungen nicht anzunehmen, weil sie seine christliche Gesinnung verletze und den Interessen der Nation wider­spreche, so würde er die Vorlage ohne Änderungen nicht annehmen, selbst wenn er als Judensöldling bezeichnet würde, Der Redner schloß sich dem Antrag des Qber­­hausniilglifdps Dr, Wpketle an, einen Upterausschiuß cin­­zusetzen, der die schriftlich eingereioliten Amendements prüfen werde. In seinen weiteren Ausführungen wies Baron Prónay auf die Widersprüche hin, die in der Vorlage enthalten sind, führte einige krasse Beispiele dafür an, welche unhaltbaren Fälle bei der Durchführung des Gesetzes sich ergeben würden, und erklärte, daß sich die Wirtschaftslage des Landes nach der Durchführung des Gesetzes höchst kläglich gestalten werde. Es sei ge­wissenlos, die Juden zur Auswanderung zwingen zu wol­len. Dies sei ein internationales Problem, das noch nicht gelöst wurde. Überdies sei es sehr fraglich, ob die unga­rische Wirtschaft eine Massenauswanderung des Kapitals ertragen könnte. Es sei höchstens eine Vermögensenteig­nung möglich, die er aber niemals billigen werde. Oberhaiusmitglied Dr. Harrer erklärte, daß das Gleichgewicht zwischen Juden und Christen notwendiger­weise hergestellt werden müsse. Dies sei aber mit Hilfe der bestehenden Gesetze möglich, ohne daß die Grund­sätze der ungarischen Verfassung, die Gefühle der Huma­nität und die materiellen Interessen des Landes verletzt werden würden. Aus diesem Grunde sei ein neues Gesetz überflüssig, doch sei er dennoch geneigt, unter dem Ein­druck der zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen di« Vorlage im allgemeinen anzunehmen. Oiberhausmitgliod Nikolaus Ludäny beleuchtete dia Vorlage aus dem Gesichtswinkel der Dorfbevölkerung. Er bemängelte u. a., daß im Zusammenhang mit dem Boden die Vorlage keine imperativen Bestimmungen darüber enthalte, ob ein Jude nach dem Inslebentrelen des zweiten Judengesetzes Grund und Boden pachten könne. Werda diese Frage nicht bereinigt, dann könne das Judenproblem vom Gesichtspunkt der Dorfbevölkerung nicht gelöst werden. Qberhausmitglied Dr. Roland v. Hegedüs lehnte die Vorlage ab, weil sie der christlichen und nationalen Auf­fassung widerspreche. Der Redner befaßte sich sehr eilt­­gehend mit der Frage der Auswanderung, 'die seiner Auf­fassung nach an Devisenschwierigkeiten Schiffbruch er­leiden werde. Die Vorlage bringe 'den Christen keine Hilfe, sie vernichte iim Gegenteil die Möglichkeit, der» Christen helfen zu können, sie löse nicht die Judenfrage, sie (werde im Gegenteil die wirtschaftliche Entwicklung unmöglich machen. Besonders unchristlioh sei es gewesen, den Entwurf knapp vor Weihnachten einzureichen. Dia 3

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